Wie spontan war Willy Brandts Kniefall?


Studienarbeit, 2007

30 Seiten, Note: 1,00


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung und Fragestellung

2. Bildbeschreibung
2.1. Bildvordergrund
2.2. Bildhintergrund
2.3. Bildanalyse: Bildvordergrund
2.4. Bildanalyse: Bildhintergrund
2.5. Bildzensur

3. Geschichtlicher Abriss
3.1. Die Planung
3.2. Die beiden Denkmale
3.3. Denkmal des Ghetto- Aufstandes
3.4. Das Denkmal des Unbekannten Soldaten

4. Der Kniefall

5. Spontaneität
5.1. Stimmen dazu
5.2. eine erste Auswertung
5.3. Eine mögliche Begründung

6. Reaktionen
6.1. Die polnische Seite
6.2. Die deutsche Seite
6.2.1. Die Umfrage
6.2.2. Die Presseberichterstattung

7. Symbolische Botschaft des Kniefalls

8. Tätertrauma

9. Schlussbetrachtung

10. Literatur

11. Online- Quellen

12. Anhang

1. Einleitung und Fragestellung

In der vorliegenden Studienarbeit mit dem Thema „Willy Brandts Kniefall - eine spontane Geste“ möchte ich mich mit Frage beschäftigen, wie spontan der Kniefall von Willy Brandt am 07.Dezember 1970 in Warschau war.

Heute, nach dreißig Jahren, sieht man den Kniefall als „bedeutende Wendung in der bundesrepublikanischen Erinnerungs- beziehungsweise Verdrängungsgeschichte“[1] an.

Der Kanzler der Bundesrepublik Deutschland ging durch dieses Ereignis in die Geschichte ein und bekam im gleichen Jahr noch den Friedensnobelpreis für sein politisches Handeln.

Hat sich der Kanzler davor einen Plan zu Recht gelegt und wie aus einem Konzept heraus gehandelt?

Unumstritten ist die Tatsache, dass es ein politisch höchst aufgeladenes Ereignis war, als Willy Brandt im Dezember nach Warschau reiste, um dort den Warschauer Vertrag zu unterzeichnen.

Die polnische Bevölkerung beobachtete ihn mit strenger Aufmerksamkeit.

Zudem wartete man in Brandts generellen Israel- Politik ebenso auf eine Weichenstellung.

Der Kanzler befand sich folglich in einer Situation, in der sehr viele Menschen und Politiker eine Aussage in den Zeiten des Kalten Krieges von ihm forderten.

In mehreren Quellen wird belegt, dass Brandt sich durchaus Gedanken über den Besuch in Warschau machte, „dass es diesmal nicht so einfach geht wie bei den anderen Kranzniederlegungen, nur so den Kopf neigen.“[2]

Und ein schlauer Kopf wie Willy Brandt war sich der Symbolik des Kniens im Laufe der Geschichte durchaus bewusst.

Wie geplant war also dieses Sinken auf die Knie, welches so unterschiedlich aufgenommen und bewertet wurde?

In meiner Studienarbeit möchte ich die politische Vorgeschichte kurz anreißen, um einen Einblick in die damalige Situation zu gewähren. Hierbei greife ich auf das Werk von Manfred Görtemaker zurück, der eine gute Einführung in die Ostpolitik Brandts bietet.

Weiter werde ich einen Einblick in den Ablauf der Planung der diplomatischen Reise geben. Wann wurde was geplant?

Und wie verhielt sich die Volksrepublik Polen bei den Planungen, vor und nach der Reise?

Eine von mir angefertigte Bildbeschreibung soll einen analytischen Anhaltspunkt geben, wie eine solche Fotografie zu lesen ist. Das Bild von Willy Brandt auf seinen Knien ging um die Welt und ich versuche es einzuordnen.

In der Studie von Christoph Schneider findet man gute Einleitung zu dem Begriff der Symbolik und eine Einführung in eine theoretische Verbindung zwischen Ritual hin zum Symbol. Sehr ausführlich macht er seine Gedanken klar und lässt den Rezipienten den Kniefall aus verschiedenen Perspektiven sehen.

Wie der Kniefall des Bundeskanzlers gewirkt hat findet man in dem Aufsatz von Adam Krzeminksi. Er beschäftigte sich ebenso wie Wolffsohn und Brechenmacher mit dem politischen Wirken in den Staaten und wie es die Presse aufgefasst hat.

