Mechanismen von Lieferketten bei Lebensmittelrückrufen


Bachelorarbeit, 2020

63 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Abbildungsverzeichnis

II. Tabellenverzeichnis

III. Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Zielsetzung
1.2 Vorgehensweise

2 Theoretische Grundlagen
2.1 Begriffsdefinitionen
2.1.1 Lebensmittelskandal, Lebensmittelrückruf
2.1.2 Lebensmittellieferkette
2.2 Lebensmittelrechtliche Grundlagen und Krisenmanagement
2.2.1 Lebensmittelrechtlicher Hintergrund
2.2.2 Schnellwarnsysteme

3 Vergangene Lebensmittelskandale
3.1 Süßwarenbranche
3.1.1 Rückruf von Mars 2016
3.1.2 Rückruf dmBio Stollenkonfekt 2016
3.1.3 Rückruf Bhu Foods Proteinriegel 2017
3.2 Tiefkühlfischbranche: Chlorat in Pangasius Filet 2019

4 Analyse der Meldungen im RASFF-Portal von 2015 bis 2018
4.1 Produktkategorie Süßwaren
4.2 Produktkategorie Tiefkühlfisch

5 Diskussion
5.1 Häufigkeit der Meldungen
5.2 Art der Gefahren
5.3 Betrachtung der Lieferketten
5.4 Kritische Würdigung

6 Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

I. Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Eigene Darstellung: Differenzierung von LM-Skandalen nach Ursache, Verlauf und ökonomische Auswirkungen

Abbildung 2: Die vier Komponenten der Lebensmittelintegrität

Abbildung 3: Vereinfachte Lieferkette

Abbildung 4: Eigene Darstellung der Meldekette von Lebensmittel- und Futtermittel­ Warnungen via RASFF

Abbildung 5: Prozess des Rückrufs von Mars

Abbildung 6: Prozess des Rückrufs von dm Stollenkonfekt

Abbildung 7: Prozess des Rückrufs von Bhu Foods

Abbildung 8: Prozess des Rückrufs bei Clama GmbH & Co. KG

Abbildung 9: Anzahl der Meldungen im RASFF 1979-2018 nach Warengruppe

Abbildung 10: Gesamtanzahl der Meldungen im RASFF 2015-2018 nach Warengruppe

Abbildung 11: Anzahl der Meldungen im RASFF nach Jahren und Warengruppe

Abbildung 12: Anzahl Meldungen im RASFF zu Süßwaren nach Jahr

Abbildung 13: Meldungsart der Meldungen im RASFF 2015-2018 für Süßwaren

Abbildung 14: Häufigkeitsverteilung der Meldegrundlagen von Süßwaren

Abbildung 15: Ursprungsverteilung der Meldungen im RASFF von Süßwaren 2015­2018

Abbildung 16: Top 10 einzelne Ursprungsländer der Nicht-EU der Meldungen im RASFF zu Süßwaren 2015-2018

Abbildung 17: Ursprungsländer von Süßwaren mit Anzahl der Meldungen im RASFF 2015-2018

Abbildung 18: Von den Meldungen im RASFF betroffene Länder 2015-2018 von Süßwaren

Abbildung 19: Risikobewertung der Meldungen im RASFF von Süßwaren 2015-2018

Abbildung 20: Status der Distribution von gemeldeten Süßwaren im RASFF 2015-2018

Abbildung 21: Meldungen im RASFF zu Fisch nach Verarbeitungsart von 2015-2018

Abbildung 22: Anzahl der Meldungen im RASFF von Tiefkühlfisch nach Jahr

Abbildung 23: Meldungsart der Meldungen im RASFF 2015-2018 für Tiefkühlfisch und Erzeugnisse daraus

Abbildung 24: Häufigkeitsverteilung der Meldegrundlagen von Tiefkühlfisch

Abbildung 25: Häufigkeitsverteilung der Meldungen im RASFF nach Tatbestand in den Jahren 2015-2018

Abbildung 26: Ursprungsverteilung des im RASFF gemeldeten Tiefkühlfisch 2015-2018

