Sozialpädagogen im Nationalsozialismus - Helfer oder Täter?


Hausarbeit, 2008

20 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Entwicklung deröffentlichen Wohlfahrtspflege in Deutschland von 1924 bis 1932
2.1 Die Sozialpolitik in der Weimarer Republik
2.2 Das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz als wichtige Errungenschaft der Weimarer Republik

3. Die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen im Nationalsozialismus
3.1 Der Leitgedanke von Rasse und Volksgemeinschaft
3.2 Von der Sozialpolitik zur Rassenpolitik

4. Der erzieherische Gedanke

5. Wichtige Institutionen

5.1 Die NS-Volkswohlfahrt
5.2 Die Hitlerjugend
5.3 Die NS-Jugendhilfe

6. Fazit: Sozialpädagogen im Nationalsozialismus - Helfer oder Täter?

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Weimarer Republik von 1919 bis 1933 war geprägt von dem Ausbau des Wohlfahrtsstaates, durch den eine Vielzahl an neuen pädagogischen und wohlfahrtspflegerischen Handlungsfelder entstand. Die Institutionalisierung und Professionalisierung der Sozialen Arbeit ist charakteristisch für die Zeit der Weimarer Republik.

Der Nationalsozialismus war gekennzeichnet von den Leitbildern der Rassenreinheit und Volksgemeinschaft. Anders als zur Zeit der Weimarer Republik, in der das Individuum Hauptaugenmerk war, steht das Wohl der Gemeinschaft im Mittelpunkt des politischen und sozialpädagogischen Handelns. Man sprach nicht mehr von Wohlfahrtpflege sondern von Volkspflege. Die Jugendarbeit war gleichgeschaltet und in den Dienst der Ideologie des Nationalsozialismus gestellt. Gleichzeitig wurden Institutionen und Vereinigungen einer unabhängigen Jugendarbeit zerschlagen.

Betrachtet man die radikalen, menschenverachtenden Prinzipien des Nationalsozialismus, nicht nur im politischen Bereich, sondern vor allem im Bereich der Sozialpädagogik stellt sich die Frage, warum Sozialpädagogen - eine Berufsgruppe, die sich der menschlichen Hilfe verpflichtet fühlt - sich in eine Politik der sozialen Selektion und der funktionalen Erziehung einbinden lassen konnte.

Diese Hausarbeit setzt sich mit der grundlegenden Veränderung der Aufgaben von Sozialpädagogen im Nationalsozialismus auseinander. Des Weiteren wird geklärt werden, ob Sozialpädagogen und Sozialarbeiter dieser Zeit überhaupt als Helfer bezeichnet werden können oder ihnen eine Mittäterschaft zugesprochen werden muss.

Zu Beginn dieser Hausarbeit werden die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen in Deutschland zur Zeit der Weimarer Republik aufgezeichnet. Hierbei wird sowohl die Sozialpolitik der Weimarer Republik näher beschrieben, als auch bezug auf das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz als wichtige Errungenschaft der Weimarer Zeit genommen. Im Folgenden werden diese Entwicklungen den gesellschaftlichen und politischen Veränderungen im Nationalsozialismus gegenübergestellt. Es soll der Weg von der Sozialpolitik zur Rassenpolitik verdeutlicht werden.

Der darauffolgende Punkt wird die Besonderheit des erzieherischen Gedankens für den Nationalsozialismus hervorheben.

Anschließend werden die NS-Volkswohlfahrt, die Hitlerjugend sowie die NS-Jugendhilfe als wichtige Institutionen des Nationalsozialismus vorgestellt.

Abschließend soll ein Fazit gezogen werden, indem thematisiert wird, ob Sozialpädagogen im Nationalsozialismus unwissend- und somit unschuldig- von der nationalsozialistischen Politik ausgenutzt wurden, um deren Interessen durch zusetzten. War dies bei der Allgegenwärtigkeit der nationalsozialistischen Ideologie überhaupt möglich? Haben die Fachkräfte mit diesen Vorstellungen sympathisiert oder waren sie ignorant gegenüber der menschenverachtenden ‚Pädagogik’, dessen Ausführer sie waren?

