Die Urnenfelder-Kultur

Eine Kultur der Bronzezeit vor etwa 1300/1200 bis 800 v. Chr.


Exzerpt, 1996

120 Seiten


Leseprobe


Ernst Probst

Die Urnenfelder- Kultur

Vorwort

Die Bronzezeit vor mehr als 2000 bis 800 v. Chr. gilt als die erste und längere der Metallzeiten in Europa. In dieser Zeit wurden Werkzeuge, Waffen und Schmuck aus Bronze her- gestellt. In einigen Gebieten hatte die Bronzezeit eine andere Zeitdauer. So begann sie in Süddeutschland schon vor etwa 2300 v. Chr. und endete um 800 v. Chr. In Norddeutschland dagegen währte sie von etwa 1600 bis 500 v. Chr.

Zu den in Deutschland verbreiteten Kulturen der Bronzezeit gehört die Urnenfelder-Kultur vor etwa 1300/1200 bis 800 v. Chr. Sie gilt in Europa als eine der wichtigsten Kulturen der Spätbronzezeit und vermochte sich vom nördlichen Balkan über die Donauländer bis zur Oberrheinregion auszubreiten. In Deutschland war sie in Baden-Württem- berg, Bayern, im Saarland, in Rheinland-Pfalz, Hessen, Teilen Nordrhein-Westfalens (Niederrheinische Bucht) und südlich des Thüringer Waldes heimisch.

Der Begriff Urnenfelder-Kultur fußt darauf, daß damals die Toten auf Scheiterhaufen verbrannt und danach häufig ihre Asche beziehungsweise Knochenreste in tönerne Urnen geschüttet und in Brandgräbern beigesetzt wurden. Gelegentlich bildeten die Brandgräber ausgedehnte Urnenfelder mit Dutzenden oder Hunderten von Bestattungen.

Der Text über die Urnenfelder-Kultur stammt aus dem ver- griffenen Buch „Deutschland in der Bronzezeit“ (1996) des Wiesbadener Wissenschaftsautors Ernst Probst in alter deut- scher Rechtschreibung und entspricht dem damaligen Wis- sensstand. Weitere Kulturen der Bronzezeit aus Deutschland werden ebenfalls in Einzelpublikationen vorgestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

ERNST WAGNER,

geboren am 5. April 1832

in Karlsruhe, gestorben am 7. März 1920

in Karlsruhe. Der Sohn des Stadtpfarrers

von Schwäbisch Gmünd war 1861 bis 1863 Erzieher in London und 1864 bis 1875 Erzieher des Erbgroßherzogs in Karlsru- he. 1867 wurde er Leiter der Friedrichschule. Von 1875 bis 1919 leitete er die Groß- herzogliche Altertümer- sammlung in Karlsruhe und war Oberschulrat. Auf Wagner geht der Begriff Urnenfelder-Kultur zurück.

Die Zeit der Unruhestifter

Die Urnenfelder-Kultur vor etwa 1300/1200 bis 800 v. Chr.

Die Urnenfelder-Kultur gilt in Europa als eine der wichtigsten Kulturen der Spätbronzezeit. Sie bestand von etwa 1300/1200 bis 800 v. Chr. und vermochte sich vom nördlichen Balkan über die Donauländer bis zur Oberrheinregion auszubreiten. In Deutschland war sie in Baden-Württemberg, Bayern, im Saarland, in Rheinland-Pfalz, Hessen, Teilen Nordrhein-Westfalens (Niederrheinische Bucht) und südlich des Thüringer Waldes heimisch.

Der Begriff „Urnenfelder-Kultur“ fußt darauf, daß damals die Toten auf Scheiterhaufen verbrannt und danach häufig ihre Asche beziehungsweise Knochenreste in tönerne Ur- nen geschüttet und in Brandgräbern beigesetzt wurden. Ge- legentlich bilden die Brandgräber ausgedehnte Urnenfelder mit Dutzenden oder Hunderten von Bestattungen.

Als erster formulierte 1885 der Direktor der Großherzog- lichen Altertümersammlungen in Karlsruhe, Ernst Wagner (1832-1920), die Bezeichnung „Urnen-Friedhöfe“. Seine Pu- blikation „Hügelgräber und Urnen-Friedhöfe in Baden“ wurde 1886 durch den Königsberger Prähistoriker Otto Tischler (1843-1891) in der „Westdeutschen Zeitschrift“ kommentiert. Dabei sprach Tischler von „Urnenfeldern der Bronzezeit“.

Nach Ansicht der meisten Prähistoriker war die Urnenfelder- Zeit ein unruhiger Abschnitt der Urgeschichte. Damals setzten vermutlich in vielen Gebieten Europas große Völkerwanderungen ein, die vielleicht im mittleren Donauraum ihren Ausgang nahmen. Sie erreichten wahrscheinlich nicht nur Süddeutschland, sondern auch den Balkan und die östliche Mittelmeerregion. Sogar die Ägypter mußten sich der Eindringlinge mit Waffengewalt erwehren.

Ihre Ursache hatten die großen Wanderungen der Unruhe- stifter womöglich in einer erheblichen Bevölkerungszunah- me, deren Folgen durch ein ungünstiges trockenes Klima verstärkt wurden. Ein weiteres Motiv könnte das Interesse von Anführern der betroffenen Gemeinschaften an Kriegs- zügen gewesen sein, die bei erfolgreichem Verlauf sowohl Beute als auch Ansehen mehrten. Diese Kriegszüge nun be- wirkten vermutlich Ausweichbewegungen jener Stämme, in deren Gebiete die Eroberer zuerst eindrangen.

