Sozialgeschichte der Psychologie


Hausarbeit, 2002

25 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Protokolle

3. Die Akteure
3.1 Dr. Siegmund Freud (1856 -1939)
3.2 Dr. Alfred Adler (1870 – 1937)

4. Die Entzweiung
4.1 Der Beginn
4.2 Offener Diskurs
4.3 Die entgültige Trennung

5 Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Ich versichere, dass ich diese Hausarbeit selbstständig verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt und mich auch sonst keiner unerlaubten Hilfen bedient habe.

Freistadt,

1. Einleitung

Im Herbst des Jahres 1902 lud Siegmund Freud vier Männer zu sich ein, um mit Ihnen über seine Arbeit zu diskutieren. Von nun an trafen sich Freud, Adler, Kahane, Reitler und Stekel regelmäßig jeden Mittwoch Abend in Freuds Wartezimmer - die sogenannte „Psychologische Mittwoch-Gesellschaft" war gegründet.

Die Protokolle dieser Zusammenkünfte wurden Mitte der 70er Jahre von Ernst Feder veröffentlicht. Auf Basis dieser Protokolle soll nun die Entzweiung von Freud und Adler herausgearbeitet werden. Mit Absicht wurde außer diesen Protokollen keinerlei Literatur verwendet. Weiters sei darauf hingewiesen, dass es aufgrund des Umfanges der Protokolle (über 1600 Seiten) schwer war, in der Bearbeitungszeit von sechs Wochen alle relevanten Protokolle zu sichten und zu bewerten. Gleichzeitig bedarf es genauer Kenntnis der Inhalte und psychologischen Theorien, um alle Feinheiten zu kennen und entsprechend erfassen und bewerten zu können. Diese Arbeit kann daher nur einen Einblick geben in die Auseinandersetzung und Trennung.

Es geschieht des öfteren, dass in den Protokollen nicht alles festgehalten ist, worüber in den Diskussionen gesprochen wurde, d.h. es kommt vor, dass über einen Punkt eines Vortrages diskutiert wird, ohne das dieser Punkt im Protokoll selbst angeführt ist. Etliche Vorträge wurden überdies sehr stark gekürzt. Dies erschwert natürlich die Untersuchung. Der Schriftführer Otto Rank nahm die Diskussionen nicht stenografisch auf; statt zu versuchen, einen wortwörtlichen Bericht des Gesagten zu geben, scheint er ausführliche Notizen gemacht und diese später redigiert zu haben.

Diese Hausarbeit soll den Streit zwischen Adler und Freud nicht aufgrund der inhaltlichen Seite beleuchten und soll nicht die Vor- und/oder Nachteile bzw. das Für und Wider der einzelnen Theorien und Ansätze diskutieren. Der Inhalt dieser Arbeit soll sein, die Entzweiung von Adler und Freud vom Beginn bis zur entgültigen Trennung darzustellen.

Kapitel zwei befasst sich kurz mit den untersuchten Protokollen. Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit den Hauptakteuren und beschreibt die Personen Freud und Adler. Im vierten Kapitel wird schließlich die Entzweiung der beiden beschrieben. Es wird dabei vor allem auf die Schlussphase der Entzweiung eingegangen. Kleinere Meinungsverschiedenheiten hatte es schon seit Anbeginn gegeben, der eigentliche "Streit" und die Entzweiung sind jedoch in einem scharf abgegrenzten Zeitrahmen geschehen. Eine Zusammenfassung in Kapitel fünf schließt die Arbeit ab.

2. Die Protokolle

Über die Diskussionen der "Psychologischen Mittwoch-Gesellschaft" und späteren „Wiener Psychoanalytische Vereinigung" veröffentlichte Stekel regelmäßig in der Sonntagsausgabe des Neuen Wiener Tageblatts. Ab 1918 wurden die Protokolle der Sitzungen im Korrespondenzblatt der Internationalen Zeitschrift für Psychoanalyse veröffentlicht.

Die Protokolle von 1906 - 1918 sind erhalten geblieben. Als Freud im Jahre 1938 Wien verließ, vertraute er die Originalprotokolle der Sitzungen seinem Schüler Paul Federn an. Als dieser wenig später ebenfalls emigrierte, nahm er die Protokolle mit sich und konnte sie dadurch vor der sicheren Vernichtung durch die Nazis retten – Freuds Kindern wussten nicht von der Existenz dieser Protokolle. Für Federn bedeuteten diese Protokolle eine große Verantwortung. Um sicherzustellen, dass sie veröffentlicht würden, traf er in seinem Testament entsprechende Vorkehrungen. Paul Federns Testament verfügt, dass die Protokolle im Besitz seiner drei Kinder verbleiben und von Dr. Nunberg und Ernst Federn veröffentlicht werden sollen[1].

