Die athenische Volksversammlung


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

22 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung in das Thema

2. Die athenische Volksversammlung
2.1 Aufbau der Volksversammlung
2.1.1 Tagungsorte
2.1.2 Form und Organisation
2.1.2.1 Teilnahmebedingungen und soziale Zusammensetzung
2.1.2.2 Besoldung
2.1.2.3 Der Vorsitz
2.1.2.4 Die Tagesordnungen und die Versammlungsplanung
2.1.2.5 Abstimmungen
2.2 Kompetenzen
2.3 War die Volksversammlung souverän?

3. Zusammenfassung

4. Quellen- und Literaturverzeichnis

1. Einführung in das Thema

Zur athenischen Volksversammlung (auch: „Ekklesia“ - Versammlung der „Ekkletoi“, der Herausgerufenen[1] ) besitzen wir einige zeitgenössische Quellen, die Aussagen über sie machen. Dazu gehören Schriften von Thukydides, Aristophanes, Aristoteles, und auch überlieferte Vorträge attischer Redner wie Demosthenes. Aus deren Zeugnissen, sowie auch aus Quellen späterer Autoren kann man den Aufbau, den Ablauf und Gegenstände der Ekklesia, sowie ihre Position im Verfassungsgefüge der Polis Athen rekonstruieren und verstehen. Denn es gab keine geschriebene Verfassung, die man nachträglich analysieren könnte. Die Volksversammlung war das zentrale Organ der athenischen Demokratie, in dem das Volk (auch: „demos“[2] ) über seine Angelegenheiten debattieren, entscheiden und lenken konnte. Mit den Reformen des Kleisthenes wurde der Bürgerstaat durchgesetzt, alle staatliche Macht lag von da an in der Hand des Volkes, nicht mehr bei einem Alleinherrscher oder den Aristokratenclans.[3]

Ziel dieser Arbeit ist, die wesentlichen Details herauszuarbeiten, die elementar für das Verständnis der athenischen Ekklesia sind. Dabei soll ein möglichst umfassendes Bild der Volksversammlung gezeichnet werden. Der Aufbau und das Funktionieren dieser Einrichtung stehen dabei im Vordergrund. Hinzu kommt ein Blick auf die Frage nach der Souveränität der Volksversammlung in der athenischen Politik. Dabei geht es auch darum, vom Blick auf Einzelheiten und Zusammenhänge auf der Ebene der Ekklesie wegzukommen, einen Perspektivwechsel vorzunehmen, und das Thema in einen etwas größeren Zusammenhang einzubetten, nämlich auf der Ebene des athenische Verfassungsgefüges des fünften und vierten Jahrhunderts vor Christus.

2. Die athenische Volksversammlung

2.1 Aufbau der Volksversammlung

2.1.1 Tagungsorte

Die Volksversammlungen der gesamten Polis fanden in der Stadt Athen statt. Der Hauptversammlungsort war zumeist die Pnyx, aber man hat sich auch im Dionysostheater, im Hafen Piräus, und auch auf der Agora oder im Lykeion[4] getroffen.

Zuerst zur Agora: Der ausgewiesene Kenner der athenischen Volksversammlung, Mogens Herman Hansen, hat sich auch mit der Frage beschäftigt, ob die Ekklesia auch auf der Agora stattgefunden haben könnte. In seiner Darstellung beschrieb er die Quellenlage zu dieser Frage als ziemlich schlecht, er führte vier Quellen auf, die man für dieses Thema benutzen kann. Bei Plutarch gibt es zwei Stellen, an denen jeweils Solon und Peisistratos vor den Athenern in der Agora auftraten. Man kann also davon ausgehen, dass man sich in archaischer Zeit auf der Agora versammelte, noch nicht auf der Pnyx, die wohl erst später gebaut wurde. Die anderen Quellen beschreiben beziehungsweise nennen Zusammenkünfte auf der Agora, zum Beispiel als die Athener nach der Niederlage bei Munichia die Regierung der ‚Dreißig‘ absetzten, genannt von Aristoteles, oder dass ein Ostrakismos auf der Agora stattfand, wie man bei Philochorus und Plutarch finden kann.[5] Hansen betrachtete diese Quellen natürlich kritisch, vermutete zum Beispiel, dass die Versammlung, in der die Herrschaft der Dreißig beendet wurde, in eine Zeit des Umbaus der Pnyx gefallen ist. Dass aber das Ostrakismos auf der Agora stattfand, wurde von ihm nicht bezweifelt. Allerdings war diese Art der Versammlung eine außerordentliche, an der nichts ausser der Abstimmung durchgeführt wurde, also keine Debatten stattfanden, keine verschiedenen Tagesordnungspunkte festgelegt waren. Auch weil in allen anderen Quellen nie die Agora als Versammlungsort der klassischen Zeit erschien, die Pnyx sogar als das Symbol der athenischen Demokratie gehandelt wurde, kann man davon ausgehen, dass der Marktplatz zwar in archaischer Zeit als Ort für die Ekklesia gedient hat, aber in klassischer Zeit (normalerweise) durch die Pnyx ersetzt wurde, und nur für das Ostrakismos als außergewöhnlicher Versammlungsort diente.[6] Bleicken vermutete als Grund für den Umzug der Ekklesia, dass die Agora im Zuge des Anwachsens der Zahl der politisch berechtigten Bürger zu klein für die Masse der Teilnehmer geworden war, und man deshalb auf den Nymphenhügel auswich, um dort die Mehrheit der Versammlungen abzuhalten.[7]

