Otto von Bismarck zu Gast in Biarritz

Eine Etappe auf dem Weg zur norddeutschen Hegemonie?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

20 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

Einleitung

Die Gründe für Preußens Streben nach norddeutscher Hegemonie

Uneinigkeit im Europäischen Mächtekonzert - Ein Vorteil für Preußen?

Die Eskalation des Preußisch-Österreichischen Dualismus: Wann fielen die Würfel für den Krieg?

Biarritz im Oktober 1865: Motive und Ergebnisse des Treffens zwischen Napoleon III. und Otto von Bismarck

Schlussbetrachtung

Literaturangaben

Quellenverzeichnis

„Der deutsche Dualismus hat seit 1000 Jahren gelegentlich, seit Carl V. in jedem Jahrhundert, regelmäßig durch einen gründlichen innern Krieg seine gegenseitigen Beziehungen reguliert, und auch in diesem Jahrhundert wird kein andres Mittel als dieses Mittel die Uhr der Entwicklung auf ihre richtige Stunde stellen können.“1

Dieses Zitat aus Bismarcks „Prachtbericht“, welches Winfried Baumgart zutreffend als „ein leidenschaftliches Plädoyer für eine gewaltsame Lösung des preußisch-österreichischen Gegensatzes“2 charakterisiert, verdeutlicht bereits im Jahre 1956 Bismarcks Haltung zum preußisch-österreichischen Gegensatz. Zwar wusste Bismarck, zu jener Zeit ein scharfzüngiger, aber gemessen an politischen Einflussmöglichkeiten unbedeutender Diplomat, zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass er es sein sollte, der keine sechs Jahre später als preußischer Ministerpräsident maßgeblich die preußische Politik bestimmen würde, doch Kommentare wie der oben angeführte lassen bereits deutlich erkennen, dass Otto von Bismarck das Verhältnis zwischen Österreich und Preußen „schon früh in den Kategorien eines essentiellen Konfliktes“3 sah. Sowohl Winfried Baumgart4 als auch Lothar Gall5 betonen zwar, dass Otto von Bismarck durchaus auch friedlichen Lösungsansätzen zum deutschen Dualismus offen gegenüber stand. Diese waren jedoch eher unrealistisch, hätte für eine friedliche Lösung doch eine der beiden Großmächte freiwillig auf seine Vormachtansprüche verzichten müssen.

Der gemeinsame Sieg der beiden deutschen Mächte im Krieg gegen Dänemark am 30. Oktober 1864 nährte noch einmal die Hoffnungen auf einen nationalpolitischen Konsens und somit auf einen Ausgleich zwischen Preußen und der Habsburger Monarchie, war der erfolgreiche Feldzug seinerzeit doch ein deutlicher nationaler Erfolg.6 Trotzdem sollte es nur zwei Jahre später zum preußisch-österreichischen Bruderkrieg kommen, der die deutsche Frage und den deutschen Dualismus mit Waffengewalt endgültig entschied.

Diese Hausarbeit wird sich auf die letzten Kriegsvorbereitungen im „Schicksalsjahr 1866“7 konzentrieren und die unmittelbaren Vorzeichen des Bruderkrieges besonders von preußischer Seite aus untersuchen. Stimmt es, wenn Andreas Hillgruber behauptet, dass bei Bismarck bereits „im Februar 1866 die Waage endgültig zu einer kriegerischen Entscheidung gegen Österreich neigte, obwohl er wußte, daß ein Bruderkrieg […] prinzipiell abgelehnt wurde“8 ? Wie bereitete Bismarck den Krieg vor, wann stand sein Entschluss fest, dass ein Krieg unvermeidbar sei? Welches Ziel verfolgte Otto von Bismarck beim Treffen mit Napoleon III. in Biarritz? Wollte er Frankreich als einen möglichen Verbündeten gewinnen oder sich tatsächlich nur Napoleons Neutralität vergewissern? Um die Fragen zu beantworten, werden im Laufe der Arbeit die preußischen Ministerratsprotokolle vom 29. Mai 1865 sowie vom 28. Februar 1866 über den preußisch-deutschen Konflikt untersucht. Auch das französische Kronratsprotokoll vom 21. Februar 1866, indem Österreich gegen eine preußische Offensive mobil macht, wird diskutiert werden. Für die Zusammenkunft Bismarcks mit Napoleon III. in Biarritz wird der Immediatbericht des Ministerpräsidenten an seinen König auf Motive und Ergebnisse des Treffens hin analysiert.

