Die zeitgenössische Diskussion um die Trade Unions und ihre Rolle in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts in Großbritannien


Seminararbeit, 1997

10 Seiten


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Die wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation um die Jahrhundertwende und im frühen 19.Jahrhundert

3. Die Diskussion um und Modifikation des Combination Act

4. Die weitere Diskussion

5. Fazit

Literaturangaben

1. Einleitung

Gewerkschaften nehmen in der heutigen Gesellschaft einen selbstverständlichen Platz ein, in welchem sie die Interessen der Arbeiter und Angestellten in Tarifverhandlungen und sonstigen Belangen vertreten. Ein Blick in die Geschichte zeigt, daß dieses Recht, sich zu einer Gewerkschaft zusammenzuschließen, lange Zeit alles andere als selbstverständlich war. Die vorliegende Hausarbeit skizziert die Situation in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts und nennt Gründe, die damals für und gegen den Zusammenschluß der Arbeiterschaft angeführt wurden.

2. Die wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation um die Jahrhundertwende und im frühen 19.Jahrhundert

Zu Beginn des 19.Jahrhunderts hatte die industrielle Revolution in Großbritannien bereits zu Zuständen geführt, die eine Umschichtung der Gesellschaft mit sich brachten. Massenbeschäftigung und Optimierung von Produktionsabläufen benötigten immer mehr Menschen. Die Zahl der Arbeiter stieg unaufhörlich. Die Städte, in denen sich Industrie akkumulierte, wie etwa Manchester und Liverpool, wuchsen in einem nie gekannten Ausmaß. Doch die Massenproduktion hatte auch Schattenseiten. Die vormals in Gilden zusammengeschlossen Berufsstände, die über Jahrhunderte klar strukturierte und funktionierende Regeln hatten, mußten sich immer mehr damit abfinden, daß sich ihre Berufsbilder veränderten. Im Mittelalter, bzw. in der frühen Neuzeit war es quasi für jeden Mann möglich, nach einer siebenjährigen Ausbildung und der Walz als Journeyman, selber ein Master zu werden und Lehrlinge und Gesellen zur Ausbildung aufzunehmen.

Betriebe im späteren Sinne gab es nicht, ein Meister hatte nur ein paar wenige Auszubildende und richtete sich nach der Nachfrage. Gab es in einem Ort nicht mehr genug Arbeit für alle, zog man fort, bis man einen Platz mit Arbeit fand.

Diese Zustände verschwanden um die Jahrhundertwende mehr und mehr. Große Betriebe mit Tausenden von Arbeitern entstanden, und durch die Landflucht gab es ein Überangebot von Menschen, die dort Anstellungen suchten. Die Arbeitsbedingungen in den Betrieben waren hart und unmenschlich. Arbeitszeiten lagen bei täglich bis zu 16 Stunden, die Bezahlung war äußerst gering und erfolgte nicht ausschließlich in Geldform. Die Masters, wie nun die Fabrikbesitzer genannt wurden, waren sich der Situation um die Arbeiterschaft bewußt und versuchten immer mehr immer billiger zu produzieren. Lohnerhöhungen waren unbekannt, bei Krankheitsausfall gab es selbstverständlich keine Lohnfortzahlung, der Betroffene konnte im besten Fall darauf hoffen, daß ihm nicht gekündigt wurde.

Da immer mehr Menschen von diesen Umständen betroffen waren, kann man die Jahrhundertwende als ungefähre Entstehungszeit der Arbeiterklasse nennen. Die Klasse entwickelte in der folgenden Zeit ein Bewußtsein und es formierten sich Ansätze einer Bewegung, die bis zur heutigen, inzwischen selbstverständlich gewordenen, Existenz der großen Gewerkschaften als Anwalt der Arbeiterschaft führten. Entscheidend für die Entwicklung war die Zeit der 20er und 30er Jahre des letzten Jahrhunderts, in denen in Großbritannien die Rolle von Bourgeoisie, Arbeitern und Legislative diskutiert wurden.