2. Die Entwicklung deröffentlichen Wohlfahrtspflege in Deutschland von 1924 bis 1932

2.1 Die Sozialpolitik in der Weimarer Republik

Die Gründung der Weimarer Republik im Jahre 1919 als Folge des Zusammenbruchs der Monarchie und der Niederlage im Ersten Weltkrieg stellte einen Wendepunkt in der Geschichte des deutschen Volkes dar. Die neuen Sozialgesetzgebungen sollten Deutschland zu einem Wohlfahrtsstaat machen. Die Weimarer Verfassung regelte wichtige soziale Grundrechte, z.B. das Recht auf Erziehung, Bildung, Wohnung und Arbeit. Neue Armutsgruppen erhielten Recht auf Fürsorge, welche für immer mehr Menschen für die Existenzsicherung unverzichtbar wurde.

Die durchgeführten Veränderungen brachten aber nicht den gewünschten Erfolg das Elend der Bevölkerung einzudämmen. Die Situation verschlechterte sich aufgrund steigender Arbeitslosigkeit, Inflation und die darauffolgende Währungsreform. Ab 1924 stieg die Arbeitslosenzahl stetig an und erreichte 1932 mit einer Zahl von 6,13 Millionen ihren Höhepunkt.1 Die Armut der Bevölkerung nahm immer weiter zu und machte nun auch nicht mehr vor der Mittelschicht halt.

Heftige Diskussionen um die Funktion und Leistungsfähigkeit des Wohlfahrtsstaates entbrannten und Forderung nach Sparmaßnahmen wurden laut. Den Sicherungssystemen warf man vor, dass sie soziale Probleme nicht lösten, sondern diese noch verschärften. „Anonymität und Überbürokratisierung der Apparate bewirkten Missbrauch und schwächten systematisch die Selbstverantwortung. Das Ergebnis ist nicht nur eine gigantische Verschwendung von Mitteln, sondern eine moralisch- sittliche Verwahrlosung.“2

Die Weltwirtschaftskrise 1929 machte den Wohlfahrtsstaat nahezu handlungsunfähig. In allen Bereichen der Fürsorge wurden Leistungen gekürzt. Obwohl die Bevölkerung gerade jetzt vermehrt Unterstützung benötigte. Hering und Münchmeier schreiben hierzu: „Die Weltwirtschaftskrise stellt das sozialstaatliche Netz vor die Zerreißprobe zwischen wachsendem Hilfebedarf und Abbau der Hilfe.“3 Die soziale Mindestsicherung war nicht mehr vorhanden. Der Bereich der Jugendhilfe, insbesondere die Fürsorgeerziehung, waren besonders stark von der Kürzungspolitik betroffen. Darüber hinaus kam es zu einer Differenzierung des Klientel. Anhand der „Würdigkeit“ der Hilfebedürftigen wurde entschieden, ob diese Hilfe erhielten oder nicht.

2.2 Das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz als wichtige Errungenschaft der Weimarer Republik

Im Juli 1922 wurde, nach jahrelangen Vorbereitungen und Verhandlungen, für das ganze Reichsgebiet das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz (RJWG) erlassen. Aufgrund der schwierigen Finanzlage infolge der Inflation trat das Gesetz aber erst am 1. April 1924 in Kraft. Dieses Gesetz sprach den Kindern und Jugendlichen erstmals das Recht auf „Erziehung zur leiblichen, seelischen und gesellschaftlichen Tüchtigkeit“ zu. Es regelte klar, dass die Erziehung Aufgabe der Eltern ist und das ein Eingreifen gegen den Willen der Erziehungsberechtigten nur zulässig war, wenn es ein Gesetz erlaubte. Wenn die Erziehungsberechtigten der Aufgabe der Erziehung nicht nachkommen konnten trat die öffentliche Jugendhilfe ein.