Es gab aber auch Experten, die derartige Wanderungen be- zweifelten. Der Freiburger Prähistoriker Georg Kraft (1894- 1944) beispielsweise schloß 1927 nach der Untersuchung süddeutscher Urnenfelder aus, daß eine große Kulturbewe- gung von Osten nach Westen stattgefunden habe. Im Ge- gensatz dazu vertrat 1938 der österreichische Prähistoriker Richard Pittioni (1906-1985) die Ansicht, in der Lausitz zwi- schen Sachsen, Brandenburg und Schlesien habe im 13. Jahr- hundert v. Chr. eine große Abwanderung eingesetzt. Aus der Begegnung der wandernden Gruppen mit den älteren ein- heimischen Kulturen in verschiedenen Teilen Europas seien als Folge lokale Urnenfelder-Gruppen entstanden, die im 12. und 11. Jahrhundert v. Chr. über fast den gesamten Konti- nent verbreitet gewesen seien.

Angesichts bestimmter Gemeinsamkeiten bei den archäolo- gischen Funden - etwa immer wiederkehrender ähnlicher Gefäßtypen - meinte Pittioni auch, alle Urnenfelder-Grup- pen hätten einer Gemeinschaft mit derselben Sprache ange- hört. Er nahm an, daß die Urnenfelder-Kultur mit einer kon- kreten Einzelsprache, nämlich dem Illyrischen, in Verbin- dung gebracht werden könne, und sprach in diesem Zusam- menhang von sogenannten Proto-Illyrern. Laut Pittioni wa- ren die Urnenfelder-Leute Alteuropäer, die weite Teile Eu- ropas in Besitz nahmen.

Der Tübinger Prähistoriker Wolfgang Kimmig bestritt 1964, daß die einzelnen Urnenfelder-Gruppen einem Volk ange- hört hätten. Nur die östlichen Gruppen ließen sich dem illyrischen Volkstum zuordnen. Wie Pittioni befürwortete auch Kimmig die Theorie der Wanderungen, die neben Kulturkontakten und einem Kulturaustausch mit verschie- densten gegenseitigen Beeinflussungen für die Ausbreitung der Urnenfelder-Kultur verantwortlich seien.

Nach Auffassung Kimmigs führten die Wanderungen der Urnenfelder-Leute über Griechenland, die ägäischen Inseln bis nach Syrien, Palästina und Ägypten. Demzufolge wären europäische Fremdlinge in den Mittelmeerraum eingedrun- gen und hätten dort ähnliche Unruhen ausgelöst wie in Mit- teleuropa, Italien, Frankreich, Spanien und sogar England. Für Süddeutschland und das Ostalpengebiet werden die 1902 durch den damals in Mainz arbeitenden Prähistoriker Paul Reinecke (1872-1958) eingeführten Stufenbezeichnungen Bronzezeit D, Hallstatt A und Hallstatt B verwendet. Davon umfaßt Hallstatt A zwei Unterstufen (Ha A 1, Ha A 2), Hall- statt B dagegen drei Unterstufen (Ha B 1, Ha B 2, Ha B 3). Die Einteilung der Stufen und Unterstufen basiert auf be- stimmten Bronzeobjekten und ihrem Formenwandel (Schwerter, Dolche, Messer, Rasiermesser, Nadeln, Fibeln, Armringe, Tassen) sowie Tongefäßen. Die zahlreichen kenn- zeichnenden Formen dieser Stufen und Unterstufen wurden 1959 durch den bis dahin in München tätigen Prähistoriker Hermann Müller-Karpe beschrieben. Eine genaue Auflistung all jener Objekte ist in einem populärwissenschaftlichen Buch wie diesem nicht möglich.

Nach neuesten Überlegungen wird heute die Urnenfelder- Kultur dreigegliedert. Die erste Stufe entspricht der späten Hügelgräber-Bronzezeit (Bronzezeit D) und der frühen Urnenfelder-Zeit (Hallstatt A 1). Die zweite Stufe umfaßt die mittlere Urnenfelder-Zeit (Hallstatt A 2 bis B 1) und die dritte Stufe die späte Urnenfelder-Zeit (Hallstatt B 2/3).

Klimatisch gesehen herrschte während der Urnenfelder-Zeit eine Trockenphase. Gegen Ende dieser Zeit um 800 v. Chr. ereignete sich ein Klimasturz, der mit höheren Niederschlags- mengen verbunden war. Dies hatte zur Folge, daß der Was- serspiegel der Seen anstieg und die Seeufersiedlungen („Pfahlbauten“) in Süddeutschland aufgegeben werden muß- ten.

Die archäologischen Funde deuten darauf hin, daß wohl mächtige Häuptlinge, „Fürsten“ und Priester das Sagen hat- ten. Denn nur so sind der arbeits- und zeitaufwendige Bau von befestigten Höhensiedlungen („Burgen“) sowie die kul- tisch motivierten Sach-, Tier- und Menschenopfer zu erklä- ren. Neben Einzelbegräbnissen bedeutender Persönlichkei- ten in eindrucksvollen Gräbern und mit reichen Beigaben (Wagengräber) gab es Friedhöfe mit Hunderten von gleich- artigen Brandgräbern.

Welche Körpergröße die damaligen Männer erlangen konn- ten, wird an dem unverbrannten Skelett eines Mannes aus dem Doppelgrab von Frankfurt/Main-Berkersheim ersicht- lich. Dieser zusammen mit einer kleinen Frau bestattete Mann maß 1,75 Meter. Bei einer Doppelbeisetzung von Ilvesheim (Rhein-Neckar-Kreis) in Baden-Württemberg war der etwa 20 Jahre alte, athletisch gebaute Mann 1,72 Meter groß. Dagegen erreichte die mit ihm beerdigte etwa 15jährige grazile Frau nur 1,62 Meter.

Tönerne Spinnwirtel und Webgewichte sowie Gewebereste belegen, daß die Kleidung aus Flachs (Linum usitatissimum) und Schafwolle angefertigt wurde. Spinnwirtel sind nicht nur aus Siedlungen, sondern auch aus vielen Gräbern be- kannt.

Von einem Webstuhl stammen elf komplette pyramidenför- mige Webstuhlgewichte und Fragmente solcher Objekte aus Lauf (Kreis Nürnberger Land) in Bayern. Diese Webstuhl- gewichte sind in der oberen Hälfte durchbohrt und wiegen zwischen 781 und 989 Gramm. Ihre Funktion bestand darin, senkrecht herabhängende Kettfäden an einem Webstuhl straff zu halten.

Anhaltspunkte über die Garderobe lieferten auch bronzene Nähnadeln mit Öhr, Gewandnadeln zum Zusammenhalten der Oberbekleidung sowie Gürtelhaken und -bleche. Die Gewandnadeln tendierten wieder zu kürzeren und unauffäl- ligeren Formen. Neu waren Nadeln mit Schmuckplatte. Die Gürtelhaken zum Schließen von Gürteln aus Stoff oder Leder wurden gegossen, gehämmert, aus einem Blechstück geschnitten oder aus Blechdraht zurechtgebogen. Teilweise sind sie mit Ornamenten aus Reihen dicht gesetzter Punz- einschläge versehen. Beschädigte Gürtelhaken wurden häu- fig repariert.

Als heimische Erzeugnisse gelten zweischneidige bronzene Rasiermesser mit rechteckigem, doppelaxtähnlichem und fast kreisförmigem Blatt sowie teilweise durchbrochenem Griff. Dagegen handelt es sich bei den Exemplaren mit trapezför- miger Klinge, einseitiger Schneide und meistens hakenför- migem Griff um Importware aus dem Gebiet der nordischen Bronezeit.

Manche Rasiermesser hat man aus anderen Bronzeobjekten geschaffen. So ist ein zweischneidiges kleines Rasiermesser aus Grünwald (Kreis München) aus einem Gürtelhaken angefertigt worden. Reparaturen von stark in Mitleidenschaft gezogenen Rasiermessern sind durch Funde aus Bad Buchau (Kreis Biberach) in Baden-Württemberg und Eberstadt (Kreis Gießen) in Hessen belegt.

Die Rasiermesser wurden in Futteralen aufbewahrt, um ih- re Schneiden vor Beschädigungen zu schützen. Härchen des Futterals hafteten an Rasiermessern von Gemmingen (Rhein- Neckar-Kreis) in Baden-Württemberg sowie von Gerolds- hausen (Kreis Würzburg) und Rehlingen (Kreis Weißenburg- Gunzenhausen) in Bayern. In Gemmingen handelte es sich wahrscheinlich um Rehhaare von einem Lederfutteral.

Experimente des Marburger Prähistorikers Dirk Vorlauf mit der Nachbildung eines zweischneidigen Rasiermessers er- gaben, daß sich damit ein Mehrtagebart nur schlecht oder gar nicht rasieren ließ. Eine zufriedenstellende Rasur wurde erst bei längeren Barthaaren erzielt, wenn man diese fest- hielt und direkt über der Haut abschnitt. Die Prozedur ver- lief schmerzlos, und 95 Prozent der abgeschnittenen Haare waren glatt durchgetrennt. Bei den Rasiermessern dürfte es sich um Gegenstände mit mehreren Funktionen handeln. Die Urnenfelder-Leute wohnten in unbefestigten und befe- stigten Flachland-, Seeufer-, Insel- und befestigten Höhen- siedlungen („Burgen“). Auch manche Höhlen dienten als vor- übergehende Aufenthaltsorte.

Bei Rettungsgrabungen, die unter Leitung des Münchener Prähistorikers Erwin Keller vom 17. April bis zum 1. Au- gust 1980 in Unterhaching (Kreis München) vorgenommen worden waren, stellte sich heraus, wie groß damals teilwei- se die unbefestigten Flachlandsiedlungen waren. Das Dorf von Unterhaching umfaßte einst schätzungsweise etwa 80 Häuser, von denen 51 untersucht werden konnten, und er- streckte sich wohl auf einer Fläche von zehn bis 15 Hektar. Die Häuser in Unterhaching bestanden aus einem Gerüst von mindestens vier Eckpfosten sowie - je nach Wandlänge - bis zu sieben Seitenpfosten. Bei breiteren Gebäuden kamen Firstbäume hinzu, welche die Hauptlast des Daches trugen. Die Gebäude hatten quadratische, kurze und langrechteckige Grundrisse und bildeten überwiegend drei- und vierteilige, aus Haupt- und Nebengebäuden bestehende Gruppen.

Im Laufe der Zeit schadhaft gewordene Pfosten wurden durch neue ersetzt. Wenn es nötig war, ein Haus abzureißen, hat man das neue Gebäude im Bereich des Vorgängerbaues errichtet. Zu diesem Dorf gehörte wohl ein bereits 1934 entdeckter Friedhof mit Brandgräbern, in denen man die Toten jener Siedlung bestattete.

