Gesellschaftlicher Wandel in Japan und dessen mögliche Auswirkungen auf die Geschäftsbeziehungen zu den Deutschen


Seminararbeit, 2003

23 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Religion und Geschichte – Die wichtigsten Einflussfaktoren der japanischen Kultur
2.1 Religionen
2.2 Geschichtliche Ereignisse

3 Besonderheiten der Japaner

4 Wandlungsprozesse seit dem 2. Weltkrieg

5 Zusammenfassung und Ausblick

6 Abstract

7 Anhang

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

In der vorliegenden Arbeit „Gesellschaftlicher Wandel in Japan und dessen mögliche Auswirkung auf die Geschäftsbeziehungen zu den Deutschen“ soll der Frage nachgegangen werden, ob sich in der japanischen Gesellschaft einen Wertewandel vollzieht, in welche Richtung er geht und was dieser Wandel für Auswirkungen auf Firmenstrukturen, Arbeitsweisen und Verhalten der Geschäftsmänner hat und noch haben kann. Sollte dieser Wandel eine Annäherung an deutsche Verhaltensmuster bzw. Wertemuster andeuten, ist davon auszugehen, dass er die Geschäftsbeziehungen zwischen Japanern und Deutschen erleichtern sowie Kommunikationsprobleme und Missverständnisse auflösen könnte.

Werte lassen sich folgendermaßen definieren: „Werte sind Bedeutungen an Personen, Sachen oder Ereignissen, denen bestimmte Qualitäten zugemessen werden.“[1]

Der Begriff „Wertewandel“ soll dabei eine Beobachtung der Veränderung der relativen Wichtigkeit verschiedener Werte für das Individuum und das Kollektiv implizieren.[2]

Um das Thema einzuleiten, wird zunächst auf die einflussreichen Religionen und geschichtlichen Ereignisse, die für die Kultur und Mentalität Japans prägend waren eingegangen. Anschließend sollen die daraus resultierenden Besonderheiten der japanischen Kultur bzw. ihre Traditionen aufgezeigt werden. Dann werden die Wandlungsprozesse seit dem 2. Weltkrieg dargestellt, um abschließend einen Über- und Ausblick dieser Entwicklung zu geben und mögliche Veränderungen in den Geschäftsbeziehungen zwischen Japanern und Deutschen abzuwägen. Bezug wird dabei auf die fünf Kulturdimensionen von Hofstede genommen, da er bei seiner Untersuchung mit Managern bzw. Führungskräften gearbeitet hat und sich zudem explizit auf die Arbeitswelt bezieht.

2 Religion und Geschichte – Die wichtigsten Einflussfaktoren der japanischen Kultur

2.1 Religionen

Die drei wichtigen Religionen in Japan sind der Shintoismus, Konfuzianismus und Buddhismus.

Im Shintoismus, dem ´einheimischen´ Glauben der Japaner[3], wurde ursprünglich alles verehrt, was groß, gewaltig, außergewöhnlich und geheimnisvoll war oder mit irdischen Bedürfnissen in Zusammenhang stand und das Wohlbefinden förderte.[4] Obwohl nie ein theologisches System geschaffen wurde, bestimmen noch heute strenge Normen wie z.B. Pflichterfüllung, Ehrlichkeit und Selbstbeherrschung die Wertvorstellungen und Verhaltensstrukturen der japanischen Gesellschaft.[5]

Der Konfuzianismus, eine praxisorientierte Sozialethik, gelangte im 4. Jahrhundert n. Chr. aus China nach Japan. In der konfuzianischen Lehre geht es primär um die Maximierung bestehender Möglichkeiten, was in erster Linie durch Lernen erzielt wird.[6] Das zentrale Anliegen des Konfuzianismus ist die Einbettung des Einzelnen in Familie, Staat und Moral, wobei das Leben von fünf Beziehungen bestimmt wird:

- Fürst und Staatsoberhaupt
- Vater und Sohn
- Mann und Frau
- Älterer Bruder und jüngerer Bruder
- Freund und Freund

