Hooliganismus als Kristallisationskern eines gewaltförmigen Lebensmusters Jugendlicher


Vordiplomarbeit, 2008

27 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Problemstellung und Gewaltbegriff

2. Differenzierung der Fanlandschaft im Fußball

3. Spezifische Fangruppen
3.1 Ultras
3.2 Hooligans

4. Kristallisationspunkte einer delinquenten Jugendkultur der Unterschicht

5. Wertr, Sinnkrise und Erlebnisarmut - Gründe für die Gewalttätigkeit Jugendlicher
5.1 Werteverlust
5.2 Sinnkrise
5.3 Erlebnisarmut

6. Fazit

7. Literatur

1 Problemstellung und Gewaltbegriff

Gewalttätige Jugendliche wurden zuletzt in der Öffentlichkeit, vor allem im Rahmen der Landestagswahl in Hessen, sehr stark diskutiert. Zudem ist, vor allem in ostdeutschen Stadien, immer wieder von Hooliganübergriffen die Rede. Dabei scheint vielen Menschen nicht klar zu sein, dass es nicht nur erwachsene Männer sind, die dort zuschlagen, sondern oftmals jene gewalttätige Jugend. Diese Arbeit soll zunächst das Phänomen „Hooliganismus“ beschreiben um dann in einem weiteren Schritt einen Erklärungsansatz für die Jugendgewalt und deren Kristallisation im Hooliganismus liefern. Dabei möchte ich in dieser Einleitung zunächst einen Überblick über den thematischen Aufbau dieser Arbeit geben und eine geeignete Definition für den Gewaltbegriff im Kontext der Jugenddelinquenz und des Hooliganismus finden. Im zweiten Punkt, möchte ich in einem klassifikatorischen Ansatz eine Trennung der Fanlandschaft aus soziologischer Sicht beschreiben um dann in Punkt drei expliziert auf die gewaltaffinen Fangruppen der Ultras und der Hooligans einzugehen. Im Hauptteil möchte ich zunächst eine erste Brücke zwischen den Merkmalen der delinquenten Jugendkultur der Unterschicht und der Subkultur der Hooligans schlagen (Punkt vier) um dann im letzten Punkt Erklärungsansätze für jugendliche Gewalt und deren Kristallisation im Hooliganismus zu erläutern.

Da der Gewaltbegriff vielseitig diskutiert und definiert wird, möchte ich zunächst klar umreißen, von was die Rede ist, wenn im Folgenden der Terminus „Gewalt“ auftaucht. Im Falle des Hooliganismus bietet sich ein physiologisch orientierter Gewaltbegriff an, bei dem es um meist intendierte, körperlich schädigende Handlungen zwischen zwei Subjekten geht. Psychische und strukturelle Gewalt spielen in Bezug auf den Hooliganismus nur eine untergeordnete Rolle. Daher möchte ich mich meinen Gewaltbegriff auf das Physische beschränken. Die körperliche Auseinandersetzung ist der zentrale Faktor, der die Hooligans (und Teile der Ultras) von den anderen Fans trennt. Die Grenze der gesellschaftlichen Norm bezüglich des Aggressionsabbaus wird, indem physisch Gewalt angewendet wird, überschritten und eine Grenzziehung findet statt.

Auch in Bezug auf die Gewalt der Jugendlichen soll von einer physischen Gewaltform die Rede sein, die sich nicht nur im Hooliganismus kristallisiert sondern auch meist physischer Natur ist. Dabei ist zu erwähnen, dass es in Bezug auf den Hooliganismus nahezu ausschließlich zu Ausschreitungen der Männer und nicht der Frauen handelt. Das Hooliganproblem ist ein Problem der männlichen Jugendlichen[1]. Für den Gewaltforscher WILHELM HEITMEYER ist es zunächst wichtig zu betonen, dass Gewalt ein sozialer Prozess ist, der nur in Bewegung gerät, wenn die strukturellen Bedingungen dazu vorhanden sind. Es muss eine Gewaltbereitschaft existieren, die das Ergebnis individueller Sozialisation ist. Außerdem muss, nach HEITMEYER, ein Gewaltakt immer mit einem subjektiven Sinn verbunden sein, der dem Individuum eine Legitimation für sein Gewalthandeln liefert, womit die Hemmschwelle zur Gewalttat überschritten werden kann.[2] Dieser subjektive Sinn kann aus vier unterschiedlichen Motiven entstammen:

- Expressive Gewalt: Sie ist vor allem dann bedeutungsvoll, wenn um die Präsentation von Einzigartigkeit geht und das Individuum wahrgenommen werden will, weil Standardisierung und Langeweile intra-gesellschaftlich vorherrschend sind. Die Tabuverletzung, die bei der Gewalthandlung stattfindet, unterstreicht die Einzigartigkeit des Individuums. Das Opfer ist dabei sekundär und beliebig, also nur ein „Mittel zum Zweck“.
- Instrumentelle Gewalt: Diese Gewalt wird aus Kalkül verübt, richtet sich auf eine mögliche Problemlösung und basiert auf der Ausnutzung von Freiräumen. Es geht dabei um Anschluss, Positionssicherung und Aufstieg, wenn die Durchsetzungschancen auf anderem Wege gering sind.
- Regressive Gewalt: Sie ist darauf ausgerichtet die soziale, berufliche oder politische Desintegrationsprozesse aufheben, da diese eine stark verunsichernde Wirkung haben. Die Gewalt hat also eine eher stabilisierende Funktion bei den Gewalttätern und wird oft von einem Kollektiv. (Vgl. HEITMEYER 1995: 71)
- Autoaggressive Gewalt: Entsteht dann, wenn die Individuen keinen anderen Weg mehr sehen, als ein letztes Mittel.

