Der Vertrag von Nizza - Kommt die Erweiterung der EU?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2002

31 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Der Vertrag von Nizza
2.1 Historie und Ziel
2.2 Wesentliche Inhalte des Vertrags von Nizza
2.2.1 Zusammensetzung und Funktionsweise der Organe
2.2.1.1 Europäisches Parlament
2.2.1.2 Europäische Kommission
2.2.1.3 Europäischer Gerichtshof und Europäisches Gericht erster Instanz
2.2.2 Stimmengewichtung im Europäischen Rat
2.2.3 Erweiterung der Abstimmungen mit qualifizierter Mehrheit

3 Rechtliche Alternativen für den Vertrag von Nizza
3.1 Hinsichtlich der Zusammensetzung der Organe
3.2 Hinsichtlich der Neuregelung der Stimmenwägung im Rat
3.3 Hinsichtlich des Übergangs zur Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit

4 Aktueller Stand der Beitrittsverhandlungen
4.1 Voraussetzungen für einen EU-Beitritt
4.2 Erfüllung der Kriterien durch die Kandidatenländer

5 Zusammenfassung

Literatur- und Quellenverzeichnis

Anlagen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Die derzeitige Diskussion in den Medien über die bevorstehende Erweiterung der EU erweckt den Eindruck, als handele es sich um die erste Vergrößerung der Union. Aufgeworfene Fragen werden kontrovers diskutiert, wobei die positiven Aspekte der Erweiterung zuweilen etwas in den Hintergrund rücken. Berichte über drohende Einwanderungsschwemmen, Arbeitsplatzverluste oder eine Steigerung der Kriminalitätsrate sind weitaus häufiger zu lesen.

Vielleicht ist dies der Grund, dass viele Menschen der Öffnung nach Osten eher skeptisch gegenüber stehen und das in Irland vorgeschriebene Referendum im Juni 2001 scheiterte. Auch wenn der negative Ausgang des Referendums auf die Tatsache geschoben wurde, dass die Wahlbeteiligung sehr gering war und die Befürworter der Erweiterung einfach nicht zur Wahl gegangen sind, muss das Ergebnis kritisch hinterfragt werden. Die Information der EU-Bürger darf nicht vernachlässigt werden und trägt sicherlich zu einer positiveren Einstellung gegenüber einer Erweiterung der EU bei.

Denn schließlich hat die EU schon vier Erweiterungsrunden hinter sich, die letzte erfolgte 1995, als Österreich, Schweden und Finnland beitraten. Heute kann man sich die EU ohne diese Länder gar nicht mehr vorstellen, sondern erwähnt diese und die anderen beigetretenen Staaten genauso selbstverständlich wie die sechs Gründungsmitglieder. Dies lässt hoffen, dass man in zehn Jahren über die jetzigen Beitrittskandidaten genauso denkt.

Natürlich unterscheidet sich die kommende Erweiterung wesentlich von den vergangenen. Zum einen handelt es sich größenmäßig um die umfangreichste Erweiterung in der Geschichte der EU. Die zwölf Länder, mit denen derzeit verhandelt wird, bereichern die EU um 105 Mio. Menschen, d.h. die EU wird auf 478 Mio. Bürger anwachsen.[1] Zum anderen sind noch niemals zuvor osteuropäische Staaten der EU beigetreten. Doch gerade dies bestätigt die Überwindung der Vergangenheit und leistet einen bedeutenden Beitrag zum Zusammenwachsen Europas. Außerdem müssen die MOEL strenge Beitrittskriterien erfüllen. Diese Tatsache treibt den Reformprozess in den ehemals kommunistischen Ländern enorm voran und stellt sowohl für die Länder selbst als auch für die restlichen Länder in Europa einen großen Fortschritt dar. Denn nur ein in sich vereintes Europa kann seine Stellung auf dem Weltmarkt behaupten und ausbauen.