Abbildung 27: Top 10 einzelne Ursprungsländer der Nicht-EU Tiefkühlfisch, gemeldet im RASFF 2015-2018

Abbildung 28: Ursprungsländer von Tiefkühlfisch mit Anzahl der Meldungen im RASFF 2015-2018

Abbildung 29: Von den Meldungen im RASFF betroffene Länder 2015-2018 zu Tiefkühlfisch

Abbildung 30: Top 10 der betroffenen europäischen Länder der Meldungen im RASFF zu Tiefkühlfisch 2015-2018

Abbildung 31: Risikobewertung der Meldungen im RASFF von Tiefkühlfisch 2015-2018

Abbildung 32: Status der Distribution von gemeldetem Tiefkühlfisch im RASFF 2015- 2018

Abbildung 33: Eigene vereinfachte Darstellung: Kontrollen entlang der Lebensmittellieferkette

II. Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Methode der Arbeit

Tabelle 2: Beispiele für Lebensmittelskandale nach Komponente der Lebensmittelintegrität

Tabelle 3: Bedeutende gesetzliche Anforderungen nach Kategorien

Tabelle 4: Ausgewählte Schnellwarnsysteme nach Land und Tätigkeitsbereich

Tabelle 5: Vergleich von Lebensmittelskandalen im Bereich Süßwaren

Tabelle 6: Gekürzte Darstellung der Rohdaten (Anhang A) im RASFF an zwei Beispielen

Tabelle 7: Top 10 der häufigsten Meldungen im RASFF in 2015-2018 nach Warengruppe

Tabelle 8: Häufigkeitsverteilung der Meldungen im RASFF von Süßwaren nach Tatbestand in den Jahren 2015-2018

Tabelle 9: Anteil der Meldungen 2015-2018 im RASFF am Gesamtanteil je Warengruppe nach Art der Gefahr

III. Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

„Lebensmittel, die nicht sicher sind, dürfen nicht in Verkehr gebracht werden“ heißt es in dem Artikel 14 (1) der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des europäischen Lebensmittelrechts. Dennoch kommt es zu Vorfällen, in denen unsichere Lebensmittel in Verkehr geraten. Darauf folgen meist Produktrückrufe, wie bei Mars Inc. im Jahr 2016 (Murmann 2016) oder es kommt vereinzelt bis zu Lebensmittelskandalen, wie in der Vergangenheit „Dioxin in Eiern“, der „Pferdefleischskandal“ oder „umetikettiertes Gammelfleisch“ (NDR o. J.) zeigten. Um, bei in Umlauf gekommenen unsicheren Lebensmitteln, schnell reagieren zu können, existieren von Seiten der Behörden Schnellwarnsysteme, wie beispielsweise das RASFF (Rapid Alert System for Food and Feed) in der europäischen Union (EU). Über dieses System können sie europaweit Informationen über lebens- und futtermittelbedingte Gesundheitsgefahren melden, austauschen und entsprechende Maßnahmen einleiten (Europäische Kommission 2017, S. 1).

Derartige Ereignisse, in denen unsichere Lebensmittel in Umlauf kommen, entstehen oft durch Fehlverhalten einzelner Akteure innerhalb der Lebensmittellieferkette (Kohne und Ihle 2016, S. 1). Wenn ein unsicheres Lebensmittel nicht im Laufe der Lieferkette erkannt wird, kann es auf den Markt gelangen. Dabei kann das Risiko einer Gefährdung der menschlichen Gesundheit oder einer Irreführung der Verbraucher (z.B. bei dem Pferdefleischskandal) entstehen. Die Gefahren können je nach Produktart variieren. Solche Vorfälle, die meist durch die Medien verbreitet werden, können zu Vertrauensverlusten in der Bevölkerung führen. Für Unternehmen kann es schlimmstenfalls zu Imageschäden kommen, die die gesamte Branche betreffen können. Die folglich sinkende Nachfrage, sowie hohe Bußgelder und teure Rückrufaktionen, führen dabei zu finanziellen Verlusten. (Kohne und Ihle 2016, S. 1)

Um den Verbrauchern auf der einen Seite sichere Lebensmittel gewährleisten zu können und der Industrie auf der anderen Seite Folgen, wie Imageschäden oder finanzielle Verluste, einzudämmen, ist eine schnelle Aufklärung von Lebensmittelsicherheitsvorfällen zwingend notwendig.

