Das Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933

Eine rechtshistorische Exegese


Hausarbeit, 2020

18 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

A. Quellengattung

B. Entstehungszeit

C. Verfasser
I. Initiative Adolf Hitlers
II. Ausarbeitung Gesetzesentwurf – Innenministerium.
III. Beteiligte Verfasser – Kabinett Hitler

D. Gegenstand
I. Titel
II. Inhalt

E. Historischer Kontext
I. Der Aufstieg der NSDAP und das Ende der Weimarer Republik
II. Prozess der Machtergreifung
IV. Verabschiedung des Ermächtigungsgesetzes
1. Positionen der Fraktionen im Reichstag
2. Tag der Verabschiedung des Gesetzes
3. Direkte Auswirkungen

F. Juristischer Kontext
I. Verfassungsrechtliche Situation am Ende der Weimarer Republik
1. Präsidialkabinette und ihre Notstandsgesetzgebung
2. Ermächtigungsgesetze
II. Juristische Machtergreifung und Gleichschaltung
III. Legalitätsfrage des Ermächtigungsgesetzes vom 24. März 1933
1. Bewertungsmaßstab
2. Relevanz der Legalität
3. Verfassungswidriges Vorgehen

G. Interpretation und Stellungnahme
I. Keine legale Diktatur dank Ermächtigungsgesetz
II. Das Ende der Demokratie und die Folgen

B. Literaturverzeichnis

Baumgart, Winfried, Stationen der Unfreiheit - Gleichgeschaltet: Das "Ermächtigungsgesetz" und das "Heimtückegesetz" in: Geschichte / Hessischer Rundfunk, Schulfunk 26, 1971, S. 40-43, online abrufbar unter: https://openscience.ub.uni-mainz.de/handle/20.500.12030/558 (02.08.2020)

Becker, Josef, Zentrum und Ermächtigungsgesetz 1933, In: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 9 (1961), S. 195-210.

Bickenbach, Christian, Vor 75 Jahren: Die Entmächtigung der Weimarer Reichsverfassung durch das Ermächtigungsgesetz. In: JuS 2008, S. 199-203.

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C. Sonstige Materialien

Verhandlungen des Deutschen Reichstags. VIII. Wahlperiode. Band 457. Stenographische Berichte. Zweite Sitzung, Donnerstag den 23. März 1933. Berlin 1934, S. 24-47.

Ermächtigungsgesetze von 1914 bis 1933 und die SPD, Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes, WD 1 - 3000 - 015/14, Deutscher Bundestag, 2016, online abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/407790/05ee0b914a5bdec00ad0db135c12600b/wd-1-015-14-pdf-data.pdf (25.09.20))

Historische Ausstellung des Deutschen Bundestages. Reichstagswahlergebnisse und Mandate in der Weimarer Republik, online abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/190456/f8d637d1039a06a614cff0264f8b5d10/reichstagswahlergebnisse-data.pdf (30.09.2)

Das 25-Punkte-Programm der NSDAP vom 24. Februar 1920, in: Lehrveranstaltung „Schlüsseltexte und -dokumente zur Geschichte des Nationalsozialismus“ Universität Wien, Institut für Zeitgeschichte, WS 2008/09, online abrufbar unter: http://www.kurt-bauer-geschichte.at/PDF_Lehrveranstaltung%202008_2009/04_25-Punkte-Programm.pdf (09.08.20)

"Was wollen wir im Reichstag?", in: Der Angriff vom 30. April 1928; Nachdruck in: Joseph Goebbels (Autor), Hans Schwarz van Berk (Hrsg.): Der Angriff, Aufsätze aus der Kampfzeit, Franz Eher Nachf., München 1935, S. 71 u. S. 73, online abrufbar unter: https://archive.org/stream/DerAngriff-AufsaetzeAusDerKampfzeit/GoebbelsJoseph-DerAngriff-AufsaetzeAusDerKampfzeit1935345S.ScanFraktur#page/n71/mode/2up (29.09.20)

A. Quellengattung

Das Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 war ein Reichsgesetz. Es war ein sog. Ermächtigungsgesetz, d.h. ein Gesetz, dass den Reichskanzler mit sehr weitreichenden Befugnissen dazu ermächtigte, im Bereich der Gesetzgebung zu wirken. Auf Grund des verfassungsändernden Inhalts war eine Mehrheit von 2/3 der Mitglieder des Reichtags erforderlich. Der Gesetzestext des Ermächtigungsgesetzes besteht bemerkenswerter Weise aus fünf Artikeln, nicht aus Paragrafen. Ob das Ermächtigungsgesetz gar als Gesetz von Verfassungsrang bzw. als „Ersatzverfassung“ angesehen werden kann, ist umstritten. Sicher ist jedoch, dass damit Verfassungsmaterial außerhalb der Verfassung des Deutschen Reiches geschaffen worden ist.1

