Das Doppelmandat in der sozialen Arbeit. Spannungsverhältnis zwischen Hilfe und Kontrolle


Hausarbeit, 2020

12 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2.Begriffsbestimmungen
2.1 Das Doppelmandat
2.2 Soziale Arbeit als Profession

3. Das Spannungsverhältnis von Hilfe und Kontrolle

4. Die Bedeutung von Professionalität am Beispiel der Kinder und Jugendhilfe

5. Intraindividuelle Konflikte bei Sozialarbeitern

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In den 1970er Jahren wurde durch Böhnisch und Lösch das Doppelmandat innerhalb der Sozialen Arbeit definiert und ist bis heute in der fachlichen Diskussion geblieben. Dieses zweidimensionale Mandat zeichnet sich durch den Spannungsbogen von Hilfe und Kontrolle aus. Einerseits tritt die Gesellschaft mit Erwartungen und Vorgaben an die Soziale Arbeit heran, auf der anderen Seite stehen die Adressaten und Klienten mit ihren Bedürfnissen (vgl. Staub-Bernasconi, 2019, S.86, 87). Dieses Doppelmandat stellt besondere Herausforderungen an die Sozialarbeiter in der Praxis. Es lässt sich nicht voneinander trennen, die Soziale Arbeit versteht sich als Dienstleistung in sozialstaatlicher Verantwortung und muss legitimieren sowie sanktionieren, um gleichzeitig Unterstützung und Aktivierung möglich machen zu können. Soziale Arbeit muss sich immer an der Gesellschaft orientieren und ihren jeweiligen Richtlinien in multipler Hinsicht, wie zum Beispiel bestimmten Werten und Normen (vgl. Lutz, 2010, S.9, 10). In dieser Arbeit wird zunächst näher auf das Spannungsverhältnis zwischen Hilfe und Kontrolle eingegangen. Weiterhin soll an einem fiktiven Fall aus der Kinder- und Jugendhilfe aufgezeigt werden, wie Professionalität zum Ausdruck kommt und welche Haltung das Handeln des Sozialarbeiters prägt. Abschließend wird diskutiert, welche intraindividuellen Konflikte Sozialarbeiter entwickeln können, hinsichtlich der Problematik des Doppelmandates.

2. Begriffsbestimmungen

In den folgenden Kapiteln sollen zunächst die Grundbegriffe dieser Arbeit definiert und im Kontext eingeordnet werden. Dieses dient dem verbesserten Verständnis der dieser Arbeit zu Grunde liegenden Thematik.

2.1 Das Doppelmandat

Das Wort Mandat stammt aus dem lateinischen Begriff „mandare“, welcher übersetzt „aus der Hand geben“ bedeutet. Der Begriff beschreibt somit eine Ermächtigung Dritten gegenüber innerhalb einer fachlichen Autonomie, wie dies beispielsweise bei Ärzten und Patienten der Fall ist. In der Sozialen Arbeit wird demgegenüber meist von einem weisungsgebundenen Beruf auf staatsrechtlicher Basis gesprochen, welcher „Hilfe als Kontrolle“ ausübt (vgl. Staub-Bernasconi, 2018, S.376, 377). Die Soziale Arbeit soll zum einen das Wohlbefinden der Menschen fördern, welchen Sie gegenüber einen Auftrag der Hilfe übernommen hat, gleichzeitig muss sie kontrollieren, inwieweit die Menschen diese Hilfe innerhalb gesellschaftlicher Normen und Begrenzungen in einem angepassten Kontext ausführen. Das Mandat der Sozialen Arbeit besteht also aus einem Verhältnis aus Hilfe und Kontrolle und zeichnet sich ebenfalls durch eine gewisse Machtzuweisung aus, sodass auch Zwangs- oder Schutzmaßnahmen zum gesellschaftlichen Wohl ausgeführt werden können (vgl. Wendt, 2017 S.28, 29).

