„Qualitätsinstrumente als neue Herrschaftstechniken“ – Fragen zum EU-Reformprozess im Bildungsbereich


Examensarbeit, 2007

14 Seiten, Note: 1,4


Leseprobe


Einleitung:

Man sollte nicht vergessen, dass Europa nicht nur das Europa des Euro, der Banken und der Wirtschaft ist: es muss auch ein Europa des Wissens sein

(Sorbonne-Erklärung: 25Mai 1998)

Dieser Auszug aus der Pariser Sorbonne-Erklärung soll dieser Arbeit vorangestellt sein, da er m. A. nach auf eindrückliche Weise die Entwicklungen der europäischen Bildungspolitik seit knapp 10 Jahren zusammenfassend wiedergibt. D.h. wird ie Immanenz von Wissen und Bildung im Informationszeitalter gewürdigt und als wesentlicher, vielleicht sogar gleichberechtigter, Pfeiler des geeinten Europas, neben Finanzen und Handel, etabliert. Des Weiteren macht dieses Zitat deutlich, wie Wirtschaft und Bildung enggeführt werden und schließlich zusammenfallen. Bildung und Wissen definieren nur mehr einen Bereich der Wirtschaft. Das Verständnis von Bildung wird demnach neu-formuliert und steht in dieser neuen Auffassung dem tradierten emanzipatorischen Impetus gegenüber. Zu Fragen ist auch wie dies dem Humboldt Bildungsideal gegenüber tritt. Der große deutsche Bildungstheoretiker, gibt Bildung als Notwendigkeit zu verstehen, durch die der Mensch seinem ideellen Bild nach geformt werde.

Es geht mir nun zunächst darum, (1). die Reformation des Bildungssystem und damit auch des Bildungsverständnisses durch die EU nachzuzeichnen. Ich konzentriere mich dabei auf die Entwicklung der letzten zehn Jahre und im besonderen den Wandel im Hochschulewesen.

Des weiteren gilt dann (2.) meine Aufmerksamkeit der Diskussion im Anschluss an den Reformprozess. Hier wiegt gerade der Vorwurf der Kommerzialisierung des Bildungswesens schwer.

Zum anderen möchte ich (3.) dieses von der EU entworfene Bildungsverständnis mit der Theoriefigur der „Gouvernementalität“ Foucaults konfrontieren. Um die geäußerten Bedenken theoretisch zu untermauern.

Des Weiteren verspreche ich mir, mit der Einführung des foucaultschen Theorierahmens (4.) eine Diskussion anzuregen, die den neuen Bildungsverständnis einen alternativen Bildungsbegriff gegenüberstellt. Zu Fragen wird dann auch sein, wie sich dieser zu tradierten humanistisch geprägten Bildungsbegriff verhält.

I.

Seit fast zehn Jahren nun versucht die EU-Kommision den europäischen Einigung- und Integrationsprozess voranzutreiben. Gerade die Bereiche Bildung und Wissenschaft, vor allem aber die Wirtschaft, rücken ins Zentrum der Betrachtung. Zu diesem Zweck gilt es die verschiedenen nationalen Strukturen und Systemen transparent und einander vergleichbar zu machen. Dabei erscheint die Heterogenität der nationalen Systeme als Hindernis, um vorhandene Wissenspotentiale besser nutzen zu können. Dies ist es aber gerade, was der technologische und organisatorische Wandel fordert: Mehr Mobilität und umfassende Qualifikation. Auf diese massiven Herausforderungen versucht die EU nun auf einer gesamteuropäischen Ebene zu reagieren, indem sie verschiedene Reformprojekte initiiert. Das prominenteste Reformprojekt ist sicherlich das der Bildungssysteme, d.h. der europäischen Hochschulwesens – bekannt als Bologna-Prozess. Hinter diesem Reformprojekt erstreckt sich für Deutschland die weitreichenste Hochschul-, ja Bildungsreform seit 1968.

Ausgangspunkt sowie Namensgeber bildet das Bologna-Abkommen vom 16. Juni 1999 an dem die Bildungsminister der damaligen EU-Mitgliedsstaaten einen Maßnahmenkatalog beschlossen der die gewünschte Mobilität von Wissen, Wissenschaftlern und vor allem den Studierenden voranzutreiben sollte. Tatsächlich wurde schon ein Jahr zuvor, mit der pariser Sorbonne-Erklärung der Grundstein für einen gemeinsamen europäischen Hochschulraumes gelegt. Dort war, laut dem Gewerkschaftler Andreas Keller, zunächst die Rede von „Harmonisierung“ der Hochschulsysteme, was aber auf Widerstand stieß, da der Verdacht gehegt wurde alle nationalen Systeme und Strukturen und ihre je spezifischen Charakteristika und Traditionen zugunsten eines universellen Systems einzuebnen. Das in Bologna verabschiedete Abkommenmöchte nun einen gemeinsame Hochschulraumes schaffen, indem die nationalen Systeme nur einander angeglichen werden, so die Darstellung des Bundesministerium für Bildung,. Dem gemäß werden in Bologna 6 zentrale Punkte benannt, mit deren Hilfe bis ins Jahr 2010 dieser Angleichungsprozess vollzogen werden soll. Umzusetzen gilt es:

1. Transparenz und Kompatibilität der verschiedenen nationalen Hochschulsysteme

durch die Einführung eines einheitlich europaweiten Studiensystems.