B. Entstehungszeit

Das Ermächtigungsgesetz ist zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 20. März 1933 entstanden, so war es mehrmals Gegenstand von Kabinettssitzungen und Besprechungen der Minister der Regierung Hitlers.2 Schriftlich ausgearbeitet wurde der Gesetzestext nach dem 5. März 19333, am 23. März 1933 wurde das Ermächtigungsgesetz schließlich durch den Reichstag verabschiedet und trat mit Verkündung im Reichsgesetzblatt am Folgetag, dem 24. März 1933, offiziell in Kraft.

C. Verfasser

I. Initiative Adolf Hitlers

Bereits im Rahmen der gescheiterten Koalitionsverhandlungen im November 1932 äußerte Hitler gegenüber Reichspräsident von Hindenburg den Willen nach einem Ermächtigungsgesetz, das ihm als Reichskanzler die nötigen Kompetenzen zum Erlass von Reichsgesetzen ermöglicht.4 Es sei, so Hitler, die „Aufgabe eines Kanzlers, der unter dem Druck der Not und der ihrethalben zu treffenden Entschlüsse die Schwerfälligkeit des parlamentarischen Vorgehens als gefährliche Hemmung ansieht, sich eine Mehrheit für ein aufgabenmäßig begrenztes und zeitlich fixiertes Ermächtigungsgesetz zu sichern"5 wie aus einem Briefwechsel zwischen Staatssekretär Dr. Meissner und Hitler hervorgeht.

In der ersten Sitzung des neuen Kabinetts Hitlers am 30. Januar 1933 wurde über das Ermächtigungsgesetz gesprochen und verschiedene Ansichten darüber ausgetauscht. Meissner empfahl eine Beschränkung des Ermächtigungsgesetzes auf den Bereich der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, um auch mit einer einfachen Mehrheit im Reichstag auszukommen, der Vorschlag wurde aber nicht weiter aufgegriffen6, wollte Hitler durch das Gesetz wohl umfassendere Befugnisse erlangen.

II. Ausarbeitung Gesetzesentwurf – Innenministerium

Nachdem die Reichstagswahl vom 5. März 1933 zu einer klaren Mehrheit für die Koalition Hitlers geführt hatte, wurde im Februar mit der Ausarbeitung eines Gesetzesentwurfs durch das Reichsinnenministeriums auf Ebene der Ministerialreferenten begonnen.7

Der dafür zuständige Fachminister war Innenminister Wilhelm Frick. Er wird von der Juristin Irene Strenge sogar als „Protagonist des legalen Weges“ bezeichnet, zumindest jedoch war mit dem Gesetzgebungsverfahren des Ermächtigungsgesetzes und für die sogenannte Legalitätsstrategie der NSDAP in führender Rolle aktiv.8

III. Beteiligte Verfasser – Kabinett Hitler

Wie aus den Protokollen der Ministerbesprechungen im Zeitraum zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 20. März 1933 hervorgeht, waren an den Beratungen und der Ausarbeitung des Gesetzes neben dem Reichskanzler Adolf Hitler und dem Innenminister Frick auch der Reichsminister des Auswärtigen Konstantin Freiherr von Neurath, der Reichsminister der Finanzen, Lutz Graf Schwerin von Krosigk, Reichsminister ohne Geschäftsbereich Hermann Göring, Stellvertreter des Reichskanzlers und Reichskommissar für Preußen Franz von Papen, Reichswirtschaftsminister und Minister für Ernährung und Landwirtschaft Hugenberg, Reichskommissar und Reichsminister a. D. Dr. Popitz sowie Staatssekretär und Leiter des Büro des Reichspräsidenten Dr. Meissner beteiligt9.

D. Gegenstand

I. Titel

Der offizielle Titel des Gesetzes „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“ bezieht sich auf den vermeintlichen Zweck des Gesetzes, nämlich der Verbesserung der wirtschaftlichen sowie sozialen Umstände im Deutschen Reich und somit der Behebung von Missständen.

Der inoffizielle Titel „Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933“ kann daher als treffender bezeichnet werden, da das Gesetz den Reichskanzler unter anderem dazu „ermächtigt“ Gesetze zu erlassen.