1.1 Zielsetzung

An dieser Problemstellung knüpft die vorliegende Bachelorarbeit an. Das Ziel ist die Identifizierung von Mechanismen in Lieferketten bei Lebensmittelrückrufen. Dazu wird eine Analyse von Meldungen, hinsichtlich Auffälligkeiten in Bezug auf die Lebensmittelsicherheit, die im Schnellwarnsystem RASFF in den Jahren 2015 bis 2018 erfasst wurden, durchgeführt. Dabei liegt der Fokus auf dem Vergleich der beiden Warengruppen „Tiefkühlfisch“ und „Süßwaren“ in Hinblick unterschiedlicher Parameter. Zur exemplarischen Darstellung dienen ausgewählte vergangene Lebensmittelrückrufe und -skandale. Aus dieser Zielsetzung ergibt sich folgende zentrale Forschungsfrage:

„Inwiefern unterscheiden und gleichen sich die im RASFF gemeldeten unsicheren Lebensmittel in den Warengruppen „Süßwaren“ und „Tiefkühlfisch“ der Jahre 2015 bis 2018 hinsichtlich ihrer Häufigkeit, ihrer Gefahren und der Stelle in der Lieferkette, in der sie erkannt wurden?“

1.2 Vorgehensweise

Für das beschriebene Forschungsziel ergibt sich folgender Untersuchungsansatz:

Tabelle 1: Methode der Arbeit

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung

Zu Beginn werden die Soll-Vorgaben zum Thema „Mechanismen von Lieferketten bei Lebensmittelrückrufe“ mit Hilfe einer Literaturrecherche aufgeführt (Tabelle 1). Im zweiten Kapitel werden dazu zunächst die Begriffe „Lebensmittelskandal“ bzw. „Lebensmitterückruf“ und „Lebensmittellieferkette“ definiert. Zusätzlich werden europäische bzw. deutsche lebensmittelrechtliche Anforderungen dargelegt und wesentliche Schnellwarnsysteme Deutschlands, der EU und den USA vorgestellt. Diese werden zunächst tabellarisch dargestellt und im Folgenden einzeln erläutert. Der Fokus liegt dabei auf dem RASFF, da es zur weiteren Analyse verwendet wird. In den beiden darauffolgenden Kapiteln 3 und 4 wird der Ist-Zustand analysiert. Dazu dient eine exemplarische Datenauswertung von vergangenen Lebensmittelskandalen und - rückrufen in der Süßwaren-, sowie Tiefkühlfischbranche. Sie werden jeweils tabellarischen verglichen und einzeln genauer erläutert. Zusätzlich wird jeweils eine entsprechende Lieferkette vereinfacht dargestellt. Daraufhin erfolgt die statistische Datenauswertung von Lebensmittelmeldungen der beiden Warengruppen. Dazu werden Daten aus dem RASFF Schnellwarnsystem verwendet. Das öffentliche RASFF-Portal, welches von der europäischen Kommission verwaltet wird, eignet sich hierbei als fundierte Datenbank. Die Datenanalyse beschränkt sich auf die Daten der Jahre 2015 bis 2018. Die Meldungen werden in beiden Warengruppen jeweils nach denselben Aspekten analysiert: der Häufigkeit, der Meldungsart und -grundlage, der Gefahr, die von den Lebensmitteln ausgeht, den Ursprungs- und betroffenen Ländern, ihrer Risikobewertung und dem Distributionsstatus der Waren.

Die Warengruppe „Tiefkühlfisch“ wurde ausgewählt, da sie ein Lebensmittel tierischen Ursprungs repräsentiert und als Rohprodukt Risiken für die menschliche Gesundheit bergen kann (z.B. Mikroorganismen). Außerdem wird bei diesem Lebensmittel die Einhaltung der Kühlkette in der gesamten Lieferkette vorausgesetzt. Da Süßwaren, im Vergleich dazu, in der Regel stärker verarbeitete Lebensmittel sind, haben sie bei Unkonformitäten andere Auswirkungen auf die Gesundheit, wie beispielsweise Allergene oder Fremdkörper. Somit werden zwei unterschiedliche Warengruppen betrachtet, um einen umfassenden Überblick über die Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Produktrückrufen zu erlangen.