2.2 Soziale Arbeit als Profession

Eine Profession umfasst ein gesamtes fachliches Handlungssystem und verbindet die Theorie und die Praxis, somit ist der sozialpädagogische Gegenstand in Gänze gemeint. Die Soziale Arbeit versteht sich zum einen als Praxisfeld, welches Wünsche der jeweiligen Adressaten sowie auch den gesellschaftlichen Auftrag erfüllen soll. Weiterer Gegenstand ist die Forschung sowie die Reflexion und Produktion gesellschaftlicher Bilder und Strukturen. Damit meint dieser Begriff mehr als die reine Ausübung der Tätigkeit innerhalb der Praxis, also hauptsächlich den Menschen zu helfen, als auch in einem wissenschaftlichen Kontext zu agieren und Theoriebildungsprozesse zu generieren (vgl. Thole, 2012, S.21, 22). Die Disziplin der Sozialen Arbeit möchte beschreiben, woher soziale Probleme ihre Wurzeln haben und welche Auswirkungen diese bedingen können. Die Profession geht überdies hinaus und schaut nach Bewertungen von Problemen und ihrem Auftrag gegenüber Adressaten, um zur Lösung dieser beizutragen (vgl. Staub- Bernasconi, 2018, S.370). Durch den Umstand, dass Soziale Arbeit sich als eine Profession versteht, lässt sich bezüglich des Doppelmandates aus Hilfe und Kontrolle ein weiteres Mandat hinzufügen: die fachliche Disziplin beziehungsweise Profession. So wird auch das Doppelmandat häufig erweitert um eine professionelle Mandatierung (vgl. Staub-Bernasconi, 2018, S.377, 378). Sozialarbeiter befinden sich nicht ausschließlich in einem Spannungsverhältnis von Hilfe und Kontrolle, sondern haben ebenfalls den Auftrag, professionell zu handeln und eine professionelle Haltung zu wahren. Wie diese zum Ausdruck kommt, wird in Kapitel 4 anhand eines fiktiven Falles näher betrachtet.

3. Das Spannungsverhältnis von Hilfe und Kontrolle

Das zuvor definierte Doppelmandat bildet innerhalb der Sozialen Arbeit ein Spannungsverhältnis aus den zwei Hauptmandaten, dem Auftrag der Hilfe und dem Auftrag und Beachtung der Kontrolle. Böhnisch und Lösch betrachten dies als „ein stets gefährdetes Gleichgewicht zwischen den Rechtsansprüchen, Bedürfnissen und Interessen des Klienten einerseits und den jeweils verfolgten sozialen Kontrollinteressen seitens öffentlicher Steueragenturen andererseits“(Böhnisch, Lösch zitiert nach Hünersdorf, 2010, S.3). Das Konstrukt der Hilfe ist dort gefragt wo andere Ressourcen nicht verfügbar sind oder die Empfänger nicht erreichen. Sozialarbeiter verstehen sich hier als Vermittler zwischen der Lebenswelt der Menschen und der gesellschaftlichen Struktur (vgl. Deutscher Berufsverbandfür Soziale Arbeit e.V., o.J.). Dadurch lässt sich der Begriff der Hilfe nicht gänzlich von dem der Kontrolle abgrenzen, da Hilfe häufig auch eine Form Kontrolle meinen kann, wie am Beispiel der Kindeswohlgefährdung zu sehen ist, da das Jugendamt hier seine Macht ausübt, um Hilfe und Sicherheit gegenüber gefährdeten Kindern zu gewährleisten. Da Soziale Arbeit immer eingebunden ist in sozialstaatliche Vorgaben, scheint es schwierig, Hilfe als Maßnahme von Reduktion von Defiziten allein zu betrachten. Durch die gesellschaftlichen Vorgaben und Normen verhält sich Hilfe immer auch als Kontrolle (vgl. Thieme, 2017, S.19). Soziale Arbeit umfasst im Gegensatz zu anderen helfenden Professionen ein breites Tätigkeitsspektrum, besitzt also eine „Allzuständigkeit“ , dadurch lässt sich Hilfe hier nicht auf einen Gegenstandsbereich begrenzen (vgl. Galuske, 2013, S. 41). Für jeden Bereich der Sozialen Arbeit gilt, dass sozialpädagogische Interventionen immer Hilfe und Kontrolle in unterschiedlich starker Ausprägung umfassen (vgl. Galuske, 2013, S.52). Der Unterschied zwischen Hilfe und Kontrolle lässt sich also aus der jeweiligen Perspektive des Betroffenen feststellen, ob die helfende Maßnahme auch als kontrollierende wahrgenommen wird. Soziale Arbeit ist immer ein Eingriff in private Lebenswelten und Bereiche. Personenbezogene, staatlich organisierte Dienstleistungen lassen sich als Hilfe zur Selbsthilfe generieren, um gesellschaftlichen Anforderungen zu genügen (vgl. Dahme, Wohlfahrt, 2018, S. 219, 220). Sozialarbeiter verstehen sich immer in einem Spannungsverhältnis zwischen Klienten und staatlicher Kontrollfunktion: Sie müssen das Wohl und die Autonomie ihrer Adressaten wahren und zugleich die staatlichen und gesellschaftlichen Auflagen beachten und einhalten. Es entstehen hier unterschiedliche Interessenspositionen, zwischen denen sich der Sozialarbeiter befindet und diese bemüht ist, möglichst im Einklang zu halten, was jedoch nicht immer möglich scheint. Hilfreich ist hier die professionelle Haltung, innerhalb derer Sozialarbeiter mit den Menschen interagieren. Im folgenden Kapitel soll tiefergehend auf diese Haltung eingegangen werden.

4. Die Bedeutung von Professionalität am Beispiel der Kinder und Jugendhilfe

Die Kinder- und Jugendhilfe lässt sich im thematischen Gesamtkontext als eine Kontrollinstanz einordnen. Strukturell bedingt ist hier ein Spannungsbogen zwischen Hilfe und Kontrolle erkennbar, so müssen hier Kindeswohlgefährdungen eingeschätzt werden und häufig sind bestehende Zuweisungen durch weitere Institutionen, wie durch die Polizei gegeben. Die Sozialarbeiter stehen hier unter dem Druck der Einhaltung der institutionellen Verfahrensregelungen und den Interessen der Kinder- und Jugendlichen gerecht zu werden, beziehungsweise diesen Klienten wertfrei gegenüberzutreten, auch wenn hier schon gewisse Stigmatisierungsprozesse stattgefunden hatten (vgl. Böhnisch, 2017, S.8). Um deutlich zu machen, wie sich in diesem Tätigkeitsfeld die professionelle Haltung wahren lässt, soll zunächst ein kurzer fiktiver Fall dargestellt werden. Frau F. ist 21 Jahre alt, alleinerziehend und lebt mit ihrer 1- jährigen Tochter in einer Wohnung im Hamburger Stadtteil Billstedt. Das Jugendamt wurde durch die Polizei auf eventuelle Missstände aufmerksam gemacht, diese wurde durch die Nachbarschaft eingeschaltet. Die zuständige Sozialarbeiterin des Jugendamtes ist im Gespräch mit der Mutter gewesen und hat festgestellt, dass diese leicht überfordert, jedoch das Kindeswohl nicht gefährdet ist. Um die Mutter zu unterstützen, bietet Sie ihr ausgleichende Hilfen an und akzeptiert somit die Einschränkung der Mutter. Sie organisiert ihr eine zuverlässige und wirksame Entlastung und benennt gegenüber der Mutter Belastungen ihrer Tochter ohne Schuldzuweisung und Beschämung. Um den Schutz des Kindes zu wahren, sorgt Sie für eine ausreichende Kompensation in der fehlenden Förderung. Die Kinder und Jugendhilfe hat immer den Auftrag Kinder zu schützen und Eltern zu unterstützen und muss kontrollieren, ob diese Ziele erfüllt werden, auch wenn sie zueinander in Konflikt geraten. Die Sozialarbeiterin ist wertfrei in diesen Fall gegangen, das heißt, sie hat sich weder durch die Meinungen der Nachbarn oder den Wohnort zu ersten Meinungs- und Stigmatisierungsprozessen bewegen lassen.

Die professionelle Haltung, die hier das Handeln prägt, ist durch drei Kernkompetenzen gekennzeichnet: der instrumentellen, der reflexiven und sozialen Kompetenz. Die instrumentelle Kompetenz setzt Fachwissen der Sozialarbeiterin voraus, das heißt, sie hat beispielsweise Kenntnisse des Verfahrensablaufs bei einer Inobhutnahme durch das Jugendamt. Die reflexive Kompetenz beschreibt hier die Fähigkeit, sich selbst in seiner Haltung zu hinterfragen, das Handeln zu reflektieren und somit auch unbewusste, unprofessionelle Haltungen aufzudecken und zu überarbeiten. Die soziale Kompetenz setzt voraus, sich wertfrei auf die jeweiligen Adressaten einzustellen, auf die individuellen Bedürfnisse einzugehen und Situationen eigenverantwortlich einschätzen zu können und ebenfalls eine professionelle Distanz zu dieser entwickeln. Für eine professionelle Haltung ist insbesondere die Reflektionsfähigkeit hervorzuheben, um eigene Persönlichkeitsanteile zu hinterfragen und etwaige unterbewusste Handlungen zu erkennen. Dies geschieht zum Beispiel auch innerhalb einer kollegialen Beratung, wo die Haltung Einzelner sowie des Teams zum Austausch kommt (vgl. Glaum et al, 2018, S.290, 291).

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Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Das Doppelmandat in der sozialen Arbeit. Spannungsverhältnis zwischen Hilfe und Kontrolle
Hochschule
FOM Essen, Hochschule für Oekonomie & Management gemeinnützige GmbH, Hochschulleitung Essen früher Fachhochschule
Note
1,0
Autor
Jahr
2020
Seiten
12
Katalognummer
V933798
ISBN (eBook)
9783346262578
Sprache
Deutsch
Schlagworte
doppelmandat, arbeit, spannungsverhältnis, hilfe, kontrolle
Arbeit zitieren
Carina Deichmann (Autor:in), 2020, Das Doppelmandat in der sozialen Arbeit. Spannungsverhältnis zwischen Hilfe und Kontrolle, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/933798

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