Theorien der Sozialpsychologie und ihre Anwendung auf die Zeugen Jehovas


Seminararbeit, 2008

14 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Theorie der kognitiven Dissonanz (Festinger)
a) Beschreibung der Theorie
b) Kognitive Dissonanz und Zeugen Jehovas:

3. Die Theorie der psychologischen Reaktanz (Brehm, 1966)
a) Beschreibung der Theorie:
b) Psychologische Reaktanz bei den Zeugen Jehovas:

4. Die Theorie der sozialen Vergleichsprozesse (Festinger)
a) Beschreibung der Theorie
b) Soziale Vergleichsprozesse bei den Zeugen Jehovas

5. Die Theorie der Selbstwerterhaltung und Selbstwerterhöhung:
a) Beschreibung der Theorie
b) Selbstwerterhaltung und Selbstwerterhöhung bei den Zeugen Jehovas

6. Hypothesentheorie der Wahrnehmung :
a) Beschreibung der Theorie
b) Hypothesentheorie der Wahrnehmung bei den Zeugen Jehovas

7. Fazit

Literatur:

1. Einleitung

Menschliches Erleben und Verhalten, wie es uns tagtäglich begegnet, kann man recht gut mit Theorien der Sozialpsychologie beschreiben, erklären und vorhersagen. Dies gilt besonders für das Erleben und Verhalten in besonderen Kontexten wie Glaube und Religion, da hier oftmals extremer Druck auf den Betroffenen lastet. So kann man psychische Vorgänge bei der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas gut mit den im Folgenden beschriebenen sozialpsychologischen Theorien verdeutlichen.

Kritiker der Zeugen Jehovas sind der Ansicht, dass der einzelne Zeuge in einem unsichtbaren Käfig lebt. Falls dies so ist, kann dem entgegnet werden, dass es dennoch sehr viele unter ihnen schaffen, ein zufriedenstellendes Leben zu führen. Genau dazu dienen Verhaltens- und Erlebnisweisen, die in den fünf sozialpsychologischen Theorien beschrieben und erklärt werden können. Von der Wachturmgesellschaft (WTG), dem weltweiten Führungsgremium der Zeugen Jehovas in New York wird außerdem versucht, die menschlichen Grundbedürfnisse der Zeugen Jehovas in der Weise zu lenken , dass psychische Probleme jeglicher Art oder bestimmte für die eigene Lehre unangenehme Kognitionen erst gar nicht entstehen oder zumindest schnell wieder beseitigt werden können.

Anhand der Lektüre der meisten deutschsprachigen Bücher über die Zeugen Jehovas, darunter auch Bücher von ZJ-Aussteigern, sowie durch jahrelange Besuche von Versammlungen der Zeugen Jehovas und Gespräche mit vielen ihrer Mitglieder konnte ich mir ein ausreichend klares Bild über diese Glaubensgemeinschaft verschaffen und im Folgenden Wertungen nicht immer vermeiden.

2. Die Theorie der kognitiven Dissonanz (Festinger)

a) Beschreibung der Theorie

Laut Leon Festinger (1957) streben Menschen ein Gleichgewicht (Konsonanz) sowohl zwischen relevanten Kognitionen (Meinungen, Einstellungen, Wissenseinheiten) , als auch zwischen Kognitionen und Verhaltensweisen an. Es entstehen unangenehme Dissonanzen, wenn aus dem einen das Gegenteil des anderen erfolgt (Beispiel: Rauchen und das Wissen um die Schädlichkeit des Rauchens). Zugleich entsteht ein Bestreben, diese Dissonanzen zu beseitigen. Dies kann geschehen, indem man mit dem Verhalten konsonante Kognitionen hinzufügt („ich kenne jemand, der wurde trotz Rauchens 100 Jahre alt“), dissonanten Kognitionen verdrängt, vergisst oder abwertet oder das Verhalten (das Rauchen) einstellt.