Die Protokolle beginnen mit dem Jahr 1906 und wurden bis 1915 fortgeführt. In dieser Zeit war Otto Rank der offizielle Schriftführer der Vereinigung und hielt die Sitzungen schriftlich fest. Danach werden die Aufzeichnungen spärlicher. Rank musste im ersten Weltkrieg seinen Militärdienst ableisten, die Protokolle nennen ab 1915 nur mehr die Themen der Diskussionen oder sind fragmentarisch geführt.

Das Studium der Protokolle macht deutlich, dass die Gruppenmitglieder in der Psychoanalyse weit mehr sahen als ein System der Psychopathologie und eine Methode zu Behandlung kranker Menschen. Sie erkannten, dass die Beziehungen des Menschen zu seiner Umwelt sich nicht nur in seinem Verhalten äußern, sondern auch in den Kunstwerken, Religionen und gesellschaftlichen Institutionen. Wie aus den Protokollen leicht ersichtlich, gab es viele Debatten über das Zusammenwirken biologischer, sozialer und historischer Faktoren und der Entwicklung der Menschheit. Die meisten Protokolle vermitteln mit starker Klarheit, was gesagt wurde. Manche Protokolle sind jedoch schwer zu verstehen, da zu stark gekürzt wurde, was besonders ab 1910 oft geschah.

3. Die Akteure

3.1 Dr. Siegmund Freud (1856 -1939)

Sigismund Schlomo Freud wurde am 06. Mai 1856 in Freiburg als Sohn eines jüdischen Stoffhändlers geboren. Nachdem das väterliche Geschäft, durch eine Wirtschaftskrise ruiniert, geschlossen wurde, übersiedelte die Familie nach Wien.

Freud besuchte ab 1865 das Gymnasium und begann 1873 das Medizinstudium. Er promovierte 1882 und habilitierte 1885 im Fach Neuropathologie. 1885 -1886 konnte er auf Grundlage eines Stipendiums bei Jean Charcot in Paris die Auswirkungen der Hypnose und Suggestion auf die Therapie studieren.

Er freundete sich mit Josef Breuer an, der später die psychisch erkrankte Frauenrechtlerin Bertha von Pappenheim behandelte. Freud erkannte in dieser Frau eine Hysterikerin und entwickelte seine kathartische Methode. 1886 eröffnete Freud schließlich seine Privatpraxis und heiratete Martha Bernays.

Ausgelöst durch eine Lebenskrise betrieb Freud 1894 - 1899 eine Selbstanalyse. Die Ergebnisse dieser Analyse fanden Eingang in Freuds "Traumdeutung". In den darauf folgenden Werken entwickelte Freud seine Lehre vom Unbewussten, dem Verdrängungsmechanismus und den Fehlleistungen Vergreifen, Versprechen und Vergessen.

Freud hatte lange Zeit gegen Adlers Theorien geschwiegen; selbst als seine überzeugten Schüler sich offen gegen Adlers Neuerungen wandten, schwieg er und nahm nicht, wie erhofft, zu diesen Ideen und Theorien Stellung. Er sprach in den wöchentlichen Treffen zumeist als Lehrer und Professor. Die Zusammentreffen waren nach Meinung des Autors daher oft eher Vorlesungen und Stimmenabgleiche, als freie Diskussionen.

Freud mochte Biographien über seine Person nicht. Der größte Teil der Literatur zur Geschichte der Psychoanalyse hat (auto)biographischen Charakter und er vernichtete zweimal in seinem Leben wissenschaftlichen Aufzeichnungen. Nur ein Jahr nach seiner Emigration nach England starb Freud am 23.September 1938 an Krebs.

3.2 Dr. Alfred Adler (1870 – 1937)

Alfred Adler wurde 1870 in einem Wiener Vorort als zweites von sechs Kindern eines jüdischen Getreidehändlers geboren. Er studierte Medizin an der Wiener medizinischen Fakultät und war während seines Studiums Mitglied im sozialistischen Studentenbund.

Nach seiner praktischen Ausbildung und seiner Militärzeit ließ sich Adler als Arzt nieder (1898/1899) und aus dieser Zeit stammen auch seine ersten Schriften, die sich mit der Sozialmedizin befassen. Nur wenig später zeigte er Interesse an psychologischen Fragen und wurde 1902 von Freud zu einem Gesprächskreis eingeladen und gehörte damit zu den ersten fünf Mitgliedern der "Mittwochgesellschaft". Er spielte in der Mittwoch-Gruppe eine bedeutende Rolle und wurde 1910 Obmann dieser inzwischen "Wiener Psychoanalytischen Vereinigung" genannten Diskussionsrunde. Wie wir sehen werden legte er nur wenig später dieses Amt zurück.