Diese fünf Beziehungen werden durch die Tugenden der Menschenliebe, Gerechtigkeit und Ehrerbietung bestimmt. Darüber hinaus bildet Pietät die Basis für das Familienleben und den Staat.[7]

Im 6. Jahrhundert wurde der Buddhismus aus China nach Japan geholt und vorübergehend zur japanischen Staatsreligion.[8] Seine zentralen Theorien sind, dass das Leben wegen weltlicher Begierden, Krankheiten, des Todes und des Verlusts von geliebten Mitmenschen voller Leiden ist. Indem man sich von Begierden und Zuneigungen löst, kann man aber den Zustand des Nirwana erreichen und dem Leiden sowie dem Kreislauf der Reinkarnation entkommen.[9]

2.2 Geschichtliche Ereignisse

Der erste prägende Einfluss auf die Kultur Japans ereignete sich im sechsten bis achten Jahrhundert. Japan wurde als Staat mit einer zentralistischen Administration nach chinesischem Vorbild organisiert. Darüber hinaus haben japanische Schriftzeichen, Rechtsprechung, Kunst, Wissenschaft, Philosophie und der Buddhismus ihren Ursprung in China.[10]

Zu Beginn des 17. Jahrhunderts errichtete der Tokugawa-Feudalismus eine Militärdiktatur mit einer strengen Klassengesellschaft und dem Konfuzianismus als Religion.[11] Während dieser Periode, auch Edo-Zeit genannt, entwickelte sich das sogenannte ´ ie ´-System:

„Die soziologische Bedeutung des ´ ie ´ liegt darin, daß [sic!] es (...) als eine distinktive Einheit in der Gesellschaft betrachtet wird, und daß [sic!] diese Einheit nach außen hin von einem männlichen Oberhaupt repräsentiert und intern von diesem regiert wird. Die Mitglieder sind dem Vorstand streng hierarchisch untergeordnet, die Ehen sind patrilokal, und die Erbfolge verläuft in der Regel über den ältesten Sohn.“[12]

Außerdem wurden Eheschließungen nicht von den zwei betroffenen Personen vereinbart, sondern von deren Familien bzw. Familienvorständen.[13]

Ebenfalls während der Edo-Zeit schottete sich Japan 1637 vom Rest der Welt ab. Auf drängen der USA, die Japan für ihre Kolonisierungspläne vorgesehen hatten, fand die 250 Jahre dauernde Isolation im Jahre 1868 ein Ende. Mit diesem Ende wurde auch der Tokugawa-Feudalismus von der unzufriedenen Bevölkerung gestürzt.[14]

Die anschließende Meiji-Regierungszeit, auch Meiji-Restauration genannt, verfolgte hauptsächlich folgendes Ziel: die Industrialisierung Japans. Vorraussetzung dafür war die Schaffung gleicher Ausbildungsmöglichkeiten für alle. Standesschranken wurden aufgehoben und die rechtliche Gleichheit postuliert. Damit leitete die Meiji-Periode bis zu ihrem Ende 1890 einen gewissen Gesellschaftswandel „von oben“ ein.[15] Der Kaiser wurde wieder eingesetzt und mit ihm der Shintoismus als Staatsreligion. Darüber hinaus wurde die westliche Zivilisation, besonders die der Briten, Deutschen und Franzosen, von den Japanern begeistert aufgenommen.[16]

Nach dem Zweiten Weltkrieg geriet Japan bis 1952 unter amerikanische Besatzung und damit deren Einfluss. Mit diesem wurde die Demokratie eingeführt, Staat und Shintoismus wurden getrennt. Außerdem wurde u.a. die Frau dem Mann gleichgestellt und das alte Familiensystem ´ ie ´ sowie der Moralkunde-Unterricht abgeschafft.[17] 1947 wurde das Erziehungsgrundgesetz proklamiert und gleichzeitig das Bildungswesen reformiert. Die neuen Ideale in Punkto Erziehung waren Selbstverständnis, Persönlichkeitsentwicklung und Individualität.[18]

