Das Futur im Spanischen - Betrachtung einer Kategorie im Wandel der Zeit


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

21 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltverzeichnis

1. Gegenstand und Zielsetzung der Arbeit

2. Ausdrucksweisen zukünftigen Geschehens
2.1. Die wichtigsten Formen
2.1.1. Futuro sintético
2.1.2. ir a + infinitivo
2.1.3. Haber de + infinitivo
2.1.4. presente futúrico
2.2. Entwicklung des Gebrauchs der verschiedenen Formen

3. Synthetisches und analytisches Futur
3.1. Der synthetisch-analytische Kreislauf des Futurs
3.1.1 . von cantabo zu cantare habeo
3.1.2. von cantare habeo zu cantaré
3.1.3. von cantaré zu voy a cantar
3.1.4. Ein Blick in die „Zukunft”
3.2. Mögliche Gründe für die Entwicklung
3.2.1. Lautwandel
3.2.2. Expressivität
3.2.3. Streben nach Vereinfachung
3.2.4. Seelenhaltung gegenüber Zukünftigem

4. Schlussbetrachtung

5. Literaturverzeichnis

1. Gegenstand und Zielsetzung der Arbeit

In meiner Hausarbeit mit dem Thema „Das Futur im Spanischen - Betrachtung einer Kategorie im Wandel der Zeit“ möchte ich zunächst auf die aktuelle Situation auf der Iberischen Halbinsel und in Lateinamerika eingehen und die unterschiedlichen Möglichkeiten, die die spanische Sprache bietet, um das Futur zu bilden, vorstellen.

In der synchronen Betrachtungsweise soll das Augenmerk vor allem auf die Unterschiede im temporalen und modalen Gebrauch gelegt werden. Außerdem wird ein Blick auf die Variationsdimensionen geworfen, welche unter anderem die Gesprächssituation, den Gesprächsgegenstand und die geographische Varietäten betreffen. Es wird kurz dargelegt, wie sich die Frequenz der vier vorgestellten Formen im Sprachgebrauch im Laufe der Jahre verändert hat.

Im folgenden Teil der Hausarbeit werden zwei der vorgestellten Formen herausgegriffen und näher betrachtet: das synthetische Futur auf - und das analytische mit ir a + Infinitiv. Diese Formen wurden ausgewählt, da sie in der spanischen Sprache die höchste Frequenz besitzen. Ich werde in einer diachronen Untersuchung darauf eingehen, wie sich die Entwicklung vom lateinischen cantabo zum heutigen cantaré und voy a cantar vollzogen hat. Dabei soll besonders darauf geachtet werden, dass der Ausdruck von Zukünftigkeit ein andauernder Prozess des Übergangs von synthetischen über analytischen zu resynthetisierten Formen ist, deren Platz wieder zunehmend von analytischen Konstruktionen eingenommen wird. Bei der Betrachtung des synthetisch-analytischen Kreislaufs bietet sich ein Blick in die Zukunft an. Es werden Hypothesen für die weitere Entwicklung vorgestellt und hinterfragt.

Abschließend werde ich mögliche Gründe für die Entwicklung in der Kategorie Futur darstellen und diskutieren.

2. Ausdrucksweisen zukünftigen Geschehens

Im Spanischen können Ereignisse, die in der Zukunft liegen, durch verschiedene Formen ausgedrückt werden. Das Spanische stellt hierbei keine Ausnahme dar, denn auch alle anderen romanischen Sprachen und Dialekte weisen eine Vielzahl von verbalen Ausdrücken für zukünftiges Geschehen auf. In diesem Teil der Arbeit soll zunächst eine synchrone Betrachtungsweise der Futurformen des Spanischen vorgestellt werden. In Kapitel 2.2. wird dann deren Entwicklung im Laufe der Zeit analysiert, wobei es hier hauptsächlich um die Veränderung in der Frequenz der Formen im Sprachgebrauch geht. Die diachrone Entwicklung der Morphologie der beiden geläufigsten Formen wird dann Gegenstand des dritten Kapitels sein.

