Geschichtsbewusstsein und Geschichtskultur. Fakten und Fiktionen im Kriegsfilm „Der längste Tag“


Examensarbeit, 2003

91 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung, Zielstellung und Aufbau

2 Fakten und Fiktionen und die Notwendigkeit von historischen Imaginationen
2.1 Zu den Begriffen
2.2 Fakten – Die Invasion
2.3 Der Film – Inhalt und Interpretation des Handlungsganges
2.3.1 Äußere Kritik
2.3.2 Innere Kritik
2.4 Faktizität im Film – Auflösung des Fragebogens

3 Versuch einer empirischen Untersuchung
3.1 Ziel und Methodik der Untersuchung
3.1.1 Problemformulierung
3.1.2 Methode
3.1.3 Stichprobe der Untersuchung
3.1.4 Vorgehensweise
3.1.5 Beobachtungen während der Untersuchung
3.2 Ergebnisse und Interpretation
3.2.1 Ergebnisse und Interpretation der Fragen 5-21
3.2.1.1 In der Personengruppe der Studenten
3.2.1.2 In der Personengruppe der Schüler
3.2.1.3 In der Personengruppe der Soldaten
3.2.1.4 Genauere Betrachtung der Einzelfragen
3.2.2 Ergebnisse und Interpretation der Fragen 22-24
3.2.3 Ergebnisse und Interpretation der Fragen 25 und 26
3.3 Reflektion – Diskussion und Ausblick

4 Problembetrachtung im Spiegel der Theorie
4.1 Zu den theoretischen Aspekten
4.2 Ausgewählte Aspekte zum Geschichtsbewusstsein
4.2.1 Zum Begriff
4.2.2 Kategorien des Geschichtsbewusstseins
4.2.3 Das Wirklichkeitsbewusstsein als ein Teil des Geschichtsbewusstseins
4.2.4 Der Gegenwartsbezug als ein Teil des Geschichtsbewusstseins
4.2.5 Akte des Geschichtsbewusstseins
4.3 Ausgewählte Aspekte zur Geschichtskultur
4.3.1 Zum Begriff
4.3.2 Die Präsenz von Geschichte und Geschichtskultur in der Öffentlichkeit
4.3.3 Der historische Spielfilm als Teil der Geschichtskultur
4.3.3.1 Geschichte und Film
4.3.3.2 Film und Fernsehen als ein elementarer Teil der Geschichtskultur

5 Diskussion und Schlussbetrachtungen
5.1 Betrachtungen zu den in der gesamten Untersuchung ermittelten Ergebnissen
5.2 Betrachtungen zum Einsatz der Methode bei der empirischen Untersuchung und zu weiterführenden Untersuchungen
5.3 Versuch von Verallgemeinerungen für schulisches und außerschulisches Lernen

6 Literaturverzeichnis

7 Anhang
1. Karte: Die Küstenabschnitte im Invasionsgebiet
2. Foto: Kommandeursbesprechung bei Eisenhower
3. Karte: Absprunggebiet um Sainte-Mère-Eglise
4. Foto: Theodore Roosevelt Junior alias Henry Fonda
5. Foto: Fallschirmjäger in Sainte-Mère-Eglise
6. Tabelle: Übersicht über die Personengruppe der Studenten
7. Tabelle: Übersicht über die Personengruppe der Schüler
8. Tabelle: Übersicht über die Personengruppe der Soldaten
9. Fragebogen

Danksagung

1 Einleitung, Zielstellung und Aufbau

„Der längste Tag“ gilt als der teuerste Kriegsfilm aller Zeiten, ist von drei Regisseuren und oscarprämiert. Und der Zuschauer sieht sich den Film an, fragt sich, ist dieser Film authentisch und bis zu welchem Grad? Kann ich all das glauben, was mir dort auf dem Bildschirm vorgespielt wird? Sind es Fiktionen, die mit wenigen wahren Fakten vermischt werden, um die Spannung zu erhöhen, dem passiven Zuschauer etwas „Action“ zu bieten und um hohe Verkaufszahlen dieser Produktion zu erreichen? Oder liegt mit diesem Film ein Produkt vor, welches dieses tatsächliche historische Ereignis so glaubhaft, wahrhaft, einzigartig darstellt, wie es das nicht noch einmal gibt? Und wenn dies so ist, hätte man dann nicht eine beachtliche Möglichkeit den Schülern sowie der außerschulischen Öffentlichkeit lehrend und zugleich fesselnd und spannend die berühmteste Invasion der Kriegsgeschichte näher zu bringen und es sie hautnah nacherleben zu lassen?

Doch bevor man sich dazu entscheiden kann, müssen der Film und die umgebenden Faktoren, Einflusssphären genauer betrachtet werden.

Zielstellung und Aufbau der Untersuchung

Das Ziel dieser Arbeit ist der Versuch einer Untersuchung zur Wirkung des historischen Spielfilms „Der längste Tag“ auf das Geschichtsbewusstsein der Zuschauer und einer Analyse dessen auf seinen historischen Faktengehalt. Um dieses Thema entfalten zu können, entscheidet sich die Untersuchende den Film auf die Faktizität hin zu analysieren und eine Stichprobe zu nehmen, wie dieser Film auf Repräsentanten der Bevölkerung wirkt. Anschließend erfolgt eine Problembetrachtung zu ausgewählten Aspekten der Theorie.

Der Spielfilm „Der längste Tag“ stellt ein Element der Geschichtskultur unserer Gesellschaft dar. Geschichtskultur ist ein kollektives Phänomen, es entsteht durch Entäußerung in die Gesellschaft. Geschichtsbewusstsein ist dagegen individuell. Es wird aber gelenkt durch historisches Lernen in der Schule und wird so während dieser Zeit zu einem kritisch gelenkten Geschichtsbewusstsein. Der Geschichtsunterricht stellt somit die einzige geschlossene Strecke für wissenschaftlich gelenktes historisches Lernen, also für die Ausbildung von Geschichtsbewusstsein, im Leben eines Menschen dar[1]. Mit diesen Aspekten beschäftigt sich die Untersuchende in Kapitel 4 dieser Arbeit.

Ein Film mit geschichtlichem Inhalt oder auch nur vereinzelten geschichtlichen Elementen stellt ein spontanes Bild des Geschichtsbewusstseins einer oder mehrere weniger Personen (Autor(en), Produzent(en)) dar. Dieses Geschichtsbewusstsein ist nicht wissenschaftlich, systematisch gelenkt. Der Film selbst umfasst Fakten, also lateinisch: „Gemachtes“, welches in der Realität verwurzelt ist. Ein Spielfilm beinhaltet aber auch grundsätzlich Fiktionen, also „Erdachtes“, etwas, das der Fantasie entsprungen ist. Der Frage, welche Inhalte des Films „Der längste Tag“ wirklich oder erfunden sind, geht die Untersuchende in Kapitel 2 nach. Es schließt sich die Untersuchung an (Kapitel 3), welche Aspekte die Repräsentanten der Bevölkerung für real oder fiktiv erachten und welche Bedeutung sie im Anschluss an den Film der alliierten Invasion in der Normandie beimessen.

2 Fakten und Fiktionen und die Notwendigkeit von historischen Imaginationen

2.1 Zu den Begriffen

Bevor sich die Untersuchende speziell den Fakten und Fiktionen des Films „Der längste Tag“ zuwendet, sollen an dieser Stelle kurz die Begriffe geklärt werden.

Über die Begriffsbestimmung historischer Fakten gibt es zum Teil unterschiedliche Ansichten.[2] Im Folgenden wird der Begriff „Fakten“ verwendet im Sinne von Dingen, die in der Geschichte so geschehen sind und die als solche anhand der überlieferten Spuren überprüft werden können.

Fiktiv bedeutet „erfunden“ oder „erdichtet“. Darstellungen können durch ihre Form der Gedankenführung einen großen Spielraum für Fiktionen lassen. Auch wenn der Urheber einer Darstellung sich das Ziel setzt, Tatsächliches mitteilen zu wollen, gerät er aufgrund der narrativen (erzählenden) Struktur in Bredouille. Durch eigene Erklärungen, Bemerkungen, Reflexionen nimmt er eine Interpretation vor, die vom Tatsächlichen abdriftet. Lässt er seine Figuren in direkter Rede sprechen, bleibt die Frage, woher er den konkreten, als tatsächlich dargestellten Wortlaut kennt.

Hayden White vertritt die Ansicht, von der Perspektive der Texthermeneutik aus, und hat sie auch versucht nachzuweisen, dass es gar keine inhaltsneutrale Form der Geschichtsdarstellung gibt[3]. Das heißt also mit anderen Worten, dass eine reine Faktendarstellung niemals möglich ist. Somit überschneiden sich auch die Eigenschaften von Darstellungen eines Historikers mit denen eines Autors fiktionaler Texte[4].