3 Besonderheiten der Japaner

Aus denen unter Punkt 2 aufgeführten Ereignissen ergeben sich folglich die Besonderheiten der japanischen Kultur. So haben z.B. der Shintoismus und der Konfuzianismus einen starken Einfluss auf die Mentalität der Japaner genommen; zentrale Punkte dieser Glaubensrichtungen sind hierarchische Unterordnung und das Pflichtbewusstsein, dem Kollektiv und damit letztlich dem Staat zu nutzen. Voraussetzung dafür war ein hohes Bildungsniveau. Erwähnenswert ist an dieser Stelle das Militärgesetzbuch der Samurai für Ethik „Bushido“, dass in der Edo-Zeit eine große Rolle spielte. Als tugendhaft galt:

„Absolute Treue, kindliche Ehrfurcht, Bereitschaft zur Bildung. Von Höhergestellten wird erwartet, daß [sic!] sie Untergebene mit Wohltaten bedenken. Der Untergebene ist aber gleichermaßen verpflichtet, sich durch Gehorsam und Ehrfurcht dankbar zu erweisen. Der Undankbare wird gesellschaftlich geächtet. Die Pflichterfüllung steht an erster Stelle. Alle persönlichen Gefühle und Emotionen, die die Pflichterfüllung verhindern, müssen unterdrückt werden.“[19]

Mit der Meiji-Restauration und der einsetzenden Industrialisierung flossen diese Werte der Feudalzeit in die Unternehmensstrukturen ein:

„Staat und Unternehmen wurden als Familie identifiziert, in der es vor allem auf Pflichterfüllung, Ehrfurcht vor Statushöheren, gegenseitiges Vertrauen, Bereitschaft zur Bildung, Treue, Harmonie in der Gruppe usw. ankomme.“[20]

Basierend auf dem Aspekt ´gegenseitiges Vertrauen´ ergibt sich die lebenslange Beschäftigung von Mitarbeitern in Japan. Die Verpflichtung zur Unternehmenstreue beruht auf Gegenseitigkeit. Da individuelle Karrieremuster dem Prinzip der lebenslangen Einstellung und dem Kollektivdenken widersprechen und folglich die harmonischen Grundbeziehungen stören würden, entspricht eine Beförderung auf der Basis des Senioritätsprinzips der japanischen Kultur besser, als eine nach dem uns bekannten Leistungsprinzip.[21]

„Der Aufstieg im Betrieb ist eng verknüpft mit der Dauer der Betriebszugehörigkeit und vorhergehenden Tätigkeiten, also mit objektiven Faktoren. Die Leistung des einzelnen ist allein kein Beförderungsgrund. Eine einzelne herausragende Leistung ist eher unerwünscht, da sie die Leistung der Gruppe schmälern oder blockieren kann. Das Senioritätsprinzip gilt sowohl in Klein- wie auch in Großbetrieben, in der Schule, in Jugendverbänden ebenso wie im täglichen Miteinander. Dem Alter wird Respekt gezollt, Äußerungen älterer Menschen hat niemand zu widersprechen, da das Alter immer recht hat.“[22]

Der Mangel an Individualismus und das starke Gefühl gegenseitiger Abhängigkeit lassen sich auch mit der gesellschaftlichen Situation während der Isolation Japans erklären, so schreibt z.B. Werle:

„Diese Epoche war ein prägendes Ereignis japanischer Mentalität. 30 Millionen Menschen mussten 10 Generationen lang eng zusammengedrängt leben – auf einer Nutzfläche, die bei normalen Ernten gerade ausreichte, alle zu ernähren. Trotz dieser prekären Lage brachten es die Japaner zustande, mehr als 200 Jahre lang erstaunlich friedfertig miteinander zu leben. Dies wäre wahrscheinlich nicht möglich gewesen, hätten die Menschen nicht gleichzeitig dafür gesorgt, dass die sozialen Konflikte, die in jeder Gesellschaft existieren, auf eine einfache Weise entschärft worden wären: Es gab kein extremes Gefälle zwischen Armen und Reichen.“[23]

In Japan gibt es die sogenannte vertikale und horizontale Gruppe, die das Leben eines Menschen bestimmen (s. Anhang, Abb. 1 & Tab. 1). Die vertikale Gruppe stellt im Idealfall ein großes Unternehmen dar, in dem Hierarchie und unter den einzelnen Mitarbeitern eine gewisse Konkurrenz herrscht und Leistung gekoppelt mit Effektivität zählen. Anders in der horizontalen Gruppe: sie steht für Familie und Verwandtschaft, in der es vor allem um die Sicherung und Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls in der Gemeinschaft geht und seit der Abschaffung des ie -Systems zunehmend eine gewisse Egalität herrscht.