Weitere wichtige Faktoren, die das RJWG regelte, waren sind die Zusammenlegung von Jugendpflege und Jugendfürsorge unter dem Oberbegriff der Jugendhilfe(§ 2) und die Regelung der örtlichen öffentlichen Jugendhilfe durch das Jugendamt der Stadt(§ 3). Das RJWG wurde auch als Jugendamtsgesetz bezeichnet, weil die Aufgaben in der Hand der Jugendämter lagen. Das Jugendamt sollte außerdem im Bereich der Beratung von Jugendlichen, dem Mutterschutz, Wohlfahrt der Säuglinge, der Kleinkinder, den Schulpflichtigen und den Schulentlassenen „Einrichtungen und Veranstaltungen anregen, fördern, und gegebenenfalls schaffen“.4 Aufgrund finanzieller Probleme wurde aber am 8. Dezember 1923 die Verordnung über das Inkrafttreten des RJWG erlassen, welches die Verpflichtung für Reich und Länder aufhob, Bestimmungen des RJWG durchzuführen, „dieneue Aufgaben oder eine wesentliche Erweiterung bereits bestehender Aufgaben für die Träger der Jugendwohlfahrt erhalten“.5

Mit den Notverordnungen zum RJWG im November 1932 durfte die Fürsorgeerziehung nicht mehr erfolgen werden, „wenn sie offenbar keine Aussicht auf Erfolg bietet“.6

Bereits vor der Machtübernahme der NSDAP war die Weimarer Republik durch seine Notstandverordnungspolitik ausgehöhlt worden. Es war allgemein bekannt, dass kaum noch eine wirksame Kontrolle der Politik gab, und das Hilfsprogramme nicht funktionierten. Deutschland litt unter wirtschaftlichen Schwierigkeiten wie der hohen Arbeitslosigkeit und den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise. Die Regierung verlor ihre Überzeugungskraft und wurde somit von der Bevölkerung nicht richtig akzeptiert. Das die NSDAP aus der wirtschaftlichen und politischen Krise als Gewinner hervorging zeigte sich an ihrem Anstieg der Mandate von 12 Reichstagsmandate bei den Wahlen 1928 auf 107 im Jahr 1930. Hering und Münchmeier schreiben hierzu:„Als Hitler im Frühjahr 1933 Reichskanzler wird, hat die Weimarer Demokratie schon seit fünf Jahren aufgehört lebendig zu existieren.“7

Von der neuen Regierung erhoffte sich die Bevölkerung eine Verbesserung der wirtschaftlichen und politischen Situation. Durch die wirtschaftlich problematische Situation und der daraus resultierenden Massenarbeitslosigkeit, wurde einem immer größerem Anteil der Bevölkerung fast jedes Mittel recht, um eine Verbesserung der Gesamtlage zu erreichen.8 Bereits zu diesem Zeitpunkt wurden kritische Stimmen laut. So äußerte die politische Linke Bedenken, dass die Regierung der NSDAP mit einem „radikalen Abbau von Demokratie und Freiheitlichkeit“ verbunden sein würde.9

[...]


1 vgl. Hering/Münchmeier 2000, S.118

2 Sachße/Tennstedt 1992, S.47

3 Hering/Münchmeier 2000, S.143

4 Jordan 2005, S.43

5 Jordan 2005, S.43

6 Schnurr 1997, S.16

7 vgl. Hering/Münchmeier 2000, S.115

8 vgl. Hering/Münchmeier 2000, S.157

9 Hering/Münchmeier 2000, S.158

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Sozialpädagogen im Nationalsozialismus - Helfer oder Täter?
Hochschule
Technische Universität Dortmund
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
20
Katalognummer
V93966
ISBN (eBook)
9783638072632
ISBN (Buch)
9783638957052
Dateigröße
472 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sozialpädagogen, Nationalsozialismus, Helfer, Täter
Arbeit zitieren
Manuela Siegel (Autor:in), 2008, Sozialpädagogen im Nationalsozialismus - Helfer oder Täter?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93966

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