Fast alle dieser Motive spielen in Bezug auf den Hooliganismus eine wichtige Rolle, was vor allem im Hauptteil (Kapitel fünf) deutlich werden soll. Die Jugendlichen, die die zu Hooligans geworden sind, finden sowohl in der expressiven, der instrumentellen als auch der regressiven Gewalt Motive für ihr gewalttätiges Handeln. Sie haben sowohl mit Standardisierungs-, als auch Desintegrationsprozessen zu tun und können durch das Anwenden von Gewalt innerhalb der hierarchischen Struktur der Hooligans aufsteigen. Es vereint sich also eine Vielzahl an Motiven im Hooliganismus, was ein Grund für die attraktive Wirkung für die Jugendlichen sein kann.

2. Differenzierung der Fanlandschaft im Fußball

Fußballfangruppen haben die Eigenschaft, dass sie nicht homogen zusammengesetzt sind, sich also nicht aus bestimmten Gesellschaftsschichten rekrutieren und es somit keine Basis für eine kategoriale Einteilung hinsichtlich der gesellschaftlichen Schichten geben kann. HEIMEYER und PETER teilen die Fans daher hinsichtlich der Bedeutung des Fußballs für ihre alltägliche Lebensweise in drei Idealtypen ein, die sich aber in der Praxis durchaus vermischen können. Als Maßstab dienen die Identitätsbestrebungen der Fans, die Prozesse der sozialen Anerkennung und der Bestrebung nach sozialer Zugehörigkeit, sowie der Wunsch nach Präsentationsmöglichkeiten. (Vgl. HEITMEYER/PETER 1988: 31)

Konsumorientierte Fans: Für den konsumorientierten Fan ist der Fußball ein beliebig austauschbares Freizeitangebot, das auch sozial keine große Bedeutung hat. Soziale Bestätigung und Akzeptanz werden nicht im Fußball sondern in anderen Bereichen hinreichend erlangt, sodass man nicht auf den Fußball angewiesen ist.

Fußballzentrierte Fans: Für fußballzentrierte Fans ist der Fußball nicht austauschbar da er eine sehr große soziale Relevanz besitzt. Die stark gruppenorientierten Anhänger brauchen die Anerkennung der anderen Fans um sich als Individuum und auch als Gruppe profilieren und präsentieren zu können. Ihre Rolle im Stadion ist wichtiger Bestandteil der Identitätsbildung und der Fanblock somit ein unverzichtbares Territorium der Fankultur.

[...]


[1] In der verwendeten Literatur konnte keinerlei Hinweis auf Frauengewalt in Bezug auf den Hooliganismus gefunden werden. PILZ (2003: 17ff) geht genauer auf die Frauengewalt ein, stellt aber wiederrum keinerlei Bezug zum Hooliganismus her. Daher gehe ich beim Hooliganismus von einer männlichen Gewaltform aus.

[2] Bill Buford beschreibt die Überschreitung dieser Schwelle sehr plastisch: „Mich reizen die Momente, so kurz sie sind, und besonders, wenn sie kurz sind, in denen er [der zivilisierte Mensch] verschwindet: wenn das Netz reißt, das Gewebe sich auflöst, das Haus brennt - die Metaphern sind beliebig. Immer geht es um diese Linie, diese Grenze: ich bin gebannt, beglückt von dem, was ich auf der anderen Seite finde. Sie erregt mich; ich kenne keine stärkere Erregung. […] Sich in einer Masse zu befinden. Und - noch stärker - sich in einer Masse zu befinden, die eine Gewalttat begeht. Was wir dort finden, ist das Nichts. Das Nichts in seiner Schönheit, seiner Schlichtheit, in seiner Reinheit.“ (BUFORD 1992: 220f)

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Hooliganismus als Kristallisationskern eines gewaltförmigen Lebensmusters Jugendlicher
Hochschule
Philipps-Universität Marburg  (Soziologie)
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
27
Katalognummer
V93678
ISBN (eBook)
9783640131723
ISBN (Buch)
9783640135424
Dateigröße
616 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hooliganismus, Kristallisationskern, Lebensmusters, Jugendlicher, Hooligan, Gewalt, pilz
Arbeit zitieren
Benedikt Weber (Autor:in), 2008, Hooliganismus als Kristallisationskern eines gewaltförmigen Lebensmusters Jugendlicher, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93678

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