Das Tourette-Syndrom unter sprachwissenschaftlicher und pädagogischer Betrachtung


Examensarbeit, 2006

135 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Historischer Blick auf das Tourette-Syndrom

3. Das Tourette-Syndrom - eine kurze Wesensbestimmung
3.1. Definition von Tics
3.2. Hauptmerkmale des Tourette-Syndroms

4. Differenzierte Betrachtung der Symptome unter sprachlicher Akzenturierung
4.1. Motorische Tics
4.1.1. Einfache motorische Tics
4.1.2. Komplexe motorische Tics
4.1.3. Häufigkeiten motorischer Tics
4.2. Vokale Tics - der sprachliche Aspekt des Tourette-Syndroms
4.2.1. Einfache vokale Tics
4.2.2. Komplexe vokale Tics
4.2.3. Koprolalie
4.2.4. Echolalie und Palilalie
4.2.5. Syntaktisches Auftreten der vokalen Tics
4.2.6. Abweichungen der sprachlichen Fähigkeiten bei Tourette-Patienten als Ansatzpunkt für sprachheilpädagogische Maßnahmen
4.2.7. Stottern und Tourette

5. Krankheitsverlauf

6. Begleiterscheinungen des Tourette-Syndroms und ihre sprachliche Dimension
6.1. Sprachliche und andere Zwänge, Zwangshandlungen und Zwangsgedanken
6.2. Depressivität, Aggressivität und selbstdestruktives Verhalten aufgrund ‚andersartiger’ Kommunikationsvoraussetzungen
6.3. Hyperkinetisches Syndrom
6.4. Lese-Rechtschreib-Schwäche und andere Lernstörungen
6.5. Überdurchschnittliche motorische, sprachliche und künstlerische Fähigkeiten

7. Ätiologie
7.1. Genetische Dispositionen
7.2. Organische Faktoren
7.2.1. Auffälligkeiten der subkortikalen Strukturen, insbesondere der Basalganglien
7.2.2. Imbalance der Neurotransmitter
7.2.3. Hirnanatomische Veränderungen und Auffälligkeiten im EEG
7.3. Modellvorstellungen zur Tic-Entstehung

8. Diagnostik unter förderpädagogischen und klinischen Gesichtspunkten . ..

9. Behandlung des Tourette-Syndroms
9.1. Medikamentöse Behandlung
9.2. Verhaltenstherapeutische Behandlung, insbesondere das Habit Reversal Training

10. Fallbeispiel
10.1. Beschreibung des Vorgehens
10.2. Allgemeine Angaben zum Kind
10.3. Vorgeschichte und Umfeld.
10.3.1. Informationen aus schriftlichen Quellen (Schülerakte) zum Störungsbild .
10.3.2. Auswertung der Beobachtungen
10.3.3. Auswertung der Fragebögen der Mutter und der Klassenlehrerin

11. Förderpädagogische Interventionen bei Kindern mit Tourette-Syndrom ... ..
11.1. Schulerfahrungen von Personen mit TS
11.2. Die ‚richtige’ Schulform
11.3. Vorschläge zum (förder)pädagogischen Umgang mit dem Tourette- Syndrom
11.3.1. Leitlinien für den Unterricht bezüglich Aufmerksamkeitsproblemen, sprachlicher und schriftsprachlicher Einschränkungen
11.3.2. Maßnahmen bei vokalen Tics und sprachlichen Problemen
11.3.3. Schriftliche Leistungsüberprüfungen und Hausaufgaben
11.4. Vorschläge zum (förder)pädagogischen Umgang mit anderen
Auffälligkeiten, die im Zusammenhang mit dem TS stehen
11.4.1. Anregungen zu Interventionen bei Aufmerksamkeitsstörungen
11.4.2. Anregungen zu Interventionen bei Zwangssymptomen
11.4.3. Anregungen zu Interventionen bei aggressivem Verhalten aufgrund gestörter Impulskontrolle
11.4.4. Einblicke in förderpädagogische Maßnahmen bei Lernstörungen und Leistungsschwächen, Sprechstörungen und Leseschwächen
11.5. Kritische Betrachtung der Maßnahmen

12. Literaturverzeichnis

13. Internetquellenverzeichnis

14. Tabellenverzeichnis

15. Abbildungsverzeichnis

16. Selbstständigkeitserklärung

17. Anhang
17.1. Materialien zur Diagnostik/ vokalen und motorischen Einschätzung des TS und seiner Komorbiditäten
17.1.1. Tourette-Syndrom-Globalskala (TSGS) (nach Harcherik et al. 1984)
17.1.2. Tourette-Syndrom-Schweregrad-Skala (TSSS) (nach Shapiro et al. 1988); Auszug
17.1.3. Tourette-Syndrom-Symptomliste (TSSL) (nach Leckman et al. 1988)
17.1.4. Conners-Skala zum hyperkinetischen Syndrom (modifiziert)
17.1.5. Leyton-Zwangssyndrom-Fragebogen für Kinder (Berg et al. 1986, bearb. v H.-C. Steinhausen 1988); Auszug
17.1.6. Zwangsfragebogen für Patienten mit Ticstörungen (nach Frankel et al 1986; modifiziert); Auszug
17.2. Hospitationsprotokolle
17.2.1. Hospitationsprotokoll 06.04.2006: Hauswirtschaft
17.2.2. Hospitationsprotokoll 11.05.2006 (1): Doppelstunde Hauswirtschaft
17.2.3. Hospitationsprotokoll 11.05.2006 (2): Vertretungsstunde Deutsch
17.3. Fragebögen zum Fallbeispiel
17.3.1. Elternfragebogen zu M., ausgefüllt von der Mutter des Jungen
17.3.2. Lehrerfragebogen zu M., ausgefüllt von der Klassenlehrerin des Jungen .

Mit dem Touretteschen Syndrom ist das Leben wild und ausgelassen, so als ware man die ganze Zeit betrunken. Mit Haldol[1] ist es langweilig, man wird nuchtern und spieBig. Aber in keinem der beiden Zustande ist man wirklich frei ... Ihr ,Normalen', bei denen die richtigen Transmitter zur rechten Zeit an den richtigen Stellen im Gehirn sind, konnt euch immer alle Gefuhle, alle Lebensstile aussuchen - ihr konnt schwer oder leicht sein, je nachdem, wie es die Situation erfordert. Wir konnen das nicht: Das Syndrom zwingt uns zu schweben, und Haldol zwingt uns, am Boden der Tatsachen zu kleben. Ihr seid frei, ihr befindet euch in einem naturlichen Gleichgewicht, aber wir haben nur eine kunstliches und mussen das Beste daraus machen.“

(Witty Ticcy Ray. In: SACKS 1994, Der Mann der seine Frau mit einem Hut verwechselte, S. 142)

1. Einleitung

Diese Examensarbeit beschäftigt sich mit dem Tourette-Syndrom, wobei der Blickwinkel aus sprachlichen und förderpädagogischen Perspektiven erfolgt. Auslöser war ein von mir gehaltenes Seminarreferat im Fachbereich Sprachbehindertenpädagogik, das nicht nur mein Interesse zur Thematik weckte, sondern mir auch zeigte, wie wenig dieses Störungsbild bekannt ist: Für den Großteil der Kommilitonen referierte ich über ‚Neuland’. Daher ist die Zielstellung meiner Arbeit, durch das Beleuchten eines möglichst umfassenden Bildes zum Tourette-Syndrom einen Teil Aufklärungsarbeit zu leisten.

Das Tourette-Syndrom ist eine neuropsychiatrische, organische Erkrankung und konnte in allen Rassen und Kulturen beobachtet werden (vgl. SCHAUENBURG/ DRESSLER 1992, S. 457). Motorische und vokale Tics prägen das Störungsbild. Es ist als Behinderung anerkannt, bei einer schweren Ausprägung kann sogar rechtlich eine ‚Schwerstbehinderung’ geltend gemacht werden (vgl. THIELE 2000, S. 185) und rechtfertigt somit die Auseinandersetzung im Rahmen der Förderpädagogik.

Das auf die Einleitung folgende zweite Kapitel umreißt die Geschichte des Tourette- Syndroms bezüglich Erklärungsansätzen, betroffener historischer Persönlichkeiten (insbesondere Mozart, dessen sprachliche ‚Entgleisungen’ beispielhaft dargelegt werden), beschreibt die Rolle Gilles de la Tourettes im Erkenntnisprozess um die Störung und gibt eine Übersicht zum Paradigmenwechsel in Hinblick auf die Pathogenese des TS.

Im dritten Kapitel wird das Störungsbild Tourette-Syndrom mit Hilfe des DSM-IV und des DSM-III-R (Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen) in Überblicksform dargelegt. Es enthält Informationen zu differentialdiagnostischen Aspekten sowie zu grundlegenden Charakteristika und Symptomen der Krankheit und gibt einen ersten Einblick in den Krankheitsverlauf.

Kapitel vier befasst sich mit den motorischen und vokalen Tics im Speziellen. Während der Abschnitt zur motorischen Problematik kurz gehalten ist, wird auf die sprachliche Komponente in Form vokaler Tics und deren Sonderformen - wie z.B. die Echolalie - tiefer eingegangen. Anhand wissenschaftlicher Studien, die die Sprache von Menschen mit TS zum Gegenstand hatten, können detaillierte Aussagen getroffen werden. Die Klärung syntaktischer Gesichtspunkte, die Betrachtung der sprachlichen Besonderheiten bei Tourette-Patienten, sprachheilpädagogische Ansätze und die Verbindung zum Störungsbild Stottern sind Teil dieses Kapitels.