II. Inhalt

Das Ermächtigungsgesetz ist in 5 Artikel gegliedert.

Im Art. 1 wird die Reichsregierung dazu ermächtigt, Reichsgesetze zu erlassen (nicht nur Verordnungen). Die in der Weimarer Reichsverfassung10 vorgesehenen Verfahren zur parlamentarischen Gesetzgebung durch den Reichstag werden somit überflüssig. Diese Befugnis erstreckt sich auch auf die in diesem Artikel erwähnten Gesetze, die in den Art. 85 Abs. 2 und Art. 87 WRV beschrieben sind. Die Zustimmung des Reichstages in der Haushaltsplanung und Kreditaufnahme ist somit ebenfalls nicht mehr nötig, da auch in diesen Bereichen Reichsgesetze exekutiv erlassen werden können.

In Art. 2 wird die Abweichung von Reichsgesetzen von der Verfassung ermöglicht, und somit die zwingende Verfassungskonformität aufgehoben. Von dieser Regelung sind Gesetze ausgeschlossen, die die Einrichtung des Reichtags oder des Reichsrats betreffen. Die Existenz dieser Institutionen wird mit diesem Artikel garantiert, ebenfalls ist die rechtliche Stellung des Reichspräsidenten von Änderungen durch Gesetze ausgeschlossen.

In Art. 3 wird die Ausfertigung der von der Reichsregierung erlassenen Gesetze geregelt. Diese werden vom Reichskanzler ausgefertigt und nicht wie die vom Reichstag beschlossenen Gesetze vom Reichspräsidenten. Außerdem werden die Reichsgesetze der Regierung nach Ausfertigung durch den Kanzler im Reichsgesetzblatt verkündet. Des Weiteren werden in diesem Artikel die Rechte der verfassungsgebenden Organe bei der Gesetzgebung in Form von Gesetzen der Reichsregierung ausgeschaltet, da Art. 68 bis 77 WRV auf diese Gesetze keine Anwendung finden. In diesem Abschnitt der Verfassung ist der verfassungsgemäße Gang der Gesetzgebung geregelt, die Rechte des Reichsrates, des Reichstages sowie des Reichspräsidenten.

Im vierten Artikel wird die Reichsregierung dazu ermächtigt, völkerrechtliche Verträge zwischen dem Deutschen Reich und anderen Staaten eigenständig und ohne legislative Zustimmung durch den Reichsrat und den Reichstag abzuschließen, auch wenn diese die Gesetzgebung betreffen. Damit sind diese Organe von der Mitwirkung an der auswärtigen Gewalt ausgeschlossen. Die für diese Angelegenheiten erforderlichen Vorschriften werden ebenfalls von der Reichsregierung erlassen.

Der letzte Artikel begrenzt die Gültigkeit des Ermächtigungsgesetzes auf die Dauer von vier Jahren, so ist es ab dem Tag der Verkündung gültig und tritt (zumindest dem Gesetz nach) am 1. April 1937 außer Kraft.

E. Historischer Kontext

I. Der Aufstieg der NSDAP und das Ende der Weimarer Republik

Die NSDAP ging aus einer 1920 erfolgten Umbenennung der 1919 gegründeten DAP hervor. Hitler gelang es rasch mit der NSDAP, in der er als alleiniger Vorsitzender mit sehr weitreichenden Befugnissen ausgestattet war, besonders in Bayern viele Anhänger zu gewinnen. Im sogenannten 25-Punkte-Programm, das als Grundsatzprogramm der Partei diente, war unter anderem die Ablehnung des Versailler Friedensvertrages, sowie die Schaffung eines Groß-Deutschen Reiches verankert11, des Weiteren ist das Programm als antisemitisch, antidemokratisch, antikapitalistisch und nationalistisch zu bewerten. Nachdem Hitler 1923 mit seinem Putschversuch gescheitert war, schrieb er während der Haft in Landsberg das Buch „Mein Kampf“, in dem er seine politischen Vorstellungen und Pläne eines neuen Deutschen Reiches festhielt und gründete 1925 die zwischenzeitlich verbotene NSDAP neu.12 In den folgenden Jahren setzte die Partei durch ihre wirksame Propaganda stark auf soziale und außenpolitische Themen. Dies stieß auf immer breiter werdende Zustimmung in der Bevölkerung, so gab es Anfang 1932 gab schon mehr als 6 Millionen Arbeitslose im Deutschen Reich.13. Bei den Wahlen zum Reichstag im September 1930 erlangte die NSDAP mit 18% 107 Reichstagsmandate und wurde somit zur zweitstärksten Fraktion, 1932 konnten die Nationalsozialisten sogar über 37 % der Sitze erlangen und wurden somit stärkste Kraft im Reichstag.14

II. Prozess der Machtergreifung

Als Machtergreifung Hitlers wird häufig dessen Ernennung als Reichskanzler am 30. Januar 1933 durch den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg bezeichnet. Gerechter wird man dem Begriff der Machtergreifung sicherlich, wenn man den Beginn der Kanzlerschaft Hitlers als Beginn eines anderthalbjährigen Prozesses ansieht, an dessen Ende Hitler als Reichskanzler, Reichspräsident und Führer mit diktatorischen Machtbefugnissen im totalitären Führerstaat regiert.15

Nachdem der bisherige Reichskanzler Kurt von Schleicher, der im Dezember 1932 Reichskanzler wurde, mit seiner Initiative einer „Querfront“ und einer Spaltung der NSDAP gescheitert war, verhandelte Papen im Auftrag des Reichspräsidenten mit Hitler über eine Regierungskoalition. Das Kabinett Hitlers, das ab dem 30. Januar 1933 bestand, war zunächst eine Koalitionsregierung aus NSDAP, DNVP und dem sogenannten Stahlhelm.

Mit der Ernennung durch Hindenburg war Hitler zwar Reichskanzler geworden, mit ihm war aber neben Reichsminister Göring, und Reichsinnenminister Frick kein weiterer Nationalsozialist in der Regierung vertreten. Vizekanzler Franz von Papen sah in der NSDAP und in Hitler in erster Linie einen Koalitionspartner, den er „einrahmen“ und so dessen Macht begrenzen wollte. „In zwei Monaten haben wir Hitler in die Ecke gedrückt, dass er quietscht!“16 in diesem Zitat von Papens ist deutlich zu erkennen, welche falsche Vorstellung er von Hitler und seiner Rolle als Reichskanzler hatte. Hitler gelang es kontinuierlich seine innerhalb der Reichregierung zunächst beschränkte Machtstellung zu Lasten der bürgerlichen Minister auszubauen.

Mit der Verordnung vom 28. Februar 1933 (Reichstagsbrandverordnung) war der Spielraum für Hitler, gegen politische Gegner vorzugehen und diese auszuschalten deutlich gewachsen.17 Grundrechte wurden ausgesetzt und unter dem Deckmantel der Aufklärung staatsgefährdender Aktionen wurden Mitglieder der KPD und gegen Teile der SPD massiv und gewaltsam vorgegangen. Mit der Verordnung wurde eine dem Anschein nach legale Mehrheit im Reichstag erreicht, mit der am 24. März wiederrum das Ermächtigungsgesetz verabschiedet wurde. Dieses ermöglichte Hitler unumschränkte Möglichkeiten im Zuge der Gesetzgebung, die in den Jahren bis 1935 genutzt wurden die Gleichschaltung voranzutreiben und den totalitären, vollständig kondolierten Führerstaat in Deutschland zu etablieren.

IV. Verabschiedung des Ermächtigungsgesetzes

1. Positionen der Fraktionen im Reichstag

Die NSDAP und die DNVP allein konnten die erforderliche zwei Drittel Mehrheit nicht erreichen, weshalb die Stimmen der BVP und des Zentrums entscheidend waren.18 Die Liberalen waren nach anfänglichem Zögern auch dazu bereit dem Gesetz „…im Interesse von Volk und Vaterland…“ zu zustimmen.19 Die KPD konnte ihre Meinung nicht zur Sprache bringen, ihre Mandate waren nach der Reichstagswahl rechtswidrig annulliert worden. Die SPD war entschieden dagegen. Teile des Zentrums waren dies auch, Hitler konnte es durch geschickte Manipulation, Täuschung und vage Versprechen in mehreren Verhandlungen mit dem Zentrum aber erreichen, dass (trotz Bedenken einiger Abgeordneter um Heinrich Brüning) diese auch auf Wirken von Prälat Kaas hin in Fraktionsdisziplin geschlossen für das Gesetz stimmte20. Die definitive Zustimmung des Zentrums erfolgte durch. Kaas schon bei der Aussprache über die Regierungserklärung Hitlers und der damit verbundenen ersten Beratung über das Ermächtigungsgesetz.21