Der niedrige Nymphenhügel war der Boden, auf dem die Pnyx erbaut wurde. Man konnte im Zuge der Ausgrabungen drei Phasen rekonstruieren, wie die Pnyx ausgesehen haben muss. In der ersten Phase mussten die Teilnehmer auf dem felsigen Boden Platz nehmen, an der Nordseite muss sich das ‚bema‘ befunden haben, der Ort an dem der Redner stand. Die Gesamtfläche der Pnyx I (man teilt allgemein die Baugeschichte in die Phasen Pnyx I (ca. 460-400), II (ca. 400-340) und III (nach ca. 340) ein) betrug ungefähr 2.400 m². Die grob geglättete Fläche war nur durch Linien und durch den leicht abfallenden Hügel begrenzt. Wenn man annimmt, dass eine Person ungefähr 0,4 m² Platz benötigt, kann man errechnen, dass sich ungefähr 6.000 Leute auf der Pnyx I versammeln konnten. Auf der Pnyx II hatte die Fläche von nun 2.600 m² bis zu 3.200 m² eine leichte Neigung von Nordosten nach Südwesten, wo sich der Redner befand. Die Zuschauer saßen möglicherweise auf Bänken, der Zugang zum nun begrenzten Versammlungsort erfolgte über Treppen. Für die Pnyx III wurde die Fläche noch einmal auf geschätzte 5.500 m² erweitert, so dass über 13.500 Menschen Platz finden konnten. Die neue Rednerbühne wurde aus dem Fels herausgearbeitet, man begann Säulenhallen zu errichten. Der Wert der Volksversammlung für die Athener kann an den architektonischen Mühen geschätzt werden, die sie in ihren Versammlungsort investierten.[8]

Die Ekklesia trat nicht auf der Pnyx zusammen, wenn es um Marineangelegenheiten ging. Dann traf man sich im Piräus, dem Hafen von Athen. In der Zeit der Dionysosfestspiele, den Dionysien versammelte man sich im Dionysostheater. Nachdem es von Lykurg neu gebaut worden war, ersetze das Dionysostheater ab ca. 300 die Pnyx vollständig als Versammlungsort.[9]

2.1.2 Form und Organisation

2.1.2.1 Teilnahmebedingungen und soziale Zusammensetzung

In der „Athenaion Politeia“ von Aristoteles heißt es über das Bürgerrecht in Athen: „μετέχουσιν μὲν τῆς πολιτείας οἱ ἐξ ἀμφοτέρων γεγονότεϛ ἀστῶν, ἐγγράφονται δ᾿ εἰς τοὺς δημότας ὀκτωκαίδεκα ἒτη γεγονότεϛ.“[10] Diese Punkte stellten die unverzichtbaren Grundvoraussetzungen dar, um athenischer Bürger zu sein. Dass beide Eltern athenische Bürger sein müssen, wie es Aristoteles berichtete, geht auf das Bürgerrechtsgesetz von 451/50 zurück. Die jungen Männer, die unter diese Kriterien fielen, konnten aber in der Praxis nicht sofort an einer Ekklesia teilnehmen, da sie einen zweijährigen Wehrdienst, in dem sie im Kampf mit den damals üblichen Waffen, wie dem Bogen, Speer, auch dem Katapult ausgebildet wurden, wie Aristoteles bezeugte. So dauerte es nochmals zwei Jahre bis sie auch in der Praxis zu den Bürgern gehörten.[11] Dieser Wehrdienst ist wohl 403/402, spätestens aber in den 370er Jahren in Athen eingeführt worden, und verhinderte durch die Inanspruchnahme der jungen Männer deren Teilnahme an der Volksversammlung.[12] Die Zahl der Bürger kann man nur schätzen. Sie lag wohl 431 auf ihrem Höhepunkt bei ungefähr 40.000, sank aber in der Folgezeit ab, bis auf möglicherweise 25.000.[13]