3. Der Combination Act

Die Arbeiter hatten anfänglich kaum eine Möglichkeit, ihre Interessen zu vertreten; die Meinung eines Einzelnen hatte kein Gewicht. Es war klar, daß die Arbeiter ihre Interessen, etwa nach mehr Lohn oder kürzeren Arbeitszeiten nur artikulieren konnten, wenn sie sich zusammenschlossen und sich organisierten. Das Problem bestand darin, daß Zusammenschlüsse jeglicher Art unter Arbeitern verboten waren. Der Combination Act, ein Gesetz, welches seine Ursprünge im Mittelalter hatte, sah für diesen Fall harte Strafen vor. Dieses Gesetz galt auch für die Fabrikbesitzer, welche jedoch mit geringeren Strafen zu rechnen hatten: „...the very same statue which punishes the poor workmen who enter into a combination, with a lengthened, and, in some cases, solitary imprisonment, allows the combining masters to escape, on payment of a trifling penalty of TWENTY POUNDS!!!“1 Der Zusammenschluß von Masters wurde als schädlicher als der der Arbeiter angesehen, verfügten diese doch durch ihre geringe Anzahl über bessere Verbindungen untereinander, über eine höher Bildung und hätten durch ihr Kapital mehr Möglichkeiten.2

Die Combination Laws begünstigten Masters mit schlechten Absichten, ihre Arbeiter zu unterdrücken: „It is the bane of the combination laws that, while encourage and prompt the most humane and indulgent masters to resist an advance of wages, even when the claim for it is well founded, they furnish those of a different character, and who may be disposed to act oppressively, with the means of indulging their vindictive feelings, and, in some measure, of dictating the whole trade.“3

Doch auch auf der anderen Seite gab es Kritik. Die Trade Unions wurden von bestimmten Kreisen als Gefahr für eine gut funktionierende Wirtschaft gesehen. Es wurde befürchtet, daß sich die Gewerkschaften, wenn sie erst einmal erlaubt würden, durch überzogene Lohnforderungen nicht nur den jeweiligen Betrieb schwächen, sondern auch in makroökonomischer Hinsicht schädigende Wirkung haben könnten. Des weiteren hatte man die Sorge, daß die Mittel zur Durchsetzung von Forderungen über Streiks, welche schon als bedrohlich angesehen wurden, hinausgingen, bis zur Anwendung von Gewalt und Arbeiteraufständen.

Nichtsdestotrotz beschloß das Parlament einen Ausschuß mit der Erörterung zu beauftragen, inwiefern es angebracht sei, den Combination Act zu modifizieren, da man den Bedürfnissen der Arbeiter eine Möglichkeit zur Organisation bieten wollte. 1825 erfolgte dann in zweiter Instanz eine überarbeitete Version des Gesetzes, welches die Zusammenschlüsse von Arbeitern grundsätzlich erlaubte. Verboten waren die Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung von Forderungen und die Einschüchterung, beziehungsweise Ausgrenzung von nicht organisierten Mitarbeitern. Sir Robert Peel, Mitglied des Ausschusses, kommentierte die neue Freiheit der Arbeiter: „Men who ... have no property except their manual skill and strength, ought to be allowed to confer together, if they think fit, for the purpose of determining at what rate they will sell their property.“4

4. Die weitere Diskussion

In der Folgezeit entstanden im ganzen Land Gewerkschaften, geheime Verbindungen wurden offiziell. Allerdings kann im heutigen Sinne nicht von Gewerkschaften gesprochen werden. „Trotz Aufhebung des Koalitionsverbots war in der Zeit des größten Arbeiterelends - in den dreißiger und vierziger Jahren - von einer echten gewerkschaftlichen Organisation keine Rede.“5 Nichtsdestotrotz schlossen sich die Arbeiter zusammen, um ihre Meinungen hervorzuheben. Das dies jetzt legal war bedeutete jedoch nicht, daß Trade Unions nun allgemein akzeptiert wurden. Die Diskussion ging weiter, insbesondere um den Sinn und die Zweckmäßigkeit von Aktionen der Gewerkschaften.