Mehr als 40 Bauten unterschiedlicher Größe wurden von 1987 bis 1991 bei den archäologischen Untersuchungen im Bereich der neuen Straßen- und Bahntrasse südöstlich von Zuchering (Stadt Ingolstadt) in Bayern entdeckt. Die größe- ren, zweischiffigen Bauten hatten zwischen 70 und 120 Qua- dratmeter Nutzfläche, die kleineren rechteckigen oder qua- dratischen, einschiffigen Bauten zwischen vier und 20 Qua- dratmeter. Vermutlich bildeten jeweils mehrere beieinander- liegende Gebäude, die als Wohnhäuser, Stallungen, Vorrats- und Arbeitshütten dienten, eine Hofgemeinschaft.

Aus Eching (Kreis Freising) in Bayern kennt man zwei klei- nere Flachlandsiedlungen. Das aus 16 Häusern bestehende Dorf Eching 1 war durch einen Graben und eine Pfosten- reihe gesichert. Im Gegensatz dazu verfügte das etwa 1200 Meter entfernte, nur teilweise ausgegrabene Dorf Eching 2 über keinen Schutz. Auch dort wurden 16 Häuser festgestellt, ursprünglich dürften es nach Erkenntnissen des Münchener Prähistorikers Stefan Winghart jedoch mehr gewesen sein. Die Gebäude in Eching waren fünf bis zehn Meter lang und einen bis neun Meter breit.

In Dietfurt (Kreis Neumarkt) in Bayern wurde beim Bau des Rhein-Main-Donau-Kanals eine unbefestigte Flachland- siedlung entdeckt. Dort gruppierten sich 23 Gebäude um einen Dorfplatz, auf dem sich zwei Straßen kreuzten. Die Gebäudegrundrisse bedeckten Flächen von fünf bis sieben Meter Länge sowie drei bis vier Meter Breite. Größere Ge- bäude hatten ein Gerüst aus drei parallelen Pfostenreihen mit je drei Pfosten, kleinere nur zwei Reihen mit jeweils drei Pfosten.

In Riesbürg-Pflaumloch (Ostalbkreis) in Baden-Württem- berg konnten Grundrisse von 17 Pfostenbauten verschiede- ner Größe in mehreren Gruppen freigelegt werden. Ein be- sonders großes Gebäude war 22 Meter lang und 7,50 Meter breit. Vermutlich handelte es sich hierbei um ein kombinier- tes Wohn- und Wirtschaftsanwesen. Andere Häuser waren bis zu 18,50 Meter lang und 8,50 Meter breit. Kleinere Bau- ten dienten vermutlich zu Vorrats- und Speicherzwecken. Zehn maximal zehn Meter lange und 2,25 Meter breite Häu- ser umfaßte die Siedlung von Künzing (Kreis Deggendorf) in Bayern. Andere unbefestigte Flachlandortschaften bestan- den lediglich aus drei bis sechs Häusern.

Eine der seltenen befestigten Flachlandsiedlungen wurde in Enzweiler bei Idar-Oberstein (Kreis Birkenfeld) in Rhein- land-Pfalz entdeckt. Der dortige Gebäudekomplex war auf einer Terrasse der Nahe angelegt und durch eine Mauer, be- stehend aus Holzbalken, Lehm- und Steinfüllung, geschützt.

Vor der Mauer verlief ein ausgehobener Graben, der als weiteres Hindernis diente.

Am Bodensee und am Federsee bei Bad Buchau lagen in der Urnenfelder-Zeit noch Seeufersiedlungen („Pfahlbau- ten“) und Moorbauten. Sie mußten gegen Ende dieses Ab- schnittes aufgegeben werden, weil der Pegel dieser Gewäs- ser wahrscheinlich aufgrund erhöhter Niederschlagsmengen stark anstieg. Die letzten Uferdörfer am Bodensee existier- ten um 850 v. Chr. Zu den urnenfelderzeitlichen Ortschaften auf baden-württembergischer Seite des Bodensees gehören die Fundorte Hagnau-Burg, Konstanz-Langenrain, Süßen- mühle und Unteruhldingen.

Reste der befestigten Siedlung von Hagnau (Bodenseekreis) werden jeweils bei Niedrigwasser sichtbar. Immer dann er- scheint vor Hagnau eine Insel im Bodensee, die sogenannte Untiefe Burg. An deren Ufern sind zwischen Grundkieseln hölzerne Pfähle, Spülsäume aus Pflanzenfasern, Hölzern und Holzkohlen sowie Keramikreste der Urnenfelder-Kultur zu erkennen. Einst schützten Palisaden im Norden, Osten und Süden den ungefähr 130 Meter langen und 100 Meter brei- ten Komplex.

Die Anlage von Unteruhldingen (Bodenseekreis) wurde an der Seeseite durch Palisaden aus Eichen-, Buchen- und Erlenholz vor dem Wellenschlag geschützt. Die Baumstämme waren meistens nicht entrindet. Diese Palisaden hat man nach einer gewissen Zeit immer wieder erneuert. In zwei Phasen der Besiedlung wurden gleichzeitig eine innere Eichenreihe und eine äußere Weichholzreihe errichtet.