Diese Arbeit beginnt mit einer Einführung in den preußisch- österreichischen Dualismus. Hier ist aufzuzeigen, wie sich Preußen seit der Olmützer Punktuation entwickelt hat und welche politischen Ziele es aus welchen Gründen verfolgt. Im Folgeteil wird die Konstellation der europäischen Großmächte in Bezug auf Preußen und Österreich angesprochen werden müssen, da sie in direktem Zusammenhang mit dem Vorgehen der deutschen Mächte in der Schleswig-Holstein Krise steht. Der Hauptteil dieser Arbeit wird zu klären versuchen, warum die Besetzung der Elbherzogtümer zum Bruderkrieg eskalierte und wann Bismarck zu der Überzeugung gelangte, dass der Krieg unausweichlich war. Das Treffen Bismarcks und Napoleons in Biarritz wird hierbei eine zentrale Rolle spielen, da anhand des angesprochenen Immediatberichtes vermeintliche Hintergründe des Treffens aufzudecken sind.

Die Gründe für Preußens Streben nach norddeutscher Hegemonie

Obwohl sich die Weltpolitik von den preußischen Siegen 1866 und 1871 überrascht zeigte, war bereits seit 1830 eine stete Verbesserung wichtiger Bereiche des preußischen Staates zu erkennen.9 Preußens Bevölkerung hatte sich bereits zum Jahr 1862 von 11 auf 18 Millionen Einwohner nahezu verdoppelt10, die ökonomisch aufstrebende preußische Bourgeoisie war die Basis für eine erfolgreiche Wirtschaft11, das Heer wurde besonders in den 1860er Jahren umfassend modernisiert12. Preußen entwickelte also schon frühzeitig die Voraussetzungen dafür, in naher Zukunft eine Großmachtstellung in Europa einnehmen zu können. Dem angesprochenen gesamtstaatlichen Aufwärtstrend stand lediglich die ungünstige geographische Lage im Zentrum Europas gegenüber. In dieser war Preußen bemüht, nicht zum Spielball der großen benachbarten Nationen zu werden. „The outbreak of hostilities in any European trouble spot was likely to have an impact on German concerns[…]13 schreibt David Blackbourn mit Blick auf Preußens bedeutende Nachbarn Frankreich, Österreich und Russland. Folglich strebte Preußen seit der 1848er Revolution danach, Deutschland zumindest nördlich des Mains zu beherrschen und so in Europa an Einfluss zu gewinnen.14

Um eine Aufwertung als Großmacht zu erfahren, musste Preußen vor allem eine Aufwertung im Deutschen Bund, also gegenüber Österreich erzielen.15 Die Beziehung der beiden deutschen Mächte würde somit von einer besonderen Brisanz geprägt sein und so sollte es im Zeitalter der Reaktion und auch später unter Bismarck keine Wiederkehr der informellen Kooperation der beiden Führungsmächte Preußen und Österreich, wie sie noch unter Metternich geherrscht hatte, geben. In der Olmützer Punktuation scheiterten beide mit ihren Vorstellungen zur Reform des Deutschen Bundes und man ging zum Status Quo über, um jeweils eine Hegemonie des anderen zu verhindern. Die eine Zeit lang ruhende Rivalität der beiden Mächte trat wieder in den Vordergrund. Olmütz war, wie sich zeigte, nur ein Waffenstillstand und auch das gemeinsame Interesse der Reaktion war nicht stark genug, die konkurrierenden Machtansprüche zu neutralisieren.16

