Das Nähe-Distanz-Modell von Koch und Oesterreicher

Anwendung und Kritik


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

26 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung (Kauf)

2. Das Modell von Koch und Oesterreicher: Schriftlichkeit als Medium und Konzept (Khalil)

3. Anwendung des Konzepts durch Stephan Stein (Kauf)
3.1 Übersicht (Kauf)
3.2 Darstellung des Inhalts (Kauf)
3.2.1 Grundlagen (Kauf)
3.2.2 Textgliederung unter Bedingungen kommunikativer Distanz (Kauf)
3.2.3 Textgliederung unter Bedingungen kommunikativer Nähe (Kauf)
3.2.4 Bilanz (Kauf)

4. Kritik des Konzepts (Khalil)
4.1 „Grammatik aus Nähe und Distanz“ von Vilmos Ágel und Mathilde Hennig (Khalil)
4.2 Ausgangspunkt (Khalil)
4.3 Kritik am Modell von Koch/Oesterreicher und anderen Ansätzen (Khalil)
4.4 Das Modell des Nähe- und Distanzsprechens (Khalil)

5. Schluss (Kauf)

6. Literatur

1. Einleitung (Kauf)

Bei der sprachwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Texten spielt die Unterscheidung zwischen konzeptionell geschriebener und konzeptionell gesprochener Sprache eine grundlegende Rolle. Im Rahmen dieser Arbeit wird zunächst das diese Unterscheidung thematisierende Modell sprachlicher Nähe und Distanz von Koch und Oesterreicher umrissen. Daran anschließend wird als Beispiel für die praktische Nutzung dieses Modells eine Darstellung der Monographie „Textgliederung. Einheitenbildung im geschriebenen und gesprochenen Deutsch“ von Stephan Stein gegeben, in der die Theorie von Koch und Oesterreicher als Basis der weitergehenden Untersuchung von Textgliederungsmitteln und Texteinheiten dient. Schließlich wird die Monographie „Grammatik aus Nähe und Distanz. Theorie und Praxis am Beispiel von Nähetexten 1650 – 2000“ von Vilmos Ágel und Mathilde Hennnig vorgestellt, in der das Nähe-Distanz-Modell von Koch und Oesterreicher diskutiert und auf Basis der daraus gewonnenen Erkenntnisse ein differenzierteres Modell entworfen wird. Als Grundlage dieser Arbeit dienten die beiden angesprochenen Monographien sowie der Aufsatz „Schriftlichkeit und Sprache“ von Peter Koch und Wulf Oesterreicher.

2. Das Modell von Koch und Oesterreicher: Schriftlichkeit als Medium und Konzept (Khalil)

Koch und Oesterreicher weisen den Begriffen Mündlichkeit und Schriftlichkeit eine zweifache Bedeutung zu. Einerseits können diese als eine mediale Realisierung sprachlicher Äußerungen verstanden werden, so dass unter mündlich die phonische und unter schriftlich die grafische Realisierung einer Äußerung erfasst wird. Andererseits können sie die Konzeption, die die Äußerungen charakterisiert, bedeuten. Hierbei handelt es sich um die Aspekte sprachlicher Variation. Im medialen Bereich stellen die Begriffe mündlich und schriftlich ein sich entgegen gesetztes Begriffspaar dar, im konzeptionellen Bereich hingegen sind diese graduell zu verstehen, was Koch und Oesterreicher als „ Endpunkte eines Kontinuums“[1] bezeichnen. So ist ein Vortrag beispielsweise als ,medial phonisch‘, aber ,konzeptionell schriftlich‘ zu nennen. Umgekehrt kann ein Tagebucheintrag ,medial grafisch‘, ,konzeptionell‘ jedoch ,mündlich‘ heißen. Dennoch besteht eine gewisse Verwandtschaft zwischen ,medial phonischen‘ und ,konzeptionell mündlichen‘ Äußerungen zum einen und ,medial grafischen‘ und ,konzeptionell schriftlichen‘ Äußerungen zum anderen. Beispielsweise wird ein vertrautes Gespräch üblicherweise phonisch geführt, ein Gesetzestext dagegen wird normalerweise grafisch verfasst. Für alle Kommunikationsformen gilt dabei, dass grundsätzlich die Möglichkeit besteht diese vom einen zum anderen Medium zu transferieren. Wobei „ Verschriftung“[2] die Übertragung vom phonischen ins grafische Medium bezeichnet, dagegen „ Verschriftlichung“[3] die ausschließlich konzeptionelle Umwandlung zur Schriftlichkeit hin benennt.[4]

