Analyse der kaiserlichen Gebete im Rolandslied

Aufbau, Struktur und Zweck


Seminararbeit, 2006

16 Seiten, Note: 2.5


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Das Gebet

3. Arten des Gebetes
a) Gebetsgattungen
b) Intention des Gebets
c) Gebete in der mittelalterlichen Epik

4. Arten der Gebete des Kaisers

5. Zu thematisierende Gebete im Rolandslied
a) Aufbau der Gebete
b) Zweck der Gebete

6. Abweichungen zwischen Chanson de Rolande und Rolandslied

7. Interessen hinter den Gebeten des Kaisers

8. Fazit

9. Bibliographie

1. Einleitung

Aufgabe dieser Arbeit soll es sein, die Merkmale der kaiserlichen Gebete im Rolandslied (RL), ihren Aufbau und ihren Zweck kenntlich zu machen. Der Impuls hierzu liegt in einem Referat bezüglich dieses Topos des Rolandsliedes. Die Quellen- und Literaturlage zu diesem Thema ist zufriedenstellend. Auch wenn sich das zeitgenössische Forschungsinteresse kaum mit diesem Thema befasst, sondern es nur tangiert, so sind im Verlauf des letzten Jahrhunderts wichtige Beiträge diesbezüglich erschienen. Ebenfalls muss erwähnt werden, dass das zu Rate ziehen einschlägiger theologischer Literatur notwendig ist, um diesem Topos näher zu kommen. Zu Beginn der Arbeit, erfolgt eine Darstellung des Gebets an sich, um es anschließend differenzierter zu betrachten. Es folgt die Analyse der kaiserlichen Gebete innerhalb der zu diesem Zeitpunkt erarbeiteten Kriterien, um diese dann bezüglich der Vorlage näher zu betrachten. Abschließend steht der Zweck der Gebete des Kaisers im Vordergrund.

2. Das Gebet

Das Gebet ist eine der wichtigsten und häufigsten religiösen Handlungen im Christentum[1]. Bereits in der Heiligen Schrift nimmt das Gebet eine zentrale Stelle ein. Dort betet Jesus zu seinem Vater und lehrt seine Jünger das Beten des Vaterunsers (lat. „Pater noster“). Es ist das wohl bekannteste Gebet des Christentums und hatte von Anfang an über das Mittelalter bis hin in die Neuzeit einen hohen Stellenwert. Die religiöse Handlung des Betens wird jedoch schon wesentlich früher, im Alten Testament, durchgeführt. Dort ist das Gebet eine an Gott gerichtete Rede des Volkes, des Volksrepräsentanten (z.B. König Daniel) oder eines individuellen Betenden[2]. Inhalt sind meist Lob, Klage, Bitte, Fürbitte und Dank an Gott. Im Gebet spricht man zu seinem religiösen Objekt. Man richtet sich an jemanden, der als ein unabhängiges Agens aufgefasst wird[3]. Dies kann öffentlich und gemeinschaftlich geschehen, oder aber privat. Dabei kann das Gebet formell oder weniger formell sein. Diesbezüglich kann es in der Nutzung der Sprache, der Wörter/ des Wortlautes, der Gebetshaltung, der Gesten,

der Kleidung und der Vorbereitung formell gestaltet werden[4]. Im Alten Testament spricht der

Betende nicht in die Leere des Kosmos, sondern richtet sich an einen lebendigen Gott, der sich offenbart hat[5]. Das bedeutet, dass auch wenn Gott dem Betenden im Augenblick der Not

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

scheinbar fern ist, dieser doch auf die Offenbarung seiner Nähe als Antwort hoffen darf. Aus-gangspunkt der christlichen Gebete ist die jüdische Gebetspraxis. Sie wurde allerdings an entscheidenden Stellen umgeformt. So übernahm die Kirche beispielsweise das dreimalige tägliche Gebet (morgens – Schacharit; mittags – Mincha; abends - Maariv), verknüpfte es jedoch mit dem Pater noster[6]. Viele alttestamentliche Erzählungen bezeugen, dass die Isra-eliten aus dem direkten Lebensvollzug heraus bei vielen Gelegenheiten spontan Gebete zu Gott gesprochen haben. Merkmale solcher Gebete sind ihre Kürze und ihre große Direktheit im Umgang mit Gott.