Österreich unter dem Ministerpräsidenten Fürst Schwarzberg verfolgte das Fernziel eines 70 Millionen-Reiches unter seiner Führung, eines großdeutschen Reiches.17 Preußen hingegen versuchte zunächst eine antiösterreichische, kleindeutsche Lösung unter eigener Hegemonie als politische Möglichkeit ins Spiel zu bringen, sei es mit den Unionsplänen oder dem 1834 gegründeten Deutschen Zollverein. Zumindest aber die Hegemonie Preußens nördlich der Mainlinie musste im preußischen Machtinteresse liegen, um nicht den Anschluss an die übrigen Großmächte zu verlieren.18

Die Hegemonie im Norden sollte eine Einflussteilung im Deutschen Bund bedeuten, welcher in den 1850er und 1860er Jahren zum politischen Spannungsfeld zwischen beiden deutschen Großmächten wurde. Natürlich wollte Österreich auf seine führende Stellung in Deutschland nicht verzichten, sondern versuchte, seinen eigenen Einfluss mittels des Deutschen Bundes auf Kosten Preußens auszubauen.19 Die Folge war das Aufkeimen der deutschen Frage und ein ständiger Dualismus zwischen den beiden Großmächten im Deutschen Bund20, eine „Pattsituation“21 die zeigte, dass sich beide Mächte in der Olmützer Punktuation 1850 nur als notdürftig ausgeglichen sahen.

So betonte auch Otto von Bismarck nach seinem Amtsantritt, dass die Macht Preußens zwangsläufig auf Kosten Österreichs gehoben werden müsse, wolle man Gleichberechtigung mit seinen mächtigen Nachbarn, vor allem aber mit der Habsburger Monarchie erfahren.22 Wenn Bismarck in seiner Rede vor der Budgetkommission 1862 betonte, „Preußens Grenzen nach den Wiener Verträgen sind zu einem gesunden Staatsleben nicht günstig“23, dann bedeutet dies nicht, wie Winfried Baumgart und Wilhelm Mommsen24 richtig hervorheben, dass Bismarck bereits „kriegslüstern“25 die Schlachtfelder plante oder friedlichen Kompromissen mit Österreich von vornherein jede Chance versagt hätte. Dennoch beinhaltet diese Aussage Bismarcks, welche seinerzeit die Dringlichkeit der umstrittenen Heeresreform verdeutlichen sollte, ganz unmissverständlich den Appell, sich mit dem jetzigen Status Preußens nicht zufrieden zu geben. Sie lässt darauf schließen, dass Bismarck schon damals ein Entgegenkommen Österreichs gegenüber Preußens Großmachtambitionen und somit einen friedlichen Ausgleich für eher unwahrscheinlich hielt, auch wenn zu jenen Tagen noch nicht abzusehen war, welche außenpolitischen Möglichkeiten die europäischen Großmächte ihm und Preußen ermöglichen würden.

Uneinigkeit im Europäischen Mächtekonzert - Ein Vorteil für Preußen?

Die vermeintliche Ruhe im europäischen Mächtesystem sollte in den 1850er Jahren durch zwei Ereignisse „aufgebrochen“26 werden, die auch für die Entwicklung des österreichisch-preußischen Dualismus von Bedeutung sein sollten. Napoleon III machte sich 1852 durch einen Staatsstreich zum Kaiser Frankreichs. Als Verfechter des modernen Prinzips der Nationalität sollte er zu einem steten Unruhefaktor in Europa werden, dessen Aktivitäten vor allem von den konservativen Mächten misstrauisch beäugt wurde.27

Zusätzlich stellte der Krimkrieg 1854 einen Bruch zwischen den beiden wichtigsten konservativen Mächten Russland und Österreich dar, der vor allem Preußen zugute kam, da es sich neutral verhielt und so seine Beziehungen zu den Westmächten wie auch zu Russland weiterhin aufrecht erhielt.28 Wie Thomas Nipperdey hervorhebt, ist „Frankreich diplomatisch der Gewinner […], Napoleon scheint der Schiedsrichter Europas“29. Nachdem Frankreich im März 1856 den Pariser Frieden ausgehandelt hatte, kontrollierte es weitestgehend die europäische Lage, vor allem aber den deutschen Dualismus. Sowohl Preußen wie auch Österreich versuchten nach Russlands Schwächung, die Gunst Frankreichs für sich zu gewinnen und die deutsche Frage so zu beeinflussen.