Im darauffolgenden Kapitel steht der Krankheitsverlauf im Mittelpunkt. Eingeschlossen sind Ausführungen zur Unwillkürlichkeit der Tics sowie zur Aneignung derselben.

Im sechsten Kapitel wird auf die Komorbiditäten des Tourette-Syndroms eingegangen. Dazu zählen Zwänge, auch sprachlicher Natur, Depressionen und (Auto)Aggressionen, u.a. verursacht aufgrund eines doch in gewisser Weise ‚andersartigen’ Kommunikationsverhaltens, Hyperkinetische Störungen als auch Lese-Rechtschreib- und andere Lernstörungen, wobei die drei letztgenannten von besonders förderpädagogischer Bedeutung sind. Besondere ‚Talente’ in sprachlicher, motorischer oder künstlerischer Ausprägung bei Menschen mit Tourette finden ebenso Erwähnung.

Mit den Hypothesen zur Ätiologie setzt sich Kapitel sieben auseinander. Eingegangen wird auf genetische und organische Faktoren sowie auf zwei Modellvorstellungen zur Tic- Entstehung. Auf die Entstehung vokaler Tics aufgrund defizitärer Hemmmechanismen wird eingegangen.

Während Kapitel acht Einblicke in förderpädagogische und klinische Aspekte der TSDiagnose gibt, werden im darauffolgenden Kapitel medikamentöse und verhaltenstherapeutische Behandlungsmöglichkeiten dargelegt. Auf die Umleitung von Tics in Form des ‚Habit Reversal Trainings’ wird vertiefend eingegangen.

In Kapitel 10 habe ich meine Beobachtungen zu einem Tourette-Kind, das ich mehrfach in der Schule aufsuchte, beschrieben. Detaillierte Informationen aus der Schülerakte sowie die Auswertung eines Fragebogens an die Eltern und die Klassenlehrerin ergänzen das Bild.

Neben meiner Zielstellung zur Aufklärung über die Thematik, stellte ich mir zu Beginn der Arbeit die Frage, wie Kindern und Jugendlichen mit Tourette-Syndrom im schulischen Kontext geholfen werden kann bzw. wie man mit ihnen umgeht. Kapitel 11 beschäftigt sich aus diesem Grunde umfassend mit förderpädagogischen Interventionen, die bei diesen Kindern angezeigt sind. Nach Berichten zu Schulerfahrungen von Tourette-Patienten und Ausführungen zur ‚richtigen’ Schulform für diese Kinder, folgen einerseits Anregungen zum Umgang mit dem TS unter verstärkter Betrachtung der Tics (z.B. in Hinblick auf sprachliche Schwierigkeiten oder Sondermaßnahmen bei Leistungsüberprüfungen), andererseits konkrete Hinweise zum Umgang mit den schon erwähnten Komorbiditäten. An den entsprechenden Stellen wurde zu relevanten Interventionen bezüglich des von mir beobachteten Jungens Stellung genommen. Eine kritische Einschätzung der vorgeschlagenen Maßnahmen schließt das Kapitel ab.

Ich habe mich bemüht, nicht nur die Krankheit ‚Tourette-Syndrom’ darzustellen, denn zur Diagnose TS gehört auch ein Mensch, der mit dieser Diagnose umgehen muss. Das Einbinden von Erfahrungen Betroffener erschien mir deshalb wichtig, so dass ich auch Einzelschicksale in die verschiedenen Kapitel eingeflochten habe.

Außerdem wurden in den einzelnen Kapiteln so oft wie möglich Bezüge zu sprachwissenschaftlichen Gesichtspunkten, z.B. in Form von Beispielen, hergestellt und der pädagogische Kontext einbezogen, so dass dem Titel der Arbeit gerecht geworden werden konnte. Gleichwohl sollte der von mir erhobene Anspruch der Betrachtung des Tourette-Syndroms als gesamtheitliche Störung erfüllt werden.

2. Historischer Blick auf das Tourette-Syndrom

Symptome im Sinne des Tourette-Syndroms (im Folgenden auch als TS oder nur Tourette bezeichnet) finden schon vor 2000 Jahren im antiken Griechenland Erwähnung: Der Gelehrte und Arzt Aretios von Kappadokien - ein Schüler Hippokrates’ - beschreibt "... Fälle von Zuckungen, Grimassenschneiden, Gebell, plötzlichen Flüchen und unvermittelten blasphemischen Äußerungen ..." (HARTUNG 1995, S. 123).

Auch der römische Imperator Claudius (10 v. Chr. - 54 n. Chr.) wird von einem damaligen Biograph und Geschichtsschreiber neben Äußerlichkeiten wie folgt charakterisiert:

„Wenn er durch das Spiel oder das ernsthafte Geschäft erregt war, hatte er einige unangenehme Merkmale aufzuweisen. Es handelte sich dabei um unkontrolliertes Lachen, Speichelfluß im Bereich des Mundes, eine 'laufende Nase', Stammeln und anhaltende nervöse Tics. Diese nahmen unter emotionaler Belastung so stark zu, daß sein Kopf von einer Seite zur anderen flog“ (ROTHENBERGER 1991, S. 200).

Mangels wissenschaftlicher Erklärungen wurden göttliche Einflüsse für die als Manie oder Wahnsinn bezeichnete Diagnose verantwortlich gemacht (vgl. HARTUNG 1995, S. 123).

Eine weitere Beschreibung eines vermeintlichen Tourette-Patienten findet sich in dem von SPRENGER und INSTITORIS verfassten „Hexenhammer“ („Malleus maleficarum“, 1487), ein Kommentar zur „Hexenbulle“, die Grundlage für die Gerichtspraxis bei der Führung von Hexenprozessen auf dem Höhepunkt der Inquisition im Mittelalter war. (vgl. HARTUNG 1995, S. 125). Dort ist von einem Priester die Rede, der selbst angab, vom Teufel besessen zu sein. Selbiger hätte des Priesters Extremitäten, Nacken, Zunge, und Lunge in Besitz genommen, so dass sich der Geistliche gezwungen fühle „Worte auszusprechen, Laute auszustoßen, beim Gebet plötzlich die Zunge herauszustrecken, oder an Beinen, Armen, Nacken und Rumpf zu zucken“ (ROTHENBERGER 1991, S. 3).

Die angebliche ‚Heilung’ der vokalen und motorischen Tics erfolgte durch die für diese Zeit übliche Teufelsaustreibung, bei anderen Fällen durch Verbrennung, so dass aufgrund von Aberglaube und der Vorstellung, Dämonen könnten von Menschen Besitz ergreifen, TicKranke in der ständigen Angst vor Verfolgung und Bezichtigung der Hexerei leben mussten (vgl. HARTUNG 1995, S. 126).

Neben Molière (1622 - 1673), Peter dem Großen (1672 - 1725) und Napoleon (1769 - 1821) soll auch Mozart an TS erkrankt gewesen sein (vgl. HARTUNG 1995, S. 127). Zu Anlass des Mozartjahres so auch eine andere Sicht auf das ‚Wunderkind’. Dank Mozarts intensiven Briefwechseln dienen die oftmals derben Schriftstücke als Grundlage für Vermutungen, dass der hochbegabte Musiker neben Koprolalie[2] auch an Koprographie[3] litt (vgl. ROTHENBERGER 1991, S. 200). Einen Einblick in die auch von Wortspielen geprägten Briefe geben die Zeilen an das ‚Bäsle’, seiner wahrscheinlich ersten Geliebten (vgl. HILDESHEIMER 2005, S. 122): "ja ja, ich bin meiner sache gewis, und sollt ich heut noch machen einen schiss, obwohl ich in 14 Tagen geh nach Paris. wenn sie mir also wolln antworten, aus der stadt Augsburg dorten, so schreiben sie mir baldt, damit ich den brief erhalt, sonst wenn ich etwa schon bin weck, bekomme ich statt einen brief einen dreck. dreck! - dreck! - o dreck! - o süsses wort! - dreck! - schmeck! - auch schön! - dreck, schmeck! […]." (HILDESHEIMER 2005, S. 125)

Nun könnte man diese Obszönitäten vielleicht als Laune eines jungen Mannes abtun, der einen provozierenden Brief an eine junge Frau schreibt. Doch auch in Briefen an seinen Vater - dem er zeitlebens großen Respekt zollte und der für seine Strenge bekannt war - treten Formulierungen dieser Art auf:

„Nun addio. Ich küsse dem papa nochmahlen die hände, […] und auf das heisel nun begieb ich mich, und einen dreck vielleicht scheisse ich [...]“ (HILDESHEIMER 2005, S. 126).

Von Anzeichen für Palilalie[4] (in schriftlicher Form) zeugt neben dem Brief an das Bäsle (siehe oben) z.B. ein Brief an den Chorleiter und Musiklehrer Anton Stoll, der Mozart musikalisch unterstützte und Werke des Salzburgers aufführte (vgl. HARTUNG 1995, S. 127):

„Liebster Stoll! bester Knoll! grosster Schroll! bist Sternvoll! gell das Moll thut dir wohl? ...Ich bin Ihr ächter freund franz Süssmayer Scheißdreck. Scheißhäusel den 12. Juli" (HILDESHEIMER 1977., S. 283, zit. n. HARTUNG 1995, S. 128).