Kritiker der Unions warfen diesen einiges vor, etwa deren Umgang mit Beiträgen, die jeder organisierte Arbeiter abführen mußte. Die Gewerkschaften nahmen einen bestimmten Betrag, zumeist pro Monat, der in einen Fonds eingezahlt wurde. Dieses Geld wurde dann zum Beispiel für die Zahlung von Streikgeld oder bei Arbeitsausfall durch Krankheit gezahlt. Die Kritiker bemängelten, daß zuviel von diesem Geld für Verwaltungskosten und für Alkoholika und Essen bei Meetings ausgegeben wurde. „Of the two hundred pounds paid as entrance-money into the Trade Unions nearly two years ago, I calculated that L.50 were spent in regalia: L.100 in eating, drinking, and wages for the Union’s committees; leaving only L.40 for the purposes originally contemplated by the members.“6 In diesem Punkt sahen Kritiker den Sinn der Gewerkschaften in Frage gestellt; die Lohnerhöhungen, die man auf der einen Seite erzielte, würden auf der anderen Seite durch Geldverschwendung, und daraus resultierenden überhöhten Beiträgen wieder wett gemacht, so daß im Endeffekt kein großer Nutzen entstünde.

Der zweite große Kritikpunkt betraf die Wahl der Mittel, welche die Arbeiter anwandten, um ihre Ziele und Forderungen durchzusetzen. Obwohl es verboten war, geschah es doch, daß illegale Aktionen gestartet wurden. Zum Beispiel beim Streik der Ziegeleiarbeiter 1843 in Manchester: „Während dieses Streiks wurde eine Ziegelei von den Streikenden gestürmt, die mit Musketen bewaffnet waren und der bewaffneten Schutztruppe der Unternehmer eine erbitterte Schlacht lieferten. Obwohl sie der Gegner aus guter Deckung einem heftigen Feuer aussetzte, räumten sie nicht das Feld, bevor sie die Ziegelei zerstört hatten.“7 Ein weiteres Beispiel sind die sogenannten Machine-Breakers, Arbeiter, die den Einsatz der Maschinen in den Fabriken für den Hauptgrund der schlechten Situation ihrer Schicht sahen. Diese organisierten sich, um die Maschinen zu zerstören. Damit schadeten sie sich im Endeffekt selber, die Maschinen an sich stellten nicht das Problem dar, sondern die Masters, die ihre Arbeiter überflüssig machten. „It [machinery] is a good to every body, working classes included, if only it does not come so rapidly as to throw great masses of people out of employment, faster than the consequent demand for hands in other branches can take up.“8

Doch diese ganz radikalen Auswüchse waren nicht die Regel, die meisten Combinations sahen die Bestreikung eines Betriebes als äußerstes und letztes Mittel in den Auseinandersetzungen mit den Chefs vor. „Even in those cases in which wages are notoriously depressed below the proper level, workmen will always be shy about striking, and will resort to it only as a last resource.“9

Was von den Kritikern oft außer Acht gelassen wurde, ist die politische Arbeit der Gewerkschaften, denen es immer auch darum ging, der Arbeiterschaft auf breiter Ebene eine Stimme zu verschaffen. Die Westminster Review schrieb in ihrem Artikel Machine-Breaking über die Unsinnigkeit der Corn Laws, welche nur dazu dienten, die Landlords reicher zu machen und die Arbeiterschaft nicht nur in Armut, sondern auch verhungern zu lassen. Die Arbeit der Gewerkschaften und Medien, die diese Arbeit positiv unterstützten, haben letztendlich dazu geführt, Reformen einzuleiten.