Weiter werde ich mich mit dem Thema des Tätertraumas beschäftigen. Bernhard Giesen hat dazu ein Buch publiziert und ich werde im in einer Einleitung in diese Thematik folgen.

Als letztes Kapitel treffe ich eine Schlussbetrachtung und versuche, eine Antwort auf die Frage:

„Wie spontan war Willy Brandts Kniefall?“ zu finden.

Durch das Auswerten dieser Quellen möchte ich versuchen aufzuzeigen, unter welchem Druck Brandt handelte und dass diese überraschende Geste doch gar nicht so sehr überraschte.

2. Bildbeschreibung

Ich habe mich für diese Aufnahme des knienden Kanzlers entschieden, da ich meine, dass man anhand dieser Abbildung die besten Rückschlüsse für meine Studienarbeit ziehen kann.[3] Es gibt viele Aufnahmen von diesem Ereignis und ich werde eine weitere davon im Verlauf meiner Arbeit aufzeigen, wenn es um das Thema Rezension geht.

Die vor uns liegende Bildquelle ist eine Schwarz- Weiß- Fotografie im Querformat.

Es handelt sich um eine Außenaufnahme.

2.1. Bildvordergrund

Zentral in der Mitte sieht man einen Mann auf seinen Knien. Er kniet auf einem stufenförmigen Bau, der von links nach rechts flach abfällt und teilweise mit einer Wasserschicht bedeckt ist. Die ersten zwei Stufen von links sind breiter als die zwei folgenden. Der Mann kniet auf der zweiten Stufe von links etwa in deren Mitte.

Am linken Bildrand im Vordergrund sieht man einen hellen Kasten, auf dem ein Kranz mit einer zweifarbigen Bandzierde abgelegt ist. Der Mann ist in seiner Haltung zu dem Kranz ausgerichtet. Man sieht in von seiner linken Seite.

2.2. Bildhintergrund

Hinter dem knienden Mann sieht man eine Personenansammlung, die scheinbar reglos auf dieser Abbildung festgehalten ist.

Sie hat sich ebenso wie der Mann auf den Stufen verteilt und bildet eine Art Rahmung oder menschliche Mauer für die fotografierte Szene. Die Personen stehen dicht beieinander, die meisten halten technische Geräte in den Händen.

In der rechten Ecke der Abbildungen sieht man Frauen und Männer, die keinen Gegenstand in der Hand halten, während sie die Szenerie beobachten.

Diese gesamte Personengruppe befindet sich dem Rezipienten gegenüber. Man kann den Menschen frontal und direkt ins Gesicht schauen. Am Bildrand oben links hinter der Personengruppe hat man einen weiten Blick in die Ferne.[4] Etwa zu zwei Dritteln des Bildes findet man ein Haus, welches die rechte Bildseite einnimmt.

2.3. Bildanalyse: Bildvordergrund

Zentral im Vordergrund sieht man den Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, Willy Brandt, kniend auf dem Boden.

Er befindet sich in Warschau im 07. Dezember 1970 an dem Denkmal des Ghetto- Aufstandes.

Man sieht ihn auf dieser Abbildung von seiner linken Seite.

Er trägt einen schwarzen Mantel, einen schwarzen Anzug, von dem man nur die Hose sieht und weißes Hemd unter dem Mantel[5].

Der schwarze Mantel umspielt seine Figürlichkeit und hebt Proportionen und den Körper auf. Dies führt zu einer Komposition in Form eines stehenden Dreiecks, welches etwa in der Mitte der Abbildung einen Fokus bildet.

Der Bundeskanzler hält den Kopf leicht geneigt und seinen Blick scheinbar verschlossen.

Seine Mimik ist mit der einer nachdenklichen zu vergleichen. Man kann kaum eine Gefühlsregung ausmachen.

Brandt hält die Hände vor seinem Bauch übereinander gefaltet.

Seine Füße sind auf den Zehen aufgestellt. Er drückt sie in einer fast konvexen Form durch. Der Bundeskanzler trägt Lederschuhe mit einem kleinen Absatz.

Willy Brandt kniet vor dem Denkmal des Ghetto- Aufstandes.[6]

Man kann einen Kranz beziehungsweise die zweifarbigen Schleifen an der linken Bildseite ausmachen. Dieser Kranz liegt auf einer Art Kasten, vielleicht einem Blumenkasten, der an dem Denkmal steht. Der Kanzler hatte diesen Kranz kurz zuvor dort abgelegt.

Es ist ein stufenförmiger Platz auf dem Brandt kniet. Hinter ihm verwandeln sich die breiteren Steinflächen zu Treppenstufen.