Die filmischen Darstellungen von Geschichte sind keine Abbilder der Vergangenheit, auch wenn sie sich ausdrücklich authentisch oder dokumentarisch geben. In jedem dieser Film- und Fernsehbilder stecken Momente der Gestaltung, der Auswahl und des Zurechtmachens des abgebildeten Wirklichkeitsausschnittes. Das wird vor allem verursacht durch den Blick durch die Kamera, aber auch durch die Arbeit am Schneidetisch, wo Bild, Ton, Geräusch und Sprache zusammengefügt werden. Daher sollte man, nach Vorschlag von Kübler & Kübler[5], die Trennung zwischen Faktizität (im Sinne von Wahrheit) und Fiktionalität (im Sinne von Dichtung) bei den audiovisuellen Medien eher als fließend betrachten. Dabei stellt die Absicht des Urhebers, Wirklichkeit wahrheitsgetreu abzubilden oder sinnbildlich darzustellen, nur ein, aber nicht das alleinige Kriterium dar. Dem Rezipienten zunächst unbewußt, täuschen ihm alle filmischen Bilder vor, sie repräsentierten nichts als die Realität. So werden sie dann meistens auch wahrgenommen und verstanden. Zudem findet der Zuschauer selbst im abenteuerlichsten Spielfilm Spuren und Anhaltspunkte von der Realität, in der der Film gedreht wurde (Filmrealität) als auch von der Realität, die der Film in Ausschnitten oder im Modell darstellen will (verfilmte Realität).

Repräsentationen von Vergangenheit liefern auch vom psychologischen Standpunkt aus keine absolut wahren Abbilder einstiger Geschehnisse, sondern an Deutungs- und Verstehensleistungen gebundene Auffassungen eines Geschehens[6].

Solche Auffassungen werden aus der Perspektive bestimmter Personen in ihrer Gegenwart gebildet, sie sind also bereits an Erfahrungen, Erwartungen, Orientierungen und Interessen gebunden. Die im Film vorliegende Repräsentation der alliierten Invasion in der Normandie ist an die Auffassung der Autoren und Produzenten gebunden. Die Untersuchende interessiert, inwiefern die Zuschauer diese Auffassung teilen bzw. in Kontroverse dazu gehen. Indem eine gewisse Anzahl an Versuchspersonen (im Folgenden Vpn) Aussagen zu Inhalten des Filmes mit „wirklich“ oder „erfunden“ beurteilen sollen, positionieren sie sich damit zur historischen Glaubwürdigkeit dieser Darstellung von Geschichte. Zudem werden die Probanden aufgefordert, einzuschätzen, ob diese filmische Darstellung die Invasion überbewertet oder ihrer Bedeutung im Zweiten Weltkrieg entspricht.

Zum Verstehen historischer Sachverhalte ist es andererseits aber auch notwendig, sich ein Bild, also eine Vorstellung davon zu machen, dazu werden Fakten und Fiktionen vereint. Schörken bezeichnet die „Vorstellungsbilder“ (Imaginationen) als das Grundelement für das Erfassen von Geschichte.[7] Im vorliegenden historischen Spielfilm haben das bereits andere, nämlich das Autoren- und Produktionsteam gemacht. Durch die Vorstellungsfähigkeit wird Geschichte vergegenwärtigt, man spricht von der historischen Imagination. Der Einzelne taucht ein in die dargestellten Handlungen und Zusammenhänge, in eine fremde, nicht mehr existente Welt und beginnt in Gedanken mitzuagieren und mitzuleiden. Die Imagination wird so zu einem geistigen Akt, der eine Rekonstruktion und Rezeption von Vergangenheit überhaupt erst möglich macht[8]. Sie kann auf diese Weise genutzt werden als „Vorweg-Motivation“ im Geschichtsunterricht, als Wegbereiter für den weiteren historischen Erkenntnisprozess. Ricoeur sieht die Kognition und Imagination als die tragenden Säulen für den Nachvollzug der Vergangenheit in der Gegenwart. Er unterscheidet zwei große Kategorien von narrativer Rede, die Fiktion und die Geschichtsschreibung. Die Geschichtsschreibung stellt seiner Auffassung nach, entgegen der Fiktion, Ereignisse dar, die tatsächlich stattgefunden haben und ist somit einem strikten Realismusgebot unterstellt[9]. Die Fiktion ist demzufolge dem Anspruch an realer Darstellung nicht unterstellt.

„Der längste Tag“ thematisiert den Zweiten Weltkrieg. Ein Krieg ähnelt der Plot-Struktur literarischer Texte. Er verläuft in Form von Handlungsbögen mit Höhepunkten, Beginn und Ende. Dieses erleichtert die Bewältigung der einzelnen Geschehniszusammenhänge. So erfordert es der Inhalt Krieg zwingend, dass seine Vorgeschichte dargestellt wird, und da mindestens zwei Parteien beteiligt sind, mindestens zweisträngig erzählt wird, bis zu dem Punkt, an dem der Krieg beginnt. Die zwei Stränge treffen notwendiger Weise zusammen und verknoten sich zu einem Geschehen. Diese innere Grundstruktur der Thematik Krieg wurde in dem vorliegenden Film aufgegriffen und nach außen gewendet, um eine darstellende narrative Linienführung zu erhalten.

„Der längste Tag“ stellt eine gesellschaftlich präsente Vorstellung über die Invasion dar. Der Film bedient die anthropologische „Bedürfnisspannung für Geschichtsfiktion“ und zugleich die „Bedürfnisbefriedigung durch Geschichtsphantasie“.[10]

Schlussfolgernd ist festzuhalten, dass Geschichte zunächst nicht wahrnehmbar über Sinne ist wie Schmecken oder Riechen, denn sie ist vergangen und muss erst re -konstruiert werden. Geschichte, res gestae, ist aber auch nicht als eine „eingefrorene Sache“ zu betrachten. Sie ist ein Vorgang, eine Bewegung und an Ort, Zeit und v.a. an handelnde Personen gebunden. Daher muss Geschichte personalisiert, aber nicht personifiziert werden, um sie für die Lernenden lebendig zu machen. Ohne Fiktionen kommt der Geschichte Aufbereitende (z.B. der Lehrer, Filmemacher) dabei nicht aus.

Es liegen durch das Hervorrufen von Vorstellungsbildern sinnlich-anschauliche Momente vor, in denen Bewegung und Spannung steckt. Als Gegenstand der Geschichtsdidaktik sind Vorstellungsbilder jedoch bislang stark vernachlässigt worden.

2.2 Fakten - Die Invasion

Im Folgenden sollen die wichtigsten Fakten dargelegt werden, die im Zusammenhang mit dem Film von Bedeutung sind.

Seit der Washingtoner Konferenz zum Jahreswechsel 1941/42 nahm der Plan einer Invasion in Europa bei Amerikanern und Briten einen zunehmenden Platz in den Überlegungen ein. Doch da unter den Alliierten eine teilweise sehr starke Uneinigkeit herrschte, fand der „Sturm auf die Festung Europa“ erst am 06. Juni 1944 statt, nach eindringlichem Drängen Stalins, der seine eigenen Armeen endlich entlasten wollte. Man hatte sich schließlich auf dem ersten Treffen der „großen Drei“ in Teheran, November 1943, geeinigt, eine Invasion in der Normandie (Operation „Overlord“) durchzuführen; das Datum für den Angriff wurde aber ständig verschoben.

Den Deutschen war bewusst, dass in Groß Britannien etwas „Großes“ vorbereitet wurde. Allerdings blieb es bei reinen Mutmaßungen, um welche Art es sich dabei handelte, wann und mit welchem Ziel. Schließlich erwarteten die Deutschen eine Landung, die sie unter Berücksichtigung vieler Faktoren auf den 18. Mai festlegten. Doch da an jenem Tag die erwartete Invasion ausblieb, rechnete man erst wieder für August mit einer Landung.

Genauso schwierig wie der Zeitpunkt erwies sich den Deutschen die Frage nach dem Ort der Invasion. Die zwar in großen Mengen vorliegenden Informationen und Hinweise riefen jedoch auch Zweifel hervor. So vertrat die Abt. Fremde Heere West noch Anfang des Jahres ´44 die Ansicht, dass die Vorbereitungen der Alliierten am Ärmelkanal nur ein Ablenkungsmanöver seien und die eigentliche Invasion anderswo stattfinden wird. In Frage kamen alle europäischen Küsten.