2. Tag der Verabschiedung des Gesetzes

Von den 81 Abgeordneten der KPD waren alle geflohen, von den Abgeordneten der SPD 21 im Untergrund untergetaucht oder vor dem 23. März 1933 inhaftiert worden.22 Die zum damaligen Zeitpunkt erstmals in größerer Öffentlichkeit aufgetretene SS hatte das Gebäude der Kroll Oper in Berlin abgeriegelt, außerdem wurde vor der Oper durch Mannschaften der SA Stimmung gemacht.23 Im Plenarsaal hing eine, sicherlich auch zum psychologischen Zweck der Einschüchterung der Abgeordneten, große Hakenkreuzfahne24. Die Aktionen der NS Organisationen selbst am Tag der Entscheidung können hierbei durchaus in den Kontext der „Legalitätsstrategie“ der NSDAP gesehen werden, die durch den außerparlamentarischen Terror die parlamentarische Zustimmung der Abgeordneten erreicht hat.25 Zunächst wurde die GORt geändert, um sich mit einer Fiktion der Anwesenheit der abwesenden Reichstagsabgeordneten die zwei Drittelmehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl zusichern. Hitler begann die erste Lesung mit seiner Regierungserklärung zur Vorlage des Gesetzesentwurfs und hob die Bedeutung des Ermächtigungsgesetzes hervor26, nach einer Unterbrechung folgten die Stellungnahmen der Fraktionen dazu.27

Besondere Beachtung verdient in diesem Kontext die Rolle der Sozialdemokratie. Trotz des massiven Drucks im Vorfeld der Abstimmung war sie die einzige Fraktion, die mit Nein stimmte. Otto Wels, seit 1920 Vorsitzender der SPD,28 sprach in einer beeindruckenden Rede gegen den Entwurf, u.a. mit den Worten: „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht.“29 Zu diesem Zeitpunkt waren bereits 26 Mitglieder der SPD Fraktion inhaftiert, so wurde beispielsweise der ehemalige Reichsinnenminister Wilhelm Sollmann brutal zusammengeschlagen worden und Julius Leber wurde auf dem Weg ins Parlament von der SA abgefangen.30 In zweiter und dritter Lesung gab es keine weiteren Wortmeldungen und die Schlussabstimmung folgte direkt im Anschluss.31 Das Ermächtigungsgesetz wurde schließlich in namentlicher Abstimmung mit 441 gegen 94 Stimmen der SPD, angenommen.32

3. Direkte Auswirkungen

Bereits am 31. März 1933 werden mit dem „Vorläufigen Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich“ die Landesparlamente aufgelöst und die Gleichschaltung der Länder vorangetrieben. Bereits am 7. April wurde das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums erlassen, im April 1933 erfolgt außerdem eine große Verhaftungswelle gegen politische Oppositionelle und die Inhaftierung tausender in sogenannten wilden Gefängnissen in Kellern und lehrstehenden Gebäuden in Berlin.33

F. Juristischer Kontext

I. Verfassungsrechtliche Situation am Ende der Weimarer Republik

1. Präsidialkabinette und ihre Notstandsgesetzgebung

Im März 1930 endete mit der Reichsregierung Herrmann Müllers (SPD) die letzte mit einer parlamentarischen Mehrheit ausgestattete Regierung. Die nachfolgenden Regierungen unter Brüning, von Papen und Schleicher waren nicht mehr von einer Mehrheit im Reichstag gestützt und als Minderheitsregierungen auf besondere Art von der Institution des Reichspräsidenten abhängig: Auf Grund und mit Hilfe von Art. 48 WRV wurden die Legislative umgangen und sogenannte „Notverordnungen“ mit materieller Gesetzeskraft vom Reichspräsidenten erlassen. Zusätzlich dazu bestand das Recht aus Art. 25 WRV den Reichstag aufzulösen, falls mit parlamentarischer Mehrheit versucht wurde, die Notverordnung rückgängig zu machen34. Durch das Notverordnungsrecht fand zu Lasten des Reichstages eine Verschiebung der Macht zum Reichspräsidenten statt. Das war dazu da, wie in Art. 48 WRV beschrieben, „ … die zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nötigen Maßnahmen treffen (…) wenn im Deutschen Reiche die öffentliche Sicherheit und Ordnung erheblich gestört oder gefährdet wird…“ wurde aber auf Grund der zunehmend schwierigen Mehrheitsverhältnissen im Reichstag deutlich ausgedehnt. Durch die steigende Zahl der erlassenen Notverordnungen wurde mit dem Parlamentarismus gebrochen und das demokratische System der Republik ausgehöhlt. Im Lichte dieser Entwicklung ist die „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat“ vom 28. Februar 1933, kurz Reichstagsbrandverordnung genannt, von besonderer Relevanz für den Prozess der Machtergreifung, ebenso wie für das verfassungsrechtliche Verständnis der Regierung Hitlers. Den Reichstagsbrand als Vorwand genutzt, wurden, gestützt auf Art. 48 WRV, zahlreiche Bürgerrechte in den Bereichen der persönlichen Freiheit, der Meinungsäußerung-, Presse Vereins und Versammlungsfreiheit außer Kraft gesetzt. Des Weiteren wurde durch die rückwirkende Ausdehnung des § 5 der Verordnung (Lex van der Lubbe) gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot verstoßen. Die Verordnung diente als Legitimation für die massiven Grundrechtseinschränkungen, die zur Unterdrückung des politischen Gegners nötig waren: „Der legale staatliche Terror“35, zunächst hauptsächlich gegen Mitglieder der KPD, sollte auch auf die Verabschiedung des Ermächtigungsgesetzes von 24. März 1933 erhebliche Auswirkungen haben.