Demnach schließe ich daraus, dass das Denkmal auf einer Art Podest, also auf einer erbauten Erhöhung steht.

Das eigentliche Denkmal ist nicht im Bild zu sehen.

Die Stufen sind nass und rund um den Bundeskanzler kann ich kleine Wasseransammlungen oder Pfützen ausmachen. Man findet dort Reflektionen des Lichtes und Spiegelungen.

Der Bundeskanzler kniet darin.

2.4. Bildanalyse: Bildhintergrund

Hinter dem Kanzler sieht man eine Art Wand aus Menschen. Sie rahmen die Szene und bilden einen Kontrast zu dem hellen Steinboden, auf dem Brandt kniet.

Der Kanzler hebt sich in dieser Aufnahme klar hervor.

Die Menschen tragen allesamt Mäntel oder lange Jacken und teilweise auch eine Kopfbedeckung.

Ich mache die Gruppe im Bildhintergrund als eine Ansammlung von Pressevertretern und Bürgern aus. Direkt hinter Brandt sieht man Personen, die allerlei Foto- und Filmgeräte mit sich führen und diese, gerade auf den Kanzler gerichtet, nutzen.

Links und rechts von dieser Gruppe sieht man Personen, die ich als Bürger der Stadt Warschau beziehungsweise Gesandte der beiden Regierungen bezeichnen möchte.

Die gesamte Personenansammlung ist nicht in großartiger Bewegung. Man hält die Kamera auf die Szene gerichtet oder reckt die Hälse, um das Geschehen besser beobachten zu können. Es sind keine auffälligen Gesten auszumachen. Eher ein stilles Erstaunen und Beobachten des Geschehnisses.

Als Rezipientin höre ich im Geiste das Klicken des Auslösers und das Surren der Aufnahme von den Foto- und Filmkameras, wenn ich das Bild betrachte.

Ich möchte noch anfügen, dass eine Frau am linken Bildrand sich abwendet und wegzugehen scheint. Jedoch möchte ich dieser Aktion keine Bewertung in meiner Arbeit beimessen, da es für mich die Wirkung des Bildes nicht verändert oder beeinträchtigt.

Hinter den Menschen sieht man ein Haus, welches ich als Architektur der Stadt Warschau benennen möchte. Es handelt sich also um einen Platz, der sich mitten in der Stadt befindet, da er von Häusern eingeschlossen scheint, an dem das Denkmal angebracht ist.

2.5. Bildzensur

Es gibt viele unterschiedliche Fotografien zu dem Kniefall von Willy Brandt. Man hat ihn aus unterschiedlichen Perspektiven fotografiert und entstanden auf Grund der Anwesenheit der Presse viele verschiedene Bildvorlagen.

Teilweise hat man die Vorlagen auch noch einmal bearbeitet, in dem man sie beschnitten hat.[7]

Dadurch konnte man die Geste und deren Aussage verändern oder gar negieren.

Krzeminksi spricht davon, dass man den Bildauschnitt des Kniefall-Bildes für die polnische Presse so bearbeitet hatte, dass es gar nicht mehr den Kanzler auf den Knien zeigt. Brandt wurde erst ab dem Oberkörper gezeigt. Somit sah man einen stehenden Kanzler der Bundesrepublik, keinen knienden.

Oder man zeigte Brandt vor einem Soldaten auf den Knien, da man das Denkmal und den Kranz gar nicht sah. Man hatte eine Fotografie aus einer anderen Perspektive genutzt und veränderte die Gesamtaussage der Geste.[8]

Dies war die Zensur in der polnischen Presse.

3. Geschichtlicher Abriss

Der Bundeskanzler Willy Brandt war in seinem politischen Handel bemüht, „das Verhältnis zum Osten zu verbessern und soweit wie möglich zu normalisieren.“[9] Dies zeigte sich in seinem Verhalten und in dem politischen Kurs, den er einschlug.

Ich möchte den gesamt- historischen Teil kurz halten, da er nicht Gegenstand meiner Studienarbeit ist. Ich gehe kurz auf die Ereignisse im Jahr 1970 ein, um den Besuch in Polen verständlich zu machen.

Ende des Jahres 1970 waren der Bundeskanzler und seine Gefolgschaft nach Warschau gereist, um dort in internationale Verhandlungen zu treten.

Vielmehr ging es darum „die Realitäten anzuerkennen“[10].