Kritiker allerdings behaupten, Mozart hatte lediglich einen Hang zu Obszönitäten und Wortspielereien. Während bei einem vokalen Tic ein (kurzzeitiges) Unterdrücken möglich ist, kann beim Schreiben ganz unterbrochen werden, und dem Tic - z.B. mündlich - freier Lauf gelassen werden. Selbst stark von Palilalie betroffene TS-Patienten haben zumeist eine flüssige Schrift und Schreibweise. Außerdem stammen die meisten Beschreibungen des Grimassierens und von Zwängen (wie das Spielen mit Servietten) aus der Zeit, in der Mozart schon mit dem Nierenleiden Glomerulo-Nephritis konfrontiert war, an dem er schließlich starb. So könnten die neurologischen Entgleisungen auch daher stammen, denn zur Symptomatologie dieser Krankheit gehören u.a. Ruhelosigkeit, Nervenzucken, Grimassieren, Tics und manchmal gröbere Muskelkrämpfe (vgl. HAMMERSCHMIDT 1998, Online im Internet).

Der wissenschaftliche Durchbruch bei der Erforschung des TS gelang schließlich 1885 GILLES DE LA TOURETTE, der neun Patienten mit dem nach ihm benannten Syndrom beschrieb, darunter auch Symptome wie Koprolalie und Echolalie[5]. Die Veröffentlichung erfolgte 1885 in der Zeitschrift Archive de Neurologie unter dem Titel "Etude sur une affection nerveuse caracterisée par l’incoordination motrice accompagnée d’écholalie et de coprolalie" (KRÄMER O.A., Online im Internet). GILLES DE LA TOURETTE stützte sich u.a. auf Autoren wie BOUTEILLE (1818), der von „Pseudo-Chorea[6] “ sprach, oder ITARD, der 1825 ebenfalls von als choreatisch eingestuften Beobachtungen berichtete. TOURETTE, der wie Siegmund Freud ein Schüler des Neurologen CHARCOTS war, zeigte sich allerdings unzufrieden mit der falschen Zuordnung der Symptomatik und war sich sicher, dass es sich um ein eigenes Krankheitsbild handeln müsse. Er stellte u.a. die wechselnde Symptomatik bezüglich Art und Häufigkeit der Betroffenen heraus, gab Hinweise zur Diagnostik und zur Abgrenzung von anderen ähnlichen Störungsbildern, ging auf die erbliche Komponente des Syndroms ein sowie auf die Besonderheit der Krankheit, immer wieder neue Phänomene hervorzubringen oder zeitweilig ganz zu verschwinden, so dass der Eindruck einer Heilung entsteht. Er erkannte außerdem, dass sich Faktoren wie „emotionale Belastungen, seien sie durch einen inneren Konflikt oder körperliche Störungen hervorgerufen“ (TOURETTE 1885, S. 184) verstärkend auf Intensität und Häufigkeit der Tics auswirken können.

Unter den neun beschriebenen Patienten findet sich z.B. eine adelige Dame, die Marquise de Dampierre. Die zunächst motorischen Tics wie Grimassierungen und Körperverdrehungen traten im Alter von sieben Jahren auf, im Laufe der Zeit kam auch ein vokales, u.a. durch Koprolalie geprägtes Störungsbild hinzu:

„So kann es vorkommen, daß mitten in einer Unterhaltung, die sie besonders lebhaft interessiert, plötzlich, und ohne daß sie sich davor schützen kann, sie das unterbricht, was sie gerade sagt oder wobei sie gerade zuhört und zwar durch bizarre Schreie und durch Worte, die sehr außergewöhnlich sind und die einen beklagenswerten Kontrast mit ihrem Erscheinungsbild und ihren vornehmen Manieren darstellen; die Worte sind meist grobschlächtig, die Aussagen obszön und […] die Ausdrucksweisen sind sehr grob, ungeschliffen oder beinhalten wenig vorteilhafte Meinungen über einige in der Gesellschaft anwesenden Personen. […] Je mehr diese durch ihre Grobheiten revoltierend erschienen, je mehr sei sie durch die Angst aufgewühlt, sie hervorstoßen zu müssen, und dieser innere Druck sei genau das, wodurch Äußerungen quasi auf die Zunge gesetzt würden, wenn sie fast nicht mehr zu meistern seien.“ (TOURETTE 1885, S. 178f.).

Man versuchte der Frau mittels einer Milchkur in der Schweiz zu helfen, nach der tatsächlich eine Besserung eintrat: Etwa 18 bis 20 Monate war die Madame de Dampierre bis auf kleine Gesichtszuckungen beschwerdefrei, man glaubte an Heilung. Nach benanntem Zeitraum nahmen die Tics allerdings intensiv zu, besonders die komplexen vokalen Tics nebst Koprolalie. (vgl. TOURETTE 1885, S. 177ff.) Die Wörter ‚salaude’ (Dreckschwein) und ‚merde’ (Scheiße) soll sie besonders häufig geäußert haben (vgl. HARTUNG 1995, S. 128).

Trotz GILLES DE LA TOURETTES sehr detaillierter Beschreibungen und Untersuchungen dauerte es nahezu ein Jahrhundert (wenige Einzelfallstudien ausgenommen), bis das Syndrom wieder in den Fokus rückte. Mit der Veröffentlichung des amerikanischen Ärzte- Ehepaars SHAPIRO, „Gilles de la Tourette Syndrome“ (1978), trat die Erkrankung in das Interesse der Nervenärzte bzw. der Kinder- und Jugendpsychiatrie (vgl. WITTMANN 2001, S. 9, Online im Internet).

Nach ROTHENBERGER durchlief in diesem langen Zeitraum die Betrachtung der Pathogenese des TS mehrere Wechsel in sieben Phasen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Selbst heute ist das Tourette-Symptom unter Ärzten, Psychologen und Lehrern relativ unbekannt (vgl. MÜLLER-VAHL/ ROTHENBERGER 1997, S. 5, Online im Internet). Die durchschnittliche Dauer von Beginn der Erkrankung bis zu ihrer (korrekten!) Diagnose beträgt deshalb etwa sechs Jahre (vgl. SCHOLZ/ BANASCHEWSKI 2001, S. 125).

3. Das Tourette-Syndrom - eine kurze Wesensbestimmung

Das Diagnostische und Statistische Manual Psychischer Störungen (DSM-IV) unterscheidet unter dem Punkt ‚Tic-Störungen’ zwischen

- Tourette-Störung (TS)
- Chronischer Motorischer oder Vokaler Tic-Störung (CMT)
- Vorübergehender Tic-Störung (TTS)
- Nicht näher bezeichneten Ticstörungen (vgl. DSM-IV 1998, S. 140f.).

Somit wird eine klare Abgrenzung des Tourette-Syndroms von anderen, ähnlich erscheinenden Tic-Störungen mittels Differentialdiagnose möglich, auch wenn die Grenzen nach außen fließend erscheinen. An dieser Stelle wird im Rahmen dieser Klassifikation lediglich auf Tics im Allgemeinen als Grundlage für das Tourette-Syndrom und auf das TS an sich eingegangen.

3.1. Definition von Tics

Im DSM-IV werden Tics definiert als „… plötzliche, schnelle, sich wiederholende, unrhythmische, stereotype motorische Bewegungen oder Lautäußerungen. Sie werden als unvermeidbar empfunden, können jedoch über verschieden lange Zeiträume unterdrückt werden.“ (DSM-IV 1998, S. 139).

Alle Arten von Tics bessern sich im Schlaf und u.U. auch bei Tätigkeiten mit gezielter Aufmerksamkeit (z.B. Lesen) und verschlimmern sich unter Stress. Man unterscheidet zwischen vokalen und motorischen Tics, die jeweils einfach oder komplex auftreten können (vgl. DSM-IV 1998, S. 139). Nebenmerkmale der Tics sind vor allem im psychischen Bereich anzusiedeln, wie Scham, Unbehagen in sozialen Situationen, z.B. im Klassenverband, bis hin zur Depression. Die Einnahme von Phenothiazinen[7] Schädelhirntraumen oder die Zufuhr von Stimulanzien des Zentralnervensystems gelten als prädisponierende Faktoren und beschleunigen wahrscheinlich einen Tic. Beeinträchtigungen im Sinne einer Behinderung liegen bei Tic-Störungen zwar nicht vor (obgleich ein Behindertenstatus beantragt werden kann!), mit Ausnahme besonders schwerer Fälle, bei denen alltägliche Handlungen von den Tics ständig unterbrochen werden. Dennoch haben Menschen mit Tic-Störungen nicht selten Probleme der sozialen Anpassung, weil das Umfeld mit Angst oder Ablehnung reagiert. Schulische und/ oder berufliche Leistungseinschränkungen können die Konsequenz sein (vgl. DSM-III-R 1989, S. 237f.).

Differentialdiagnostisch lassen sich Tics von anderen Bewegungsstörungen abgrenzen. Einen Überblick gibt die folgende Tabelle.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 1: Von Tics abzugrenzende Bewegungsstörungen (vgl. DSM-III-R 1989, S. 238)

3.2. Hauptmerkmale des Tourette-Syndroms

Basis dieser neuropsychiatrischen Störung bilden multiple motorische Tics und mindestens ein vokaler Tic, die aufgrund mangelnder Impulskontrolle parallel oder zu verschiedenen Zeitpunkten im Krankheitsverlauf auftreten können (vgl. DSM-IV 1998, S. 141). Die Tics treten dabei mehrmals täglich und länger als ein Jahr auf, wobei sich betroffenes Körperteil, Anzahl und Häufigkeit, Komplexität sowie Schweregrad der Tics im Laufe der Zeit ändern. Es gibt laut DSM-IV keine mehr als drei Monate andauernden ticfreien Phasen. Von den Tics betroffen sind vor allem der Oberkörper, einschließlich Kopf, Gesicht und den Armen, aber auch die unteren Gliedmaßen. Die motorischen Tics sind häufig verbunden mit dem Drang zum Herumdrehen, Niederkauern und ähnlichem. Vokale Tics äußern sich beispielsweise in Zungenschnalzen oder Grunzen, während bei der komplexeren Art vokaler Tics ganze Wörter und Sätze ausgestoßen oder wiederholt werden. Neben den Tics können Koprolalie (laut DSM-IV weniger als 10%), Zwangsgedanken und Zwangshandlungen und andere Störungen (z.B. ADHS, siehe Kapitel 6. Begleiterscheinungen des Tourette-Syndroms) auftreten (vgl. DSM-IV 1998, S. 141).