Im Mai 1944 bezeichnete der deutsche Geheimdienst die Insel Wight im Ärmelkanal als das Zentrum der Vorbereitungen zur Invasion. Daraufhin wurde das Küstengebiet von der Scheldemündung (bei Antwerpen), die Küste der Normandie, bis hin zur Nordküste der Bretagne (ungefähr bis Brest) als der am stärksten bedrohte Abschnitt angesehen. In den Bemühungen diesen Großraum näher einzugrenzen, gelangten die Deutschen schließlich zu der Ansicht, dass die Invasion in der Umgebung von Calais bzw. im Küstengebiet zwischen Ostende und der Sommemündung stattfinden wird. Dabei wurde allerdings auch berücksichtigt, dass den Alliierten die großen Häfen in der Bretagne und Normandie sehr geeignet erscheinen müssten. Doch gerade der später Geschichte schreibende Küstenabschnitt in der Landschaft Calvados wurde von den Deutschen ausgeschlossen, da er ihrer Meinung nach für eine erfolgreiche Landung zu felsig war. Der Großteil, insbesondere Hitler und Jodl, war der Überzeugung, dass die Alliierten den kürzesten Weg über den Kanal wählen werden, v.a. da die alliierte Luftwaffe mit einer begrenzten Reichweite von ihren Stützpunkten in England operierte. Zudem hätten die Alliierten auf diese Weise einen direkten Weg zum Ruhrgebiet. Verstärkt wurden sie in ihrem Glauben zusätzlich durch den simulierten Funkverkehr der Alliierten, der die fiktive Operation „Fortidue South“ durch eine starke amerikanische Heeresgruppe in Südost-England vortäuschte.

Die Schwierigkeiten an der Ostfront, in Russland, schwächten die Verteidigungslage in der Normandie. Bis Hitler als oberster Kriegsherr auf Anmahnen Rundstedts, Oberbefehlshaber West (im Folgenden :Ob West[11] ), im November ‘43 den Westen nicht länger zugunsten anderer Kriegsschauplätze schwächen konnte. Er befahl zur Verstärkung den „Atlantikwall“ zu bauen. Dieser wurde zum Lieblingsthema der deutschen Propaganda und vermittelte den Eindruck, ein unbezwingbares Hindernis zur Verteidigung der „Festung Europa“ zu sein. Dieses Befestigungssystem reichte von Holland bis Südfrankreich. Der sich in Deutschland großer Beliebtheit erfreuende Generalfeldmarschall Erwin Rommel bekam nun den Oberbefehl über die Heeresgruppe B und wurde mit der Küstenverteidigung betraut. Schon allein sein Name sollte dafür bürgen, dass die Invasoren bei einem Landungsunternehmen sofort wieder ins Meer zurückgeworfen würden. Im Laufe der Jahre war an der Kanal- und Atlantikküste ein Befestigungswerk entstanden, das an Ausdehnung und an Einsatz personeller und materieller Kräfte in der Kriegsgeschichte noch nicht da gewesen war. Doch wurden die Maßnahmen zur Verstärkung der Truppen im Westen oft durchkreuzt durch den wachsenden Bedarf an der Ostfront. Gerade am 5. Juni 1944 hatte General Bayerlein Teile seiner hervorragenden Panzerlehrdivision nach Osten in Marsch setzen müssen. Es sollten in den kommenden Tagen noch weitere Verbände folgen.

Die näherrückende Invasion kündigte sich durch die stärker frequentierten Luftoffensiven der Alliierten an. Diese verliefen über mehrere Wochen und zielten darauf ab, die Verkehrswege und Brücken über Seine und Loire unbrauchbar zu machen sowie damit das zukünftige Schlachtfeld durch Zerstörung dieser Verbindungen zu isolieren. Doch waren die Angriffsziele derart zerstreut, dass sich für die Deutschen keine sicheren Anhaltspunkte für einen konkreten Landungsort finden ließen.

Die Alliierten hatten für ihre Landung den Küstenstreifen zwischen der Halbinsel Cotentin und der Ornemündung vorgesehen, v.a. deswegen, da dieses Gebiet nur schwach befestigt war. Zum Oberbefehlshaber der Invasionsstreitmacht wurde General Eisenhower ernannt. Montgomery übernahm die Leitung über alle Operationen der Bodentruppen.

Der Landungsplan „Neptun“ nahm eine Unterteilung des Küstenabschnitts in Frankreich vor[12]. Der westliche Teil wurde der amerikanischen Armee unter General Omar Bradley zugewiesen, und nochmals untergliedert in „Utah“, der „Landspitze von Hoc“ und „Omaha“. Der östliche Teil der Küste stand der britischen Armee unter General Sir Miles Dempsey bevor. Dieses Gebiet umfasste die Landungsabschnitte „Gold“, „Juno“ und „Sword“. Die Einheiten auf dem Kanal wurden aufgeteilt in die „Western Task Force“, die die amerikanische Armee transportierte, unter Konteradmiral Alan C. Kirk und in die „Eastern Task Force“ für die britische Armee unter Konteradmiral Sir Philip Vian.

Der Landungsabschnitt „Sword“ war von strategischer Bedeutung aufgrund der dahinter gelegenen Stadt Caen, die als „Tor nach Paris“ schon am ersten Tag genommen werden sollte. „Juno“ war äußerst felsig, für die hier eingesetzten kanadischen Truppen war der richtige Wasserstand zwischen Ebbe und Flut von entscheidender Bedeutung für die Landung. „Omaha Beach“ umfasste steile Felsklippen, die streckenweise 30m hoch waren. Dahinter lag das sumpfige Gebiet, das von den Deutschen noch zusätzlich unter Wasser gesetzt worden war. Auf der Felsspitze von Pointe du Hoc befand sich eine deutsche Batterie, die als die „gefährlichste des ganzen Kanals“ bezeichnet wurde. Sie konnte sowohl „Utah“ als auch „Omaha“ unter Beschuss nehmen. Daher wurde dieser Abschnitt zu einem gesonderten Unternehmen erklärt. Mit Harpunen wurden Strickleitern, wie auch im Film gezeigt, an der fast senkrechten Felsenwand hochgeschossen, außerdem hatte man Schiebeleitern von der Londoner Feuerwehr dort angelegt. Der Tagesbefehl für „Utah Beach“ sah vor, dass sich die amerikanischen Truppen auf dem Plateau von Sainte-Mère-Eglise festsetzen und einen weitreichenden Brückenkopf über die Douve und den Merderet bilden.

Obwohl an keinem der Landungsabschnitte das vollständige Tagesziel erreicht wurde, war die Invasion dennoch von Erfolg gekrönt.

Zur Beurteilung der Gesamtsituation zum Zeitpunkt der Invasion muss berücksichtigt werden, dass Deutschland an vielen Frontabschnitten in Kampfhandlungen verstrickt war, so dass es nicht konzentriert und in ausreichender Schlagkraft die alliierte Invasion abwehren konnte. Überall waren die Soldaten und Kriegsmittel stark erschöpft. Die Normandie stellte nur einen winzigen Fleck auf der deutschen Weltkarte dar.

Bis zum 12. Juni 1944 hatten die Alliierten einen zusammenhängenden Landekopf errichtet. Am 14. Juni war die Halbinsel Cotentin abgeriegelt, am 26.Juni der Hafen von Cherbourg in der Hand der Alliierten. Anfang Juli griff die amerikanische Armee nach Süden hin an, nahm am 19. Juli 1944 St. Lô ein, worauf der entscheidende Durchbruch durch die Linien folgte. Am 25. August zogen die Alliierten in Paris ein. Von Frankreich aus erfolgte der weitere Vormarsch in Richtung Deutschland. Am 21. Oktober zogen die Amerikaner in Aachen ein, am 2. Mai 1945 kapitulierte Berlin. Im Hauptquartier General Eisenhowers in Reims wurde am 7. Mai 1945 die Gesamtkapitulation der deutschen Wehrmacht unterzeichnet.

2.3 Der Film - Inhalt und Interpretation des Handlungsganges

2.3.1 Äußere Kritik

„Der längste Tag“ (US -amerikanischer Originaltitel: „The longest day“) erschien 1962 in den USA, im Oktober des selben Jahres in den deutschen Kinos. Dieser Schwarz-Weiß-Film wurde mit 2 Oscars und zusätzlichen 3 Oscar-Nominierungen versehen[13]. Es wird versucht innerhalb einer Laufzeit von 171 min (Video-Fassung) die ersten 24 Stunden, also den D-Day („Decision-Day“), der alliierten Invasion in der Normandie am 6. Juni 1944 zu rekonstruieren. „Der längste Tag“ wurde 1994 in Deutschland in Farbe wiederveröffentlicht und erschien als DVD 2001.