Daraufhin wird in Kapitel 5 „Diskussion“ ein Soll-Ist-Abgleich durchgeführt. Darin werden die Ergebnisse der beiden Warengruppen erläutert, verglichen und unter anderem auf Grundlage der Literaturrecherche diskutiert. Die Diskussion gliedert sich in die Unterthemen, die für die Beantwortung der Forschungsfrage relevant sind. In der kritischen Würdigung sollen die Grenzen der Untersuchung dargelegt und ein Vergleich zu ähnlichen Ergebnissen anderer Autoren herangezogen werden. Abschließend werden in Kapitel 6 "Fazit und Ausblick" die Ergebnisse dieser Arbeit kurz zusammengefasst und mögliche Lösungsansätze aufgeführt.

2 Theoretische Grundlagen

2.1 Begriffsdefinitionen

Die Begriffe "Lebensmittelskandal" bzw. „Lebensmittelrückruf“ und "Lebensmittellieferkette" stellen einen zentralen Faktor dieser Abschlussarbeit dar. Um im Verlauf dieser ein einheitliches Verständnis voraussetzen zu können, werden beide Begrifflichkeiten im Folgenden definiert und erläutert.

2.1.1 Lebensmittelskandal, Lebensmittelrückruf

Zunächst wird der Begriff „Skandal“ betrachtet. Der Duden definiert einen Skandal, vom griechischen “skandalon” (»Ärgernis«) abgeleitet, als ein „Geschehnis, das Anstoß und Aufsehen erregt“ (Scholze-Stubenrecht und Alsleben 1999, S. 3579). Kepplinger (2001) vertritt den Standpunkt, dass Skandale „keine aufgedeckten vorgegebenen Sachverhalte“ (S.62), sondern die Folge von Kommunikationsprozessen sind. Sie werden, durch die Anschauungsweise, aus der sie betrachtet werden, von einem Missstand, zu einem Skandal (Kepplinger 2001, S. 62). Somit werden Skandale vor allem durch die Medien geprägt. Je umfangreicher und anhaltender sie in den Medien vermittelt werden, desto stetiger werden sie an Bekanntheit in der Bevölkerung gewinnen (Kohne und Ihle 2016, S. 3).

In der europäischen Gesetzgebung und in relevanter Literatur, gibt es keine konkrete Definition für den Begriff Lebensmittelskandal. In der Zeitschrift der Agrarpolitik und Landwirtschaft des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, werden Lebensmittelskandale in einem Bericht ebenfalls als „krisenhafte Ereignisse“ (Kohne und Ihle 2016, S. 2) bezeichnet, die größtenteils eine Gefährdung für den Menschen darstellen. Ebenso können es Ereignisse sein, bei denen keine Gefährdung des Verbrauchers vorliegt, wie beispielsweise bei Irreführung oder Falschdeklaration. Lebensmittelskandale berühren das biologische Grundbedürfnis des Menschen: die Nahrung. Daraus entstehen eine potenzielle Betroffenheit und das Risiko einer Gefährdung des einzelnen Verbrauchers. Umso größer ist daher in der Regel die Entrüstung der Bevölkerung. (Orlamünder 2008, S. 64) Einzelne Lebensmittelskandale unterscheiden sich jeweils nach ihrer Ursache, ihrem Verlauf und der Höhe der ökonomischen Auswirkungen (Abbildung 1). Ein Lebensmittelskandal kann, wie der BSE-Skandal, einen bestimmten Sektor wirtschaftlich beeinträchtigen, während ein einzelbetrieblicher Lebensmittelskandal meist nur einen Schaden innerhalb des Unternehmens erzeugt. (Hinrichs 2006, S. 8)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Eigene Darstellung: Differenzierung von LM-Skandalen nach Ursache, Verlauf und ökonomische Auswirkungen nach Hinrichs 2006, S. 8