Das Syndrom beginnt bei der Hälfte der Betroffenen mit einem einzelnen Tic (z.B. Augenblinzeln), es sind aber auch Fälle bekannt, die mit multiplen Tics begannen (z.B. Kombination von Gesichtszucken und Lautausstoß). Das durchschnittliche Alter für den Störungsbeginn liegt bei sieben Jahren. Die Krankheit beginnt fast immer vor dem 14. Lebensjahr und hält in der Regel bis zum Lebensende an, wobei Phasen starker Abschwächung der Tics bis hin zur völligen Remission nicht ungewöhnlich sind. Die Zahlenangaben hierzu schwanken zwischen 3% und 18% (vgl. ROTHENBERGER 1991, S. 40). Das TS tritt dreimal häufiger bei Jungen als bei Mädchen auf. Zur Häufigkeit des Syndroms liegen variable Zahlen vor. Laut Tourette-Syndrom Gesellschaft (New York) und der Amerikanischen Psychiatrischen Gesellschaft wird von einer Quote von 1 bis 5 : 10.000 ausgegangen (vgl. ROTHENBERGER 1991, S. 34). Bezogen auf Deutschland entspräche dies 40.000 Betroffenen (vgl. ROTHENBERGER o.A., Online im Internet). Eine familiäre Häufung des Syndroms im Sinne von Vererbung wird angenommen, besonders bei Verwandten ersten Grades. Im DSM-IV spricht man von einer Vulnerabilität, die vererbt wird, d.h. das Kind erhält sowohl die genetischen als auch die konstitutionellen Voraussetzungen für die Entwicklung von Tics (vgl. DSM-IV 1998, S. 142).

Abzugrenzen ist das Tourette-Syndrom von Bewegungsstörungen (siehe Tabelle 1, S. 14), sowie Amphetamin-Intoxikation, neurologischen Störungen (z.B. zerebrovaskuläre Störungen, Lesch-Nyhan-Syndrom, Wilsonsche Krankheit, Chorea Sydenham, Chorea Huntington, Multiple Sklerose), außerdem von organisch bedingten psychischen Störungen und Schizophrenie. Für all diese Störungen ist zwar eine anormale Motorik typisch, sie umfassen jedoch keine vokalen Tics und weisen u.a. einen anderen klinischen Verlauf auf (vgl. DSM-III-R 1989, S. 239f.).

Zusammenfassend an dieser Stelle die Diagnostischen Kriterien des TS nach dem aktuellen DSM-IV (1998):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 2: Diagnostische Kriterien der Tourette-Störung nach DSM-IV (1998) (DSM-IV 1998, S. 143)

4. Differenzierte Betrachtung der Symptome unter sprachlicher Akzentuierung

4.1. Motorische Tics

Die motorischen Tics können - wie die vokalen Tics - unterschiedlich oft, intensiv und auf verschiedene Art und Weise auftreten. Eine all umfassende Liste motorischer Tics kann es deshalb nicht geben. Dabei können extrem häufige Tics (bis zu 20 bis 30 mal in der Minute; z.B. Mund spitzen) eventuell weniger störend sein, als Tics, die nur wenige Male in der Stunde vorkommen und sehr viel auffälliger sind, z.B. das sich auf den Boden werfen. Tics dieser Art sind dann nicht nur für den Betroffenen, sondern auch für das soziale Umfeld, z.B. den Klassenverband, von ablenkender Natur, die z.B. von Mitschülern ein hohes Maß an Toleranz und auch Ignoranz fordert.

Besonderheiten der motorischen Tics sind u.a. die Echopraxie[8] (Imitieren der Gesten und Bewegungen anderer Menschen) und die Kopropraxie (Bewegungen mit obszönen Inhalt, z.B. ‚Stinkefinger’, Masturbationsbewegungen), die beide aber nicht zwingend auftreten müssen (vgl. WITTMANN 2001, S. 33, Online im Internet) und laut ROBERTSON bei jeweils 21 % der Tourette-Patienten feststellbar sind (vgl. ROBERTSON et al. 1989, zit. nach SCHAUENBURG/ DRESSLER 1992, S. 455).

4.1.1. Einfache motorische Tics

Mit einfachen motorischen Tics beginnt meist der Krankheitsverlauf (siehe Kapitel 5. Krankheitsverlauf). Man bezeichnet sie als schnelle, unvermittelt einschießende und „zweckfreie muskuläre Ereignisse“ (ROTHENBERGER 1991, S. 15). Sie können u.U. auch Schmerzen bereiten, z.B. ein plötzliches Mundaufreißen. Durch diese muskuläre Entgleisung kann natürlich der Gegenüber erschrecken und der Betroffene peinlich berührt sein.

Zur Darstellung der Vielfalt der einfachen motorischen Tics folgende Beispiele:

- Tics im Kopf-/ Gesichtsbereich:

Augenblinzeln, Grimassieren, Nase hochziehen, Lippen spitzen, Kopfrucken, Kopfnicken, Mund aufsperren, Zähneklappern, Augenbrauen hochziehen, Stirn runzeln

- Tics an anderen Körperteilen:

Schulter hochziehen, Armschleudern, Bauch einziehen, Bauch ausstülpen, kicken, Fingerbewegungen, Körperanspannungen, raschen Schleuderbewegungen verschiedener Körperteile (vgl. ROTHENBERGER 1991, S. 15)

REMSCHMIDT und HEBEBRAND unterteilen die einfachen motorischen Tics des Weiteren in klonische und dystonische Tics. Auf den Begriff der klonischen Tics gehen sie nicht tiefer ein, vermutlich sind damit sich wiederholende kurze Bewegungen gemeint, z.B. mehrfaches Hochziehen der Schulter. Unter dystonischen Tics verstehen sie langsamere Bewegungen, die vorübergehend zu abnormen Körperhaltungen führen können. Diese Unterkategorie einfacher motorischer Tics sei bei 60% aller Tourette-Patienten zu beobachten. Als Beispiel werden u.a. okulogyrische Abweichungen, also Augenverdrehungen angeführt (vgl. REMSCHMIDT/ HEBEBRAND 1993, S. 35).

4.1.2. Komplexe motorische Tics

Während einfache motorische Tics für die umstehenden Personen zwar auch überraschend und ungewöhnlich erscheinen, werden sie wahrscheinlich im Vergleich zu komplexen Tics dieser Art aber noch eher als unfreiwillige Tic-Störung identifiziert. Die langsameren, scheinbar zweckgerichteten komplexen motorischen Tics entsprechen teilweise ganzen Handlungsabläufen, so dass es für Menschen, die das Tourette- Syndrom nicht kennen, nur schwer zu begreifen ist, dass es sich nicht um eine willentliche Tätigkeit handelt. Die nachstehenden Beispiele verdeutlichen sicher, was gemeint ist.

- Tics im Kopf-/ Gesichtsbereich:
sich auf Zunge oder Lippen beißen, Kopf an- oder einschlagen, Augen nach oben rollen, Zunge herausstrecken, küssen, merkwürdige und ulkige bis abstoßende Gesichtshaltungen einnehmen
- Tics an den Extremitäten:
klatschen, Gegenstände und Personen oder sich selbst berühren (auch als „Touching“ bezeichnet), Wurfbewegungen, Verwringungen, ausschlagende Bewegungen, Schreibbewegungen, immer wieder den gleichen Brief/ das gleiche Wort schreiben, sich zwicken oder kratzen, Stoßbewegungen, Stift während des Schreibens zurückziehen, Zerreißen von Papier/ Büchern, sexuelle Gestik
- ganzkörperliche Tics:
hüpfen, dystone Köperhaltung (Fehlspannung), krümmende Zuckungen, immer wieder merkwürdige und ulkige bis abstoßende Körperhaltungen einnehmen, auf den Boden werfen, im Kreis herumwirbeln (vgl. ROTHENBERGER 1991, S. 15)

Die komplexen motorischen Tics können für die Betroffenen zu massiven Einschränkungen im Leistungsverhalten führen. Angenommen, ein Kind soll eine bestimmte Seite im Buch aufblättern, um daraus vorzulesen. Es stellt sich nun aber ein Tic ein, der das Kind dazu veranlasst immer und immer wieder diese Seite aufzublättern. Der Kraftaufwand und u.U. auch die Aggression über diesen Tic steigern sich, so dass letztendlich die Buchseite herausgerissen und zerknüllt wird (vgl. ROTHENBERGER 1991, S. 18). Der Unterrichtsverlauf wird beeinträchtigt, der Schüler ist frustriert, weil er die Aufgabe nicht erfüllen konnte und wieder einmal ‚Opfer’ seiner Tics geworden ist, die Lehrerin unterstellt im extremsten Fall Absicht und leitet Sanktionen ein.