3. Arten des Gebetes

Gebete lassen sich in Bezug auf verschiedene Punkte differenzieren. Zu nennen sind hier der theologische Aspekt, der sich in a) und b) gliedert, und der literaturwissenschaftliche Aspekt. Letzterer bezieht sich hier auf die Gebete der mittelalterlichen Epik nach der Terminologie von A. Baumstark, D. Scheludko und E.C. Lutz.

a) Gebetsgattung

Gebetsgattungen lassen sich an sich nicht unterteilen, da sie bereits die verschiedenen Formen des Gebets differenzieren. In der theologischen Fachliteratur wird diese Differenzierung jedoch, auch wenn nur auf theoretischer Basis, praktiziert. Der Grund dafür, ist das Vorhandensein unterschiedlicher Gebetsgattungen im angewandten Gebet des religiös Handelnden. Die Mischung unterschiedlicher Gattungen tritt bereits im Alten Testamen (AT) auf. Nach theologischem Verständnis lassen sie sich jedoch wie folgt differenzieren: Klage, Bitte (Fürbitte), Vertrauensbekenntnis, Sünden- Unschuldsbekenntnis, Gelübde und Lobpreisung[7]. Das Bittgebet ist wohl die am meisten verbreitete Gebetsgattung, obwohl reine Bittgebete wie bereits erwähnt selten sind. Ein Beispiel für eine Gebetskombination sind die Bittpsalmen im Alten Testament. Dort geht das Bittgebet in Lob über bzw. beginnt mit Lob und wendet sich dann der Bitte zu[8]. Ebenso kommen aber auch Verbindungen mit allen

anderen Gebetsgattungen vor. Empfindet der Mensch die Großartigkeit des göttlichen Wesens, werden Lobpreisungen geäußert[9]. Sie sind ebenfalls eine weit verbreitete Gattung des Gebets. Zwischen Lobpreisung und Bitte steht das Dankgebet. Da es auf einzelne Wohltaten

Bezug nimmt, ist es nur schwer von der Lobprei-sung abzugrenzen[10]. Weniger stark dagegen ist der Dank an die Bitte gebunden, in solchen Fällen endet eine Bitte mit den Worten endlosen Dankes, sollte Gott den Betenden erhören[11].

b) Intention des Gebets

Affektives Gebet; Hierbei nutzt das betende Subjekt verschiedene Gebetsgattungen in seiner „Anrufung“. Die Einzelheiten aus dem Leben und Leiden Christi sind dabei von Bedeutung. Aus der Sicht des betenden Subjekts geht es um die Weckung eines Affektes[12]. Ein solches affektives Gebet soll Gott dazu bewegen, dem Betenden aktiv zu helfen. Beispiele, in denen ein betendes Individuum Gott bittet ihm zu helfen, sind zahlreich im Alten Testament enthalten (Bsp.: Samson, der von Gott ein letztes Mal seine alte Stärke erbittet, um seine Feinde in den Tod reißen zu können).

Meditatives Gebet; Der Aspekt der Meditation wird mit dem Gebet verbunden. Der Betende geht in sich und betet zu Gott. Sowohl in der Theorie als auch in der Praxis der mittelalter-lichen Frömmigkeit steht der Abbitte leistende Aspekt des Gebets im Vordergrund[13]. Hierbei ist jedoch zu erwähnen, dass zur Bitte auch immer die Lobpreisung gehört. Die Praxis des meditativen Gebets wurde über Johannes Cassianus[14] und andere weitergegeben. Sie hält sich an den Dreischritt lectio- meditatio- oratio.

c) Gebete in der mittelalterlichen Epik

Die Gebete in den altfranzösischen Chansons de geste wurden früh ein Thema der Forschung. Hierbei unterscheiden sich nach D. Scheludko (auf den sich E.C. Lutz beruft) zwei Typen von Gebeten. Ihre Bezeichnungen „Paradigmengebet“ und „Konfessionsgebet“ gehen auf Anton Baumstark[15] zurück und werden u. a. von E.C. Lutz verwendet.

Paradigmengebet; Lutz charakterisiert in seinem Buch „Rhetorica Divina“ das Paradigmen- gebet als eine Reihe von Aufzählungen von Fällen göttlicher Heilstaten. An deren Schluss erfolgt die Bitte um Hilfe: „So wie du xy geholfen hast, flehe ich dich an, so hilf nun auch uns.“

Konfessionsgebet; In ihm stützt sich der Betende auf seinen Glauben. In ihm sieht er die rettende Kraft. Seine Zuversicht und seinen Glauben an Gottes Hilfe bezieht der Betende, indem er die wichtigsten Momente seines Glaubens definiert. Eingeleitet wird ein solches Gebet oft von Glaubensbekenntnissen des Betenden, gefolgt von der Erinnerung an erlittene Leiden und der Bekenntnis der Sünden, die sie ausgelöst haben[16].