Unter einem Rückruf wird „jede Maßnahme, die auf Erwirkung der Rückgabe eines dem Endverbraucher bereits bereitgestellten Produkts abzielt“ (BESCHLUSS Nr. 768/2008/EG Anhang I Art. R1 Nr. 14) verstanden. Demzufolge wird bei einem Lebensmittelrückruf ausgegangen, dass das Lebensmittel bereits beim Endverbraucher angekommen ist und folglich vom Hersteller, Händler oder den Behörden zurückgerufen wird. Wann ein Lebensmittelrückruf zu einem Skandal wird, hängt von der Größenordnung ab, in der er Auftritt. Diese Größenordnung ist nicht definiert. Somit handelt es sich bei einem Lebensmittelskandal um ein Ereignis aus der Lebensmittelindustrie und dem Lebensmittelhandel, bei dem bestimmte Lebensmittel eine Gesundheitsgefahr für den Verbraucher darstellen oder durch Täuschung das Aufsehen der Verbraucher, meist durch die Kommunikation in den Medien, erregt wird. Zu den hier betrachteten Lebensmittelskandalen zählen die, die aus ungewollten und übersehenen Gründen, aber auch durch gewollten und strafbaren Lebensmittelbetrug entstehen.

Ein Lebensmittelskandal kann in jeder der vier gebräuchlichen Komponenten der Lebensmittelintegrität (Abbildung 2) vorkommen. Diese Komponenten sind zum einen die „Lebensmittelqualität“ und die „Lebensmittelsicherheit“, die in der Regel ohne Absicht verletzt werden und die Folgen z.B. Ekel, Erkrankungen oder Verletzungen sein können. Zum anderen die Komponenten „Lebensmittelverfälschung“ und „Lebensmittelschutz“, die mit absichtlichem Lebensmittelbetrug einhergehen. Die Lebensmittelverfälschung geschieht z.B. aus Gründen der Margensteigerung . Der Lebensmittelschutz sollte wiederum bei gewollter Sabotage und Terrorismus mit der Intention, Menschen oder Unternehmen zu schädigen, aktiv werden (Müller 2018, S. 3).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In der folgenden Tabelle 2 sind einige fiktive Beispiele für mögliche Lebensmittelskandale in der jeweiligen Komponente der Lebensmittelintegrität aufgeführt. Die Beispiele wurden auf die Warengruppen Tiefkühlfisch und Süßwaren übertragen. Ein Beispiel für eine Lebensmittelverfälschung ist die Angabe der falschen Herkunft von Fisch. Da die Herkunft des Lebensmittels verfälscht wurde, entspricht die Qualität des Lebensmittels nicht der, die deklariert wurde. An den Beispielen ist zu erkennen, dass die vier Komponenten der Lebensmittelintegrität nicht vollkommen voneinander trennbar sind. Sie weisen Gemeinsamkeiten auf und überlappen sich somit.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Müller 2018

2.1.2 Lebensmittellieferkette

Eine Lieferkette, im Englisch “Supply Chain” genannt, ist eine Abfolge von Entscheidungsträgern, die jeweils einen Output erstellen, der von einem anderen Träger als Input genutzt wird (Busch et al. 2003, S. 5). Dabei handelt es sich neben den „physischen Aktivitäten“ des Materialflusses, wie „dem Produzieren, Lagern oder Transportieren von Gütern“ (Busch et al. 2003, S. 5), auch um immaterielle Aktivitäten wie dem Informations- und Geldfluss. Die wesentlichen Ziele sind dabei eine größtmögliche Kostenminimierung und eine Erhöhung der Geschwindigkeit der Prozesse (Govil und Proth 2002, S. 7). Das ultimative Ziel ist die Kundenzufriedenheit (Govil und Proth 2002, S. 8). Die Abbildung 3 stellt eine vereinfachte Lieferkette dar.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Vereinfachte Lieferkette. Eigene Darstellung in Anlehnung an Busch et al. 2003