Die Begriffe konzeptionelle Mündlichkeit und Schriftlichkeit umfassen zahlreiche Charakteristika von Kommunikationssituationen, die in gewissen Parametern ausgedrückt werden. Derartige Parameter wären beispielsweise ,raum-zeitliche Nähe oder Distanz der Kommunikationspartner‘, ,Öffentlichkeit‘, ,Vertrautheit der Kommunikationspartner‘, ,Emotionalität‘, ,Situations- und Handlungseinbindung‘, ,Verhältnis des Referenzbezugs zur Sprecher- origo ‘, ,kommunikative Kooperation‘, ,Dialog/Monolog‘, ,Spontanität‘, ,Themenfixierung‘, etc. Hierbei hat man sich diese Parameter, ausgenommen der ,raum-zeitlichen Distanz beziehungsweise Nähe ‘, auf einer Skala angeordnet vorzustellen. Der konzeptionellen Schriftlichkeit sind beispielsweise die Parameter ,raum-zeitliche Distanz ‘, ,öffentlich‘, ,fremde Partner‘, ,emotionslos‘, ,Situations- und handlungsentbunden‘, ,wenig Referenz auf origo ‘, ,keine Kooperationsmöglichkeit seitens des Rezipienten‘, ,monologisch‘, ,reflektiert-geplant‘, ,fixes Thema‘, etc. zuzuordnen. Auch kann in einem übertragenen Sinne bezüglich der ,raum-zeitlichen Distanz oder Nähe ‘ von ,sozialer‘, ,emotionaler‘, ,referentieller‘ Nähe oder Distanz gesprochen werden.[5]

Zuletzt kann sprachtheorethisch zwischen drei Ebenen unterschieden werden. Die universale Ebene bezieht sich auf das Sprechen. Es handelt sich um die Bedingungen kommunikativer Distanz, die losgelöst von einer historischen Bestimmung für alle Sprachen bei der Verschriftlichung gelten. Die historische Ebene bezieht sich auf zwei Bereiche, der Diskurstraditionen, z. B. Textsorten und Gattungen, zum einen, und den Einzelsprachen im Bezug auf beispielsweise schriftliche Varietäten zum anderen. Die dritte Ebene ist diejenige des aktuellen Diskurses, der als einmalige Äußerung angesehen wird.[6]

3. Anwendung des Konzepts durch Stephan Stein (Kauf)

In Anlehnung an das soeben dargestellte Modell von Koch/Oesterreicher folgt eine Darstellung der Monographie „Textgliederung. Einheitenbildung im geschriebenen und gesprochenen Deutsch“ von Stephan Stein, in der das Nähe/Distanzmodell zur praktischen Anwendung gelangt.

3.1 Übersicht (Kauf)

Im Zentrum von Stephan Steins Arbeit „Textgliederung“ stehen die Fragen nach den Gliederungsmitteln sowie den Gliederungseinheiten, die bei der Gliederung von Texten eine Rolle spielen. Die Monographie setzt sich zusammen aus vier Teilen, die zusammen vierzehn Kapitel umfassen. Während im ersten Teil die Grundlagen der Arbeit, insbesondere das Nähe-Distanz-Modell von Koch-Oesterreicher, dargestellt werden, werden im zweiten Teil verschiedene Formen der Textgliederung unter Bedingungen kommunikativer Distanz untersucht. Der dritte Teil behandelt die Textgliederung unter Bedingungen kommunikativer Nähe, während im vierten und letzten Teil die gewonnen Erkenntnisse nochmals zusammengefasst sowie sich daraus ergebende Schlüsse dargestellt werden.