Die Häuser der Seeufersiedlung von Unteruhldingen sind in Zeilen angeordnet gewesen. Dieses Dorf am Bodensee exi- stierte mit Unterbrechungen etwa 120 Jahre lang. Es konn- ten drei übereinanderliegende Siedlungen mit einer Fläche

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Rekonstruktion der „Wasserburg“ bei Bad Buchau am Federsee in Baden-Württemberg aus der jüngeren Bauphase. Die Rekonstruktion stammt aus einer Publikation des damals in Berlin arbeitenden Prähistorikers Hans Reinerth (1900-1990)

von einem bis zwei Hektar nachgewiesen werden. Für die Pfosten der dortigen Häuser verwendete man fast in 90 Pro- zent der Fälle Eichenholz. Die Pfosten wurden rundum be- hauen.

Am Federsee bei Bad Buchau (Kreis Biberach) hat der zu- nächst in Tübingen und später in Berlin tätige Prähistoriker Hans Reinerth (1900-1990) in den Jahren 1920, 1928 und 1936 zwei Seeufersiedlungen der Urnenfelder-Kultur frei- gelegt, die aus unterschiedlicher Zeit stammen. Ihre Entdeckungsgeschichte begann damit, daß sich ein Land- wirt während der zwanziger Jahre in trockenen Perioden über ständig neu auftauchende Pfahlköpfe auf seiner Wiese är- gerte. Die Pfähle wurden durch Schrumpfung der austrock- nenden Schichten an die Oberfläche gepreßt.

Die Erkenntnisse Reinerths über die beiden Dörfer von Bad Buchau sind heute teilweise überholt. Er meinte, diese Siedlungen hätten auf einer Halbinsel oder Insel gelegen und seien rundum von Palisaden geschützt gewesen. Reinerth deutete beide Siedlungen irrtümlich als „Wasserburgen“ mit Wehrtürmen, Wehrgängen, Brücken, einem Herrengehöft und hufeisenförmigen Anwesen. Wie er sich die „Wasserburg“ vorstellte, veranschaulichen Rekonstruktionselemente im Freilichtmuseum Unteruhldingen.

1941 wies der Stuttgarter Prähistoriker Oscar Paret (1889- 1972) nach, daß die vermeintliche „Wasserburg“ nicht auf einer Insel, sondern inmitten eines Flachmoorgebiets nahe beim Federsee lag. Die angeblichen Palisaden definierte er nicht als Palisadenring mit Wehrgängen, sondern als Reste eines mehrfach ausgebesserten Dorfzaunes.

Heute geht man davon aus, daß die ältere Siedlung bei Bad Buchau aus der Zeit um 1100 v. Chr. aus 38 einräumigen und ebenerdigen Häusern bestand. Sie waren in Block- bauweise errichtet, hatten Flechtwände und verfügten über eine Wohnfläche von 16 bis 20 Quadratmetern. Ein größerer zweiräumiger Bau im Zentrum könnte dem Häuptling vorbehalten gewesen sein.

Als der Spiegel des Federsees stieg, befestigte man das nahe Seeufer mit einem Steinpflaster und schützte die Siedlung mit einer Palisade aus 15000 Pfählen, die teilweise als Wel- lenbrecher dienten. Zur Seeseite hin gab es drei Reihen von Palisaden, zur Landseite hin nur eine. Die Außen- und Innen- palisade wurden innerhalb von je vier Jahren errichtet.

Die jüngere Siedlung existierte um 900 v. Chr. Während dieses Abschnittes standen neun Häuser enger beieinander, und manche von ihnen waren zu U-förmigen Gehöften angeordnet. Flechtwände gliederten das Innere der Häuser in mehrere Räume. Das Dorf wurde bei einem Brand zerstört, vielleicht infolge eines Überfalls.

In den beiden Siedlungen bei Bad Buchau lebten vermutlich zeitweise bis zu 200 Menschen. Eine sechs bis acht Zenti- meter dicke Schicht verbrannten Getreides aus einem Ge- bäude der jüngeren Siedlung sowie Knochenreste von Haus- tieren weisen darauf hin, daß es sich um Bauern handelte. Wo die Einwohner ihre Toten bestatteten, weiß man nicht. Inselsiedlungen aus der Urnenfelder-Zeit sind von Säckin- gen (Kreis Waldshut) in Baden-Württemberg, von der Rosen- insel im Starnberger See (Kreis Starnberg) und im Altmühltal bei Kelheim (Kreis Kelheim) in Bayern sowie aus Groß- Rohrheim (Kreis Bergstraße) in Hessen bekannt. In Säckin- gen lag die Siedlung auf einer ehemaligen Rheininsel, heute wird das Gebiet von der Altstadt überzogen. Auf einer ehe- maligen Insel der Altmühl bei Kelheim befand sich ein mehr als 20 Meter langes Haus, das von zwei Palisaden umgeben wurde.

Die befestigten Höhensiedlungen („Burgen“) wurden teil- weise rundum von Ringwällen geschützt, mitunter aber nur an besonders gefährdeten Abschnitten durch Wälle abgesi- chert. In letzterem Fall spricht man von einer Abschnitts- befestigung. Nach den vielen Befestigungen der Urnenfelder- Kultur zu schließen, war diese Phase der Urgeschichte eine „große Zeit der Burgenbauer“. Die zahlreichen „Burgen“ spiegeln ein Schutzbedürfnis während Unruhezeiten wider. Zu den Befestigungen in Baden-Württemberg gehören die Fundorte Burgberg bei Burkheim (Kreis Breisgau-Hoch- schwarzwald), Dreifaltigkeitsberg bei Spaichingen (Kreis Tuttlingen), Runder Berg bei Urach (Kreis Reutlingen) und Zargenbuckel bei Aschhausen-Schöntal (Hohenlohekreis). Auf dem Lemberg bei Stuttgart-Weil im Dorf beispielswei- se hat man an den etwa 450 Meter voneinander entfernten Querseiten vier bis fünf Meter breite Abschnittswälle mit Graben davor errichtet.

