Der autobiographische Diskurs in Jorge Luis Borges’ "Autobiographical Essay"


Hausarbeit, 2007

20 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Traditionelles Autobiographieverständnis
2.1. Die traditionelle Autobiographie
2.2. Probleme der traditionellen Gattungsbestimmung nach Lejeune

3. Neues autobiographisches Schreiben - Nouvelle Autobiographie und Autofiction

4. Das postmoderne Literaturkonzept Jorge Luis Borges`

5. Jorge Luis Borges und die Gattung Autobiographie

6. Autobiographical Essay
6.1. Entstehung
6.2. Aufbau und Sprache des Textes

7. Versuch einer Gattungsanalyse
7.1. Autobiographie?
7.2. Automythographie?
7.3. Autobiophonie?
7.4. Kollaborative Autobiographie?

8. Übersetzung ins Spanische

9. Fazit

10. Quellenverzeichnis
10.1. Literatur
10.2. Internet

1. Einleitung

Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist der autobiographische Diskurs in Jorge Luis Borges „Autobiographical Essay“. Es soll versucht werden, den Text anhand eines normativen traditionellen Autobiographieverständnisses einzuordnen. Dabei soll die Gattungsproblematik des traditionellen Modells aufgezeigt werden. Damit soll der nicht normative Ansatz des neuen Autobiographieverständnisses des postmodernen Diskurses in den Vordergrund gestellt werden.

Zunächst soll in Kapitel 2 der Begriff der traditionellen Autobiographie geklärt werden und die Probleme die er mit sich bringt erläutert werden. In Kapitel 3 sollen neue autobiographische Diskurse des Postmodernismus aufgezeigt werden, woraufhin in Kapitel 4 darauf eingegangen wird, inwieweit Jorge Luis Borges den postmodernen Diskurs geprägt hat. Kapitel 5 zeigt kurz Borges Einstellung zur Gattung Autobiographie auf. Kapitel 6 bis 8 sollen dem Text „An Autobiographical Essay“ gewidmet werden, wobei in Kapitel 7 der Versuch einer Gattungsanalyse gemacht werden soll. Im Schlussteil der Arbeit wird schließlich das Resümee gezogen, dass es unmöglich ist, den Text im weitesten Sinne dem normativen Konzept der traditionellen Autobiographie zu unterwerfen.

2. Traditionelles Autobiographieverständnis

2.1. Die traditionelle Autobiographie

(von griech.: autós: selbst; bíos: Leben; gráphein: beschreiben)

Die autobiographische Literatur gilt aus traditioneller Sicht als eine besondere literarische Gattung, die dadurch charakterisiert ist, dass sie einen außerliterarischen Wahrheitswert besitzt. Das bedeutendste Strukturmerkmal einer Autobiographie ist Identität von erzählendem und erzähltem Ich.[1] Leitbegriffe des traditionellen Autobiographieverständnisses sind wahre Erfahrung, Wirklichkeit, Wahrheit, Wahrhaftigkeit und Authentizität.[2] Der Anspruch nach Wirklichkeit ist nicht nur in den Köpfen derer verankert, die eine Autobiographie lesen, sondern auch in deren, die sie schreiben. Auch wenn eine Autobiographie parodiert wird, geschieht dies mit der Intention beim Leser einen Wirklichkeitseffekt zu erzielen.[3]

Der erhobene Wahrheitsanspruch beim traditionellen Autobiographieverständnis basiert auf der Vorstellung, dass sprachliche Zeichen, die nicht sprachliche Wirklichkeit darstellen können. Das Wahrheitspostulat setzt demnach ein repräsentationslogisches Zeichenmodell voraus.