Die Untersuchende bezieht sich auf die S/W-Veröffentlichung als Video von 20th Century Fox, 1991.

Der Film bemüht sich, die Sichtweisen und Beweggründe beider Parteien, der Alliierten als auch der Deutschen, gleichermaßen objektiv darzustellen. Dazu wurden die deutschen Szenen speziell von einem deutschen Produktionsteam gedreht, unter dem Regisseur Bernhard Wicki, der auch für „Die Brücke“ Regie führte. Daneben wurden namhafte Schauspieler wie Curd Jürgens (Generalmajor Blumentritt), Werner Hinz (als General Rommel) oder Paul Hartmann (als General Rundstedt) –um nur einige zu nennen- auf deutscher Seite engagiert. Die amerikanischen Szenen wurden von Andrew Marton (auch bekannt durch: „Ein Riss in der Welt“), die britischen Szenen von Ken Annakin (auch: „Die letzte Schlacht“) gedreht. Zu diesem multinationalen Produktionsteam gehört auch Daryl F. Zanuck als Produzent und Mit-Regisseur. Er ist zugleich Gründer der 20th Century Fox-Filmstudios. Die Alliierten wurden von prominenten Schauspielern wie John Wayne (als Colonel Vandervoort), Robert Mitchum (als stellvertretender Divisionskommandeur Norman Cota), Henry Fonda (als Roosevelt), Sean Connery und vielen anderen mehr verkörpert. Die Filmmusik steht in Verantwortung von Maurice Jarre. Das bedeutungsvolle Marschlied, das im Abspann als Song entgegentritt, „The longest day in history“, stammt von Paul Anka.

Als Drehbuchvorlage dient der gleichnamige Roman von Cornelius Ryan, der Kriegberichterstatter im Zweiten Weltkrieg war. Ergänzende Szenen wurden von einem vierköpfigen Autorenteam hinzugefügt. Darüber hinaus lieferten viele ehemalige Soldaten eine militärtechnische Beratung. Aufgenommen wurde der Film in den Studios De Boulogne in Frankreich.

2.3.2 Innere Kritik

„Der längste Tag“ schildert die angespannte Situation vor der alliierten Invasion und die ersten 24 Stunden der Landung auf dem europäischen Festland.

Wie in einem klassischen Drama dient der vor dem Titel befindliche „Prolog“, als „Initialzünder“ angelegt, zur Vorbereitung und Einführung in das Thema. Im „längsten Tag“ besteht dieser aus der Information über Zeit und Ort, den BBC-Nachrichten für die Freunde im besetzten Gebiet, der Darstellung deutscher Soldaten und französischer Widerständler und, die Dramatik anspitzend, aus Rommels polemischen Prophezeiungen über den „längsten Tag“. Das Interesse des Zuschauers wird damit geweckt, ohne ihm zu viel im Voraus zu verraten. Im Hintergrund sind Kriegstrommeln zu hören, der aufmerksame Zuschauer nimmt Bunker, „spanische Reiter“, Geschütze wahr. Rommels Stimme ist zu hören, noch bevor man ihn sieht. Auf seiner Inspektion des Atlantikwalls gibt er Anweisungen zum weiteren Bau. Durch gelungene Kameraführung und Geräuschkulisse wird dem Zuschauer die bedrohliche Situation erläutert. Während Rommel auf den Horizont weist, eine Augenbraue hochzieht und schließlich bedeutungsvoll auf die Kamera zugeht, erfährt der Rezipient, dass hinter dem friedlichen Horizont ein Ungeheuer lauert, welches noch näher erklärt wird. Siegessicher verkündet Rommel seine Strategie, die Alliierten schon auf der Wasserlinie zu schlagen, so dass keiner von ihnen je einen Fuß auf diesen Strand setzen wird. Diese Sequenz ist die Schlüsselszene für den ganzen Film. Der Rezipient hat nun die notwendigen Informationen erhalten und Personen sowie Ort und Zeit, Kriegsziel und Konfliktfelder kennengelernt, um den weiteren Handlungsgang des Filmes verstehen, begreifen zu können.

Der Hauptteil schildert die historischen Abläufe und Zusammenhänge so, dass sich eine permanente dramaturgische Steigerung bis hin, wie in einem typischen klassischen Drama, zum Epilog ergibt. Der Epilog ist in diesem Film mit dem Abspann gleichzusetzen. Die Küste ist erobert, das Material wird nun an Land gebracht, unter der heroischen, gesungenen Musik, die zugleich eine Lösung und Entspannung bewirkt, dem Lied: „The longest day in history“. Mit diesem Lied wird das Ende des Films besiegelt, und gleichzeitig werden damit Rommels Worte aus dem Prolog noch einmal aufgegriffen : „Glauben Sie mir, meine Herren, die ersten 24 Stunden werden die entscheidenden sein. –Für die Alliierten, aber auch für die Deutschen! –Der längste Tag! Der längste Tag“.

Wichtig ist es in einem Spielfilm, Sympathieträger einzubauen, mit denen sich der Zuschauer identifizieren[14] kann. Dazu verhelfen dem Filmemacher insbesondere die „kleinen“ Geschichten am Rande. So waren es für die Probanden der Gruppe „Soldaten“ die Soldaten im Film mit ihren privaten Problemen, die am Rande geführt wurden. Als größter Sympathieträger erwies sich der dem Vorgesetzten widersprechende Flugoffizier Schröder. Bei den Studenten war es zum Teil ebenfalls Schröder, aber auch im starken Maße der Fallschirmjäger mit seinen französischen Sprechübungen, der schließlich am Kirchturm hängen blieb.

Folgendes wichtiges Stilmittel findet sehr starke Verwendung im Film.: Durch Bildunterschriften über Name und Funktion der Person im Bild oder aber über Ort und Zeit wird dem Zuschauer das Gefühl gegeben, real abgesicherte, authentische Personen und Fakten vor sich zu haben. –Ob die auf diese Weise vermittelten Informationen tatsächlich der Realität entsprechen und wie glaubhaft sie auf die Zuschauer wirken, wird die Untersuchende in den folgenden Kapiteln überprüfen.

Unter Beibehaltung rascher Szenenwechsel wird der Zuschauer mit den handelnden Personen bekanntgemacht. Die Stadt Sainte-Mère-Eglise wird dem Zuschauer als Ort der Empathie angeboten. Die markanten Ereignisse der Invasion werden jeweils in Verbindung mit dieser Stadt gezeigt. Indem Sainte-Mère-Eglise dem Rezipienten vertraut gemacht wird, identifiziert er sich zunehmend mit der Bevölkerung und erhält eine Orientierung, um nicht im Chaos der vielen Ortswechsel im Film den Überblick über den Ablauf zu verlieren und natürlich, um den Zuschauer emotional binden zu können.

In dem sich zuspitzenden Handlungsgang des Films, wiederum unterstützt durch rasche Szenenwechsel, wird der Zuschauer mit weiteren wichtigen militärischen Oberbefehlshabern und deren Grundhaltungen und Aufgaben in Bezug zur Invasion vertraut gemacht. Spannungsverstärkend tauchen in dem Film in immer häufigeren Intervallen die seltsamen Mitteilungen an „die Freunde in den besetzten Gebieten“ auf sowie die Partisanen selbst. Das deutsche Militär wird zunehmend nervöser. Ebenso dient die Wetterkontroverse als spannungssteigerndes Moment. Die Frage, ob eine Invasion trotz des schlechten Wetters zu entscheiden ist, spitzt sich für den beobachtenden Zuschauer zu, während er sieht, dass Rommel zum Geburtstag seiner Frau abreist, die Kommandeure ihre Posten verfrüht verlassen und Marcks, der scheinbar Einzige, der das Unglück kommen sieht, diese Vision selbst für zu unglaubhaft hält und gleichzeitig Eisenhower doch den Angriff befiehlt.

Die deutschen Soldaten werden hier im Allgemeinen als vom Charakter her durch und durch militärisch geprägt dargestellt; steif, zackig, eher unpersönlich (z.B. Marcks, Rundstedt, Meyer). Auf alliierter Seite zeigt sich ein anderes Bild. In den Truppenlagern werden die Briten und Amerikaner persönlicher dargestellt, ihre menschlichen Züge werden hervorgehoben. Sie reden über Beziehungsprobleme, mögen das schlechte Essen nicht, erinnern sich an zu Hause. Und erobern so die Herzen der Zuschauer. (Den deutschen Soldaten ergeht es sicherlich genauso, doch das kommt hier nicht zum Ausdruck.) Auch die militärische Einweisung vor dem Angriff erfolgt mit persönlichen Worten und warmer Stimme (z.B.: „Stehen Sie wieder auf! –Auch du, mein Junge.“).

