Industrialisierung, Importsubstitution, Exportorientierung als Entwicklungsstrategie für Brasilien?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

25 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Theoretischer Hintergrund
1.1. Importsubstitution, Exportorientierung und die Klassische Nationalökonomie
1.2. Die Terms of Trade und die Prebisch-Singer-These:

2. Geschichtlicher Hintergrund
2.1. Brasilianische Wirtschaftsgeschichte:
2.2. Historischer Vergleich: Industrialisierung in Brasilien und in Ostasien

3. Brasilien im Zeitalter der Globalisierung

Fazit und Ausblick

Literatur:

Einleitung

Im Zeitalter der Globalisierung ist die Frage nach der Haltung eines Landes zum interna-tionalen Handel von entscheidender Bedeutung in Bezug zu dessen wirtschaftlichen Ent-wicklungsprozess (vgl. Samuelson, S.814).

Ist es sinnvoll für ein Land wie Brasilien sich um wirtschaftliche Autarkie zu bemühen, indem es Importe durch einheimische Produkte ersetzt? Oder soll das Land versuchen seine Importe durch gesteigerte Effizienz, Wettbewerbsfähigkeit und (geförderte) Exporte zu bezahlen?

Welche Ziele sollen diese Ansätze verfolgen?

Eine Theorie, die lange Zeit die Entwicklungsforschung dominierte, ist der Ansatz der Mo-dernisierung / der nachholenden Entwicklung. Dieser vertritt im Wesentlichen die Vision einer späten Industrialisierung mit der Möglichkeit des volkswirtschaftlichen Fortschritts nach Vorbild der (westlichen) Industrienationen. Brasiliens Rolle und Potential mag jedoch auch traditionell insbesondere in der Primärgüter- bzw. Landwirtschaft liegen, wie Bergbau, Zuk-kerrohr- und Sojaanbau oder Rinderhaltung im Land zeigen könnten. Man sollte weiterhin schauen ob nicht das Nebeneinander zweier Charakteristika mit Kausalzusammenhängen verwechselt wird, denn es ergibt sich die Frage:

Ist die Industrialisierung Grund oder Folge des Reichtums der Industrienationen? Ist Indu-strialisierung nicht vielmehr „kapitalintensiv, zieht Arbeitsplätze vom Land ab […] in die überfüllten Städte und bewirkt häufig eine hohe Arbeitslosigkeit“ (Samuelson, S.814)? Wo liegen heute also wirtschaftliche Entwicklungspotentiale an denen breite Bevölkerungs-gruppen teilhaben können?

Im Folgenden soll vor diesem Hintergrund untersucht werden, welche Antworten Theorien, die neuere Wirtschaftsgeschichte Brasiliens und die aktuelleren wirtschaftspolitischen Entwicklungen liefern können.

1. Theoretischer Hintergrund

1.1. Importsubstitution, Exportorientierung und die Klassische Nationalökonomie

Man unterscheidet in absolute und relative Importsubstitution (IS). Das Importvolumen kann also absolut sinken oder es kann relativ zum Exportvolumen geringer wachsen (vgl. Bae, S.12). Somit wäre ein überdurchschnittliches Wachstum eines Sektors bei internationaler Konkurrenz auch IS. Es kann durch rein marktwirtschaftlich bedingte Umstände zu IS kommen. Beispielsweise erhöht sich die Binnennachfrage durch Lohnsteigerungen, was wiederum zur Stärkung der Binnenwirtschaft führt, welche dann erfolgreich in Konkurrenz zu Importeuren treten kann.

IS als Entwicklungsinstrument zielt darauf ab importierte Ware durch Produkte zu ersetzen die im Inland hergestellt wird. Hierdurch erreicht man die Steigerung eigener Produktion / Industrialisierung und verspricht sich weitere Diversifizierung und ein größeres Maß an Unabhängigkeit von anderen Staaten (vgl. Strauch, S.13, An Chen, S. 49 und Samuelson, S. 790). Importsubstitution dient also vornehmlich zunächst dem Aufbau / der Versorgung des Binnenmarktes. Diese Form der IS ist hervorgerufen durch wirtschaftspolitische Maßnahmen und nutzt die Mittel tarifärer und diverser nicht tarifärer Handelshemmnisse. IS kann weiter-hin zu einer relativen Erhöhung der Devisenbestände durch weniger Importe führen (vgl. Hemmer, S.509f). Jedoch kann ein Rückgang an Importen zu einem Kursgewinn der Währung des jeweiligen Landes führen, was sich wiederum negativ auf seinen Export auswirkt (vgl. Samuelson, S. 768). Es liegt also nahe, durch eine Währungsabwertung den Export weiter zu fördern. Dieser Protektionismus kann bei einer späteren Exportorientierung helfen (vgl. Samuelson, S.802). Tarifäre Hemmnisse wie Zölle stellen eine Einnahmequelle für Staaten dar, mit der beispielsweise ebenfalls der Export gefördert werden kann. Jeglicher Zoll führt jedoch zu einer volkswirtschaftlichen Ineffizienz, der volkswirtschaftliche Verlust für die Konsumenten übertrifft die Einnahmen des Staates zuzüglich der Zugewinne der Produzenten (vgl. Samuelson, S. 791). Dieser kann jedoch durch Steuern versuchen dem Ziel einer Finanz-/ Ressourcen-/ Chancen-Gleichverteilung näher zu kommen bzw. seine gewählte Rolle stärker wahrzunehmen. Importbeschränkungen der Menge (nicht tarifär) nutzen vor allem den auserwählten Importeuren, wirken sich ansonsten jedoch aus wie Zölle. Neben wirtschaftlichen Erwägungen und dem Einfluss von Interessensgruppen (z.B. europäische Agrarlobby) spielen auch normative Prinzipien zugunsten anderer nationaler Ziele (sichere Eigenversorgung mit Nahrungsmitteln / Energie) eine Rolle. Ebenso gibt es auch viele Handelshemmnisse nicht tarifärer Art beispielsweise durch eine ineffiziente Bürokratie, hierauf soll jedoch nicht weiter eingegangen werden.