Das aktuellste Werk des traditionellen Autobiographieverständnisses, ist Philippe Lejeunes „Der autobiographische Pakt“ aus dem Jahr 1975. Nach Lejeune lässt sich eine Autobiographie folgendermaßen definieren: „Rückblickende Prosaerzählung einer tatsächlichen Person über ihre eigene Existenz, wenn sie den Nachdruck auf ihr persönliches Leben und insbesondere auf die Geschichte ihrer Persönlichkeit legt.“[4] Erzähltechnisch bedeutet dies, dass die Autobiographie eine Erzählung in Prosa ist, die eine individuelle Lebensgeschichte behandelt. Autor und Erzähler müssen hierbei identisch sein, ebenso Erzähler und Protagonist, die Erzählperspektive ist retrospektiv. Der „Autobiographische Pakt“ ist hierbei gekennzeichnet durch die Identität von Autor-Erzähler-Protagonist.[5] Dieser Pakt“ grenzt die Autobiographie, nach Lejeune, von ihren Nachbargattungen, wie dem autobiographischen Roman ab.

2.2. Probleme der traditionellen Gattungsbestimmung nach Lejeune

Lejeunes Definition der Gattung Autobiographie grenzt die Autobiographie durch den „autobiographischen Pakt“, also die Einheit Autor- Erzähler-Protagonist, vom autobiographischen Roman und anderen Nachbargattungen ab. Dabei ist der „Pakt eine textexterne Kategorie, gewährleistet durch die Identität des Autors auf der Titelseite mit dem Erzähler und Protagonist des Textes. Die Autobiographie bezieht sich seiner Meinung nach auf ein wahres Referenzsystem[6], während der autobiographische Roman durch Illusion ein Referenzsystem aufbaut, d.h. das seine System ist nicht mimetisch, das andere schon.[7] Dabei ist das Unterscheidungskriterium zwischen Autobiographie und autobiographischem Roman lediglich durch den „Pakt“, also durch eine textexterne Kategorie gegeben; textintern gebe es keine Unterschiede. Damit sei es dem Leser überlassen, was er glauben soll.[8] Diese Behauptung ist problematisch, da der Leser den „Pakt“ nicht einfach außer Acht lassen kann; Er kann jedoch die Echtheit des Autornamens, der Signatur des Autors, nicht nachprüfen.

Ob es sich um eine traditionelle Autobiographie handelt oder um eine andere Art von Text, wird nur der erfahrenen Leser bemerken, und zwar aufgrund des Grades der Fiktionalisierung durch Verfahren wie z.B. Parodie, Negationen und Widersprüche und Auslassungen.

Philippe Lejeunes „Der autobiographische Pakt“ geht von einem universellen Gattungsmodell aus, aufgebaut auf der klassischen Autobiographie Rousseaus. Damit wirft das Buch zahlreiche Probleme auf, da es in einer Zeit geschrieben wurde, in der die großen Paradigmen im Wandel waren und Diskurse mit allgemeinem Anspruch ihre Gültigkeit verloren hatten.[9] Im Rahmen postmoderner Diskurse wurde die Autobiographie als Gattung aufgrund ihres Wahrheitsanspruchs angezweifelt, da ein normatives Wahrheitsverständnis nicht mehr unreflektiert hingenommen wurde.[10] Schon Mitte der fünfziger Jahre wurde im Nouveau Roman der Begriff Wirklichkeit relativiert, was eine Auflösung der Grenzen zwischen Wirklichkeit und Fiktion nach sich zog.[11]

In den frühen achtziger Jahren wurde mit Konzeption der „autofiction“ und „nouvelle autobiographie“ die traditionelle Gattung Autobiographie aus den Angeln gehoben.[12]

3. Neues autobiographisches Schreiben - Nouvelle Autobiographie und Autofiction

Die „Nouvelle Autobiographie“ ist eine Konzeption von Alain Robbe-Grillet (Le miroir que revient (1984), Angélique ou lènchantement (1987), Les derniers jours de Corinthe (1994)), welche auf Roland Barthes „Roland Barthes par Roland Barthes“ (1975), sowie auf das Konzept der „Autofiction“ von Doubrovsky ( „Fils (1977), Livre Brisé(1989) zurückgeht. Doubrovsky und Robbe-Grillet haben mit ihren autofiktionalen Texten einen Paradigmenwechsel, was die Textsorte Autobiographie betrifft, herbeigeführt.[13]