Obwohl die Begegnung mit Freud entscheidend war, ging er bereits von Anfang an eigene Wege und versuchte eigene Gedanken mit denen von Freud zu verbinden. Bereits kurz nach dem Zusammenfinden der Gruppe begann Adler langsam seine eigenen Ideen in den Vordergrund zu stellen, die im Widerspruch zu Freuds Theorien lagen. Mit der Zeit löste er sich immer stärker von Freuds Theorien und entwickelte seine eigenen Vorstellungen. Sein Hauptinteresse galt der pädagogischen Anwendung der Psychologie und um 1908 wandte er sich wieder stärker der Medizin und den Naturwissenschaften zu. Ab 1909 begann Adler seine medizinischen Überlegungen zur Organminderwertigkeit und Kompensation auf die Neurosenpsychologie anzuwenden. Um 1910/11 hatte er diese in wesentlichen Zügen entworfen und dabei das Spannungsverhältnis von Ohnmacht und Macht zum Kern seiner psychologischen Theorie gemacht. Er hatte dabei eigene Begrifflichkeiten und Denkstrukturen entwickelt und sich damit sehr weit von Freud entfernt.

Adler legte sehr starkes Gewicht auf die biologischen Grundlagen der Neurose, indem er behauptete, dass diese Erkrankung das Ergebnis eines Versuches sei, auf psychischem Wege für die Minderwertigkeit des einen oder anderen Organs eine Überkompensation zu schaffen. Andererseits überschätzte er die Rolle, die der soziale Faktor auf die Neurose spielt.

Bereits 1909 kam es zu heftigen Kontroversen über den Aggressionstrieb zwischen Freud und Adler, die sich in den folgenden Monaten zuspitzten. 1911 legte Adler daraufhin in einem Vortrag seine Kritik offen dar. Nach überaus langen und scharfen Debatten verließen Adler und einige andere die Gesellschaft und gründeten einen eigenen Verein. 1912, also kurz nach der Trennung von Freud legte Adler seine Theorien und praktischen psychologischen Analysen vor[2].

Adler war Sozialist und in späteren Jahren übten seine politischen Überzeugungen starken Einfluss auf seine wissenschaftliche Anschauungen aus. Aus dieser sozialdemokratischen Ansicht heraus versuchte er die marxistische Lehre vom Klassenkampf mit seinen eigenen Theorien über den psychischen Konflikt in Einklang zu bringen. Er stellte die These auf, der psychische, innere Konflikt sei analog dem sozialen, äußeren Konflikt zwischen der ausgebeuteten und der herrschenden Klasse. Nach seiner Auffassung ist das Minderwertige und Schwache der weibliche Faktor und das Überlegene und Starke der männliche Faktor. Eine Neurose kommt dieser Ansicht nach dann zustande, wenn das Individuum sich gegen die Minderwertigkeit eines Organs auflehnt und mit psychischen Mitteln die fehlerhafte Funktion dieses Organs zu kompensieren versucht. In Summe kann eindeutig festgestellt werden, dass die Adlerschen Theorien in keinster Weise mit der Freudschen Psychologie vereinbar waren. In den Protokollen ist weiters zu ersehen, dass Adler, vor allem zu Beginn in den Diskussionen eher zurückhaltend war und nur selten das Wort ergriff. Er starb im Jahre 1937 in Aberdeen/UK an einem Herzinfarkt.

4. Die Entzweiung

Wie zu Beginn angeführt, war Adler von Anbeginn im Jahre 1902 bei der "Psychologischen Mittwoch-Gesellschaft" und wurde von Freud offensichtlich sehr geschätzt. Die gegenseitige Wertschöpfung wurde vor allem zu Beginn sehr deutlich. Kleinere Arbeiten Adlers aus der Zeit 1904/1905 sind so eng an Freud angelehnt, dass man den Eindruck gewinnt, er habe sich Freuds Theorien zu wenig eigen gemacht, als dass er damit eigenständig umgehen könnte.

[...]


[1] Die Originale sind heute wieder im Besitz der Wiener psychoanalytischen Vereinigung.

[2] Adler, A. (1912): Über den nervösen Charakter, Wiesbaden

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Sozialgeschichte der Psychologie
Hochschule
FernUniversität Hagen  (Psychologie)
Note
2
Autor
Jahr
2002
Seiten
25
Katalognummer
V9397
ISBN (eBook)
9783638161121
Dateigröße
496 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Die Entzweiung Freud - Adler
Arbeit zitieren
Klaus Süß (Autor:in), 2002, Sozialgeschichte der Psychologie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/9397

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