Unter der „Lebensmittellieferkette“ wird die gesamte Handlungsabfolge des Wertschöpfungsprozesses eines Lebensmittels, von der Rohstoffgewinnung bis zum Konsum durch den Verbraucher, verstanden. In der DIN EN ISO 22000 wird statt “Lebensmittellieferkette”, das Synonym “Lebensmittelkette” wie folgt definiert: „Abfolge der Stufen im Rahmen der Produktion, Verarbeitung, Verteilung, Lagerung und Handhabung eines Lebensmittels und seiner Zutaten von der Primärproduktion bis zum Verbrauch“ (DIN EN ISO 22000, S. 14). Laut dieser Norm beinhaltet die Lebensmittelkette zusätzlich die Produktion der vorgesehenen Lebensmittelkontaktmaterialien, sowie den Dienstleistungsbereich (DIN EN ISO 22000, S. 14). Je nach Produkt und Produktgruppe, kann die Lebensmittellieferkette variieren.

Wird ein vergangener Lebensmittelskandal betrachtet, stellt sich oft heraus, dass sich ein Fehler oder Problem an einer Position innerhalb der Lebensmittellieferkette eingeschlichen hat, welches erst im späteren Verlauf oder im schlimmsten Fall erst dann erkannt wurde, wenn das Produkt bereits beim Kunden angekommen ist oder verzehrt wurde. Das Hauptziel einer Prävention von Lebensmittelskandalen ist es nicht, sie aufzudecken, sondern die gesamte Lebensmittellieferkette so anzupassen, dass es keine Möglichkeiten für Lebensmittelskandale und -betrüge gibt und unsichere Lebensmittel frühestmöglich erkannt werden (Spink et al. 2015, S. 103). Da es zwischen jeder Stufe der Lebensmittellieferkette eine Schnittstelle vom Lieferanten zum jeweiligen Kunden gibt, was durch die heutige Globalisierung immer weiter verstärkt und somit auch aus weiten Teilen der Welt geliefert wird, sollte eine Informationsweitergabe stattfinden. Wenn diese unvollständig ist oder nicht erfolgt, entsteht eine Informationsasymmetrie. Theoretisch kann somit das Risiko von unsicheren Lebensmitteln und Lebensmittelskandalen mit zunehmender Anzahl an Schnittstellen in der Lebensmittellieferkette steigen. (Hinrichs 2006, S. 13) Dagegen wirken beispielsweise sorgfältige Wareneingangskontrollen, regelmäßige Lieferantenaudits und Rückverfolgbarkeitssysteme.

2.2 Lebensmittelrechtliche Grundlagen und Krisenmanagement

2.2.1 Lebensmittelrechtlicher Hintergrund

Im Folgenden werden die für diese Abschlussarbeit relevantesten Gesetzesstellen dargelegt. Bei der Auswahl dieser, wurde die europäische, sowie in Teilen die deutsche Gesetzgebung betrachtet. Die Grundlage für das Lebensmittelrecht in der EU bildet die Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des europäischen Parlaments und des Rates. Daraus werden zunächst die beiden Komponenten „Lebensmittelsicherheit“ und „Lebensmittelverfälschung“ der Lebensmittelintegrität ausgewählt. Da die Eingrenzung und Wiederauffindbarkeit von Lebensmitteln in der Lebensmittellieferkette bei Skandalen von großer Bedeutung sind, wird die Regelung zur Rückverfolgbarkeit genauer betrachtet. Auch das Verwenden von Schnellwarnsystemen wird von der EU vorausgesetzt. Zusätzlich soll geklärt werden, wie die Informierung der Öffentlichkeit geregelt ist. Des Weiteren existieren Auflagen zu behördlichen Kontrollen in der EU, durch die unkonforme Lebensmittel möglichst früh erkannt werden sollen. Zuletzt werden Standards und Qualitätsmanagementsysteme genannt.