3.2 Darstellung des Inhalts (Kauf)

3.2.1 Grundlagen (Kauf)

Im ersten Kapitel werden zunächst thematische und formale Grundlagen der Monographie geklärt. So wird zunächst die unterschiedliche Handhabung konzeptionell geschriebener und gesprochener Texte, vor allem im Hinblick auf die Verwendung von Gliederungs- und Grundeinheiten, problematisiert. Hierbei verweist Stein vor allem auf die der Analyse der konzeptionell geschriebenen Texte zugrunde liegende Gliederungseinheit der Sätze und die bestehende, kontrovers diskutierte Problematik, für die Untersuchung konzeptionell gesprochene Texte eine vergleichbare, klar abgrenzbare Gliederungsgrundlage zu finden. Darüber hinaus wird ein Überblick über das verwendete Beispielmaterial an geschriebenen Texten, die ein weites Spektrum von Briefen, Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln über Werbetexte bis hin zu wissenschaftlichen und literarischen Texten abdecken, sowie an Beispielmaterial für gesprochene Texte, basierend auf zwei Korpora, dem Freiburger Korpus der „Texte gesprochener deutscher Standartsprache“ sowie dem Textband „Kindersprache“, gegeben. Eine Reihe von Erläuterungen zu Besonderheiten der vom Autor angewandten Transkriptionstechnik schließen das erste Kapitel ab.[7]

Mit der grundlegenden Fragestellung der gesamten Monographie, der Frage nach der Gliederung von geschriebenen und gesprochenen Texten leitet Stein das zweite Kapitel ein. Diese Fragestellung wird durch eine Zergliederung in diverse Einzelprobleme und –fragen, beispielsweise nach den grundlegenden Einheiten, aus denen sich Texte zusammensetzen, ihres Aufbaus und hinsichtlich ihrer Vergleichbarkeit bei mündlicher und schriftlicher Textproduktion weit aufgefächert und somit der Rahmen der Arbeit abgesteckt. Anhand dreier sehr unterschiedlicher Textbeispiele, eines konventionellen Zeitungsberichts, eines transkripierten Gesprächs sowie einer vom Textaufbau her sehr ungewöhnlich gestalteten Werbeanzeige, werden exemplarisch unterschiedliche Formen der textinternen Einheitenbildung und Textgliederung dargestellt. So lässt sich der Zeitungsartikel klar in einzelne Sätze auflösen, von denen jeder einzelne die grammatischen Anforderungen nach Vollständigkeit und Korrektheit völlig erfüllt, während das transkripierte Gespräch an keiner Stelle durchgängig syntaktisch vollständige Strukturen aufweist, aber dennoch, durchwirkt von einem Netz aus ergänzenden Signalen, verständlich bleibt. In der Werbeanzeige wird ein ganzer Handlungsablauf dargestellt, wobei die sprachliche Realisation nur auf einer Liste kurzer grammatischer und semantischer Einheiten (z.B. 44 Jahre; männlich; endlich Urlaub; usw.) beruht, die als Grundlage einer aus ihnen rekonstruierbaren Geschichte dienen. Nach der exemplarischen Darstellung dieser drei Extrempole betont Stein die besondere Bedeutung, die der Textgliederung in der Text- und Gesprächslinguistik zukommt. Dabei hebt er besonders die Probleme hervor, die sich ergeben, wenn an gesprochene Texte die selben Maßstäbe in der Analyse angelegt werden, wie an geschriebene Texte, was seiner Ansicht nach auf Grund der sich im Lauf der Sprachgeschichte für beide Realisierungsweisen herausgebildeten, völlig unterschiedlichen Gliederungsprinzipien zu keinen befriedigenden Ergebnissen führen kann. Des weiteren grenzt Stein im zweiten Kapitel noch seinen Begriff der Gliederung, den er als erworbene Technik der Produktion und Rezeption von Texteinheiten im Sinne einer kommunikativen Kompetenz charakterisiert, gegenüber dem häufig synonym verwendeten Begriff der Segmentierung ab, den er als reine Analysemethode zur Ermittlung und Bestimmung linguistischer Einheiten beschreibt. Auch der sich eventuell anbietende Begriff der Textstruktur wird von Stein in diesem Zusammenhang als für seine Zwecke zu weit führend zugunsten des Begriffs der Textgliederung abgelehnt.[8]