4.1.3. Häufigkeiten motorischer Tics

ROBERTSON nahm 1989 eine andere Einteilung der motorischen Tics vor, und bestimmte zudem deren Häufigkeiten. Er unterschied zwischen

- Gesichts-Tics (94% der Patienten), z.B. Augenblinken
- Hals- und Nackenbewegungen (89%), z.B. Kopfschleudern
- Armbewegungen (51%), z.B. Finger- und Ellenbogenbewegungen § Rumpfbewegungen (41%), z.B. Rumpfwiegen
- Bein-Bewegungen (40%), z.B. Treten (vgl. ROBERTSON et al. 1989, zit. n. SCHAUENBURG/ DRESSLER 1992, S. 455)

Anstelle der komplexen motorischen Tics, wie ROTHENBERGER sie klassifiziert, spricht ROBERTSON von „Manierismen“ (ROBERTSON et al. 1989, zit. n. SCHAUENBURG/ DRESSLER, 1992) und kategorisiert diese wie folgt:

- komplexe Bewegungen, u.a. Gangstörungen (11%), z.B. Rückwärtsgehen,
Springen
- zwanghaftes Riechen an den eigenen Händen/ an Objekten (12%)
- „Touching“ von (gefährlichen) Objekten oder (intimen) Körperteilen (61%)
- zwanghaftes Schlagen, häufig des eigenen Körpers (36%) (vgl. Robertson et al. 1989, zit. n. SCHAUENBURG/ DRESSLER 1992, S. 455)

Außerdem führt ROBERTSON die Kopropraxie und die Echopraxie an (s.o.).

4.2. Vokale Tics - der sprachliche Aspekt des Tourette-Syndroms

Je nach Art, Häufigkeit und Intensität werden sie von den Betroffenen (und auch von der Umgebung) als unterschiedlich störend empfunden. Die Bandbreite reicht von einfachen Lautausstößen, z.B. Räuspern, bis hin zum Dahersagen ganzer Sätze mit echolalischem Charakter oder dem Ausstoßen von Schimpfwörtern. Der Redefluss wird mehr oder weniger unterbrochen, und anfangs vielleicht als Stottern interpretiert (vgl. ROTHENBERGER 1991, S. 18). Auch wenn im Folgenden nach der Einteilung ROTHENBERGERS vorgegangen wird, die heute in der Fachliteratur meist verwendet wird, soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass bereits LUDLOW et al. 1982 eine andere, detailliertere Einteilung der vokalen Tics vorgenommen hat. LUDLOW erfasste 11 Kategorien von Tic-Arten, u.a. um deren Anzahl pro Minute festzustellen (siehe Kapitel 4.1.7. Abweichungen der sprachlichen Fähigkeiten bei Tourette-Patienten als Ansatzpunkt für sprachheilpädagogische Maßnahmen):

- Zungen-Tics („lingual tics“), z.B. Schnalzen, Zischen
- Kehlkopf-Tics („laryngeal tics“) einschließlich expiratorischer Phonationen, sowie summen, räuspern, quieken, …
- Exhalationen („exhalations“), z.B. Seufzer
- Inhalationen („inhalations“), z.B. nach Luft schnappen § Nasale Tics („nasal tics”), z.B. schnüffeln § Lippen-Tics („labials”), z.B. Lippenschmatzen
- Koprolalie („coprolalia“), heißt: alle nicht provozierten Flüche in Form von Wörtern oder Sätzen[9]
- Palilalie („palilalia“), heißt: Wiederholung von Silben, Silbenteilen oder
Silbenkombinationen
- Jargon („jargon“), heißt: einzelne Silben oder Silbenreihen ohne Bedeutung
- Wort-Tics („word-tics“), heißt: bedeutungshaltige eingestreute Wörter, die nicht Teil der eigentlichen Kommunikation sind sowie Verzögerungen (bei Sprechbeginn) § Stereotypien („stereotypic phrases“), z.B. oh ja; ok; weißt du. (vgl. LUDLOW et al. 1982, S. 353).

4.2.1. Einfache vokale Tics

Es handelt sich hierbei um rasch, plötzlich einschießende Laute oder Geräusche ohne sprachliche Bedeutung. Auch hier ist eine Volldarstellung aller erdenklichen Tics unmöglich, dennoch hat ROTHENBERGER einen Einblick gegeben. Zu den einfachen vokalen Tics zählen somit u.a.:

„Pfeifen, husten, schnüffeln, spucken, bellen, grunzen, gurgeln, klicken, lutschen, saugen, kreischen, schnalzen, u-u, eee, au, oh und vielzählige andere Laute.“ (ROTHENBERGER 1991, S. 16).

Des Weiteren führt Rothenberger zischen, schnaufen, Nase hochziehen, räuspern und fiepen als einfache vokale Tics an (vgl. ROTHENBERGER 1991, S. 18).

Zu einfachen vokalen Tics zählen also alle Phonationen, die mit den Artikulationsorganen gebildet werden können und keine semantische Funktion innehaben. Sie können dennoch kommunikativer Art sein, z.B. ein erstauntes ‚Aha!’ oder ein abwertendes ‚Ph!’.

4.2.2. Komplexe vokale Tics

Bei den komplexen vokalen Tics handelt es sich um bedeutungshaltige Wörter, Phrasen oder Sätze wie zum Beispiel:

- „Sei still, hör auf, ok ok, ist klar, ist klar. Es geht mir besser -richtig? richtig.
- Wieso mache ich das? Wie denn.
- Nun hast du es gesehen, in Ordnung, oh nein. § Das ist richtig, mm, ja ja.
- Wenn, dann, ja ja, so so, aha.“ (ROTHENBERGER 1991, S. 16)

Gesondert führt ROTHENBERGER die Rituale an, die ich allerdings den komplexen vokalen Tics zuordnen würde. Darunter versteht er z.B. zählende Rituale oder das Wiederholen eines Satzes so oft, bis er ‚genau richtig’ ist (zu dieser Problematik siehe auch Kapitel 6.1. Sprachliche und andere Zwänge, Zwangshandlungen und Zwangsgedanken). Außerdem ordnet ROTHENBERGER den Ritualen Sprechstörungen zu. Damit meint er wahrscheinlich „Störungen wie Stottern, Echolalie, Palilalie u.Ä., die bei Patienten im Zusammenhang mit TS beobachtet worden sind.“ (WITTMANN 2001, S. 35, Online im Internet).

Auch sprachliche Auffälligkeiten wie ein ungewöhnlicher Sprechrhythmus, unübliche Intonierungen und Akzentsetzungen, eine sich verändernde Sprechintensität, übertriebene Pausenlängen und stockende Wortanfänge fasst er unter dem Punkt „Rituale“ zusammen (vgl. ROTHENBERGER 1991, S. 16). Abweichungen dieser Art können leicht als sprachliche Auffälligkeit im Sinne einer Sprachstörung oder Sprachbehinderung aufgefasst werden. Eine möglichst genaue Einschätzung, welche sprachlichen Abweichungen Teil des Tourette-Syndroms sind, und welche sprachheilpädagogischer Förderung bedürfen, ist notwendig.

4.2.3. Koprolalie

Eine Besonderheit der vokalen Tics ist die sogenannte Koprolalie, die allerdings nicht zwingend auftritt und kein Diagnosekriterium für das TS ist. Die Koprolalie kann auch bei dementen oder aphasischen[10] Patienten auftreten (vgl. MORRIS 2000, S. 1999). Der Betroffene muss immer wieder Schimpfwörter, Flüche, obszöne Begriffe oder ganze Sätze, die emotional negativ besetzt sind, ausstoßen. Die Zahlen zur Häufigkeit schwanken. Laut Robertson tritt die Koprolalie bei 38% der Patienten auf (ROBERTSON et al. 1989, zit. n. SCHAUENBURG/ DRESSLER 1992, S. 455), laut SINGER variieren die Angaben zwischen 8% und 40% (SINGER 1997, zit. n. Wittmann 2001, S. 47, Online im Internet) und nach einer neueren Studie mit 3500 Patienten wird von 14% ausgegangen, die von Koprolalie betroffen sind (FREEMAN 2000, zit. n. Wittmann 2001, S. 47, Online im Internet). Generell werden die Zahlen zur Häufigkeit der Koprolalie immer niedriger, da sich im Laufe der Zeit die Diagnosekriterien für das TS erweitert haben, somit auch leichtere Fälle diagnostiziert werden können und sich aufgrund dessen die Gesamtzahl diagnostizierter Tourette-Fälle stetig erhöht (vgl. WITTMANN 2001, S. 48, Online im Internet). Die Koprolalie prägt sich vornehmlich erst in der Adoleszenz aus (vgl. SCHAUENBURG/ DRESSLER 1992, S. 454) bzw. findet dann ihren Höhepunkt, und ebbt im Erwachsenenalter wieder ab (GOLDENBERG et al. 1994, zit. n. Wittmann 2001, S. 48, Online im Internet). Die Provokationen unterscheiden sich vom normalen Fluchen dahingehend, dass sie besonders laut, mit ungewöhnlicher Sprechmelodie und Tonhöhe und teilweise mit verwaschener Artikulation geäußert werden (vgl. ROTHENBERGER 1991, S. 167). Insbesondere bei männlichen Jugendlichen sind koprolalische Ausstöße zu beobachten. Sie dienen laut ROTHENBERGER zur Hervorhebung der Männlichkeit in der Altersgruppe und lösen innere Spannungen (vgl. ROTHENBERGER 1991, S. 167). In einer bereits wieder verworfenen Theorie wurde die Koprolalie als Ärgerreaktion gegenüber Autoritäten gedeutet, in einer anderen, ebenfalls inzwischen überholten Sichtweise wurde sie insbesondere ängstlichen, durch ein striktes Elternhaus reglementierten Individuen zugeschrieben (vgl. ROTHENBERGER 1991, S. 167).