Die Evaluation der genannten IS-Maßnahmen stellt sich als schwierig dar, aufgrund der vielen Faktoren, die das Wachstum nationaler Wirtschaftskraft bedingen. Der Import wird außerdem u.a. beeinflusst durch:

- die eigene, mit den Importen konkurrierende Wirtschaft, die wiederum durch Export von äußeren Faktoren abhängen kann,
- die Änderungen des Einkommens und des Bevölkerungswachstums,
- Veränderungen der Binnennachfrage und des (verschiedenartigen) Wachstums der Wirtschaftssektoren.

(vgl. An Chen, S.50).

Die Exportorientierung /-förderung hingegen versucht die Devisenbilanz zu verbessern, indem auf dem Weltmarkt durch den Export von Produkten Devisen erwirtschaftet werden (vgl. Hemmer, S.509f). Auch sie hat den Aufbau einer eigenen Industrie zum Ziel, deren Gewinne wiederum Importe finanzieren können. Solch eine Industrie kann auch die Ver-sorgung des Binnenmarktes übernehmen. Dies wird gefördert durch finanzielle Vorteile, Aufkauf durch den Staat, Freihandelszonen, ein Embargo strategischer Exporte anderer Länder oder auch die Errichtung von Exportproduktionszonen (auch Gesetzgebung) (vgl. Dicken, S. 132). Wie bereits erwähnt, hat auch eine Abwertung der eigenen Währung einen positiven Effekt auf den Export (vgl. Dicken, S. 132). Solch eine Exportorientierung kann bei einem nicht ausreichend starken Binnenmarkt sinnvoll sein, weiterhin ermöglicht sie Devisen ins Land zu holen, mit denen Importe finanziert werden können. Auch der Export ist jedoch abhängig von verschiedenen Faktoren im Weltmarktgeschehen.

Der IS-Politik wird im Allgemeinen ein eher handelspessimistischer Charakter zugewiesen im vergleich zur Exportförderung (vgl. Bruton, S.903-936; S.904). Ziele einer aktiven IS-Politik aber auch der Exportförderung widersprechen jedoch beide der „unerschütterlichen Grundlage des internationalen Handels“, der Analyse des komparativen Vorteils nach David Ricardo, aus dem Jahr 1817, bzw. legen diesen einseitig aus.

„Das Prinzip des komparativen Vorteils besagt, dass jedes Land davon profitiert, wenn es sich auf Produktion und Export jener Güter spezialisiert, die es zu relativ geringen Kosten produ-zieren kann (bei denen es relativ effizienter ist als in anderen Ländern); und ebenso profitiert auch jedes Land davon, wenn es die Güter importiert, die es zu relativ hohen Kosten produ-zieren müsste (bei denen es relativ wenig effizient ist als andere Länder).“ […] „Länder die auf ihren komparativen Vorteil verzichten, zahlen dafür einen hohen Preis in Form eines zu niedrigen Lebensstandards und suboptimalen Wirtschaftswachstums.“

(Samuelson, S.779 und 787).

Im Umkehrschluss ist also jegliche Manipulation dies Austausches ineffizient bzw. mindert den Wohlfahrtseffekt aller. Hierzu ist jedoch anzumerken, dass nicht unterschieden wird in wiefern die Eigenproduktion gewisser Produkte anzustreben ist, um langfristigen wirtschaft-lichen Erfolg zu erreichen indem z.B. Technologien gefördert werden.

Hauptmanko der Analyse des komparativen Vorteils ist jedoch die Annahme einer problemlos funktionierenden Wettbewerbswirtschaft mit flexiblen Preisen und Löhnen ohne unfreiwillige Arbeitslosigkeit. „Befindet sich eine Wirtschaft in einer Phase der Depression oder funk-tioniert sie schlecht, können wir nicht mit Sicherheit davon ausgehen, dass betroffene Länder durch Außenhandel profitieren, oder dass die Theorie des komparativen Vorteils auf jeden Fall zutrifft.“(Samuelson, S.786-787).