[...]


1 Otto Fürst von Bismarck, „Prachtbericht“ an Otto Frhrn. von Manteuffel, 26. April 1856, S.138. In: Otto Fürst von Bismarck, Die gesammelten Werke. Bd. 2 „Politische Schriften“. Berlin 1924, S. 138-145.

2 Winfried Baumgart, Europäisches Konzert und Nationale Bewegung. Internationale Beziehungen 1830-1878. Paderborn/ München/ Wien/ Zürich 1999, S. 247.

3 Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800-1866. Bürgerwelt und starker Staat. München 1994, S. 685.

4 Baumgart, Europäisches Konzert, S. 247.

5 Lothar Gall, Bismarck. Der weiße Revolutionär. Frankfurt am Main/ Berlin/ Wien 1980, S. 340.

6 Nipperdey, Deutsche Geschichte, S. 774.

7 Adam Wandruszka, Schicksalsjahr 1866. Graz/ Wien/ Köln 1966, S. 17.

8 Andreas Hillgruber, Otto von Bismarck. Gründer der europäischen Großmacht Deutsches Reich. Göttingen/ Zürich/ Frankfurt 1978, S. 52.

9 Baumgart, Europäisches Konzert, S. 242.

10 Nipperdey, Deutsche Geschichte, S. 750.

11 Heinz Wolter, Bismarck und das Problem der Revolution im 19. Jh., S. 39. In: Jost Dülffer et al. (Hrsg.), Otto von Bismarck. Person, Politik, Mythos. Berlin 1993, S. 31-44.

12 Baumgart, Europäisches Konzert, S. 242.

13 David Blackbourn, The Long Nineteenth Century. A History of Germany 1780-1918. New York/ Oxford 1998, S. 237.

14 Baumgart, Europäisches Konzert, S. 238.

15 Ebd., S. 255.

16 Hagen Schulze, Der Weg zum Nationalstaat. Die deutsche Nationalbewegung vom 18. Jahrhundert bis zur Reichsgründung. München 1885, S. 109 ff. Siehe auch: Baumgart, Europäisches Konzert, S. 246ff; Gall, Bismarck, S. 139 ff.

17 Nipperdey, Deutsche Geschichte, S. 671.

18 Schulze, Nationalstaat, S. 110 f.

19 Nipperdey, Deutsche Geschichte, S. 704 ff.

20 Ebd., S. 684 f.

21 Schulze, Nationalstaat, S. 110.

22 Baumgart, Europäisches Konzert, S. 255.

23 Otto Fürst von Bismarck, Die gesammelten Werke. Bd. 10 „Reden“, Berlin 1928, S. 139 f.

24 Baumgart, Europäisches Konzert, S. 256. Siehe auch: Wilhelm Mommsen, Otto von Bismarck. Reinbek bei Hamburg 1966, S. 50.

25 Schulze, Nationalstaat, S. 114.

26 Nipperdey, Deutsche Geschichte, S. 693. Siehe auch: Blackbourn, Nineteenth Century, S. 237.

27 Nipperdey, Deutsche Geschichte, S. 688.

28 Ebd., S. 692.

29 Ebd., S. 692.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Otto von Bismarck zu Gast in Biarritz
Untertitel
Eine Etappe auf dem Weg zur norddeutschen Hegemonie?
Hochschule
Universität zu Köln
Note
2,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
20
Katalognummer
V93323
ISBN (eBook)
9783640098026
ISBN (Buch)
9783640125876
Dateigröße
491 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Otto, Bismarck, Gast, Biarritz
Arbeit zitieren
Christoph Haeberlein (Autor:in), 2006, Otto von Bismarck zu Gast in Biarritz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93323

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