Das Bürgerrecht war die theoretische Voraussetzung, um an der athenischen Demokratie aktiv teilzuhaben. Anderen sozialen Gruppen war es verwehrt, an der Ekklesia teilzunehmen. Dazu gehörten Frauen, Metöken, Fremde, Sklaven, sowie die sogenannten ‚atimoi‘, also Bürgern, denen das Bürgerrecht wegen eines Vergehens (zum Beispiel Steuerschulden) aberkannt worden war. Bemerkenswert ist dabei, dass der Zutritt oder die Gewichtung der Stimmen nicht nach Vermögen oder sozialem Stand gegliedert war, und deshalb alle Bevölkerungsgruppen theoretisch zumindest die Chance hatten, in einer repräsentativen Mischung proportional zu den real existierenden Schichtungsverhältnissen vertreten zu sein.[14]

[...]


[1] vgl. Ehrenberg, Viktor: Der Staat der Griechen (Die Bibliothek der alten Welt, Band MCMLXV), Zürich und Stuttgart, 1965, 67.

[2] zur Verwendung des Begriffs „Demos“ vgl. Welwei, Karl-Wilhelm: Das klassische Athen, Demokratie und Machtpolitik im 5. und 4. Jahrhundert, Darmstadt, 1999, 108.

[3] vgl. Stahl, Michael: Gesellschaft und Staat bei den Griechen: Klassische Zeit, Paderborn, 2003, 61-63.

[4] Hansen nennt zum Lykeion eine Inschrift, die nachweist, dass das Lykeion in archaischer Zeit als Versammlungsort gedient habe, führt das aber nicht weiter aus. Eine genauere Beschäftigung mit dem Lykeion ist für diese Arbeit aber nicht zwingend, da das Hauptaugenmerk auf der klassischen Zeit liegen soll. (Vgl. Hansen, Mogens Herman: Die Athenische Demokratie im Zeitaltes des Demosthenes, Struktur, Prinzipien und Selbstverständnis, Berlin, 1995, 131)

[5] vgl. Hansen, Mogens Herman: The Athenian Ecclesia, A Collection of Articles, 1976-1983, Copenhagen, 1983, 4 f.

[6] vgl. Hansen (1983), 5-7.

[7] vgl. Bleicken, Jochen: Die athenische Demokratie, Paderborn, 4. Auflage, 1995, 192.

[8] vgl. Hansen (1983), 25 f., Hansen (1995), 131-135, sowie Bleicken, 192.

[9] vgl. Hansen (1995), 132, und Bleicken, 192.

[10] Aristoteles, XLII, 1. Übersetzung von Dreher, M. (Aristoteles: Der Staat der Athener, Übersetzt und herausgegeben von Martin Dreher, Stuttgart, 1993): „An der Staatsverwaltung haben diejenigen Anteil, deren Eltern beide Bürger sind; sie werden, wenn sie achtzehn Jahre alt geworden sind, in die Liste der Demenmitglieder eingetragen.“

[11] vgl. Aristoteles, XLII, 3-5, sowie Bleicken, 190.

[12] vgl. Hansen, Mogens Herman: Die athenische Volksversammlung im Zeitalter des Demosthenes (Xenia, Konstanzer Althistorische Vorträge und Forschungen), Konstanz, 1984, 17.

[13] vgl. Finley, M.I.:Das politische Leben in der antiken Welt, aus dem Englischen von Wilfried Nippel, München, 1986, 97.

[14] vgl. Hansen (1984), 17, und Bleicken, 190 f.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Die athenische Volksversammlung
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg  (Departement für Geschichte)
Veranstaltung
Die athenische Demokratie
Note
2,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
22
Katalognummer
V93104
ISBN (eBook)
9783638062855
ISBN (Buch)
9783640319947
Dateigröße
462 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Volksversammlung, Demokratie, Athen, Antike, Verfassung, Griechenland, Ekklesia
Arbeit zitieren
Tobias Heyer (Autor:in), 2007, Die athenische Volksversammlung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93104

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Die athenische Volksversammlung



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden