Bismarcks Haltung zur Kolonialfrage


Seminararbeit, 2004

17 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Vorgeschichte und Beginn der deutschen Kolonialpolitik
2.1 Die Kolonialbewegung
2.2 Bismarcks Position zur Kolonialfrage
2.3 Beginn der deutschen Kolonialpolitik

3. Theorien
3.1 Kolonien als Prestigeobjekte
3.2 Der Druck der Kolonialbewegung
3.3 Bismarcks „machiavellistischer“ Kunstgriff
3.4 Annäherung an Frankreich
3.4.1 Versöhnung und Ausgleich
3.4.2 „Gleichgewicht der Meere“
3.5 Partei- und innenpolitische Motive
3.6 Ökonomische Ziele
3.7 „Sozialimperialismus“
3.8 Antibritische Motive

4. Zusammenfassung

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„So lange ich Reichskanzler bin, treiben wir keine Kolonialpolitik.“[1] Dieser Ausspruch Bismarcks von 1881, geäußert gegenüber einem Reichstagsabgeordneten, ist wohl an Eindeutigkeit schwer zu überbieten, dennoch trat das Deutsche Reich knapp drei Jahre später offiziell in den Kreis der Kolonialmächte ein. Welche Motive Bismarcks Wandel vom entschieden auftretenden Gegner deutschen Kolonialbesitzes zum aktiven Gestalter von Kolonialpolitik im Jahr 1884 herbeiführten, soll im Folgenden genauer untersucht werden. Die Änderung in Bismarcks Haltung gegenüber der Kolonialfrage hat Anlass für die unterschiedlichsten Spekulationen und Untersuchungen gegeben, wobei in dieser Arbeit die wichtigsten Strömungen und Erklärungsansätze innerhalb der Forschung zu dieser Problematik dargestellt und kontrastiert werden sollen. Als Basis dieser Hausarbeit dienen dabei zunächst die zusammenfassenden Darstellungen unterschiedlicher Theorien in Winfried Baumgarts Aufsatz „Bismarcks Kolonialpolitik“, in Horst Gründers „Geschichte der deutschen Kolonien“ sowie in der Einführung von Axel Riehls „Tanz um den Äquator“. Soweit möglich wurde zur Darstellung der verschiedenen Theorien Veröffentlichungen ihrer Vertreter, beispielsweise von Otto Pflanze und Lothar Gall herangezogen, andere Theorien wurden anhand der genannten Basisliteratur und weiterer Hintergrundliteratur wie zum Beispiel den Bismarckbiografien von Ernst Engelsburg und Johannes Willms zusammengefasst. Besondere Gewichtung erhält in dieser Arbeit die Dissertation „Tanz um den Äquator“ von Axel Riehl, die die aktuellste umfassende Darstellung der Periode des Kolonialeinstiegs Bismarcks bietet.

2. Vorgeschichte und Beginn der deutschen Kolonialpolitik

2.1 Die Kolonialbewegung

Mit dem wirtschaftspolitischen Kurswechsel vom Freihandel zum Schutzzoll war in Deutschland Ende der 1870er Jahre eine koloniale Bewegung angestoßen worden. Der 1878 vorwiegend von Nationalökonomen und Forschungsreisenden gegründeten „Central-Verein für Handels-Geographie und Förderung deutscher Interessen im Ausland“ war der erste Interessenverband von gewisser Bedeutung, der sich für den Erwerb deutscher Kolonien einsetzte, der aus zwei kleineren Verbänden fusionierte „Afrikanische Gesellschaft in Deutschland“ trat ebenfalls für ein koloniales Ausgreifen Deutschlands nach Übersee ein. Kolonialbegeisterte Publizisten wie Ernst von Weber, Wilhelm Hübbe-Schleiden oder Friedrich Fabri veröffentlichten unzählige Agitationsschriften, in denen die Vorteile von Kolonien beispielsweise als Rohstoffquellen, als neue Absatzmärkte oder als Auswanderungsgebiete propagiert wurden. Eine neue Größenordnung erreichte der 1882 in Frankfurt gegründete „Deutsche Kolonialverein“ , der, mit vielen Vertretern der deutschen Großindustrie wie Krupp und Hoesch als Mitgliedern, eine mächtige Interessensvertretung darstellte und bald als Dachverband vieler ähnlich motivierter Vereinigungen den Erwerb von Territorien in Übersee mit steigender Vehemenz forderte.[2]

2.2 Bismarcks Position zur Kolonialfrage

Darüber, dass Bismarck zu keiner Zeit ein Kolonialenthusiast war, herrscht in der Forschung allgemein Einigkeit. Seit den 1860er Jahren vertrat Bismarck eine Politik der Freihandelexpansion, etwa in Ostasien und dem Golf von Mexiko, die sich vor allem in der staatlichen Förderung und Stützung deutscher Handelsinteressen und -bestrebungen ausdrückte. Hierzu gehörte beispielsweise die finanzielle Unterstützung von Forschungsexpeditionen, der Aufbau eines konsularischen Systems, der Abschluss von Handelsverträgen, etwa 1879 mit Hawaii und Samoa, oder gelegentliche Besuche von Kriegsschiffen in deutschen Handelsstützpunkten in Übersee.