ROTHENBERGER nimmt eine Einteilung der Koprolalie vor, indem er die Äußerungen bestimmten Kategorien zuordnet:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 3: Koprolalie: Obszöne und aggressive Wörter, Kurzäußerungen und Kommunikationen (ROTHENBERGER 1991, S. 16)

Die Koprolalie ist für die Betroffenen besonders peinlich und wirkt sozial sehr belastend. Zu Beginn versucht der Patient noch die unflätigen Ausdrücke zu verbergen, in dem nur die Initiallaute des Wortes hervorgepresst werden (fffff … icken). Da die Tics jedoch nur bedingt unterdrückt werden können, bahnen sie sich schließlich doch ihren Weg und müssen hervorgebracht werden, in den meisten Fällen sofort, nachdem sich der obszöne Gedanke aufgedrängt hat. Auslöser muss nicht immer eine erregende Situation sein. Koprolaliegedanken treten ebenfalls bei ganz normalen täglichen Tätigkeiten auf, beim Fernsehen, beim Spielen. Oftmals betreffen die koprolalischen Äußerungen Kommentare zum äußeren Erscheinungsbild anderer Menschen, ihrem sozialen Status sowie ihres Verhaltens. ROTHENBERGER nennt hier u.a. das Beispiel „sie sind der fetteste fickende Sohn einer Hure, den ich gesehen habe“ (ROTHENBERGER 1991, S. 19). Die Reaktionen der Umgebung kann man sich redlich vorstellen. Der Tourette-Patient muss nicht nur mit sozialen Angriffen, sondern auch mit körperlichen Übergriffen derer rechnen, die scheinbar ‚beleidigt’ worden sind. In der Institution Schule kommt noch der Faktor der Sanktionierung seitens der Lehrer hinzu. Auf der anderen Seite ist eben diese Reaktion der Umwelt der Faktor, der dem Patienten die vollständige (kurzfristige) Entlastung von seinem Tic bringt und für die schlussendliche Explosion des Tics nötig ist (vgl. ROTHENBERGER 1991, S. 19).

Koprolalische Äußerungen können durch die Anwesenheit bestimmter Personen hervorgerufen werden und sich dann auf ebendiese Person beziehen. So äußert z.B. eine Jugendliche häufiger obszöne Wörter, wenn ihre Mutter spricht (vgl. ROTHENBERGER O.A., Online im Internet). Das Ausstoßen ‚unpassender’ Kommentare steht nicht selten in einem kontextuellen Zusammenhang, indem gerade ein Wort oder Satz hervorgebracht wird, der zu eben diesem Zeitpunkt völlig unangemessen ist (z.B. ein gerufenes ‚Heil Hitler!’ während eine Person dunklerer Hautfarbe vorübergeht). Ein zweisprachig aufgewachsener Betroffener, der Spanisch und Englisch spricht, berichtet, dass er jeweils in der Sprache zu fluchen beginnt, die aktuell sein Umfeld spricht (vgl. Morris 2000, S. 202f.). Dieses Phänomen unterstreicht u.a. die ‚Intelligenz’ der Krankheit, sich auch neuen Kontexten anzupassen. Die ‚Kontextfähigkeit’ macht es z.B. Konversationspartnern umso schwerer, dem Tourette-Patienten keine Absicht zu unterstellen. Gerade im pädagogischen Umfeld Schule, wo im Regelfall auf (verbale) Beleidigungen und Angriffe seitens der Lehrperson sofort reagiert wird, sollen die teilweise situationsbezogenen obszönen Flüche plötzlich ignoriert werden? Zumal, wenn vielleicht die Lehrkraft selbst tituliert wird? Entschuldigungen seitens des Schülers, er könne sich der Äußerungen nicht erwehren, verschlimmern die Situation u.U. noch und enden möglicherweise - aus Unwissenheit - mit dem Rauswurf aus der Stunde.

In Situationen, in denen der Betroffene nur noch bedingt durch Eigensteuerung gelenkt wird - z.B. starke emotionale Ausbrüche - vermischen sich willentliche und unwillkürliche Anteile, so dass neben dem Herausschreien des Tics u.U. auch die Faust ausgefahren wird. Der Betroffene und seine Umgebung, in diesem Fall auch Erziehende wie Eltern und Lehrer, müssen einschätzen - sofern möglich - was zum Syndrom gehört und was nicht, und für die Bewältigung geeignete Maßnahmen finden (vgl. ROTHENBERGER 1991, S. 19f).

4.2.4. Echolalie und Palilalie

Neben der Koprolalie sind die Echolalie und die Palilalie die beiden anderen auffälligsten Besonderheiten bezüglich der vokalen Tics, die ebenfalls kein Diagnosekriterium der Tourette-Störung darstellen. Sie treten zu insgesamt 43% bei Tourette-Patienten auf (ROBERTSON et al. 1989, zit. n. SCHAUENBURG/ DRESSLER 1992, S. 455). Die Nachahmung eigener Äußerungen (Palilalie) bzw. der Äußerungen anderer Personen (Echolalie) ebenso wie das Nachahmen der Bewegungen, Mimiken und Gestiken anderer (Echopraxie) stoßen in der Umgebung häufig auf Unverständnis und lösen ähnliche soziale Konsequenzen wie die Koprolalie aus. Diese „Neigung zur Spiegelbildlichkeit“ (ROTHENBERGER 1991, S. 20) umfasst häufig Verhaltensweisen oder Äußerungen, die der Betroffene überhaupt nicht schätzt, sondern eher das Gegenteil ist der Fall, er empfindet die gesehenen Bewegungen als ulkig bzw. die gehörten Äußerungen und Sprechweisen als dumm oder vulgär. Trotzdem oder gerade deshalb muss er sie als eine Art Verarbeitung wiederholen, um „zu sehen, wie man sich dabei fühlt“ (ROTHENBERGER 1991, S. 20). Manchmal entsteht auch nur der Drang, ein Wort, das auf eine besondere Weise betont oder dem ein spezieller Akzent gegeben wurde zu repetitieren. Das entsprechende Bewegungs- oder Sprachmuster wird im ungünstigsten Fall sofort gespeichert und in das eigene Tic-Repertoire aufgenommen.

4.2.5. Syntaktisches Auftreten der vokalen Tics

Häufig treten die vokalen Symptome während Sprechpausen auf, so z.B. bei Satzbeginn oder am Satzende. MARTINDALE (1977) spricht hier von „syntaktischen Schnittstellen“, (MARTINDALE 1977, zit. n. WITTMANN 2001, S. 43, Online im Internet) an denen die Tic- Häufigkeit erhöht ist. Die vokalen Tics sind somit nicht Teil der syntaktischen Satzstruktur, sondern treten zwischen den Sätzen auf. Tics, die innerhalb des Satzes geäußert werden, erscheinen zumindest zwischen Phrasen, z.B. Verbalphrasen, und nicht phrasenintern, z.B. zwischen Adjektiv und Nomen (vgl. WITTMANN 2001, S. 43, Online im Internet). So kann der Sprechbeginn an eben diesen „syntaktischen Schnittstellen“ verzögert oder ganz verhindert sein, was in einigen Fällen die falsche Diagnose Stottern begründet. Diese Erkenntnis wird in einer Studie LUDLOWS (1982) bestätigt (siehe folgendes Kapitel). Auch er ermittelte ein Auftreten der Tics besonders vor oder nach einem Satz.

Interessant ist auch der Fakt, dass vokale Tics in komplexen, langen Sätzen häufiger auftreten als in einfach strukturierten, kurzen. MARTINDALE nimmt an, dass „die erhöhte grammatikalische Koordination und Unterordnung bei längeren Sätzen“ (Martindale 1977, zit. n. Wittmann 2001, S. 43, Online im Internet) die Tics beeinflusst. Trotzdem erscheint dieses Phänomen paradox, wenn man bedenkt, dass die Mehrzahl der Patienten von einer Tic-Verbesserung spricht, wenn sie sich konzentrieren müssen. Eine erhöhte Konzentration ist bei komplexeren Sätzen zweifelsfrei notwendig, warum erhöht sich also die Tic-Rate? Eine Ursache könnte vermutlich schlichtweg die größere Anzahl syntaktischer Schnittstellen und somit der Sprechpausen sein. An diesen Stellen, die der ‚normale’ Sprecher für gewöhnlich mit Embolophrasien[11] füllt, hat beim Tourette-Patienten stattdessen wieder der vokale Tic die Möglichkeit des Durchbrechens, da eine kurze Pause im Redefluss entsteht.

In einem Artikel von 1993 fasst LUDLOW zur Thematik Position of Tics in Speech die ermittelten Ergebnisse aus einer Untersuchung von 1982 noch einmal zusammen:

„In summary, then,

(a) vokal tics in TS are more frequent occurences and socially inappropriate occurances of normal bevahiors;
(b) the types of tic categories a patient exhibits, rather than the frequency, will indicate the serverity of his desease;
(c) more severely affected patients will have verbal or speech tics;
(d) vocal tics occur more frequently during speaking than during silence, but occur during interruptions in speech flow; and
(e) vocal tics occur at points of low information in speech.” (LUDLOW 1993, S. 506).

4.2.6. Abweichungen der sprachlichen Fähigkeiten bei Tourette-Patienten als Ansatzpunkt für sprachheilpädagogische Maßnahmen

In einer Studie von LUDLOW et al. (1982) wurden gezielt die sprachlichen Abweichungen von Tourette-Patienten untersucht. Mit Blick auf zuvor durchgeführte Studien gibt LUDLOW u.a. an, dass in einer Untersuchung von O’QUINN und THOMPSON (1980) von fünf Tourette-Patienten vier Betroffene Probleme der sprachlichen Entwicklung zu verzeichnen hatten. Während der Untersuchungen zeigten sich bei drei Patienten Formulierungsschwierigkeiten, zwei Patienten hatten Wortfindungsstörungen, und alle fünf wiesen Unregelmäßigkeiten im Redefluss auf, z.B. Wiederholungen von Äußerungen oder auch Verzögerungen. LUDLOW gibt allerdings zu bedenken, dass die Studie von O’QUINN und THOMPSON sowohl als auch andere zuvor durchgeführte Studien zur Problematik nur auf klinischen Eindrücken, nicht aber auf standardisierten Erfassungen beruhen. Letzteres ist für die Erfassung von Sprache aber von zentraler Bedeutung, da es große Abweichungen hinsichtlich sozioökonomischer, alters- und geschlechtsbedingter und ethnischer Aspekte gibt (vgl. LUDLOW et al. 1982, S. 351).