In der Regel ändert man schwersten die widerstandsfähigen Kognitionen, d.h. die mit vielen anderen Kognitionen konsonant und mit wenigen Kognitionen dissonant sind. Eine Änderung solcher Kognitionen würde weitere kognitive Dissonanzen bewirken. Schwer zu ändern sind auch außerpsychische Realitäten (wie in diesem Fall das Rauchen selbst).

Mit hoher Wahrscheinlichkeit entstehen kognitive Dissonanzen :

- nach Entscheidungen: Die positiven Aspekte der nicht gewählten Entscheidungsalternative und die negativen Aspekte der gewählten Alternative erzeugen Dissonanzen. Diese wird reduziert durch eine Revision der Entscheidung, durch eine Aufwertung der gewählten Alternative („spreading-appart-Effekt“) oder eine Aufwertung der nicht gewählten Alternative („regret-Effekt“, Brehm, 1957). Menschen neigen dazu, nach Entscheidungen eher entscheidungsunterstützende als entscheidungswidersprechende Informationen zu suchen, da hierdurch Dissonanzen besser reduziert werden
- nach erzwungener Einwilligung: Ein Verhalten, das mit der eigenen Einstellung (meist verursacht durch externe Anreize) nicht im Einklang ist, führt zu Dissonanzen. Eine Reduktion kann erfolgen durch Anpassung der Einstellung an das Verhalten. Dazu führten Festinger und Carlsmith ein inzwischen klassisches Experiment durch: Versuchspersonen (Vpn) mussten ein langweiliges Experiment durchführen und dann gegen Bezahlung von 1 $ bzw. 20 $ nachher anderen erzählen, dass das Experiment interessant gewesen sei und danach bewerten, wie interessant das Experiment für s i e s e l b s t gewesen sei. Die VPN mit der 1-$-Bezahlung hielten das Experimentsignifikant interessanter als die mit der 20-$-Belohnung., da sie wohl die Dissonanz stärker durch Einstellungsänderung Richtung gezeigtes Verhalten reduzierten.

In einem anderen berühmt gewordenen Experiment veranlassten Aronson und Carlsmith (1963) Kinder bei – Androhung von Strafe - , nicht mit einem bevorzugten Spielzeug zu spielen. Bei Androhung einer niedrigeren Strafe fanden die Kinder das Spielzeug weniger attraktiv, ändern also ihre Einstellung stärker in Richtung gezeigtes Verhalten als bei Androhung einer hohen Strafe. Bei hoher Strafandrohung konnte das Nicht-Spielen nämlich ausreichend gerechtfertigt werden, wodurch eine geringere Dissonanz entstand.

- nach Kommunikation und Interaktion: Die hier oft entstehenden Dissonanzen können reduziert werden durch Angleichung der eigenen Meinung an die des Kommunikationspartners, durch Überzeugung des Kommunikationspartners von der eigenen Meinung, durch Abwertung desselbigen oder durch Suche nach Unterstützung der eigenen Meinung bei Gleichgesinnten (soziale Unterstützung) . Bei Kommunikationspartner mit hoher Glaubwürdigkeit besteht die Tendenz, eher die eigene Einstellung zu ändern als den Partner abzuwerten.
- bei schon übermäßig erfolgten Anstrengungen: Die Attraktivität einer Aufgabe oder Tätigkeit steigt an, je höher der schon geleistete Aufwand für die Aufgabe / Tätigkeit bereits ist. Die entstandene Dissonanz wird also durch die Erhöhung der Attraktivität der Aufgabe / Tätigkeit reduziert. So halten Menschen oft - für andere unbegreiflicherweise – an Dingen fest, die schon viel Zeit, Geduld und Energie gekostet haben.

b) Kognitive Dissonanz und Zeugen Jehovas:

Kognitive Dissonanzen entstehen bei Zeugen Jehovas sehr häufig, da sie laufend mit dissonanten Kognitionen konfrontiert werden, die sich aus der Wahrnehmung der Welt und dem Lehrgebäude der WTG (s. Seite 2) ergeben. Diese Dissonanzen werden meist beseitigt, indem der einzelne Zeuge nach und nach die von der WTG subtil dargebotenen konsonanten Kognitionen hinzufügt (die dargebotene Literatur wiederholt die Lehre in unablässiger Weise, aber immer etwas nuanciert), dissonante Kognitionen allmählich verdrängt oder abwertet oder das bisherige Verhalten (als Nicht-Zeuge gelernte Verhaltens- und Erlebensweisen) einstellt.