Autofiktionale Text sind von einem Gattungstypologischen Standpunkt aus ambivalent, da sie sowohl die für Autobiographien typische Namensidentität zwischen Autor und Erzähler enthalten und sich als autobiographische Texte zu erkennen geben, aber zusätzlich die Bezeichnung „Roman“ tragen; sie können also nicht eindeutig zugeordnet werden.[14] Obwohl diese Texte autobiographische Bezüge haben, werden diese von vorherein in Zweifel gestellt wodurch die Texte im Widerspruch zum traditionellen Autobiographieverständnis stehen. Während die traditionelle Autobiographie aufgrund ihres Wahrheitsanspruches fiktionale Elemente ausschließt, konstituieren sich autofikitionale Texte gerade durch diese. Nach Doubrovsky gibt es jedoch keine Opposition mehr zwischen referenziellem und fiktionalem Diskurs; vielmehr sind Fiktionalität und autobiographisches Schreiben für ihn untrennbar.[15] Die Autoren der neuen autobiographischen Texte beglaubigen also nicht mehr die Echtheit ihrer Darstellungen, sondern deren räumen Fiktionalität ein. Damit erweist sich Authentizität im traditionellen Sinn als unerreichbar; diese Unerreichbarkeit wird jedoch von den Autoren eingeräumt.[16] Die Autoren gewinnen damit eine „neue“ Wahrhaftigkeit, die darin artikuliert wird, dass Wahrheitsansprüche prinzipiell unerfüllbar sind.

Inwieweit Jorge Luis Borges den postmodernen Diskurs geprägt hat, soll im Folgenden kurz dargestellt werden.

[...]


[1] Vgl. Wagner – Egelhaaf, Martina 2005: Autobiographie. Stuttgart: Metzler. S. 8.

[2] Vgl. ebd. S.4.

[3] Vgl. ebd.

[4] Lejeune, Philippe 1994: Der autobiographische Pakt. Frankfurt/M.: Suhrkamp TB. S. 14.

[5] Vgl. ebd. S.15.

[6] Vgl. ebd. S. 39.

[7] Vgl. ebd. 1416.

[8] Vgl. ebd.

[9] Vgl. De Toro, Alfonso. „Die postmoderne „neue Autobiographie“ oder die Unmöglichkeit einer Ich –Geschichte am Beispiel von Robbe-Grillets Le miroir qui revient und Doubrovskys Livre brisé“, in: Sybille Groß/Axel Schönberger (Hrsg.): Dulce et decorum est philogiam colere: Festschrift für Dieter Briesemeister zu seinem 65. Geburtstag. Berlin, 1999.1407-1443. 1408.

[10] Vgl. Vgl. Gronemann, Claudia 2002: Postmoderne/postkoloniale Formen der Autobiographie in der französischen und maghrebischen Literatur. Hildesheim: Olms Verlag. S. 12.

[11] Vgl. Toro, Die postmoderne „neue Autobiographie“, S. 1409.

[12] Vgl. ebd. S. 1408.

[13] Vgl. ebd. S. 1407-1408.

[14] Vgl. Gronemann, Postmoderne/postkoloniale Formen der Autobiographie in der französischen und maghrebischen Literatur, S.11.

[15] Vgl. ebd. S. 47.

[16] Vgl. ebd.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Der autobiographische Diskurs in Jorge Luis Borges’ "Autobiographical Essay"
Hochschule
Universität Leipzig
Note
2,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
20
Katalognummer
V93925
ISBN (eBook)
9783638070805
ISBN (Buch)
9783638955904
Dateigröße
479 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Diskurs, Jorge, Luis, Borges’, Autobiographical, Essay
Arbeit zitieren
Christina Halasz (Autor:in), 2007, Der autobiographische Diskurs in Jorge Luis Borges’ "Autobiographical Essay", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93925

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