LUDLOW untersuchte 54 Tourette-Patienten, die er in eine Kindergruppe (5 bis 11 Jahre; 13 Patienten), eine Jugendgruppe (12 bis 18 Jahre; 26 Patienten) und eine Erwachsenengruppe (19 Jahre und älter; 15 Patienten) unterteilte, um Aussagen hinsichtlich der verschiedenen Altersgruppen treffen zu können. Zum Vergleich wurde eine Kontrollgruppe (im Folgenden KG) herangezogen, die der TS-Gruppe in Alter und Geschlecht entsprach. Die Untersuchungen erfolgten persönlich und einzeln und wurden auf Tonband festgehalten. LUDLOW untersuchte zum einen Aspekte des Sprechens, indem er u.a. die Häufigkeiten der Tics feststellte. Er ordnete dafür die Tics 11 Kategorien zu (siehe Kapitel 4.2. Vokale Tics - der sprachliche Aspekt des Tourette-Syndroms). Die wichtigsten Ergebnisse bezüglich des Sprechens sollen an dieser Stelle überblicksartig dargestellt werden:

1. Die Tourette-Patienten sprachen zeitlich signifikant weniger als die Personen der Kontrollgruppe. Die Sprechzeit des Untersuchers war somit bei den TS-Patienten signifikant länger.
2. Die gesprochenen Wortanzahl pro Minute der Tourette-Patienten (153,4 Wörter/ min.) unterschied sich nahezu gar nicht von denen der Kontrollgruppe (153,9 Wörter/ min.).
3. Die TS-Patienten zeigten mehr vokale Tics als die Kontrollgruppe.
4. Die Tic-Frequenz (arithmetisches Mittel) während des Sprechens betrug bei den
TS-Patienten 17,5 Tics/ min. (KG[12]: 8,3 Tics/ min.), während Schweigephasen 6,7 Tics/ min (KG: 1,8 Tics/ min.). Das ergibt eine relative Tic-Rate von 12, 1 Tics/ min (KG: 5,0 Tics/ min.)
5. Der Großteil der Patienten produzierte die Tics demnach während des Sprechens, und zwar am Anfang, am Ende oder - weniger häufig - während der Satzbildung. Konkret heißt es: „72% of tics occured on speech initiation and only 28% occured within speech; only 5% occured within syllables.“ (LUDLOW 1993, S. 506).
6. Laryngeale und nasale Tics, Inhalations- und Exhalationstics, Lippen-Tics und Koprolalie traten in der TS-Gruppe wesentlich häufiger auf. Die Koprolalie trat in der Kontrollgruppe gar nicht auf, da Menschen gemeinhin nicht fluchen, wenn sie wissen, dass sie aufgenommen werden.
7. Zungen-Tics und Jargon traten in der TS-Gruppe und in der Kontrollgruppe mit gleicher relativer Häufigkeit auf. Ticartige Zungenbewegungen und Jargonäußerungen scheinen somit normales Verhalten zu sein.
8. Wort-Tics, Palilalie und Stereotypien traten zu selten auf, um einen statistischen Vergleich zwischen den Gruppen vorzunehmen (vgl. LUDLOW et al. 1982, S. 353f.).

LUDLOW untersuchte 1982 andererseits Aspekte der sprachlichen Fähigkeiten. Überprüft wurden die Fähigkeiten: mündlicher Ausdruck, Nachsprechen, Sprachverständnis, schriftlicher Ausdruck, Leseverständnis, lautes Lesen, Diktat und Abschreiben. Auch hier die wichtigsten Ergebnisse im Überblick:

1. Mündlicher und schriftlicher Ausdruck, Diktat und Abschreiben fielen signifikant schwächer für die TS-Gruppe aus. Es konnte außerdem eine Tendenz zu schwächerem lauten Lesen festgestellt werden. LUDLOW schlussfolgert demnach, dass bei den TS-Patienten Defizite im mündlichen und schriftlichen Sprachgebrauch vorliegen.
2. Die schlechten Ergebnisse im mündlichen Ausdruck können nicht auf einer Sprachproduktionsstörung basieren, da das Nachsprechen keinerlei Auffälligkeiten zeigte.
3. LUDLOW räumt ein, dass die mangelhaften Ergebnisse des Diktatschreibens und des Abschreibens auch auf motorische Schwierigkeiten zurückzuführen sein könnten.
4. Der Sprachverständnistest brachte unauffällige Ergebnisse, woraus LUDLOW schlussfolgert, dass bei TS-Patienten keine generalisierte Sprachbeeinträchtigung vorliegt. Ihr sprachliches Muster deute eher auf eine Unterbrechung des expressiven Sprachgebrauchs hin.
5. Ebenfalls unauffällig war die Gedächtnisspanne. LUDLOW schließt deshalb Defizite des Sprachgedächtnisses aus.
6. Defizite im schriftlichen und mündlichen Ausdruck traten in allen drei Altersgruppen auf. Dabei erbrachten die Kinder- und die Jugendgruppe schwächere Ergebnisse. LUDLOW mutmaßt jedoch, dass die noch nicht abgeschlossene sprachliche Entwicklung eine Ursache sein könnte. Eine Begründung der Defizite nur mittels unfertiger Reifungsprozesse schließt sie andererseits aus, da die gleichen Muster der Beeinträchtigungen in der Erwachsenengruppe festgestellt werden konnten.
7. Es besteht kein Zusammenhang zwischen der Häufigkeit der Tics und dem Grad der sprachlichen Beeinträchtigung. Eine Verbindung zwischen sprachlichen Fähigkeiten und der Produktion verbaler Tics kann demzufolge nicht hergestellt werden (LUDLOW et al.1982, S. 355f.).

Im Diskussionsteil der Studie fasst LUDLOW die gewonnen Ergebnisse noch einmal zusammen, und betont erneut, dass die Häufigkeit vokaler Tics in keiner Relation zum Schweregrad der sprachlichen Defizite steht. Sie unterscheidet die vokalen Tics in nonverbale Tics, die am häufigsten bei Tourette-Patienten vorkommen, aber auch bei Menschen ohne Tourette auftreten, sowie in verbale Tics, die nur bei zwei Personen der Kontrollgruppe auftraten, während im Gegenzug dazu 35% der Tourette-Patienten häufig diese Art der Tics produzierte (vgl. LUDLOW et al. 1982, S. 357). LUDLOW unterstreicht, dass Menschen ohne Tourette während der flüssigen Rede zwischen Phrasen pausieren und häufig Bewegungen des Kehlkopfes, der Lippen und der Zunge vollziehen. An diesen Stellen treten bei Tourette-Patienten in der Regel die vokalen Tics in ähnlicher Form auf. LUDLOW schlussfolgert deshalb, dass die Mehrheit vokaler Tics beim Tourette-Syndrom in „normalem Verhalten“ ihren Ursprung hat (LUDLOW 1982, S. 357). Der Hauptunterschied zwischen Tourette-Patienten und Menschen ohne Tourette, sei die Intensität und die Häufigkeit der vokalen Tics, die bei TS-Patienten deutlich höher liegen.

LUDLOW stellt weiterhin fest, dass die vokalen Tics in Synchronität mit dem generellen Sprechrhythmus stehen und diesen nicht stören. Somit muss der Ursprung der vokalen Tics in der Sprachplanung bzw. -sequenzierung in gesucht werden, die wiederum auf Kortexebene entspringt und im Cerebellum und den Basalganglien weiter koordiniert wird, ebenso wie die motorische Sequenzierung (vgl. LUDLOW et al. 1982, S. 358).