Besonders viele befestigte Höhensiedlungen konnten in Bay- ern aufgespürt werden. Im Regierungsbezirk Schwaben lie- gen die Befestigungen Katzensteig bei Mergenthau (Kreis Aichach-Friedberg), auf dem Stadtberg von Neuburg und Stätteberg bei Unterhausen (beide im Kreis Neuburg- Schrobenhausen).

Die Befestigung auf dem Stätteberg bei Unterhausen wurde teilweise von der Donau und von der hier einmündenden Paar umflossen. Rund um die 300 Meter lange und 180 Meter breite Bergkuppe lag ein Wall, der Reste einer drei Meter dicken Mauer enthielt. Der Wall dürfte schätzungsweise 2,50 Meter hoch gewesen sein.

In Oberbayern befinden sich die Befestigungen Große Birg bei Kochel (Kreis Bad Tölz-Wolfsratshausen), in Niederbay- ern der Bogenberg bei Bogen (Kreis Straubing-Bogen), in der Oberpfalz der Schloßberg von Kallmünz (Kreis Regensburg).

Quer durch das 300 Meter lange und 110 Meter breite Pla- teau des Bogenberges bei Bogen verlief ein in den Fels eingetiefter, bis zu 3,50 Meter breiter Graben, zu dem ein Wall gehörte. Außerdem waren zwei urnenfelderzeitliche Wälle vorgelagert. Auch ein benachbartes Areal von 400 Meter Länge und l00 Meter Breite wurde von einem Wall geschützt.

Etwa 110 Meter hoch über der Vils und der Naab lag die Befestigung auf dem Schloßberg von Kallmünz. Die Hänge zu diesen beiden Flüssen hin waren besonders steil. Einen Kilometer von der äußersten Spitze entfernt wurde der Berg durch einen 800 Meter langen Wall abgeriegelt, der offenbar aus der frühen Urnenfelder-Zeit stammt.

Aus Mittelfranken sind die Befestigungen Gelbe Bürg bei Dittenheim (Kreis Weißenburg-Gunzenhausen) und Hes- selberg bei Wassertrüdingen (Kreis Ansbach) bekannt. Der Hesselberg bei Wassertrüdingen überragt seine Umge- bung um mehr als 200 Meter. Die auf seinem Plateau errich- teten Wälle dürften teilweise während der Urnenfelder-Zeit entstanden sein. Außer Resten von Holz-Erde-Mauern am Rand konnten dort auch Hausgrundrisse, Töpferöfen und eine Bronzegießerei festgestellt werden. 1939 wurde der Hesselberg sogar als „heiliger Berg der Franken“ bezeich- net.

In Oberfranken entdeckte man die Befestigungen Ehrenbürg bei Schlaifhausen (Kreis Forchheim) und Heunischenburg auf dem Wolfsberg bei Gehülz (Kreis Kronach). Auf dem 250 Meter hohen, mehr als 1,5 Kilometer langen und bis zu 350 Meter breiten Berg Ehrenbürg (im Volks- mund Walberla genannt) bei Forchheim thronte in der Urnen- felder-Zeit vermutlich eine stadtähnliche Siedlung. Deren Bewohner haben eine große Menge Keramik, viele Bronze- objekte und drei Depots mit Zierteilen von Pferdegeschirr (Phaleren) hinterlassen. Zahlreiche Halbfabrikate und ein Gußtiegel weisen auf die Herstellung von Bronzegeräten hin. Die Größe der Höhensiedlung, Funddichte und -qualität so- wie die Bronzewerkstätten belegen nach Ansicht des Aus- gräbers Björn-Uwe Abels aus Bamberg, daß es sich um ein bedeutendes politisches und wirtschaftliches Zentrum han- delte.

Den Bewohnern der Heunischenburg bei Gehülz oblag im 10. und 9. Jahrhundert v. Chr. wohl der Schutz einer wichti- gen Verkehrsverbindung in den Osten Oberfrankens. Wo Steilhänge auf natürliche Weise die Befestigung sicherten, hatte man nur eine Palisade errichtet. Dagegen wurde die ungeschützte Flanke durch eine 110 Meter lange, 2,60 Me- ter breite und 3,50 Meter hohe Steinmauer abgeriegelt, die in einer etwa 30 Meter langen Torgasse endete. Der Mauer war eine 3,60 Meter breite und einen Meter hohe Steinan- häufung (Berme) vorgelagert.

Eine nahe dem Tor angelegte, einen Meter breite Ausfall- pforte (Poterne), über die man einen Holzturm gesetzt hatte, erlaubte es den Verteidigern, etwaige in die Torgasse drän- gende Angreifer auch von hinten unter Beschuß zu nehmen. Als Vorbild für die Ausfallpforte auf der Heunischenburg könnten Poternen von Burgen im Mittelmeergebiet gedient haben.

Noch im Mittelalter wirkte die Heunischenburg so eindrucks- voll auf die damaligen Menschen, daß diese ihre Erbauer irrtümlich für sagenhafte Hünen oder die Hunnen hielten. Darauf ist ihr Name zurückzuführen. Brandspuren und mehr als 100 bronzene Pfeilspitzen werden als Indizien einer krie- gerischen Auseinandersetzung erachtet, die nach Ansicht des Prähistorikers Björn-Uwe Abels die ganze Befestigung als eine Art Garnison erscheinen lassen.