Während die alliierten Truppen von England aus aufbrechen, wird dem Rezipienten die bedrohliche Situation noch einmal ins Bewusstsein gerufen. Es herrscht Dunkelheit über dem Kanal, dann ist das Militär zu sehen, begleitet von bedrohlicher, pompöser, aber auch zugleich tragender und feierlicher Musik, der 5.Sinfonie Beethovens. Rhetorisch gekonnt wird mehrfach dem Zuschauer die Bedeutung des Ereignisses bewusst gemacht. So erfährt er von der alliierten Marine, dass es sich hierbei um die größte Armada handelt, die die Welt je gesehen hat. Davon kann sich der Zuschauer persönlich überzeugen, indem er einen Blick auf den TBH[15] werfen darf, während ihm erläutert wird, dass all die unzähligen Punkte verschiedener Größe, jeder für sich, ein Schiff darstellen. Heldenhaft und polemisch wird hinzugefügt: „Wir haben einen Tag vor uns, von dem die Menschheit noch sprechen wird, wenn wir längst tot sind. ... Soll ich dir was sagen? -Ich bekomme eine Gänsehaut, wenn ich daran denke, dass ich dabei bin.“ Diese „Gänsehaut“ soll gezielt auf den Zuschauer übertragen werden, ergriffen von dem Ereignis, soll er eine ungefähre Ahnung von dem Umfang der Invasion erhalten. Inwiefern dieses das Geschichtsbewusstsein der Zuschauer beeinflusst, wird in den folgenden Kapiteln dieser Untersuchung gezeigt. Um die Bedrohlichkeit nicht zu reduzieren, werden in der Szene darauf, sofort Gesichter von verängstigten jungen alliierten Soldaten gezeigt. Gleich im Anschluß werden die von den Deutschen gut bewachte Stadt Sainte-Mère-Eglise und die Antipathie erzeugenden Militärs um General Marcks herum gezeigt. Der Zuschauer wird so immer schneller an den Konflikthöhepunkt auf einer Welle der Anspannung getragen. Schließlich wird das Schriftbild: „Normandie- An der Orne. Landung britischer Lastensegler. 00 Uhr 11“ eingeblendet. Von nun an beginnt auch für den Zuschauer die Eroberung Frankreichs und Europas. Der Konflikthöhepunkt ist erreicht. Er erlebt die Invasion so, als sei er an allen Frontabschnitten zugleich, ob bei Major Howard im Lastensegler und an der Brücke oder bei den französischen Partisanen. Dabei wird die deutsche Seite nicht vernachlässigt, auch hier erlebt er alles mit. Er erfährt ebenso von der geringen Stärke der Luftwaffe, von der komplizierten Befehlsstruktur, die sich lähmend auswirkt, wenn es um rasche Entscheidungen geht. Sofort ist der Zuschauer wieder bei den alliierten Fallschirmjägern. Der Rezipient erlebt förmlich mit, wie einige der deutschen Befehlshaber langsam und nur allmählich begreifen, dass es sich nicht um einen ablenkenden Angriff, sondern tatsächlich um die große Invasion handelt. Der Wendepunkt in der Konfliktdarstellung tritt ein. Um Empathie beim Zuschauer auch wiederum für die deutsche Seite zu erreichen, erlebt er Blumentritts Resignation mit, der nun feststellt, dass sie alle Geschichte erleben und den Krieg verlieren werden, „weil der glorreiche Führer eine Schlaftablette genommen hat“. -Hier stellt sich wieder die interessante Frage für die Untersuchungsleiterin, ob die Rezipienten beurteilen werden, dass der Film Partei ergreift, für die Deutschen, die Alliierten oder dass eine rein objektive Darstellung vorliegt.- Der Zuschauer erlebt nun die Anlandung der Alliierten und die verzweifelte Verteidigung der Deutschen detailgetreu mit.

Schließlich tritt die Konfliktlösung ein, die Küste wird von den Alliierten erfolgreich erobert, im Städtchen Sainte-Mère-Eglise setzen sich die angloamerikanischen Truppen fest. An der Küste wird das Material an Land gebracht. Das Lied „The longest day“ leitet den Abspann ein. Dieses, dem Motto des Filmes entsprechende Marschlied, tritt während des Filmes versteckt auf, so zum Beispiel wird es am Klavier im Offizierskasino gespielt oder auf der Mundharmonika im Truppenlager.

Eine besondere Bedeutung trägt mit Sicherheit auch die Einbeziehung von Beethovens 5. Sinfonie, op.67, die in der Zeit von 1803 bis 1808 entstand. Ihr wurde folgender Anspruch zugeschrieben, wörtlich: „so klopft das Schicksal an die Pforte“[16]. Jegliche Entwicklung zielt auf das Finale ab, perfekt passend zum Film. Die Apotheose steht unter dem Motto: „Durch Nacht zum Licht“, ebenfalls wie im Film die Invasion in der Nacht beginnt und im Hellen ihr Ende findet. Das Schicksalsmotiv zieht den Rezipienten gleich zu Beginn ins Geschehen hinein und lässt ihn nicht mehr los bis zum Finale, dem Durchbruch des viel zitierten Lichts nach einer langen Nacht.

Abschließend ist hervorzuheben, dass der Film über sehr lange Dialogphasen mit bedeutungstragendem Inhalt verfügt und im Verhältnis dazu relativ wenig Handlung umfasst, die den Film in seinem Ablauf vorantragen sollte. Es handelt sich hier um eine sehr wirklichkeitsnahe Darstellung. Nicht nur die Uniformen und die Kriegsmaschinerie sind authentisch, sondern selbst die Schauspieler weisen eine enorme Ähnlichkeit zu den realen Personen auf. Zum Beispiel könnte man bei Eisenhower fast glauben, er hätte sich selbst gespielt, die Ähnlichkeit ist enorm. Das trifft aber auch auf Rommel, Theodore Roosevelt Junior, Erich Marcks usw. zu. Selbst die Darstellung der Kommandeursbesprechung im Film entspricht in Bezug auf die Sitzordnung und sogar Körperhaltung der Personen der realen Situation[17]

2.4 Faktizität im Film – Auflösung des Fragebogens

Aufgrund des narrativen Charakters eines jeden Filmes ist auch „Der längste Tag“ nur begrenzt authentisch. Daher stellt sich die Frage: Wie glaubwürdig sind die Ereignisse, die dem Zuschauer präsentiert werden? Ist der fiktive Gehalt in diesem Film zu hoch, so dass „Der längste Tag“ als unbrauchbar für die Gewinnung von Erkenntnissen über historische Ereignisse eingestuft werden muss? –Das heißt werden die Rezipienten ver bildet statt ge bildet? Dazu hat die Untersuchende einen Fragebogen entwickelt[18]. Die folgende Analyse stellt keinen Anspruch auf Vollständigkeit der Überprüfung aller Einzelheiten des Films. Es wurden bestimmte Aspekte für den Fragebogen ausgewählt, die von der Untersuchenden als besonders auffällig und fragwürdig eingeschätzt wurden, als auch Aspekte, die gerade aufgrund ihrer scheinbaren Unscheinbarkeit einen bestimmten Wahrheitsgehalt suggerieren. Im Folgenden soll geklärt und kommentiert werden, welche Inhalte tatsächlich wahr bzw. erfunden sind. Zum leichteren Lesen werden dabei die Fragen/ Aussagen zu Beginn zitiert. Aus Platzgründen sind sie zum Teil gekürzt. Zum Lesen der ausführlichen Fragen sei verwiesen auf den Fragebogen im Anhang.

5a+b) „...Die Invasion in der Normandie“? „...Datum der Invasion“?

Die Invasion fand in der Tat am 06. Juni 1944 in der Normandie statt.

Frage 5a hat die Untersuchende deswegen eingebaut, um den Befragten die Möglichkeit einzuräumen, ihre Meinung auszudrücken, wenn sie die Position vertreten sollten, dass der gesamte Film nur ein erdachtes Ereignis darstellt. D.h. sollte eine der Vpn der Meinung sein, diese Invasion hätte in der Realität niemals stattgefunden und sei nur ein fiktives Thema, um einen Kriegsfilm zu drehen, so besteht in Aufgabe 5 die Option, dieses schriftlich auszudrücken.

5c) „...Uhrzeiten für die einzelnen Operationen...“?