Innerhalb dieser beiden Gruppen sind Japaner im allgemeinen sehr rücksichtsvoll, was auf das Harmonieprinzip zurückzuführen ist. Mit Personen, die weder als Mitglied der eigenen vertikalen Gemeinschaft noch als der horizontalen angesehen werden, wird hingegen teilweise sehr rücksichtslos umgegangen.[24]

Beide oben vorgestellten Organisationstypen stellen Idealtypen dar, d.h. jede japanische Organisation ist eher eine komplexe Mischform beider Typen. Möchte man als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft anerkannt werden, sollte man ein sicheres Urteil entwickeln, welches Organisationsprinzip in der jeweiligen Situation Vorrang hat und sich entsprechend verhalten, da man sonst als unreif angesehen wird. Die Entwicklung dieses Urteilsvermögens oder auch Feingefühls stellt auch die Hauptaufgabe der Sozialisation der Kinder dar.[25]

[...]


[1] Lemaire, B. (1996: 93).

[2] Vgl. Möhwald, U./ Ölschleger, H. D. (1996: 123).

[3] Vgl. Goroll, D./ Kundla, P. (2003: www.yamadori-bonsai.de/c/10/02/02.htm).

[4] Vgl. Werle, N. (2003: members.chello.at/nikolaus.werle/Shintoismus.htm).

[5] Vgl. www.imber.li/religion/shintoismus_naturreligion.htm.

[6] Vgl. Fels, A. (2003: www.japanlink.de/ll/ll_religion_konfuzianismus.shtml).

[7] Vgl. Schlottmann, D./ Barrey, B. (2003: www.explorekorea.de/kultur/useite_konfu01.htm).

[8] Vgl. Klühspies, J. (2003: home.t-online.de/home/jok.geo/japan-religion.htm).

[9] Vgl. Goroll, D./ Kundla, P. (2003: www.yamadori-bonsai.de/c/10/02/01.htm).

[10] Vgl. Lemaire, B. (1996: 17).

[11] Vgl. Kieser, A. (1984: 42).

[12] Streb, I. (1998: 92).

[13] Vgl. a.a.O.: 94.

[14] Vgl. Lemaire, B. (1996: 19).

[15] Vgl. ebd.

[16] Vgl. Kumagai, F. (1996: 2).

[17] Vgl. Lemaire, B. (1996: 23).

[18] Vgl. Yoshizawa, N. (1996: 185).

[19] Kieser, A. (1984: 42f.).

[20] A.a.O.: 44.

[21] Vgl. a.a.O.: 45.

[22] Lemaire, B. (1996: 51).

[23] Werle, N. (2003: members.chello.at/nikolaus.werle/Shintoismus.htm).

[24] Vgl. Suzuki, T. (1993: 132).

[25] Vgl. a.a.O.: 135.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Gesellschaftlicher Wandel in Japan und dessen mögliche Auswirkungen auf die Geschäftsbeziehungen zu den Deutschen
Hochschule
Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)  (Fakultät für Kulturwissenschaften)
Veranstaltung
Kulturdimensionen und internationale Unternehmenstätigkeit
Note
1,3
Autor
Jahr
2003
Seiten
23
Katalognummer
V93606
ISBN (eBook)
9783640099443
Dateigröße
467 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gesellschaftlicher, Wandel, Japan, Auswirkungen, Geschäftsbeziehungen, Deutschen, Kulturdimensionen, Unternehmenstätigkeit
Arbeit zitieren
Sarah Klotz (Autor:in), 2003, Gesellschaftlicher Wandel in Japan und dessen mögliche Auswirkungen auf die Geschäftsbeziehungen zu den Deutschen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93606

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