Beide, sowohl Konfessions- wie Paradigmengebet, werden zumeist in Momenten äußerster Bedrängnis gesprochen. So folgt im Rolandslied nach dem Paradigmengebet Karls in den Versen 7907-7930 die Schlacht gegen Paligan und sein heidnisches Heer.

Die Darstellung des Paradigmengebets legt sich scheinbar recht eng an den Aufbau des affek-tiven Gebets. Bezüglich dieser Nähe der Gebete zueinander, die Spielraum für Diskussionen lässt, nimmt E.C. Lutz in seinem Werk „Rhetorica Divina“ nicht Stellung. Dieser Punkt lässt einen Ansatz der Kritik an Lutz` Schrift zu. Es verwundert daher nicht, dass dieser Ansatz nicht weiter verfolgt wird. Eine andere Erklärung ist die, das Lutz nur Nutzer und nicht Verfasser der Einteilung von Paradigmen- und Konfessionsgebet ist. Andererseits, weil es sich um verschiedene wissenschaftliche Zweige handelt, welche über den Topos des Gebets miteinander verbunden sind. Des Weiteren stimmen das affektive und das Paradigmengebet nicht wirklich überein. Da im Paradigmengebet, wie bereits erwähnt, Heilstaten (und nicht Einzelheiten aus dem Leben und Leiden Christi) aufgezählt werden, also geschichtliche Momente, in denen Gott zum Wohle eines Menschen/ eines Volkes im Moment großer Gefahr eingegriffen hat.

[...]


[1] Vgl. Theologische Realenzyklopädie, Band XII, S. 483, Hrsg. Walter de Gruyter, Berlin, New York, 1884

[2] Vgl. Theologische Realenzyklopädie, Band XII, S. 485, Hrsg. Walter de Gruyter, Berlin, New York, 1884

[3] Vgl. Theologische Realenzyklopädie, Band XII, S. 483, Hrsg. Walter de Gruyter, Berlin, New York, 1884

[4] Vgl. Theologische Realenzyklopädie, Band XII, S. 485, Hrsg. Walter de Gruyter, Berlin, New York, 1884

[5] Vgl. Theologische Realenzyklopädie, Band XII, S. 487, Hrsg. Walter de Gruyter, Berlin, New York, 1884

[6] Vgl. Theologische Realenzyklopädie, Band XII, S. 491, Hrsg. Walter de Gruyter, Berlin, New York, 1884

[7] Vgl. Rhetorica Divina, S. 109, Hrsg. De Gruyter, 1984

[8] Vgl. Rhetorica Divina, S. 110, Hrsg. De Gruyter, 1984

[9] Vgl. Rhetorica Divina, S. 111, Hrsg. De Gruyter, 1984

[10] Vgl. Rhetorica Divina, S. 111, Hrsg. De Gruyter, 1984

[11] Vgl. Das Rolandslied des Pfaffen Konrad, Vers 6998/99, Hrsg. Reclam, Stuttgart, 1996

[12] Vgl. Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., S. 69, Hrsg. Mahr Siebeck, 1998

[13] Vgl. Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., S. 69, Hrsg. Mahr Siebeck, 1998

[14] Cassianà christlicher Priester, Mönch & Schriftsteller ca. 360 bis ca.435 n. Chr.

[15] Anton Baumstark 04.08.1872 Konstanz bis 31.05.1948 Bonn

[16] Vgl. Rhetorica Divina, S. 111, Hrsg. De Gruyter, 1984

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Analyse der kaiserlichen Gebete im Rolandslied
Untertitel
Aufbau, Struktur und Zweck
Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel  (Germanistisches Seminar)
Note
2.5
Autor
Jahr
2006
Seiten
16
Katalognummer
V93891
ISBN (eBook)
9783640102563
Dateigröße
437 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Analyse, Gebete, Rolandslied
Arbeit zitieren
Rene Ben Amor (Autor:in), 2006, Analyse der kaiserlichen Gebete im Rolandslied, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93891

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