In Unterfranken liegen die Befestigungen Bullenheimer Berg bei Bullenheim (Kreis Kitzingen) und Großer Knetzberg (Kreis Haßberge).

Auf dem 1200 Meter langen und maximal 400 Meter breiten Bullenheimer Berg, der seine Umgebung um etwa 50 Meter überragt, gliederten drei quer verlaufende Wälle die Berghochfläche an ihrer schmalsten Stelle. Die acht Meter langen und vier Meter breiten Häuser der Siedlung standen an der Innenseite der Wälle. Ackerbau wurde wohl in der Umgebung des Berges betrieben.

Von den Befestigungen im Saarland ist diejenige auf dem Großen Stiefel bei Sankt Ingbert (Saar-Pfalz-Kreis) besonders erwähnenswert. Dieser Berg verdankt seiner stiefelähnlichen natürlichen Gestalt den Namen.

In Rheinland-Pfalz gab es neben anderen die Befestigungen auf dem Dommelberg bei Koblenz und auf dem Langenberg bei Ernzen (Kreis Bitburg-Prüm).

Auf dem zwischen dem Rhein und der Mosel gelegenen Dommelberg bei Koblenz konnten mehrteilige Wallanlagen festgestellt werden. Den Wall sicherte zusätzlich ein 7,50 Meter breiter und fünf Meter tiefer Graben. Auf dem Langen- berg bei Ernzen zeugen verkohlte Eichenholzbalken von ei- ner Brandkatastrophe.

Aus Hessen kennt man die Befestigungen auf dem Bleibeskopf bei Bad Homburg (Hochtaunuskreis), dem Glauberg bei Glauburg (Wetteraukreis) und dem Haimberg bei Haimbach (Kreis Fulda).

Auf dem Glauberg umgab der entlang des Randes verlau- fende Wall eine Fläche von etwa 20 Hektar. Der Wall be- steht aus einer von innen leicht ansteigenden Erdrampe, die an der Außenfront durch eine Trockenmauer aus Basalt- steinen gehalten wird. Bei Grabungen auf dem Glauberg und dem Haimberg stieß man auf Steinfundamente von Häusern. Aus Thüringen sind die beiden Befestigungen auf den Gleich- bergen bei Römhild (Kreis Meiningen) bekannt. Davon ist vermutlich diejenige auf dem Großen Gleichberg die ältere und jene auf dem Kleinen Gleichberg (Steinsburg genannt) die jüngere.

Der Schutz der Befestigung auf dem Großen Gleichberg bestand aus einer 2,50 Meter breiten Mauer („Rentmauer“), deren einstige Höhe sich nicht mehr ermitteln läßt. Bei die- ser Mauer handelte es sich um eine zyklopische Fassade mit großen Basaltblöcken, die mit Geröll hinterschüttet und in- nen durch Pfosten abgestützt wurde. Die Befestigung auf dem Kleinen Gleichberg war vermutlich von einer Ringmau- er aus aufgeschichteten Basaltsteinen umgeben.

Manche der befestigten Höhensiedlungen wurden durch Feuersbrünste zerstört. Das war bei den Befestigungen Buigen bei Herbrechtingen und auf dem Burgberg nahe Burkheim in Baden-Württemberg, bei der Heunischenburg auf dem Wolfsberg in Bayern und auf dem Langenberg bei Ernzen in Rheinland-Pfalz der Fall.

Zur Inneneinrichtung der Häuser auf dem Bogenberg bei Bogen gehörten runde zwei- und einschichtige Backherdplatten mit Wulstrand aus Lehm. Ein schadhaft gewordener Backherd wurde dicht mit Scherben belegt und durch einen zweiten Lehmestrich erneuert.

In vier Häusern der Flachlandsiedlung Straubing-Öberau in Bayern fanden sich an der Ostwand schmale, längliche Gru- ben, in denen einst Webstühle standen. Webstuhlgruben kennt man auch von den Fundorten Straubing-Kreuzbreite und Künzing-Umspannwerk (Kreis Deggendorf). Der größte Webstuhl der späten Urnenfelder-Zeit wurde in der westlichen Steiermark ausgegraben.

Die Bewohner der Siedlung von Straubing-Öberau haben ihr Trinkwasser aus einem Brunnen geschöpft, der von auf- recht stehenden Brettern eingefaßt war. Im Gegensatz dazu bestanden die Brunnen von Berlin-Lichterfelde, Budense (Dänemark) und Sankt Moritz (Schweiz) aus ausgehöhlten Baumstämmen.

Reste von Getreidekörnern und Hülsenfrüchten sowie bron- zene Sicheln und Mahlsteine belegen Ackerbau. Anhand von Funden konnten die Getreidearten Gerste (Hordeum vulgare), Nacktgerste (Hordeum vulgare var. nudum), Emmer (Tri- ticum dicoccon), Saatweizen (Triticum aestivum), Rispen- hirse (Panicum miliaceum), Dinkel (Triticum spelta) und Zwergweizen (Triticum aestivum ssp. compactum) sowie die Hülsenfrüchte Ackerbohne (Vicia faba) und Linse (Lens culinaris) nachgewiesen werden. Manche Experten meinen, der Ackerbau sei im Vergleich zur Hügelgräber-Bronzezeit während der Urnenfelder-Zeit intensiver betrieben worden. In einer Siedlungsgrube von Graben (Kreis Augsburg) in Bayern fanden sich Reste von Gerste, Emmer, Rispenhirse, Dinkel und Linse. Aus Butzbach (Wetteraukreis) in Hessen sind Emmer, Zwergweizen, Saatweizen, Nacktgerste und Gerste belegt.