Brandt war gerade seit einem Jahr Kanzler der Bundesrepublik, aber er hatte sich schon vorher in seinem Amt des Außenministers in der großen Koalition um Gespräche mit den Ostblock- Staaten bemüht.

Eine bestehende Problematik der Zeit war die Anerkennung der DDR. Die Bundesrepublik Deutschland schien ins Abseits zu geraten, da immer mehr und mehr Länder die DDR als eigenständigen Staat anerkannten und in Verhandlungen mit ihr traten. So auch die Volksrepublik Polen.

Die Bundesrepublik Deutschland hatte sich durch die Hallstein- Doktrin verweigert, mit Staaten, welche die DDR anerkannten, in diplomatische Beziehungen zu treten.

Nun wollte man in Polen die Oder- Neiße- Linie als westliche Grenze der Volksrepublik Polen im Warschauer Vertrag sichern.[11] Dies sollte zu einer Normalisierung und Entspannung der Beziehungen führen.

Parallel dazu musste man nun den Staat der DDR anerkennen, da dies nun der westliche Nachbar Polens war und eine Wiedervereinigung schien noch nicht in Sicht.

Die Grenze Polens, welche durch die beiden Flüsse Oder und Neiße ausgemacht wurde, war bereits 1945 im Potsdamer Abkommen bestimmt worden.

Jedoch nicht eine Teilung Deutschlands. Man machte eine Wiedervereinigung der deutschen Staaten zum politischen Ziel.

Die westliche Grenze Polens und die Grenze zwischen der Bundesrepublik und der DDR hatte man bereits im Moskauer Vertrag im August 1970 angeführt. Man hatte durch diesen Vertrag bereits den Grundstein für eine Entspannung der politischen Beziehungen gelegt.

Nun kam man im Dezember in Polen zusammen, um dort den Warschauer Vertrag zu unterzeichnen. Man wollte die polnische Regierung nicht länger kompromittieren. Man konnte den Wunsch der Polen verstehen, dass sie in einem Staat leben wollten, der sichere Grenzen hatte.[12]

[...]


[1] Rauer, Valentin: Geste der Schuld. Mediale Rezeption von Willy Brandts Kniefall in den neunziger Jahren, in: Giesen, Bernhard/ Schneider, Christoph (Hg): Tätertrauma. Nationale Erinnerungen im öffentlichen Diskurs, Konstanz 2004, S. 133

[2] Krzeminski, Adam: Der Kniefall, in: Francois, Etienne/ Schulze, Hagen (Hg): Deutsche Erinnerungsorte, München 2005, S. 444

[3] Siehe Abbildung 1 im Anhang

[4] Die Aufnahme macht es mir nicht möglich zu unterscheiden, ob man weitere Architektur oder den Himmel sieht.

[5] Man sieht das weiße Hemd unter dem Mantelkragen hervorschauen.

[6] Auf das Denkmal werde ich gesondert im Verlauf meiner Studienarbeit eingehen.

[7] Vgl. Krzeminski, Adam: Der Kniefall, in: Francois, Etienne/ Schulze, Hagen (Hg): Deutsche Erinnerungsorte, München 2005, S. 442

[8] Siehe Abbildung 2 in der Anlage

[9] Willy Brandt: Begegnungen und Einsichten- Die Jahre 1960- 1975, Hamburg 1976, S. 219

[10] M. Wolffsohn/ Th. Brechenmacher: Denkmalsturz? Brandts Kniefall, S. 14

[11] Vgl.: Manfred Görtemaker: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, München 1999, S. 543

[12] Siehe: Willy Brandt: Begegnungen und Einsichten- Die Jahre 1960- 1975, Hamburg 1976, S. 219

Ende der Leseprobe aus 30 Seiten

Details

Titel
Wie spontan war Willy Brandts Kniefall?
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen
Note
1,00
Autor
Jahr
2007
Seiten
30
Katalognummer
V94122
ISBN (eBook)
9783640102723
ISBN (Buch)
9783656329374
Dateigröße
741 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Es handelt sich um eine klar strukturierte Arbeit, die alle formalen Anforderungen erfüllt. Die einschlägige Forschung ist dabei in großen Teilen inhaltlich angemessen aufgearbeitet worden. Hervorzuheben ist die klare Fragestellung, die auch für den Hauptteil und das Fazit stets leitmotivisch wirkt.
Schlagworte
Willy, Brandts, Kniefall
Arbeit zitieren
Jenny Schwarzhaupt (Autor:in), 2007, Wie spontan war Willy Brandts Kniefall?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/94122

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