2.1. Die wichtigsten Formen

Hier sollen vier Möglichkeiten, mit deren Hilfe die Zukunft in der spanischen Sprache ausgedrückt werden kann, näher erläutert und untersucht werden. Zum einen findet man das synthetische Futur (futuro sintético), welches in den Grammatiken meist die größte Beachtung findet. Vor allem im amerikanischen Spanisch, aber auch auf der iberischen Halbinsel steht diese Form heute in Konkurrenz zu einer anderen, das analytische ir a + Infinitiv. Eine weitere Periphrase, haber de + Infinitiv, ist im modernen Sprachgebrauch jedoch eher selten zu finden und stellt somit eine archaische Form dar. Als letztes gilt es, das Präsens in futurischer Funktion (praesens pro futurum) zu betrachten. Während man im Deutschen oft das Präsens anstelle der entsprechenden Futurform findet, spielt es im Spanischen meist „eine weniger gewürdigte, aber deswegen nicht unbedeutendere Rolle“[1] und wird in bestimmten Kontexten gerne verwendet.

Es wird darauf hingewiesen, dass es sich hierbei nur um eine Auswahl der zukunftanzeigenden Konstruktionen handelt und es vor allem in den einzelnen Dialekten und Varietäten des Spanischen eine Vielzahl weiterer Formen gibt, auf die hier nicht weiter eingegangen werden kann. Es werden nur die vier geläufigsten Formen untersucht.

2.1.1. Futuro sintético

Die synthetische Form des Futurs geht zurück auf die lateinische Form
cantare habeo, welche im Laufe der Zeit zu cantaré agglutiniert ist. Die Morpheme des Futurs -é, -ás, á, -emos, -éis und -án werden an den Infinitivstamm angehängt. Man kann daher auch von einer Postdetermination des Lexems sprechen.

Diese Form wird vor allem in der Schriftsprache verwendet, was man in einer Gegenüberstellung von gesprochenem und geschriebenem Spanisch gut sehen kann. Ludwig Söll[2] untersuchte in einer Auszählung verschiedene literarische Texte auf ihre Futurformen hin und verglich diese mit einer Tonbandaufnahme einer mexikanischen Familie sowie anderer authentischer Sprecher. Auffällig ist, dass die literarischen Texte ausnahmslos einen hohen Anteil der synthetischen Futurform aufweisen. So findet man bei Cervantes ausschließlich das synthetische Futur, während in der mexikanischen Familie der Prozentsatz dieser Konstruktion lediglich bei 10,5 liegt.

Bezüglich der Zeitperspektive wird das futuro sintético hauptsächlich in Verbindung mit Zeit anzeigenden Worten wie mañana, el próximo año etc. gebraucht. In Verbindung mit ahora kann man jedoch keine Aussage über solche Präferenzen treffen, da dieser Ausdruck etwa gleichhäufig in Verbindung mit der synthetischen sowie der analytischen Form zu finden ist. Das synthetische Futur bezeichnet zeitreferentiell ein zur Sprechsituation abgegrenztes Ereignis, das nachzeitig und zudem als relativ sicher gilt. Außerdem muss nicht zwingend ein Bezug zur gegenwärtigen Situation bestehen.[3]

Auf modaler Ebene hat es einen apodiktischen und definiten Charakter und zeigt oft eine Färbung der Unwiderlegbarkeit, mit der Distanz zu dem beschriebenen Ereignis ausgedrückt wird:

Sind also die Ereignisse dem Willen des Sprechers entzogen und betrachtet er sie als mehr oder minder beteiligter Zuschauer ‚von außen’, so werden sie gewöhnlich durch das synthetische Futur ausgedrückt. […] Dem synthetischen Futur ist demnach oft die Verbform der 3. Person zugeordnet, wohingegen für das periphrastische Futur die 1. Person charakteristisch ist.[4]

Alle Situationen, die die Prägung eines Befehls oder etwas Unumstößliches aufweisen, werden mit dem synthetischen Futur ausgedrückt, ebenso wie Prophezeiungen, die oft in Verbindung mit dem Ausdruck ya stehen. Wenn eine Handlung ein Ergebnis aufweist oder bestimmte Konsequenzen nach sich zieht, so wird dieses im Allgemeinen durch das synthetische Futur ausgedrückt. Die Form mit ir a + Infinitiv ist in diesem Zusammenhang nicht möglich.