Während des Filmes wurden vielfach Uhrzeiten schriftlich eingeblendet oder in Dialogen genannt. Diese genaue zeitliche Festlegung suggeriert einen hohen Grad an Wirklichkeitstreue. Die Untersuchungsleiterin fragt sich, ob die Zuschauer sich davon beeindrucken lassen bzw. dieses ganz einfach für möglich halten, oder ob sie einen derart kritischen Umgang mit dem Film zeigen, so dass sie die Uhrzeiten als fiktiv beurteilen.

Doch nun zum Wahrheitsgehalt dieser Zeitangaben. Es entspricht der Wahrheit, dass um 21.30 Uhr eine wichtige Besprechung unter General Eisenhowers Leitung stattfand. Dazu nahmen in Southwick, im Leseraum von Eisenhowers Hauptquartier, tatsächlich der Chefmeteorologe Gruppenkapitän J.M. Stagg von der RAF teil sowie der Befehlshaber der Luftstreitkräfte und der Stellvertreter Eisenhowers, Tedder. Der Chefmeteorologe wies darauf hin, dass der anfangs vorgesehene Landungszeitpunkt (5 Uhr) in einem Desaster enden würde und erklärte in der Tat, dass eine leichte Wetterbesserung erwartet wird. Ebenso anwesend war Admiral Ramsey, der den Hinweis gab, wie auch im Film, dass der Befehl zum Start des Unternehmens in einer halben Stunde gegeben werden müsse, damit alle Schiffe in der Lage wären, den Zeitplan einzuhalten. Der Armeegeneral Bedell Smith unterstrich die Gefahr einer Verlegung des Angrifftermins. Montgomery sprach sich –und dieses entspricht auch dem Film- für die unverzügliche Durchführung aus.

Im Film werden die Aktionen im Invasionsabschnitt „Omaha“ mit der schriftlichen Einblendung der Uhrzeit „06 Uhr 32“ angegeben, für „Utah“ „06 Uhr 44“, für „Gold/Juno“ „06 Uhr 41“ und für „Sword“ „07 Uhr 11“. Im Groben stimmen diese Zeitangaben mit den historisch realen Uhrzeiten überein. Unter Einberechnung der lokalen Ebbezeiten hatte man offiziell die Landung für „Utah“ und „Omaha“ auf 06 Uhr 32 angesetzt, für „Gold“ und „Sword“ auf 07 Uhr 25 und für den rechten Flügel von „Juno“ auf 07 Uhr 35, für den linken Flügel von „Juno“ auf 07 Uhr 45. Um 2 Uhr 29 ankerten bereits die ersten Schiffe elf Seemeilen vor „Utah Beach“ und „Omaha Beach“. Um sie herum gruppierten sich die übrigen Schiffe, bis sie sich schließlich zum Angriff formierten. Kurz nach 05 Uhr 30 eröffneten die Geschütze das Feuer gegen „Sword“, „Juno“ und „Gold“. Kleinere Landungsboote begonnen von da an die Fahrt in Richtung Küste. Die Beschießung der Landungszonen von „Omaha“ und „Utah“ begann erst um 05 Uhr 50, die Sonne stand noch nicht über dem Horizont. In den Kriegstagebüchern des Ob West ist zu lesen: „Anlandung von See her erfolgte ab 06 Uhr morgens, bei voller Sicht“[19].

Ob 00 Uhr 11 (s.Film) die britischen Lastensegler an der Orne landeten, konnte nicht exakt von der Untersuchenden überprüft werden. Allerdings ist festzustellen, dass das Seekommando Normandie um 00 Uhr 47 schwere Fliegerangriffe ostwärts der Orne-Mündung meldete. Das Gen.Kdo. LXXXI (im Raum Seine/Le Havre)[20] beobachtete seit kurz nach 00 Uhr 00 Fallschirmabsprünge im linken Abschnitt der Division und vermutete größere Verbände, da auch Lastensegler gesehen wurden.

5d) „...General Eisenhower war Oberbefehlshaber der Invasionsstreitmacht“?

General Dwight D. Eisenhower übernahm am 14. Januar 1944 das Oberkommando über die Invasionsstreitmacht. Feldmarschall Bernard Law Montgomery leitete die gesamten Operationen der Bodentruppen bei der Landung.

6.) „ Störungen bei den Telefonaten der Deutschen“?

In den Kriegstagebuch-Einträgen der an der Invasionsabwehr beteiligten deutschen Kommandostellen vom 06. Juni1944 befinden sich schon in den ersten Stunden der Invasion Meldungen, dass die Fernsprechverbindungen gestört sind und nur noch Funk möglich ist.

Das Oberkommando der Kriegsmarine (Seekriegsleitung, Abt. Küstenverteidigung) gab in geheimer Kommandosache zu Protokoll[21], dass die Nachrichtenmittel nur erschwert funktionsfähig waren. Insbesondere die Kabelleitungen fielen im Kampfgebiet sehr schnell aus. Der Funk hat zwar überall noch gut gearbeitet, allerdings wurden die Funkstationen dicht hinter der Front eingepeilt und somit schnell beschossen. Der Admiral Kanalküste verwies in seinem Bericht[22] vom 07. Juli 1944 ebenfalls auf den Ausfall der Sprechwege durch Sabotage oder Bomben und dass u.a. deswegen der Flugmeldedienst häufig nicht rechtzeitig alarmiert werden konnte. Die Behebung der Störungen gestaltete sich als zu langwierig. Ebenso besagt die Heeres-Küsten-Artillerie-Abteilung 1255 in ihrem Gefechtsbericht[23] vom 12. Juni 1944, dass das Nachrichtennetz bei und zu allen im Einsatz befindlichen Batterien völlig zerstört war; ebenso die Drahtverbindungen zum S.K.S.S.[24] und Regiment.

7.) „Die amerikanischen Fallschirmjäger benutzten handliche Klicker, mit denen sie sich in der Dunkelheit verständigen konnten“?

Zur Kennzeichnung der eigenen Truppen verwendeten die Engländer und Amerikaner orangefarbene und zitronengelbe Tücher. Damit waren auch die Fahrzeuge und Geschütze der amerikanischen Fallschirmjäger und Luftlandetruppen gekennzeichnet[25]. Das Oberkommando des deutschen Heeres schätzte ein, dass das Sammeln der Verbände vermutlich auf ein Pfeifensignal hin erfolgte.

Die Verbände im Einzelnen aber machten sich durch „phosphorisierende Halstücher und kleine Metallknarren (Frösche)“[26] kenntlich. Damit ist bewiesen, dass die handlichen Klicker der amerikanischen Fallschirmjäger nicht vom Autorenteam des Filmes erfunden wurden, sondern der Realität entsprechen.

8.) „Viele und recht gut organisierte Partisanen/Widerstandskämpfer erfüllten strategisch wichtige Aufgaben, um die Invasion der Alliierten vorzubereiten. Dazu gehörten auch die merkwürdigen Mitteilungen im Radio, wie:...“

Am 05. Juni 1944 gegen 21 Uhr 45 wurden die Mitteilungen im Radio gesendet. Zumindest ein

Teil all dieser „Nachrichten“ von BBC war für „French Section“ bestimmt. Es wurde sofort auf deutscher Seite die Warnung herausgegeben, dass im Falle der Invasion mit vorbereiteten Sabotageakten, und unter Umständen sogar mit Aufstandsbewegungen, ausgelöst durch diese Sprüche, zu rechnen ist.

Ab 22 Uhr 33 des 5. Junis wurden von den Deutschen Vorwarnungen an alle entsprechenden Dienststellen gegeben, da der zweite Teil eines Tarnspruches durchgegeben wurde, der bedeutete, dass die Invasion innerhalb der nächsten 48 Stunden beginne. (Dennoch wurde infolge der Wetterlage die Hafenschutzflottille vor Le Havre und Dieppe nicht besetzt.) Bei diesem Tarnspruch handelte es sich um einen Auszug aus dem Gedicht „Chanson d`Automne“ („Herbstlied“) des französischen Dichters Paul Verlaine. Im Film wird dem Zuschauer bereits das Empfangen der ersten Zeile präsentiert (Szene: Meyer im Radiobunker, am Tisch einer Mitarbeiterin, die die Mitteilung aufzeichnet). Dem Zuschauer wird dieser Satz jedoch nicht übersetzt. „Les sanglots longs des violins de l`automne“ ( „Das lange Schluchzen herbstlicher Geigen“). Die zweite Hälfte der Nachricht besteht aus der zweiten Zeile des Verlaine-Gedichtes: „Blessent mon coeur d`une langueur monotone“ („Die mein Herz mit langweilender Mattigkeit verwunden“) bzw. wie im Film einprägsam formuliert: „Verwunden mein Herz mit eintöniger Mattigkeit“.