Vor 1884 verwehrte er sich jedoch gegen jede Form der Etablierung deutscher Souveränität und direkter Herrschaft in Übersee mit der daraus erwachsenden juristischen Haftbarkeit des Reiches und dem nicht abzusehenden Verwaltungsaufwand. Diese kritische Haltung fand sowohl Ausdruck in den vielen abgelehnten Kolonialprojekten, die sich seit den frühen 1870er Jahren ansammelten, als auch in den zahllosen abweisenden Kommentaren Bismarcks, auf die im Folgenden genauer eingegangen werden soll.[3] So schrieb der Reichskanzler bereits im Jahr 1868 in einem Brief an Albrecht von Roon: „[...] Einerseits beruhen die Vortheile, welche man sich von Colonien für den Handel und die Industrie des Mutterlandes verspricht, zum größten Theil auf Illusionen. Denn die Kosten, welche die Gründung, Unterstützung und namentlich die Behauptung der Colonien veranlasst, übersteigen, wie die Erfahrungen der Colonialpolitik Englands und Frankreichs beweisen, sehr oft den Nutzen, den das Mutterland daraus zieht, ganz abgesehen davon, dass es schwer zu rechtfertigen ist, die ganze Nation zum Vortheile einzelner Handels- und Gewerbezweige, zu erheblichen Steuerlasten heranzuziehen. [...] Endlich würde der Versuch, Colonien auf Gebieten zu gründen, deren Oberhoheit andere Staaten, gleich ob mit Recht oder mit Unrecht, in Anspruch nehmen, zu mannigfaltigen und unerwünschten Conflicten führen können.“[4] Er bezeichnete das Reich als territorial „saturiert“[5], lehnte im Frühjahr 1871 die von Frankreich im Verlauf der Friedensverhandlungen angebotene Kolonie Cochinchina ab und erklärte dazu gegenüber dem Schriftsteller Moritz Busch: „Ich will [...] gar keine Kolonien. Die sind bloß zu Versorgungsposten gut. In England sind sie jetzt nichts anderes, in Spanien auch nicht. Und für uns in Deutschland – diese Kolonialgeschichte wäre für uns genau so wie der seidene Zobelpelz in polnischen Adelsfamilien, die keine Hemden haben.“[6] Mit Bezug auf England erklärte Bismarck 1880 „Wir haben keine Flotte um sie [die Kolonien] zu schützen, und unsere Bureaukratie ist nicht gewandt genug, die Verwaltung solcher Länder zu leiten.“[7] 1881 äußerte er das zu Beginn dieser Arbeit bereits zitierte Diktum, das vollständig wie folgt lautet: „So lange ich Reichskanzler bin, treiben wir keine Kolonialpolitik. Wir haben eine Flotte, die nicht fahren kann [...] und wir dürfen keine verwundbaren Punkte in fernen Weltteilen haben, die den Franzosen als Beute zufallen, sobald es losgeht.“[8] Noch 1883 verlieh Bismarck seiner Ablehnung von Kolonien gegenüber dem Chef der deutschen Admiralität, dem späteren Reichspräsidenten Caprivi, in einer persönlichen Unterredung ebenfalls Nachdruck.[9]

Diese Auflistung an Äußerungen und Handlungen Bismarcks gegen direkten deutschen Kolonialbesitz ließe sich noch fortsetzen. Die angeführten Beispiele legen nahe, dass Bismarck sich über die Unbrauchbarkeit von Kolonien auf jeglicher Ebene, sowohl im Hinblick auf den zu erwartenden wirtschaftlichen Nutzen, angesichts ihrer militärpolitischen Haltbarkeit sowie auf die mit ihnen möglicherweise verbundenen außenpolitischen Verwicklungen und Konflikte durchweg bewusst war. Aus der Zeit vor 1884 ist überdies kein Ausspruch Bismarcks bekannt, der den hier angeführten Beispielen entgegenstehen würde.

Doch auch nach dem tatsächliche Erwerb von Kolonien in den Jahren von 1884 bis 1886 scheint sich keine fundamentale Änderung in Bismarcks Grundhaltung eingestellt zu haben. Immer wieder ereiferte er sich über den „Kolonialschwindel“ , wollte sich nicht mehr mit ihrer Verwaltung beschäftigen, die er zunächst der Admiralität und schließlich der Hansestadt Hamburg antrug, und versuchte nach 1886 sogar die gewonnenen Gebiete wieder ganz loszuwerden, so bot er sie beispielsweise erfolglos dem italienischen Ministerpräsidenten Crispi zum Kauf an und bereitete noch das unter seinem Nachfolger 1890 abgeschlossene Helgoland-Sansibar-Abkommen mit England vor, bei dem die kleine Insel in der Nordsee im Tausch gegen Kolonialgebiete im mehrfachen Umfang des Reiches an Deutschland fiel.[10]

[...]


[1] Zitiert nach: Baumgart, Kolonialpolitik, S. 142.

[2] Engelsburg, Reich, S. 364 ff. und Pflanze, Reichskanzler, S. 372ff.

[3] Mommsen, Großmachtstellung, S. 56f. und. Riehl, Tanz, S. 21ff.

[4] Zitiert nach: Riehl, Tanz, S.22.

[5] Zitiert nach: Gründer, Geschichte, S. 51.

[6] Zitiert nach: Willms, Dämon, S. 301. und Riehl, Tanz, S.22.

[7] Zitiert nach: Engelsburg, Reich, S. 365.

[8] Zitiert nach: Gründer, Geschichte, S. 51.

[9] Ebd. S. 51.

[10] Baumgart, Kolonialpolitik, S. 143.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Bismarcks Haltung zur Kolonialfrage
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
17
Katalognummer
V93033
ISBN (eBook)
9783638067980
ISBN (Buch)
9783638955621
Dateigröße
456 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bismarcks, Haltung, Kolonialfrage, Sozialimperialismus, Wehler, Tanz um den Vulkan
Arbeit zitieren
Thomas Kauf (Autor:in), 2004, Bismarcks Haltung zur Kolonialfrage, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93033

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