Konsonante Kognitionen werden dem einzelnen Zeugen von der WTG etwa in folgender Form geliefert:

Entweder ganz subtil: „Jehova erwartet keinen blinden Gehorsam. Er wünscht sich von uns nicht die Art des Gehorsams, den ein Zureiter oder Dompteur einem Tier mittels eines Zügels oder einer Peitsche abverlangt ... Jehova hat uns vielmehr mit Denk- und Unterscheidungsvermögen ausgestattet, so dass wir – gestützt auf unser Verständnis – es uns erwählen können, ihm zu gehorchen.“ (Wachtturm, 01.04.1988, S.30)

Oder ganz unverblümt „Wenn wir Jehovas und die Organisation seines Volkes lieben, werden wir nicht misstrauisch sein, sondern werden, wie die Bibel sagt >> alles glauben <<, nämlich alles, was der Wachtturm darreicht.“ („Zum Predigtdienst befähigt, 1957).

Ein gutes Beispiel bietet, so Elmar Köppl (1) , der von der WTG immer wieder vorausgesagte Weltuntergang, zum Teil sogar mit Angaben von Jahreszahlen wie zuletzt 1975. Das Nichteintreten des Vorausgesagten führte weder zu grundlegenden Verhaltensänderung (Aufgabe weiterer Prophezeiungen oder Bankrotterklärung des Glaubenssystems), sondern zur Hinzufügung weiterer konsonanter Kognitionen in Form von nachträglicher Rationalisierung oder Reinterpretation („... wurden erhebliche Erwartungen bezüglich des Jahres 1975 geweckt. Es wurden damals unglücklicherweise zusammen mit diesen vorsichtigen Äußerungen auch andere Erklärungen veröffentlicht, dass die Hoffnungen (auf Harmageddon, der Autor) eher wahrscheinlich als nur möglich seien.“ Wachtturm, 15.06.1980)

3. Die Theorie der psychologischen Reaktanz (Brehm, 1966)

a) Beschreibung der Theorie:

Wird der von einer Person für sich beanspruchte Freiheitsspielraum für das eigene Entscheiden und Handeln von außen bedroht, eingeschränkt oder aufgehoben, dann entwickeln sich psychische Kräfte, Strebungen, Bedürfnisse, und es entsteht ein aversiver motivationaler Zustand (psychologische Reaktanz), den bedrohten oder verlorenen

[...]

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Details

Titel
Theorien der Sozialpsychologie und ihre Anwendung auf die Zeugen Jehovas
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Psychologie)
Veranstaltung
Seminar Lektürekurs Sozialpsychologie
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
14
Katalognummer
V93321
ISBN (eBook)
9783640098002
Dateigröße
422 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Es wurde vom Verfasser untersucht, inwiefern die Theorien der kognitiven Dissonanz, der psychologischen Reaktanz, der sozialen Vergleichsprozesse, der Selbstwerterhaltung und Selbstwerterhöhung und der Hypothesentheorie der Wahrnehmung auf die Zeugen Jehovas angewendet werden können.
Schlagworte
Theorien, Sozialpsychologie, Anwendung, Zeugen, Jehovas, Seminar, Lektürekurs, Sozialpsychologie
Arbeit zitieren
Alfred Seif (Autor:in), 2008, Theorien der Sozialpsychologie und ihre Anwendung auf die Zeugen Jehovas, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93321

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