Die Forschungsgrundlage der Monographie, das Nähe-Distanz-Modell von Koch und Oesterreicher, wie es im Rahmen dieser Arbeit bereits genauer dargestellt wurde, steht im Zentrum des dritten Kapitels. Dieses Modell, das Stein als zentrale Grundlage seiner Untersuchungen zur Textgliederung dient, wird zunächst kurz umrissen und mittels vier verschiedener Betrachtungsebenen (Kommunikations-/ Produktionsbedingungen, Produktionsstrategien, Produkteigenschaften und Rezeptionsbedingungen) weitergeführt und vertieft. Seine Entscheidung für dieses Modell begründet Stein unter anderem damit, dass sich zwei für die Untersuchung fruchtbar erscheinende Anschlussfragen, erstens nach den Auswirkungen der Einführung und Verbreitung von Schriftlichkeit in einer Sprachgemeinschaft auf die Textgliederungspraxis sowie zweitens nach den unterschiedlichen Ausprägungen der Textgliederung unter Bedingungen der Mündlichkeit und Schriftlichkeit, anschließen lassen. Auf Grund der bereits angesprochenen Probleme legt Stein als Ausgangspunkt seiner Betrachtungen nicht Sätze, sondern Texte als abgeschlossene Komplexe von Einheiten fest, wobei er nochmals die Grenzen des Satzmodells für die von ihm angestrebte Untersuchung zur Textgliederung hervorhebt. Dieses letzte einleitende Kapitel mündet in den beiden zentralen Fragen der Arbeit, nämlich mittels welcher Gliederungsmittel (Signale/Indikatoren) mündliche wie schriftliche Texte überhaupt in Einheiten gegliedert werden sowie der Frage, wie diese so entstehenden Gliederungseinheiten beschaffen sind und aus welcher Perspektive, grammatisch-syntaktisch oder kommunikativ, sie zu beschreiben seien.[9]

3.2.2 Textgliederung unter Bedingungen kommunikativer Distanz (Kauf)

Im ersten größeren Untersuchungsabschnitt befasst sich Stein mit dem Textgliederungspotential, das dem Textproduzenten zur Gliederung unter Bedingungen kommunikativer Distanz zur Verfügung steht. Die erste, bereits in ihrer ausgreifenden Dominanz problematisierte, Gliederungsform ist das Satzkonzept, also die grammatisch-syntaktische Textgliederung, die Stein im vierten Kapitel thematisiert. Die Bedeutung des Satzkonzepts verdeutlicht er dabei mit der exemplarischen Untersuchung zweier Fanbriefe, die von starken Schwächen im Gebrauch der Schriftsprache geprägt sind. Durch grobe Verstöße bis hin zum völligen Fehlen einer gliedernden Satzstruktur bleiben ganze Teile der Briefe unverständlich und geben gerade durch das Fehlen einen Eindruck von der stark ordnenden und sinnstiftenden Leistung des Satzes als Gliederungseinheit, wie sie vom Rezipienten bei Schriftstücken standardmäßig erwartet wird. Als Gliederungsmittel dienen auf der grammatisch-syntaktischen Ebene vorwiegend morphologische Kennzeichnungen, Ausprägungen der Wortstellung (Satzgliedstellung, Satzklammer, Satzbauplan usw.) sowie Interpunktionszeichen, die Stein im weitesten Sinne den orthographischen Mitteln zurechnet, genau wie auch Anfangsmajuskel. Mittels dieser Gliederungsmittel werden syntaktische Gliederungseinheiten sowohl gebildet als auch ein- und abgegrenzt. Eine Sonderrolle nimmt in diesem Zusammenhang die von Stein gesondert diskutierte Kategorie der Ellipse, oder, wie er präzisiert, der „isolierten Texteinheit“, ein, die, ohne den formalen Anforderungen des Satzkonzeptes zu genügen, als eigenes Ausdrucksformat auch im schriftlich ausgeführten Gebrauch als korrekte Form der Textkonstitution angesehen und als nicht weiter ergänzungsbedürftig angesehen wird.[10]

[...]


[1] Koch/Oesterreicher, Schriftlichkeit, S. 587.

[2] Ebd.

[3] Ebd.

[4] Vgl. ebd.

[5] Vgl. ebd., S. 587f.

[6] Vg. ebd., S. 589.

[7] Vgl. Stein, Textgliederung, S.3ff.

[8] Vgl. ebd., S.8ff.

[9] Vgl. ebd., S.25ff.

[10] Vgl. ebd., S.37ff.

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Das Nähe-Distanz-Modell von Koch und Oesterreicher
Untertitel
Anwendung und Kritik
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen
Note
2,0
Autoren
Jahr
2006
Seiten
26
Katalognummer
V93024
ISBN (eBook)
9783638067287
ISBN (Buch)
9783638955607
Dateigröße
516 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Nähe-Distanz-Modell, Koch, Oesterreicher
Arbeit zitieren
Thomas Kauf (Autor:in)Jinan Khalil (Autor:in), 2006, Das Nähe-Distanz-Modell von Koch und Oesterreicher, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93024

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