2. Gliederung der Studienstruktur in zwei Phasen. Eine erste mindestens dreijährige

Phase, die zunächst berufsbezogene Qualifikationen vermittelt – der

Bachelor-Abschluss. Und eine zweite Phase, die zum Master-Abschluss

oder direkt zur Promotion führt.

3. Einführung eines neuen Bewertungssystems basierend auf einer Punkteordnung –

den ECTS -, die zukünftig nicht nur im Hochschulwesen Anwendung finden sollen,

sondern auch im Aus- und Weiterbildungsbereich.

4. Förderung der Mobilität der Studierende sowie des Lehr und Forschungspersonals,

durch den gezielten Abbau von Bürokratie – z.B. durch den

Anspruch nationale Fördergelder mit ins Auslandsstudium nehmen zu können .

5. Entwicklung von Kriterien und Methoden zur Qualitätssicherung, welche die

eingeführten Bildungsstandarts durch Institutionen, die sich sowohl aus Politik,

Wirtschaft, Gewerkschaften sowie Vertretern der Hochschulen und Studierenden

zusammensetzen, nachvollziehbar machen.

6. Förderung von Curricula, Ausbildungs- und Forschungsprogrammen und

Mobilitätsprojekten.

In den Folge-Konferenzen 2001 in Prag, 2003 in Berlin, 2005 in Bergen - während der eine Zwischenbilanz gezogen wurde - und 2007 in London, wurden die ersten 6 Maßnahmen kontinuierlich erweitert, so dass es heute insgesamt gilt 10 Punkte umzusetzen. Die weiteren 4 Punkte beziehen sich

1. auf das Konzept des „lebenslange Lernen“, dass zu einem wesentlichen Element

europäischer Bildungspolitik wird und insofern auch Einfluss auf Hochschulen

ausübt, da es ihnen auch den Status eines Bildungsdienstleistern verleiht.

2. auf Hochschulen und Studierende, die als gleichberechtigte Partner im

Hochschulsteuerungsprozess anerkannt werden. Dazu gehört auch die

Anerkennung der sozialen und wirtschaftlichen Lebenssituationen der

Studierenden sowie deren Förderung.

3. auf die Förderung der Attraktivität europäischer Hochschulen für Studierende und

Wissenschaftler aus nicht-EU Mitgliedstaaten und der ganzen Welt. D.h. das

Lehr- und Fördermittelangebot soll auf globale Nachfrage abgestimmen werden.

4. auf die Erweiterung der zweiphasigen Studienstruktur um eine dritte Phase - den

Promotionsstudiengang.

Die Erweiterung der ursprünglichen Ziele ist auf verschiedene Faktoren zurückzuführen. Zum einen zeichnen sie eine natürliche Entwicklung in der Um- und Auseinandersetzung mit dem Reformprozess, mehr noch aber spiegeln sie den Einfluss gesellschaftlicher Diskussion und Institutionen wider. Nach Keller, sind es in erster Linie Wirtschaftsverbände, die Empfehlungen zum Reformprozess aussprechen – wie in der Verkürzung der Regelstudienzeit sowie den stärkeren Ausrichtung des Studium auf die Berufswelt und Arbeitsmarkt ersichtlich werden -, zum anderen sind es die Studierenden- und Hochschulvertretungen, welche immer wieder auf sozialökonomische Ungleichheiten hinweisen und einen Wandel anmahnen der sich seiner sozialen Verantwortung bewusst sein müsse.

[...]

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
„Qualitätsinstrumente als neue Herrschaftstechniken“ – Fragen zum EU-Reformprozess im Bildungsbereich
Hochschule
Universität Hamburg
Note
1,4
Autor
Jahr
2007
Seiten
14
Katalognummer
V92906
ISBN (eBook)
9783638053143
ISBN (Buch)
9783638945691
Dateigröße
472 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Herrschaftstechniken“, Fragen, EU-Reformprozess, Bildungsbereich
Arbeit zitieren
Alexander Kunz (Autor:in), 2007, „Qualitätsinstrumente als neue Herrschaftstechniken“ – Fragen zum EU-Reformprozess im Bildungsbereich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92906

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