In Anbetracht der in Frage stehenden Ratifikation des Vertrags von Nizza durch Irland soll in der nachfolgenden Arbeit die Möglichkeit geprüft werden, ob es rechtliche Alternativen zu diesem Vertrag gibt. Zuvor erfolgen Erläuterungen zum Inhalt des Vertrags von Nizza, außerdem wird ein kurzer Überblick über den Stand der Beitrittsverhandlungen gegeben.

2 Der Vertrag von Nizza

2.1 Historie und Ziel

Im Dezember 2000 einigten sich die Staats- und Regierungschefs der EU auf der Gipfelkonferenz in Nizza über die Inhalte des sog. Vertrags von Nizza. Dies war das vorläufige Ende einer langwierigen Verhandlungsrunde, die schon vor Jahren begonnen hatte und nun zu einem Ergebnis führen musste, um die EU erweiterungsfähig zu machen. Dies bedeutet v.a., die Organe der EU zu reformieren, um die EU auch nach dem Beitritt von bis zu zwölf Ländern handlungsfähig zu machen bzw. zu erhalten. Bildlich kann man sich die Notwendigkeit der institutionellen Reform der EU besser vorstellen, wenn man die bisherige Struktur der EU mit einer Lok vergleicht, die dafür gebaut wurde, ursprünglich 6 Waggons zu ziehen, nun aber sowieso schon 15 Waggons zieht. Muss diese Lok bis zu 27 Waggons ziehen, ist wohl jedem klar, dass dies nicht ohne Leistungseinbußen bzw. evtl. gar nicht möglich ist. Da die Aufnahme neuer Kandidaten unmittelbar bevorsteht, musste diese Reform zuvor unbedingt in Angriff genommen werden.[2]

Zu dieser Erkenntnis kam der Europäische Rat bereits 1993 in Kopenhagen. Dort wurden die Kriterien beschlossen, die ein Land als Voraussetzung für einen EU-Beitritt erfüllen muss. Daher sollten auf der Gipfelkonferenz in Amsterdam 1997 Lösungen für die Reform der EU gefunden werden. Aufgrund der Tatsache, dass die Erweiterung zu diesem Zeitpunkt noch nicht unmittelbar bevorstand, war wohl der Druck auf die Teilnehmer der Konferenz nicht allzu groß, denn in Amsterdam konnten sich die Staaten auf keine Lösung einigen und verfassten daher das Protokoll Nr. 7 zum Vertrag von Amsterdam. Art. 1 dieses Protokolls legt dabei u.a. fest, dass der Europäischen Kommission bei Inkrafttreten der EU-Erweiterung ein Staatsangehöriger je Mitgliedstaat angehört. Viel wichtiger für das Vorantreiben der EU-Reform ist allerdings Art. 2 des Protokolls, der zum einen den Zeitpunkt für die Einberufung der nächsten Regierungskonferenz, nämlich spätestens ein Jahr vor Aufnahme des 21.Mitgliedstaates, und zum anderen die Themen der Regierungskonferenz festlegt. Dies ist hauptsächlich die Überprüfung der Vertragsbestimmungen, die die Zusammensetzung und die Arbeitsweise der Organe betreffen. Ebenfalls ungeklärt blieb in Amsterdam die Frage der Erweiterung der Mehrheitsabstimmungen im Europäischen Rat. Diese drei Themenkomplexe (Überprüfung der Zusammensetzung der Organe, Überprüfung der Arbeitsweise der Organe, Ausdehnung der Mehrheitsabstimmungen) wurden fortan als Amsterdam-left-overs bezeichnet, für die auf der nächsten Regierungskonferenz Lösungen erarbeitet werden mussten.[3]