Des Weiteren trifft man auf das futuro sintético in Ausdrücken der Wahrscheinlichkeit, um Vermutungen oder Zweifel in der Gegenwart auszudrücken, wie folgende Beispiele zeigen:

(1) ¿Cuántos años tendrá?
(2) ¿Qué hora es? - Serán las tres.

Insgesamt sieht man, dass das synthetische Futur vor allem in modale Bereiche vorgedrungen ist und in Bezug auf die temporale Komponente eine eher unbedeutendere Rolle spielt, die sich auch nur auf „la lengua culta“ beschränkt.[5] In der Umgangssprache weist die analytische Form ir a + Infinitiv eine starke Präsenz auf und dient hier als temporaler Marker, wie im folgenden Punkt gezeigt werden soll.

2.1.2. ir a + infinitivo

Die synthetische Form des Futurs steht in Konkurrenz zum analytischen Futur, die die zusammengesetzte Form in einigen Bereichen nahezu verdrängt hat. Bei dieser Form werden die Flexionen meist getrennt vom Wort ausgedrückt. Es wird eine grammatikalisierte Verbindung von einem finiten Hilfsverb, das die Information über die Kategorien Tempus und Modus erhält und einem finiten Hauptverb, welches Träger der lexikalischen Information ist, hergestellt. Daher lässt sich eine Tendenz zur Prädetermination durch die Abfolge Morphem-Lexem erkennen. Das Morphem kann nicht an das Lexem angehängt werden, sondern die grammatikalischen Kategorien werden periphrastisch, also außerhalb des Wortes, ausgedrückt. Im Gegensatz zur Periphrase haber + Partizip ist die analytische Form des Futurs mit ir a + Infinitiv nicht vollständig grammatikalisiert, sondern sie tritt nur in drei verschiedenen Tempora auf, nämlich in Präsens, Imperfecto und Futur[6]:

(3) Juan va a cantar la canción.

Juan iba a cantar canción.

Juan irá a cantar canción

Nur selten ist diese Konstruktion noch wörtlich zu verstehen im Sinne von „gehen, um etwas zu tun“.[7]

(4) Voy a dormir - Ich gehe schlafen.

Meist ist sie hingegen grammatikalisiert und steht im Tempussystem im Gegensatz oder sogar in Konkurrenz zum synthetischen Futur. Vor allem das Vordringen des analytischen Futurs in den Bereich der gesprochenen Sprache ist auffällig. Es ist jedoch relativ schwierig, das gesprochene Spanisch wissenschaftlichen Untersuchungen zu unterziehen, da immer eine Unsicherheit über die korrekte Fixierung in Texten besteht und man auf unverfälschtes Material angewiesen ist. Soziolinguisten beschäftigen sich schon lange mit diesem Problem. Untersuchungen von Labov zeigen, dass Menschen anders sprechen, wenn sie wissen, dass sie beobachtet werden.[8] Dieses Phänomen ist unter dem Begriff „labovian observer’s paradox“ bekannt.

In solchen Interviews tauchen unter Umständen Formen auf, die sonst nicht zu finden sind. Daher ist das in einer Feldforschung gesammelte Material nur bedingt repräsentativ für die Alltagssprache.

[...]


[1] Meier, Harri et al. (1968): S. 332.

[2] Söll, Ludwig (1968): S. 241 ff.

[3] Vgl. Bauhr, Gerhard (1989): S. 347.

[4] Hunnius, Klaus (1967-8): S. 343.

[5] Vgl. Fleischman, Suzanne (1982): S. 101.

[6] Vgl. Bershin, Helmut / Fernández-Sevilla, Julio / Felixberger, Joseph (1987): S. 222.

[7] Vgl. Radatz, Hans-Ingo (2003): S. 69.

[8] Vgl. Labov, William (1972).

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Das Futur im Spanischen - Betrachtung einer Kategorie im Wandel der Zeit
Hochschule
Universität zu Köln  (Romanisches Seminar)
Veranstaltung
Tempus, Modus, Aspekt
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
21
Katalognummer
V92994
ISBN (eBook)
9783638066952
Dateigröße
475 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Futur, Spanischen, Betrachtung, Kategorie, Wandel, Zeit, Tempus, Modus, Aspekt
Arbeit zitieren
Irina Tegethoff (Autor:in), 2006, Das Futur im Spanischen - Betrachtung einer Kategorie im Wandel der Zeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92994

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