Lebensmittelskandale treten überwiegend durch Nichteinhalten der Gesetzgebung auf, wie im Falle von Lebensmittelbetrug. In diesem Unterkapitel werden die bedeutendsten und voraussetzenden Gesetzesstellen aufgeführt, die von der europäischen Union, aber auch im nationalen Recht festgelegt sind, um Lebensmittelskandalen indirekt vorzubeugen. Außerdem enthalten sie Handlungsvorgaben, die zu beachten sind, wenn ein unsicheres Lebensmittel bereits in Verkehr gebracht wurde. Generell gelten zum Thema Lebensmittel in der gesamten europäischen Union die internationalen Bestimmungen des Codex Alimentarius, die rechtlichen Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und zusätzlich in Deutschland das nationale Lebensmittel- und 15 Futtermittelgesetzbuch (LFGB) von 2009. Thematisch überschneiden sich die gesetzlichen Regelungen und bauen teilweise aufeinander auf (Müller 2018, S. 5). Tabelle 3 gibt einen Überblick über die gesetzlichen Anforderungen auf europäischer und nationaler Ebene zu den ausgewählten Aspekten (hier: „Allgemein“) und beide Warengruppen.

Tabelle 3: Bedeutende gesetzliche Anforderungen nach Kategorien

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung nach VO (EG) Nr. 178/2002 Art.8, Art.14, Art. 16, Art. 18; Durchführungsverordnung (EU) 2019/1715; VO (EU) Nr. 2017/625; LFGB §5, §11, §40 2009; VIG 2012; Richtlinie 2000/36/EG; Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e.V. 2017; Rehlender 2019 und VO (EU) Nr. 1379/2013 Art.35

Internationales Lebensmittelrecht

Derzeit gibt es keine globale Vereinheitlichung der Lebensmittelgesetzgebung. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben 1963 die Codex Alimentarius Kommission (CAC) gegründet. Diese legt Codex-Normen fest, die für die Mitgliedstaaten der Vereinigten Nationen zwar nicht rechtlich verbindlich sind, dennoch sollten diese ihre lebensmittelrechtlichen Bestimmungen dahingehend harmonisieren. Sie gelten als Referenz im internationalen Handel und haben im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) an Bedeutung gewonnen. (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft 2019)

Europäisches Lebensmittelrecht

Lebensmittelsicherheit, Lebensmittelbetrug und Irreführung:

Ein grundlegendes Fundament bildet der Artikel 14 Absatz 1, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002, die Anforderung an die Lebensmittelsicherheit: „Lebensmittel, die nicht sicher sind, dürfen nicht in Verkehr gebracht werden“. Aus der Sicht des Verbraucherschutzes und der Verhinderung von Lebensmittelbetrug gilt die Verhinderung von „a) Praktiken des Betrugs oder der Täuschung, b) die Verfälschung von Lebensmitteln und c) alle sonstigen Praktiken, die den Verbraucher irreführen können“ (VO (EG) Nr.178/2002 Art. 8 (1)). Auch die „Kennzeichnung, Werbung und Aufmachung“ (VO (EG) Nr.178/2002 Art. 16) von Lebensmitteln dürfen die Verbraucher nicht irreführen.

Rückverfolgbarkeit

Die Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln ist von der europäischen Gemeinschaft vorgeschrieben. Sie ist in allen Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen sicherzustellen. Der Unternehmer sollte jede Person feststellen können, von der er ein Lebensmittel erhalten hat und an den er seine Erzeugnisse geliefert hat. Es sollte intern ein System oder Verfahren eingerichtet sein, um diese Informationen den zuständigen Behörden auf Aufforderung mitteilen zu können. (VO (EG) Nr. 178/2002 Art. 18) Unternehmen wird empfohlen, den Umfang der Ware und eine Chargennummer oder Loskennzeichnung, sowie die Beschreibung des Produkts zu dokumentieren und jederzeit bereitzuhalten.

[...]

Ende der Leseprobe aus 63 Seiten

Details

Titel
Mechanismen von Lieferketten bei Lebensmittelrückrufen
Hochschule
Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach
Note
1,0
Autor
Jahr
2020
Seiten
63
Katalognummer
V942357
ISBN (eBook)
9783346274212
ISBN (Buch)
9783346274229
Sprache
Deutsch
Schlagworte
mechanismen, lieferketten, lebensmittelrückrufen
Arbeit zitieren
Bianca Warkentin (Autor:in), 2020, Mechanismen von Lieferketten bei Lebensmittelrückrufen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/942357

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