1999 legte der Europäische Rat in Köln den zeitlichen Rahmen der Regierungskonferenz auf Beginn bis Ende des Jahres 2000 fest. Inhaltlich wurde die Ausdehnung der Themen über die drei left-overs hinaus beschlossen, wobei dies durch die Formulierung „könnten behandelt werden“ nicht zwingend vorgeschrieben wurde. Außerdem wurde der künftige Vorsitz (Finnland) ersucht, einen umfassenden Bericht über den Stand der Lösungsversuche zu erstellen, der auf der Gipfelkonferenz in Helsinki im Dezember 1999 vorgestellt werden sollte. In Helsinki bekräftigte der Europäische Rat nochmals, das Tätigwerden der Regierungskonferenz im Februar 2000 zu ermöglichen und im Dezember 2000 mit einem Ergebnis abzuschließen. Weiterhin wurde die Verantwortung der Regierungskonferenz auf den Rat für allgemeine Angelegenheiten übertragen, der von einer Vorbereitungsgruppe, bestehend aus einem Regierungsvertreter pro Mitgliedstaat, unterstützt wird. An den Sitzungen dieser Vorbereitungsgruppe sind zwei Vertreter des Europäischen Parlaments berechtigt, teilzunehmen.[4]

Nach Einberufung der Regierungskonferenz wurde bald klar, dass es aufgrund nationaler Interessen, wie zuvor schon in Amsterdam, schwierig werden würde, von allen Teilnehmern akzeptierte Lösungen zu entwickeln. Der Unterschied zu Amsterdam bestand allerdings darin, dass im Dezember 2000 eine Lösung der zu klärenden Fragen vorgelegt werden musste. Schon im Juni 2000 wurde auf der Tagung des Europäischen Rates in Feira deutlich, dass sich eine endgültige Lösung der Kernthemen erst in Nizza abzeichnen würde, da sich die Sichtweise der großen Mitgliedstaaten doch sehr deutlich von der der kleinen und mittleren Staaten abhob und kein Staat von seinen Standpunkten abweichen wollte.

Dies bestätigte sich in Nizza, wo ein zäher Verhandlungsmarathon schließlich ein Endergebnis hervorbrachte, welches zwar nicht als Idealergebnis bezeichnet werden konnte, aber zumindest den Abbruch der Verhandlungen und somit das Scheitern der Regierungskonferenz verhinderte. Letztendlich wurde die EU durch diese Reform erweiterungsfähig gemacht, der Vertrag von Nizza hat somit sein Ziel erreicht.

Allerdings darf man die beschlossenen Reformen nicht als abgeschlossen betrachten, da es noch weitere Fragen gibt, die im sog. Post-Nizza-Prozess geklärt werden und im Jahr 2004 zum Abschluss gebracht werden sollen.[5]

2.2 Wesentliche Inhalte des Vertrags von Nizza

Nachfolgend werden die für die Erweiterung der EU wesentlichen Änderungen, die durch den Vertrag von Nizza festgelegt wurden, erläutert. Dabei handelt es sich hauptsächlich um die sog. Amsterdam-left-overs, die sowohl im 1. Teil des Vertrags von Nizza (Änderung des Primärrechts) als auch im 2. Teil des Vertrags von Nizza, im Protokoll über die Erweiterung der EU, abgehandelt wurden.

2.2.1 Zusammensetzung und Funktionsweise der Organe

2.2.1.1 Europäisches Parlament

Die Neuregelung der Sitzverteilung im Europäischen Parlament gilt ab 1.Januar 2004 und wird auf höchstens 732 Mitglieder festgelegt (Art.189IIEGVn.F.). Die im Vertrag von Amsterdam aufgrund der Effizienz der Arbeit des Europäischen Parlaments beschlossene Höchstgrenze von 700 Abgeordneten wurde nun doch deutlich überschritten, was als politischer Kompromiss zum Ausgleich nicht durchsetzbarer Forderungen einzelner Mitgliedstaaten gesehen werden kann. Deutschland und Luxemburg behalten beispielsweise ihre Abgeordnetenzahl, während die der anderen 13 Mitglieder um 91 Sitze zugunsten der Beitrittsländer verringert wurden.

Da zu den Parlamentswahlen im Jahr 2004 voraussichtlich nicht alle zwölf Beitrittskandidaten bereits EU-Mitglieder sein werden, ist die Zahl der Sitze 732 anzunähern, wobei die Zahl der Abgeordneten nicht über der derzeitigen Sitzverteilung liegen darf (vgl.Art.190EGV). Treten während der fünfjährigen Wahlperiode neue Staaten der EU bei, sieht Art.2IVdes Protokolls Nr. 7 eine vorübergehende Überschreitung der Höchstzahl von 732 Sitzen vor.