Ansatzpunkte für die sprachheilpädagogische Arbeit bieten die Defizite im expressiven Sprachgebrauch in Form eines schwächeren mündlichen und schriftlichen Ausdrucks sowie das schlechtere Abschneiden beim lauten Vorlesen, beim Diktat und beim Abschreiben. Da Sprachverständnis, Gedächtnisspanne und Sprachproduktion laut LUDLOW nicht beeinträchtigt erscheinen, muss auch nicht bei grundlegenden Voraussetzungen der Sprachproduktion (z.B. Pragmatik) angesetzt werden, wie es beispielsweise bei einer Sprachentwicklungsverzögerung der Fall ist. LUDLOW geht in der Untersuchungsauswertung leider nicht darauf ein, welche konkreten Aspekte des expressiven Sprachgebrauchs auffällig waren. Lexikalischen Mängeln müsste sprachheilpädagogisch schließlich ganz anders gegenüber getreten werden als beispielsweise syntaktischen Defiziten. Wäre ersteres der Fall, böten sich Übungen zur Strukturierung und Erweiterung des semantischen Netzwerkes an, wie die klare Über- und Unterordnung bei der Neueinführung von Begriffen, semantische Bäume oder Spiele wie ein Synonymmemory. All diese Maßnahmen können selbstverständlich nur erfolgen, wenn herausgestellt wurde, welche Wortarten dem Kind besondere Probleme bereiten. Es nützt schließlich nichts, das Kind mit neuen Synonymen für diverse Substantive zu konfrontieren, wenn der lexikalische Mangel vor allem beim differenzierten Gebrauch von Verben liegt! Standardisierte Testverfahren zur Überprüfung der lexikalisch-semantischen Fähigkeiten wären u.a. der Wortschatztest für die Klassen 5 und 6 (WST 5-6) und der Wortschatztest Klasse 7 und 8 (WST 7-8) nach ANGER/ BARGMANN/ HYLLA (TOLLKÜHN/ SPREER 2005, S. 161f.) Bei grammatischen Abweichungen steht ebenso eine genaue Identifikation der mangelhaften Strukturen allen anderen Maßnahmen voran. Hierzu eignen sich - neben einer eigenständigen Transkription und Auswertung der Spontansprache - diverse Testverfahren, u.a. das Dysgrammatiker-Prüfmaterial für Vor- und Grundschulkinder nach FRANK/ GRZIWOTZ, der Potsdamer Grammatik Test für 4 bis 10jährige Kinder nach DOBSLAFF oder die Testbatterie grammatische Kompetenz für das Alter zwischen 10 und 12 nach TEWES/ THURNER (TOLLKÜHN/ SPREER 2005, S. 165). Zu den Abweichungen bezüglich Diktatschreiben und Abschreiben werden ebenfalls keine konkreten Angaben gemacht. Bei Tourette-Patienten wird allerdings eine visuomotorische Schwäche vermutet (vgl. ROTHENBERGER 1991, S. 158), die u.a. das Abschreiben von der Tafel oder aus einem Buch ins Heft und die Sauberkeit von schriftlichen Aufgaben beeinträchtigt (vgl. KNOBLAUCH 1998, S. 4). Hinzu kommen eventuelle Unterbrechungen durch Blinzel-Tics oder das Verdrehen der Augen. Hilfen zur visuellen Orientierung beim ebenfalls tendenziell schwächeren Vorlesen könnten hier ein erster Ansatz förderpädagogischer Interventionen sein, z.B. der einfache Einsatz eines Lineals oder eines Blattes mit Sichtfenster (vgl. THIELE 2000, S. 190; vgl. MÜLLER-VAHL/ ROTHENBERGER 1997, S. 18, Online im Internet).

HARRIS dagegen konnte in ihrer Untersuchung 1993 konkrete Problemfelder auftun. Ihre Ergebnisse hinsichtlich der schwächeren sprachlichen und auch schriftlichen Leistungen bei Kindern mit TS umfassen verkürzte Sätze, orthographisch falsch geschriebene Wörter, mangelhaft ausgeformte Buchstaben, Probleme mit Abständen, unvollständige Gedanken und derbe Fehler bei der Zeichensetzung (HARRIS et al.1993, S. 12, Online im Internet). Beim Erfüllen der schriftlichen Aufgaben in den Tests der Untersuchung waren Frustration und Stress deutlich zu beobachten. Einige Schüler schienen des Öfteren stecken zu bleiben, während sie versuchten, ihre Gedanken zu Papier zu bringen. Dies trug dazu bei, dass diese Schüler Schwierigkeiten hatten, die Aufgaben im vorgegebenen Zeitrahmen zu bewältigen. HARRIS nennt als Beispiel den sehr begabten Siebtklässler David, der in den meisten Tests der Untersuchung überdurchschnittliche Werte erzielte, ausgenommen schriftlicher Ausdruck: Dort entsprachen seine Leistungen einem Zweitklässler. Als Folge dessen rufen schriftliche Aufgaben Frustration hervor, er weigert sich an Aktivitäten dieser Art teilzunehmen und scheitert wiederholt an solchen Aufgaben (vgl. HARRIS 1993, S. 12, Online im Internet). Bei Kindern wie David ist die Vermittlung von Erfolgserlebnissen eine zentrale Komponente. Eventuell könnte man sich auf Kompromisse einigen. Liegt, wie wahrscheinlich bei David, ein überdurchschnittlich guter mündlicher Ausdruck vor, können Hausaufgaben auf Band gesprochen werden oder eine pädagogische Unterrichtshilfe schreibt, was er diktiert.

In einer weiteren Studie LUDLOWS im Jahr 1993 wurde nun ergänzend zu seiner ersten Studie untersucht, welche Tic-Frequenzen in Abhängigkeit des Sprechverhaltens festgestellt werden können. Untersucht wurden 13 Patienten in Ruhe, beim Vorlesen und bei regulärer Konversation. Die höchste Tic-Frequenz konnte bei der Konversation festgestellt werden und betrug im arithmetischen Mittel 20,9 Tics/ min, gefolgt von einer Tic-Frequenz von 18,1 Tics/ min. während des Vorlesens. Die Tic-Häufigkeit in Ruhe, d.h. wenn der Untersucher sprach und der Tourette-Patient schwieg, belief sich auf 14,2 Tics/ min. LUDLOW schlussfolgert, dass der Patient mehr ticct[13], wenn er selbst spricht (vgl. LUDLOW 1993, S. 506). Ein weiteres Ergebnis der Studie war der Fakt, dass die Anzahl der geäußerten Wörter pro Minute keinen Einfluss auf die Anzahl der vokalen Tics hat, obwohl das Selbstsprechen die Tics begünstigt. LUDLOW konfrontierte die Patienten u.a. mit weißem Rauschen[14]. Dabei sank die Sprechrate von 125 auf 80 Wörter/ min., die vokale Tic-Anzahl blieb unterdessen unverändert (vgl. LUDLOW 1993, S, 506).

Neben den Schwierigkeiten der Sprachproduktion konnten bei TS-Patienten vermehrt auch Probleme beim mündlichen Sprachverständnis festgestellt werden. So gibt es Defizite, den Sinn des Gehörten zu verstehen und Informationen in das Gedächtnis zu überführen (vgl. WILLIS 1993, S. 6, Online im Internet).

4.2.7. Stottern und Tourette

Ein interessanter Zusammenhang scheint zwischen der Redeflussstörung Stottern und dem Tourette-Syndrom zu bestehen. Laut SCHOLZ/ BANASCHEWSKI leiden 8% der TS- Patienten auch unter einer Stotter-Symptomatik (vgl. SCHOLZ/ BANASCHEWSKI 2001, S. 133). Demgegenüber steht die niedrigere Quote von 1% in der Allgemeinbevölkerung, die neuerdings aber auf 4 - 5% geschätzt wird (vgl. BRAUN 1999, S. 8). Abgesehen davon, dass das TS in einigen Fällen fälschlicherweise als Stottern diagnostiziert wird, z.B. aufgrund Verzögerungen zu Sprechbeginn, die dann als Toni[15] interpretiert werden, welche einen adäquaten Sprecheinsatz verhindern oder hinauszögern (vgl. ROTHENBERGER 1991, S. 18), scheint anhand der Zahlen eine Disposition für das Stottern bei Tourette-Patienten gegeben zu sein.

[...]


[1] Medikament zur Behandlung des TS

[2] Zwang, Obszönitäten auszustoßen

[3] Zwang, Obszönitäten niederzuschreiben

[4] zwanghaftes Wiederholen eigener Äußerungen

[5] Wiederholung der Äußerungen anderer Personen

[6] Chorea (auch „Veitstanz“) ist eine Gruppe extrapyramidaler Bewegungsstörungen. Typisch sind unwillkürliche, schnelle und arrhythmische Muskelkontraktionen (vgl. ROCHE LEXIKON MEDIZIN 2003, „Chorea“, Online im Internet).

[7] Chemische Substanz komplexer Struktur, die in Neuroleptika, Antihistaminika, Seditiva, … Anwendung findet (vgl. Roche Lexikon Medizin 2003, „Phenothiazine“, Online im Internet).

[8] Nach DSM-IV (1998) auch als Echokinese bezeichnet (DSM-IV 1998, S. 139).

[9] Wo es meines Erachtens nötig war, habe ich die jeweilige Definition nach LUDLOWS Verständnis ergänzt.

[10] Aphasien treten zumeist nach einem Schlaganfall auf. Aufgrund zerstörter Hirnareale können sich die Betroffenen u.a. nicht mehr adäquat ausdrücken.

[11] Füllwörter wie äh, mmh, und, …

[12] LUDLOW zählte in der Studie alle Äußerungen unter Tics, die eine der 11 Kategorien (siehe Kapitel 4.2. Vokale Tics - der sprachliche Aspekt des Tourette Syndroms) zuzuordnen waren. Es sind hier nicht Tics im krankhaften Sinne gemeint, deshalb das Auftreten in der KG.

[13] m Zusammenhang mit dem TS wird oft die Schreibweise ‚ticcen’ verwendet. ‚Ticken’ ist jedoch auch gebräuchlich.

[14] Physikalisches Rauschen, dass sich aus allen Frequenzen des hörbaren Bereichs, also von etwa 16 Hz bis 20 kHz zusammensetzt (vgl. DOCCHECK/ FLEXICON, Online im Internet); bei Stotternden reduziert sich die Symptomatik, wenn ihnen weißes Rauschen über Kopfhörer eingespielt wird.

[15] Toni oder tonisches Stottern entspricht dem krampfhaften Verharren vor Sprechbeginn, z.B. A….ffe.

Ende der Leseprobe aus 135 Seiten

Details

Titel
Das Tourette-Syndrom unter sprachwissenschaftlicher und pädagogischer Betrachtung
Hochschule
Universität Leipzig  (Institut für Förderpädagogik)
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
135
Katalognummer
V93691
ISBN (eBook)
9783638067621
ISBN (Buch)
9783638953580
Dateigröße
2988 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Tourette-Syndrom, Betrachtung
Arbeit zitieren
Susann Sulzbach (Autor:in), 2006, Das Tourette-Syndrom unter sprachwissenschaftlicher und pädagogischer Betrachtung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93691

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