Letztlich können (nach neokeynesianischer Schule) aber nur drei Argumente für Protektionismus bzw. Zölle aktuellen ökonomischen Theorien standhalten:

a) „Die Terms of Trade oder ein Optimalzoll können prinzipiell die Realeinkommen eines großen Landes auf Kosten seiner Handelspartner anheben.“ Ein Optimalzoll maximiert die heimischen Realeinkommen indem der durch Senkung der inländischen Nachfrage nach den Importen letztlich den Weltmarktpreis drückt und so die Terms of Trade zu Gunsten der heimischen Wirtschaft und zu Ungunsten anderer verschiebt („Beggar-Thy-Nabor“-Politik). Dies ist jedoch nur möglich bei Ländern / Märkten mit entsprechender Größe und Bedeutung.
b) „In einer Situation der Arbeitslosigkeit können Zölle eine Wirtschaft in Richtung eines höheren Beschäftigungsstandes bringen [Binnenmarkt wächst], aber eine gezielte Geld- oder Fiskalpolitik könnte dasselbe Beschäftigungsziel mit geringeren Effizienz-verlusten als die genannten „Beggar-Thy-Nabor“-Politik erreichen.“
c) „Bisweilen benötigen „junge Branchen“ vorübergehend Schutz, damit sie einen langfristigen komparativen Vorteil entwickeln können.“

(Samuelson, S.802).

1.2. Die Terms of Trade und die Prebisch-Singer-These:

Die Terms of Trade (ToT) beschreiben das Verhältnis von Export- zu Importpreisen. Sie werden häufig auch als „realer Wechselkurs“ bezeichnet. Nach der These von Raúl Prebisch und Hans Wolfgang Singer (1949) kommt es für Entwicklungsländer zu einer „säkulären Verschlechterung der ToT“, womit „eine Kritik der klassisch-liberalen Außenhandeltheorie und ihre Grundkonzepts der komparativen Vorteile“ vorgenommen wurde. „Im CEPAL-Bericht von 1949 führte er [Prebisch] das Konzept eines industrialisierten, hegemonialen Zentrums und einer agrarischen, abhängigen Peripherie als Modell zum Verständnis der internationalen Arbeitsteilung“ ein (Nohlen 1999). An seinen Überlegungen sollte später sich die Dependenztheorie entwickeln.

„Unter Zugrundelegung des Zentrum-Peripherie-Modells stellte Prebisch die These auf, der Handelsaustausch zwischen Industrie- und Entwicklungsländern verlaufe ungleich mit dem Ergebnis, dass vor allem die Länder des Zentrums davon profitierten. Ausschlaggebend dafür seien die ToT, die Austauschbeziehungen, die sich über längere historische Zeiträume hinweg zu Ungunsten der Peripherie [E.L.] entwickelt hätten“ (Bernecker, S.250). Begründet wurde die zwangsläufige Verschlechterung mit der unterschiedlichen Preiselastizität von Primär- und Industriegütern und der Ungleichheit im Prozess der Verbreitung des technischen Fortschritts.

Folgende Faktoren führen nach Prebisch zu einer Ausbeutung der E.L.:

1. „Die Preiselastizität der Nachfrage in den Entwicklungsländern nach Industriewaren liege unter jener der Nachfrage in den Industrieländern nach Primärgütern (d. h. bei steigenden Preisen sinke die Nachfrage der Industrieländer nach Primärgütern stärker als die Nachfrage der Entwicklungsländer nach Industriegütern).“
2. „Die Annahme von Konkurrenzpreisen gelte allenfalls für die Primärgüter (so dass die Entwicklungsländer ihre Produktivitätsfortschritte in Form sinkender Preise an die Verbraucher in den Industrieländern weitergäben), nicht aber für die Industriewaren der Industrieländer (deren Produktivitätsfortschritte von den ebenso rasch steigenden Löhnen aufgefangen würden), so dass die Entwicklungsländer für ihre Importwaren monopolistisch überhöhte Preise zu zahlen hätten. Die Industrieländer monopolisierten folglich für sich die Früchte des technischen Fortschritts.“
3. „Die Nachfrage nach Rohstoffen steige langsamer als die nach Industrieprodukten.“

[...]

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Industrialisierung, Importsubstitution, Exportorientierung als Entwicklungsstrategie für Brasilien?
Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel  (Geographisches Institut, AG Stadt- und Bevölkerungsgeographie)
Veranstaltung
Brasilien Exkursion mit Prof. Dr. Wehrhahn
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
25
Katalognummer
V93131
ISBN (eBook)
9783638064071
Dateigröße
743 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Außgezeichnete Arbeit mit umfangreicher Literaturliste und zahlreichen Grafiken und Daten und Theoretischem Hintergrund.
Schlagworte
Industrialisierung, Importsubstitution, Exportorientierung, Entwicklungsstrategie, Brasilien, Exkursion, Prof, Wehrhahn
Arbeit zitieren
Jan-Niklas Bamler (Autor:in), 2008, Industrialisierung, Importsubstitution, Exportorientierung als Entwicklungsstrategie für Brasilien?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93131

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