6. Fazit

Die Geschichte der Gewerkschaften in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts zeigt, wie schwierig es war, der durch die industrielle Revolution umgeschichteten Gesellschaft neue, gerechte Gesetze folgen zu lassen. Der Einsatz der Gewerkschaften ab 1825 und die Weitsicht einiger Politiker haben jedoch 1832 in der Reform Bill und später im Chartismus Früchte getragen, der - zwar erst viel später - zum allgemeinen Wahlrecht führte. Jedoch war der Kampf um die Rechte der Arbeiterschaft schwierig und entbehrlich für die Betroffenen. Die heutige Situation, in der Gewerkschaften selbstverständlich mit Vertretern der Arbeitgeber über Arbeitsbedingungen diskutieren, wäre damals einer Revolution gleichgekommen.

Literaturliste

Combination Laws - Restraints on Emigration etc., in: Edinburgh Review, (39)1823, S.315-45.

Trades‘-Unions and Strikes, in: Edinburgh Review, (59)1834, S.351-59.

Machine-Breaking, in: Westminster Review, (14)1831, S.191-210.

Gurland, A.R.L., Wirtschaft und Gesellschaft im Übergang zum Zeitalter der Industrie, in: Mann, Golo(Hrsg.), Propyläen Weltgeschichte, Bd.8. Frankfurt/Main, 1960

Hutt, Allen, Gollan, John, Die Gewerkschaftsbewegung in Großbritannien. Hamburg, 1977.

Kirby, R.G., Musson, A.E, The Voice of the People: John Doherty, 1798-1854. Trade Unionist, Radical and Ractory reformer. Manchester, 1975.

Pelling, Henry, A History of British trade unionism. Harmondsworth, 1976.

Pimlott, Ben, Cook, Chris (Hrsg.), Trade unions in British History. London. 1991

Price, Richard, Masters, Unions and Men: Work Control in Building and the Rise of Labour 1830-1914. Cambridge, 1980

[...]


1 Edinburgh Review (39)1823, S.324

2 ebenda, „...it is clear, that the smaller number of the masters, the close and intimate connexion subsisting among them, their superior intelligence, and the greater amount of their accumulated wealth, must render a combination on their part incomparably more injurious to their servants, than a combination among the latter can be to them.“

3 Edinburgh Review (39)1823, S.330

4 Pelling, Henry, A History of British trade unionism. Harmondsworth, 1976., S.32

5 Gurland, A.R.L., Wirtschaft und Gesellschaft im Übergang zum Zeitalter der Industrie, in: Mann, Golo(Hrsg.), Propyläen Weltgeschichte, Bd.8. Frankfurt/Main, 1960, S.294

6.Edinburgh Review (59)1834, S.352

7 Hutt, Allen, Gollan, John, Die Gewerkschaftsbewegung in Großbritannien. Hamburg, 1977, S.11

8 Westminster Review (14)1831, S.192/3

9 Edinburgh Review (39)1823, S.322

Ende der Leseprobe aus 10 Seiten

Details

Titel
Die zeitgenössische Diskussion um die Trade Unions und ihre Rolle in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts in Großbritannien
Veranstaltung
Universität zu Köln, Historisches Seminar, Anglo-Amerikanische Abteilung, Einführungsseminar "Geschichte und Theorien des Imperialismus am Beispiel des British Empire"
Autor
Jahr
1997
Seiten
10
Katalognummer
V94697
ISBN (eBook)
9783638073776
Dateigröße
345 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
in englischer Sprache
Schlagworte
Diskussion, Trade, Unions, Rolle, Hälfte, Jahrhunderts, Großbritannien, Universität, Köln, Historisches, Seminar, Anglo-Amerikanische, Abteilung, Einführungsseminar, Geschichte, Theorien, Imperialismus, Beispiel, British, Empire
Arbeit zitieren
René Rosso (Autor:in), 1997, Die zeitgenössische Diskussion um die Trade Unions und ihre Rolle in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts in Großbritannien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/94697

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