[...]


1 vgl. Strenge, Machtübernahme, S. 182

2 Morsey, Ermächtigungsgesetz, S. 9

3 Schneider, Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 1 (1953), S. 197, S. 200

4 Schneider, Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 1 (1953), S. 197, S.199

5 Schneider, Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 1 (1953), S. 197, S.199

6 Morsey, Ermächtigungsgesetz, S.10

7 Schneider, Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 1 (1953), S. 197, S.200

8 Strenge, Machtübernahme, S.17

9 Schneider, Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 1 (1953), S. 197, S. 200 ff.

10 im Folgenden als WRV abgekürzt

11 http://www.kurt-bauer-geschichte.at/PDF_Lehrveranstaltung%202008_2009/04_25-Punkte-Programm.pdf (09.08.20)

12 Gmür/Roth, deutsche Rechtsgeschichte, S.188

13 Schüddekopf, Die erste Deutsche Republik, S.228

14 Reichstagswahlergebnisse und Mandate in der Weimarer Republik, S.1

15 Bracher, Stufen totalitärer Gleichschaltung, S.33

16 Zitat von Papen, zitiert aus: Bredow / Noetzel, Politische Urteilskraft, S.18.

17 Vgl. Bracher/Sauer/Schulz, Die nationalsozialistische Machtergreifung S. 158

18 Bickenbach, JuS 2009, S.199, S.202

19 Verhandlungen des Deutschen Reichstags, Stenographische Berichte, S.38

20 Becker, Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 1961, S.195, S. 210

21 Schneider, Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 1 (1953), S. 197, S.206

22 Strenge, Journal der juristischen Zeitgeschichte 7 (2013), S. 1, S. 4

23 Wadle, JuS 1983, S. 170, S. 172

24 Strenge, Journal der juristischen Zeitgeschichte 7 (2013), S. 1 , S. 7

25 Lang, Rezension zu: Irene Strenge: Machtübernahme 1933 - Alles auf legalem Weg?

26 Frehse, Ermächtigungsgesetzgebung, S. 156

27 Schneider, Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 1 (1953), S. 197, S. 206

28 Schröder, Art. „Wels, Otto“ S. 532

29 Deutscher Bundestag, Ermächtigungsgesetze und die SPD, S.13

30 Winkler, Heinrich August, Die Ehre der Deutschen Republik, S. 4

31 Schneider, Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 1 (1953), S. 197, S. 206

32 Morsey, Das Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933, S. 55

33 Van Capelle/van de Bovenkamp, Berlin unter Hitler, S. 21

34 Haffner, von Bismarck zu Hitler, S. 214

35 Haffner, von Bismarck zu Hitler, S.235

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Details

Titel
Das Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933
Untertitel
Eine rechtshistorische Exegese
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (Institut für Rechtsgeschichte)
Veranstaltung
Rechtsgeschichte
Autor
Jahr
2020
Seiten
18
Katalognummer
V941479
ISBN (eBook)
9783346270269
ISBN (Buch)
9783346270276
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Nationalsozialimus, Recht, Rechtspositivismus, Diktatur, Totalitarismus, Gleichschaltung, Machtergreifung, Hitler, Ermächtigungsgesetz, Gewaltenteilung
Arbeit zitieren
Fritz Kaspar (Autor:in), 2020, Das Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/941479

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