Für die Getreideernte bestimmte bronzene Sicheln wurden vor allem in Depots geborgen. Mahlsteine zum Zerquetschen der Getreidekörner kamen in der Siedlung von Straßkirchen (Kreis Straubing-Bogen) und in einem Grab von München- Englschalking zum Vorschein. Ersterer ist 45 Zentimeter lang und 20 Zentimeter breit, letzterer 50 Zentimeter lang und 33 Zentimeter breit.

Knochenfunde in Siedlungen und Gräbern beweisen die Haltung von Rindern, Schafen, Ziegen, Schweinen und Pfer- den als Haustieren. Die Bewohner der Siedlung von Gauting (Kreis Starnberg) in Bayern besaßen Rinder, Schafe oder Ziegen und Schweine, diejenigen von Greißing (Kreis Straubing-Bogen) in Bayern hatten Pferde, Schweine und Rinder.

Zwei Gräber aus Grünwald (Kreis München) enthielten Knochen vom Schaf und Schwein. In einem Grab von Gern- linden (Kreis Fürstenfeldbruck) lagen Tierknochen vom Schaf oder von der Ziege und vom Rind. In einem Grab von Altessing (Kreis Kelheim) fanden sich Schienbeinknochen vom Kalb.

Im Steinkistengrab von Bad Nauheim (Wetteraukreis) in Hessen stieß man auf Knochen von der Ziege oder vom Schaf und vom Schwein. In einem Grab von Dietzenbach (Kreis Offenbach) in Hessen wurden Knochen vom Schwein und vom Rind zutage gefördert. Hügelgräber bei Marburg enthielten Knochen von jungen Schweinen, vom Schaf, aber auch vom Reh (Capreolus capreolus).

Bronzene Angelhaken aus Gräbern weisen auf gelegentlichen Fischfang hin. Solche Funde glückten in Altensittenbach und Obernau (Kreis Aschaffenburg), Thann (Kreis Kelheim) in Bayern sowie Kobern (Kreis Mayen-Koblenz) in Rheinland-Pfalz. Vielleicht hatten die Toten, in deren Gräbern Angelhaken zum Vorschein kamen, eine besondere Beziehung zum Fischfang.

Ein ganzer mit auf dem Scheiterhaufen verbrannter Rothirsch (Cerphus elaphus) aus einem Hügelgrab bei Marburg in Hessen sowie bearbeitete Geweihstücke aus Merzingen und Mönchsdeggingen (Kreis Donau-Ries) in Baden-Württem- berg lassen auf Hirschjagd schließen. Auch Braunbären (Ursus arctos) sind gelegentlich zur Strecke gebracht worden. Das verraten je eine Bärenkralle aus Graben (Kreis Augsburg) in Bayern, vom Martinsberg bei Bad Kreuznach in Rheinland-Pfalz und ein Bärenreißzahn aus Hoppingen (Kreis Donau-Ries).

Einen kleinen Einblick in die Ernährungsgewohnheiten der Urnenfelder-Leute erlauben Funde aus der Siedlung von Rückersdorf (Kreis Nürnberger Land) in Bayern. Dabei han- delt es sich um verkohlten Hirsebrei aus Rispenhirse, Reste von Leinsamen (Linum usitatissimum), Spuren von Leinöl an einer Keramikscherbe sowie andere Fragmente mit Spu- ren von Emmerschrotmehl und zerstoßenem Samen der Ackerbohne.

Nach Erkenntnissen des Berner Brotforschers Max Währen wurde das Brot ab der Urnenfelder-Zeit luftiger, ohne sein Aussehen zu verändern. Brot diente damals nicht nur den Lebenden als Nahrung, sondern auch den Göttern als Opfer und als Grabbeigabe für Tote. Im bayerischen Bellenberg (Kreis Neu-Ulm) wurde eine Jugendliche mit auf ihrem Leichnam abgelegtem Brot auf dem Scheiterhaufen ver- brannt. Reste dieses Brotes konnten zusammen mit Knochen- und Holzasche an zwei Scherben der tönernen Urne ermit- telt werden.

Verkohlte Früchte aus der Siedlung vom Martinsberg in Bad Kreuznach deuten auf Verzehr von Eicheln (Quercus robur) und Wildäpfeln (Malus sylvestris) hin. Die Gefäße im Wagengrab von Hart an der Alz (Kreis Altötting) in Bayern haben Wein oder ein anderes alkoholisches Getränk enthal- ten, das man mit aromatischen Pflanzen versetzte und beim Gelage abschöpfen mußte. In der Siedlung von Straßkirchen (Kreis Straubing-Bogen) in Bayern wurde das Fleisch von Flußmuscheln verzehrt.

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Ende der Leseprobe aus 120 Seiten

Details

Titel
Die Urnenfelder-Kultur
Untertitel
Eine Kultur der Bronzezeit vor etwa 1300/1200 bis 800 v. Chr.
Autor
Jahr
1996
Seiten
120
Katalognummer
V93166
ISBN (eBook)
9783640105526
ISBN (Buch)
9783640111732
Dateigröße
3494 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Urnenfelder-Kultur
Arbeit zitieren
Ernst Probst (Autor:in), 1996, Die Urnenfelder-Kultur, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93166

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