Hervorzuheben ist auch, dass die Widerstandskämpfer in der Normandie, in der Tat, strategisch wichtige Aufgaben zur Vorbereitung der Invasion als auch zur Unterstützung während der Invasion geleistet haben.

Die im Film zum Schmunzeln gestalteten Szenen mit den mysteriösen Bruchstücken in den BBC-Durchsagen wie „Der trojanische Krieg findet nicht statt“, „Melasse wird morgen Cognac spucken“ oder „John trägt einen langen Schnurrbart“ entsprechen der Wahrheit. Dieses waren tatsächlich chiffrierte Anweisungen für die Untergrundbewegung, die auf Französisch, Holländisch, Dänisch und Norwegisch im Anschluss an die Nachrichten der BBC (des Londoner Rundfunks) durchgegeben wurden. Allerdings konnte die Untersuchende nicht überprüfen, ob sie alle am 5. Juni durchgegeben wurden. Jeden Tag seit Beginn des Jahres wurden chiffrierte Anweisungen ähnlich dieser Mitteilungen ausgestrahlt. Fest steht, dass die erste Zeile des Verlaine-Gedichts am 1. Juni im Anschluss an die 9-Uhr-Nachrichten gesendet wurde und die zweite Zeile am 5. Juni. Der Film allerdings hebt das Gefühl für die Zeitspanne von 4 Tagen Realzeit zwischen der Durchgabe der ersten und zweiten Zeile auf. Der Zuschauer empfindet eine raschere Abfolge, ein sich Überschlagen der Ereignisse, hervorgerufen durch die schnellen Szenenwechsel und dargestellte Zuspitzung des Konflikts als auch dadurch, dass der Spielfilm durch seinen Titel 24 Stunden suggeriert.

9.) „Gefährlich viele deutsche Kommandanten verließen gleichzeitig und einen Abend früher als nötig ihre Posten, um nach Rennes zu den Kriegsspielen zu fahren, in der Annahme, dass ausgerechnet an diesem Tag die Invasion sowieso nicht stattfindet.“

Die Aussage in Frage 9 entspricht der Wirklichkeit. Für den 6. Juni war in Rennes ein Kriegsspiel

geplant, an dem die gesamte 7. Armee teilnehmen sollte. Der Stabs-Chef Generalmajor Pemsel hatte die Teilnehmer gebeten, ihre Befehlsstellen nicht vor 10 Uhr morgens zu verlassen. Doch am 5. Juni kündigte der Wetterbericht derartige Windstärken und Regen an, so dass eine Invasion ausgeschlossen erschien. Zudem verschlechterten sich die Straßenverhältnisse zunehmend. Daher brachen schon viele deutsche Kommandeure bereits am Spätnachmittag des 5. Junis auf.

Ein Beispiel dafür bildet der Gen.Lt. Wilhelm Falley, Kommandeur der 91. Luftlandedivision, der in der Nacht vom 5. zum 6. Juni ’44 nach Rennes fuhr. Doch aufgrund der starken alliierten Lufttätigkeiten kehrte er in sein Hauptquartier Chateau Haut bei Picauville zurück. Dort in den frühen Morgenstunden angekommen, geriet er in ein Gefecht mit amerikanischen Fallschirmjägern und verlor sein Leben.

10.) „Der Faktor ‚Wetter‘ spielt im Film eine große Rolle“

Die Bedeutung, die im Film dem Wetter zugeschrieben wird, ist keinesfalls übertrieben.

Dieses veranschaulicht bereits das leichtsinnige Verhalten der Kommandeure (s. Frage 9), die aufgrund des Wetters ihre Posten einen Abend früher verließen. In den KTB[27] findet sich für den 5. Juni, 23 Uhr 25 der Eintrag, dass infolge der Wetterlage die Hafenschutzflottille Le Havre den Befehl erhielt, ihre Positionen vor Le Havre und Dieppe nicht zu beziehen.

Das Bild, das der Film vermittelt, stimmt völlig überein mit den tatsächlichen Umständen. Heftiger Regen und Winde mit einer Geschwindigkeit von etwa 50 km/h führten zu einem starken Wellengang auf See, der die Schiffe selbst in den recht geschützten Häfen auf und nieder tanzen ließ. Die Admiralität auf deutscher wie auch auf alliierter Seite hatte an alle Schiffe Sturmwarnungen herausgegeben.

Für die Alliierten stellte sich aufgrund des Wetters die Frage, ob eine erfolgreiche Invasion überhaupt möglich ist. Würde dieses Wetter weiterhin anhalten oder sich sogar noch verschlechtern, würde die Invasion in einem Desaster enden. Aus diesem Grund wurde bereits vor dem 6. Juni die Invasion mehrfach verschoben (unter anderem sollte sie bereits am 5. Juni stattfinden, doch bewirkte das Wetter eine Terminverschiebung).

11.) „Colonel Vandervoort ... verdeutlicht den unzumutbaren Schwierigkeitsgrad [...] mithilfe der folgenden Skizze. ... ist sie erdacht?“

Die Skizze entspricht den realen Gegebenheiten. Im Vergleich dazu ist dem Anhang eine Karte beigefügt[28].

Die 82. US-Luftlandedivision sollte die Deutschen „von hinten“ überraschen, d.h. nicht vom Meer aus, sondern vom Hinterland aus auf die Stadt vorrücken. Die Deutschen hatten das Gebiet von Sainte-Mère-Eglise landeinwärts des Merderet überflutet, teilweise herrschte dort ohnehin Sumpfgebiet vor. Auf diese Weise ergab sich eine nur sehr schmale Absprungzone zwischen der Stadt und den von den Deutschen überfluteten Sümpfen, so wie die Skizze es zeigt.

12.) „Theodore Roosevelt, der Sohn des damals amtierenden Präsidenten der USA, nahm an der Invasion teil und bestand heldenhaft darauf, gleich mit der ersten Welle an Land zu gehen.“

Die Frage 12 gestaltet sich äußerst interessant. Hier hat die Untersuchungsleiterin bewusst eine falsche Aussage bereits in die Fragestellung eingebaut, da die Roosevelt-Sequenz im Film mehrere Elemente, zwar nicht explizit aber dennoch in der Gesamterscheinung, vermischt. Die Untersuchende zielte darauf ab, herauszufinden, ob der Zuschauer die Roosevelt-Sequenz in ihren verschiedenen Schichten wahrnimmt, oder ob der Zuschauer die Gesamtaussage, wie sie in Frage 12 formuliert ist, anerkennt und diese Inhalte in sein Geschichtsbild integriert. Es muss an dieser Stelle allerdings erwähnt werden, dass sich, wie sich in der, an die Befragung, anschließenden Diskussion herausstellte, einige Vpn sich nicht an den aufgeführten Inhaltssegmenten der Frage störten, sondern lediglich am Begriff „heldenhaft“ und sich daher entschieden, diese Aussage als „erfunden“ zu beurteilen.

Zunächst einmal ist festzustellen.: Der damals amtierende Präsident der USA war in der Tat Roosevelt, allerdings: Franklin Delano Roosevelt. Ebenfalls richtig ist, dass ein gewisser Theodore Roosevelt an der Invasion teilnahm. Doch in welchem verwandtschaftlichen Verhältnis stehen beide Roosevelts zueinander und in welcher Form war Theodore R. Junior an der Invasion beteiligt? –Die Klärung dieser Fragen erwies sich als sehr schwierig.

Theodore Roosevelt ist nicht der Sohn des damaligen Präsidenten Franklin Delano R.. Sie haben aber beide einen gemeinsamen Vorfahren: Nicholas Roosevelt. Dieser verstarb allerdings bereits 1742. Seitdem entwickelten sich die Sippe der „Hyde Park Roosevelts“ (die des Franklin Delano) und die der „Oyster Bay Roosevelts“ (Theodores Linie) getrennt. Aus der letzteren geht der Präsident Theodore Roosevelt hervor, der um die Jahrhundertwende des 19./20.Jahrhunderts als Präsident amtierte. Sein Sohn, Theodore R. Junior nahm an der Invasion in der Normandie 1944 teil. Die beiden Sippen der Roosevelt-Dynastie verfeindeten zunehmend, was im Wahlkampf 1920 sogar zu einem politischen Faktor wurde. Theodore R. Junior bezeichnete Franklin als einen „Abtrünnigen“, „er trägt nicht den Stempel unserer Familie“[29]. Im Film heißt es zweimal: „weil mein Vater der Präsident der Vereinigten Staaten war“ und eine Parallele wird gezogen zu den heroischen Taten desselben. Theodore R. Senior tat sich an vorderster Front im spanisch-amerikanischen Krieg 1898 hervor. Hieran möchte der Sohn anknüpfen. So manchem Zuschauer, der darüber hinaus kein Vorwissen hat, wird dieses nicht sonderlich auffallen und es in Folge der weiteren Ereignisse vermutlich schnell wieder vergessen, v.a. das „war“ in „mein Vater war der Präsident“. Immerhin haben 24 aller Befragten (32%), also mehr als ein Viertel, diese Aussage Nr.12 als wahr beurteilt.