Weiterhin hat nun auch das Europäische Parlament die Kompetenz, eine Nichtigkeitsklage gegen Handlungen der Institutionen zu erheben und erfährt zudem eine Ausdehnung der Zuständigkeiten.[6]

2.2.1.2 Europäische Kommission

Zum einen wurde das Verfahren zur Ernennung des Kommissionspräsidenten, der zukünftig von den Staats- und Regierungschefs im Europäischen Rat mit qualifizierter Mehrheit bestimmt wird, und der Kommissionsmitglieder, die von den einzelnen Mitgliedstaaten vorgeschlagen und ebenfalls mit qualifizierter Mehrheit vom Europäischen Rat ernannt werden, geändert. In beiden Fällen ist die Zustimmung des Europäischen Parlaments notwendig.

Zum anderen wurde Art.217EGV völlig reformiert und erweitert die Befugnisse des Kommissionspräsidenten erheblich. Dieser ist nun berechtigt, über die innere Organisation der Kommission zu entscheiden, den einzelnen Mitgliedern Zuständigkeiten und Aufgaben zuzuordnen, mehrere Vizepräsidenten zu ernennen und einzelne Mitglieder zum Rücktritt aufzufordern.[7]

Hinsichtlich der Zusammensetzung der Kommission legt Art.4 des Protokolls zur Erweiterung der EU ab 1.Januar 2005 die Größe der Kommission auf einen Staatsangehörigen je Mitgliedstaat fest. Nach Beitritt des 27.Mitgliedstaates soll die Zahl der Kommissionsmitglieder geringer als 27 sein, da befürchtet wurde, die Effizienz der Kommission mit zu vielen Mitgliedern zu gefährden. Die endgültige Größe der Kommission liegt noch nicht fest und muss nach Unterzeichnung des Beitrittsvertrages des 27.Mitgliedstaates vom Europäischen Rat bestimmt werden. Außerdem muss der Europäischen Rat über die Art und Weise der gleichberechtigten Rotation entscheiden. Diese Rotation ist notwendig, um der Bestimmung, die Kommission kleiner als die Zahl der Mitgliedstaaten zu halten, gerecht zu werden.[8] Diese Regelung bedeutet natürlich gleichzeitig, dass die Europäische Kommission zeitweise aus bis zu 26 Mitgliedern bestehen kann.

Die Tatsache, dass die Rotation erst ab dem 27.EU-Mitglied eingeführt wird, hat die Zustimmung der bisherigen Mitgliedstaaten zu dieser Änderung wohl erleichtert, wobei das Argument der Effizienz aus einer anderen Sichtweise betrachtet werden muss. Eine Kommission, bestehend aus 26 Mitgliedern, wird wohl kaum wesentlich effizienter als eine Kommission mit 27 Mitgliedern arbeiten. Dies verdeutlicht die schwierige Einigung der Mitgliedstaaten auf den Vertrag von Nizza.

[...]


[1] Vgl. Auswärtiges Amt, Die Europäische Union, S. 6

[2] Vgl. Fischer, Der Vertrag von Nizza, S. 20

[3] Vgl. Fischer, S. 23-25

[4] Vgl. ebd., S. 28-31

[5] Vgl. Fischer, S. 43-77

[6] Vgl. O´Sullivan, Vertrag von Nizza, S. 2-3

[7] Vgl. Pache/Schorkopf, Der Vertrag von Nizza, S.1378-1379

[8] Vgl. O´Sullivan, S. 4

Ende der Leseprobe aus 31 Seiten

Details

Titel
Der Vertrag von Nizza - Kommt die Erweiterung der EU?
Hochschule
Hochschule Aschaffenburg  (FB Wirtschaft)
Note
1,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
31
Katalognummer
V9302
ISBN (eBook)
9783638160391
Dateigröße
634 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Vertrag, Nizza, Kommt, Erweiterung
Arbeit zitieren
Katrin Welzbacher (Autor:in), 2002, Der Vertrag von Nizza - Kommt die Erweiterung der EU?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/9302

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