Weitere, besonders große Verwirrung stiftet der Film mit der Darstellung des Theodores R. Junior. Die Ähnlichkeit des Schauspielers mit der des Franklin Delano ist auffällig, so insbesondere die körperliche Größe, der schmale Kopf, die hohe Stirn und Frisur, aber auch die Notwendigkeit, einen Gehstock zu benötigen.

Franklin D. Roosevelt litt unter einer Gehbehinderung aufgrund einer Kinderlähmung. Mit den Medien war es abgesprochen, dieses nie der Öffentlichkeit zu zeigen (er konnte schließlich keinen Schritt mehr ohne fremde Hilfe tun). Bildaufnahmen zeigten ihn gegebenenfalls nur so weit, wie es nichts darüber verraten konnte.

Der Film vermischt geschickt das Wissen über beide Roosevelts zu einer Person, wenn auch nicht explizit.

Nun noch Einiges zu Theodore Roosevelt Junior. Er war der Erstgeborene des ehemaligen Präsidenten Theodore Roosevelt, und ging tatsächlich mit der ersten Welle am D-Day an Land, in der Tat im Abschnitt „Utah Beach“. Vorab hatte er mündlich darum gebeten, dem folgte eine schriftliche Bittstellung. Im Film kommt allerdings zum Ausdruck, dass er von vorn herein einen schriftlichen Antrag stellte und im Anschluß daran erst die Bitte noch einmal mündlich, für die Zuschauer sicht- und hörbar, vorträgt.

Des weiteren heißt es im Film, dass Theodore Jr. „bei der 9. in Ausbildung war“ und wieder dorthin zurück möchte. Die Untersuchende stellte fest, dass Theodore Jr. am 6. Juni als Brigadier General mit den Männern der E-Kompanie des 2. Battailions der 8. Infanterie landete. Zu dem Zeitpunkt war er 57 Jahre alt und eigentlich Commander der 26. Infanterie. Damit war er der einzige General, der in der Normandie mit der ersten Welle an Land ging.

Im Film wird sich sorgenvoll nach seiner Arthritis erkundigt, Theodore spricht von einer Besserung der Beschwerden und verleugnet heldenhaft die wahren Umstände. Erst als er wieder alleine ist, greift er zum Gehstock, kurz zeugt sein Gesicht von den wahren Schmerzen. In der Realität benutzte Roosevelt tatsächlich einen Gehstock, auch während des Angriffs. Den führte er durch mit dem Gehstock in der einen Hand und in der anderen den Colt (45er Automatic).

Eine eindeutige Falschaussage des Filmes wird mit dem im Anhang folgenden Bild (aus einer Szene des Films) untermauert[30].: Auf diesem Bild ist Theodore (Henry Fonda) mit Armeehelm dargestellt. Doch in Wahrheit war es gerade ein Markenzeichen von ihm, diesen nicht zu tragen. Er hasste die schweren Armeehelme, deswegen trug er stattdessen eine olivgrüne, gestrickte Mütze. Allerdings entspricht der im Film dargestellte Gebrauch des Stockes (energisch weist er damit die Richtung an) ganz dem von Theodore.

[...]


[1] Ausgenommen sind dabei Studenten der Geschichtswissenschaft, daher finden sie in der Untersuchung eine besondere Berücksichtigung.

[2] Zur Kontroverse über den Begriff im Einzelnen siehe: Evans,Richard : Fakten und Fiktionen. Über die Grundlage historischer Erkenntnis. Frankfurt/Main - New York 1999.

[3] White, Hayden: Metahistory. Die historische Einbildungskraft im 19.Jahrhundert. Frankfurt/Main 1991.

[4] Siehe: White, Hayden: Auch Klio dichtet oder die Fiktion des Faktischen. Stuttgart 1991.

[5] Kübler, Hans-Dieter; Kübler, Helga: Geschichte als Film - Film als Geschichte. In: Praxis Geschichte 6/92. Film – Geschichte – Unterricht. Braunschweig 1992. S.6-12.

[6] Straub, Jürgen: Über das Bilden von Vergangenheit. In: Rüsen, Jörn (Hg.): Geschichtsbewußtsein. Psychologische Grundlagen, Entwicklungskonzepte, empirische Befunde. Köln-Weimar-Wien 2001. S.45-114. Hier S.45.

[7] Schörken, Rolf: Historische Imagination und Geschichtsdidaktik. Paderborn u.a. 1994. S.34.

[8] Ebenda S.9.

[9] Paul Ricoeur: Zeit und Erzählung Bd.3. Die erzählte Zeit. München 1991.

[10] Vgl. ausführlich dazu: Borries, Bodo: Imaginierte Geschichte. Köln-Weimar-Wien 1996. S.185.

[11] Ob West ist der oberste Repräsentant des Deutschen Reiches und der deutschen Wehrmacht im besetzten Frankreich.

[12] Siehe Karte im Anhang „Die Küstenabschnitte im Invasionsgebiet“ unter Punkt 1.

[13] 1962: 1 Oscar für „Spezialeffekte“ , für „Kamera –SW“. Oscar-Nominierungen 1962 für: „Bester Film“, „Ausstattung -SW“ und „Schnitt“.

[14] Näheres zur Identifikation mit medialen Figuren siehe: Schirra, Jörg; Carl-McGarth, Stefan: Identifikationsformen in Computerspielen und Spielfilm. In: Strübel, Michael (Hg.): Film und Krieg. Die Inszenierung von Politik zwischen Apologetik und Apokalypse. Opladen 2002. S.147-162.

[15] TBH: Taktischer Bildschirm Horizontal.

[16] Adorno, Theodor W.: Einführung in die Musiksoziologie. 12 theoretische Vorlesungen. Reinbek/ Hamburg 1968. S.105.

[17] Vgl. dazu: siehe Foto: Kommandeursbesprechung bei Eisenhower, im Anhang unter Punkt 2.

[18] Näheres zum Fragebogen: s. Kapitel 3 dieser Untersuchung.

[19] Sakkers, Hans (Hg.): Normandie, 6. Juni 1944 im Spiegel der deutschen Kriegstagebücher. Der Großangriff auf den Atlantikwall. Osnabrück 1998. S.38.

[20] Gen.Kdo.: ist die offizielle Abkürzung für: General Kommando.

[21] Oberkommando der Kriegsmarine: Geheime Kommandosache, Kriegserfahrungen Nr.5 –Küsten- und Luftverteidigung. Berlin 14.Juli 1944. In: Sakkers S.13.

[22] Sakkers S.18.

[23] Sakkers S.86.

[24] S.K.S.S.: ist die offizielle Abkürzung für: Seekommandant Seine-Somme.

[25] Sakkers S.32.

[26] Sakkers S.32.

[27] KTB ist die offizielle Abkürzung für: Kriegstagebücher.

[28] Siehe Karte: „Absprunggebiet um Sainte-Mère-Eglise“: im Anhang, unter Punkt 3.

[29] Zit. nach: Posener, Allan: Franklin Delano Roosevelt. Hamburg 1999. S.55.

[30] Siehe Anhang: Foto: Theodore Roosevelt Junior alias Henry Fonda ,unter Punkt 4.

Ende der Leseprobe aus 91 Seiten

Details

Titel
Geschichtsbewusstsein und Geschichtskultur. Fakten und Fiktionen im Kriegsfilm „Der längste Tag“
Hochschule
Universität Rostock  (Historisches Institut)
Note
1,3
Autor
Jahr
2003
Seiten
91
Katalognummer
V93361
ISBN (eBook)
9783638063029
ISBN (Buch)
9783640141654
Dateigröße
1369 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Geschichtsbewusstsein, Geschichtskultur, Fakten, Fiktionen, Kriegsfilm, Tag“
Arbeit zitieren
Jana Zimdars (Autor:in), 2003, Geschichtsbewusstsein und Geschichtskultur. Fakten und Fiktionen im Kriegsfilm „Der längste Tag“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93361

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Geschichtsbewusstsein und Geschichtskultur. Fakten und Fiktionen im Kriegsfilm „Der längste Tag“



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden