Türkische Studierende

Fremdverrandung oder Automarginalisierung?


Wissenschaftliche Studie, 1999

92 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung
1. Einleitung
2. Vorgehensweise dieser Arbeit
3. Themenbezogene Erläuterungen, Zielperspektiven und Forschungsfragen über die türkischen Studenten als Randgruppe
3.1. Suche nach allgemeinen Daten über die Lebenssituation des Probanden
3.2. Herkunftsorientierung der türkischen Studenten durch Diskriminierung von Außen und durch Automarginalisierung
3.3. Die Zukunftspläne: welche Lebenspläne hat der türkische Student?
3.4. Das Selbstkonzept des türkischen Studenten

2. Hauptteil: Die Dossiers über Yavuz und Yusuf
1. Die Aufbereitung der Interviews
2. Dossier über Yavuz
1. Die Auswahl des Kandidaten
2. Der Erfahrungsbericht
3. Auswertung des Interviews mit Yavuz
4. Beurteilung der Validität
3. Dossier über Yusuf
1. Die Auswahl des zweiten Kandidaten
2. Der Erfahrungsbericht des zweiten Interviews
3. Auswertung des zweiten Interviews mit Yusuf
4. Beurteilung der Validität

3.Schluß
1. Zusammenfassung und Vergleich der Befunde
2. Formulierung weiterer Forschungsfragen
3. Reflexion der Methode
3. 1. Die eventuelle Ungültigkeit von retrospektiven Fragen und das Problem der kausalen Reihenfolge von Variablen
3.2. Sozial erwünschte Antworten
3.4. Selektive Stichprobe
3.5. Leitfadeninterviews
3.6. Befragung über die Diskriminierung Dritter

4. Literaturangaben

5. Anhang: Inventarliste von Yavuz

1. Einführung

1. Einleitung

„Es ist für mich nicht nur eine selbstverständliche Pflicht, sondern auch eine persönliche Verpflichtung, von dem Tag an, an dem ich das Amt des Bundespräsidenten wahrnehme, über alle Grenzen und über alle Unterschiede hinweg der Bundespräsident aller Deutschen zu sein und der Ansprechpartner für alle Menschen, die ohne einen deutschen Paß bei uns leben und arbeiten.“ (vgl. Süddeutsche Zeitung 117/25.5.99: 7)[1]

Die Lage der ausländischen Wohnbevölkerung als soziale Randgruppe, und damit auch die der Türken, rückt durch von der opponierenden CDU- Kampagne begleiteten Reform der Staatsbürgerschaft und der Rede des neu gewählten Bundespräsidenten Johannes Rau, wieder in das Zentrum des gesellschaftlichen Interesses. Das Blickfeld umfaßt aber nicht nur die Umstände und Gegebenheiten, unter denen türkische Angehörige des produktverarbeitenden Sektors oder der Selbständigen bzw. deren Angehörigen leben und arbeiten. Die Frage nach der Situation der sich aus Studenten und Akademikern zusammensetzende türkischen Bildungselite in der Bundesrepublik ist m.E. auch gesellschaftlich relevant, da diese sich u.U. als Avantgarde für die Wahrnehmung der Interessen der hier lebenden Türken einsetzen und damit deren künftigen Lage in der nächsten Einwanderergeneration teilweise mitbestimmen könnte. Wie sieht die aktuelle und künftige Lebenssituation der hier lebenden türkischen Studenten aus als Randgruppe aus? Diese Arbeit soll damit einen Beitrag zur Beantwortung dieser gesellschaftlichen Frage leisten.

Die wissenschaftlichen Untersuchungen über türkische und andere ausländische Jugendliche erfreuen sich großer Beliebtheit, wobei verschiedene Schwerpunkte auf verschiedene Themen, angefangen von der allgemeinen Lebensführung bis hin zu Ausmaßen und Ursachen islamistischer Orientierungen gelegt werden (vgl. 13. Shell- Jugendstudie: http://www.shell-jugend2000.de/j2000/content11.htm.; vgl. Heitmeyer, Müller, Schröder 1997). Aber die Anzahl der Arbeiten, welche sich mit der Stellung türkischer Studierender innerhalb der deutschen Gesellschaft beschäftigen, sind sehr gering (vgl. z.B. dazu Haas, Berndt; Dommermuth 1998). Die vorliegende Untersuchung soll deshalb einen Beitrag zur wissenschaftlichen Diskussion liefern.

2. Vorgehensweise dieser Arbeit

Es wird dieser Frage nach der gegenwärtigen und zukünftigen Situation der in Konstanz studierenden[2] türkischen[3] Bildungsinländer[4] als Randgruppe nach der groben Skizzierung einer theoretischen Orientierungs- und Frageperspektive bei einer qualitativen Forschung mit den Mitteln zweier von einem Tonbandgerät aufzuzeichnenden Leitfadeninterviews[5] mit je einer Person nachgegangen. Es erfolgt anschließend eine aus darstellungsökonomischen Gründen nicht beigefügte Transkription und Auswertung des Datenmaterials, bevor die Interviewten porträtiert und deren Lebenssituation beschrieben, vor dem Hintergrund theoretisch- konzeptueller Überlegungen interpretiert und schließlich miteinander verglichen werden. Die Stellung weiterer Forschungsfragen nach der Diskussion und Zusammenfassung der Befunde und die kritischen Reflexion der Methode werden im Schlußteil näher dargelegt.

3. Themenbezogene Erläuterungen, Zielperspektiven und Forschungsfragen über die türkischen Studenten als Randgruppe

Es werden zunächst weitere allgemeine themenbezogene Erläuterungen vorgestellt, bevor die Zielperspektiven dargelegt und die dazugehörigen Forschungsfragen gestellt werden.

3.1. Suche nach allgemeinen Daten über die Lebenssituation des Probanden

Das Ziel besteht darin, die sozialdemographische Rahmendaten und die gegenwärtige Lebenswelt des türkischen Studenten grob darzustellen.

- Wie sieht der bisherige Lebenslauf des türkischen Studenten aus?
- Wie gestaltet sich die alltägliche Lebenssituation des türkischen Studenten im Hinblick auf Beruf, Studium und Privatem?
- Welche sozialdemographische Rahmendaten (Alter, Geburtsort, Religionszugehörigkeit, Geschwisterzahl, Semesterzahl an den allgemeinen oder fachgebundenen Konztanzer Hochschulen, Aufenthaltsstatus) hat der Respondent?

3.2. Herkunftsorientierung der türkischen Studenten durch Diskriminierung von Außen und durch Automarginalisierung

Der Autor vertritt die These, daß eine theorielose und damit unvoreingenommene Sichtweise, welche die soziale Realität abbilden und diese ursächlich und in seinen Folgen erklären könnte, nicht existiert. Es ist vielmehr ein schon vorhandener theoretischer Bezugsrahmen erforderlich. Dieser soll nicht implizit vorausgesetzt, sondern ausdrücklich dargestellt werden. Mit dieser Theoriefolie soll dann das empirisch ermittelte Material betrachtet und gedeutet werden. Es erfolgt also zunächst die skizzenhafte Darstellung eines entsprechenden Ansatzes als ein theoretischer Bezugsrahmen. Er dient als ein Pool, aus dem theoretische Aspekte zur Interpretation der empirisch ermittelten Daten gefischt werden. Das heißt, dieser Ansatz- als- Pool- Konzept versteht sich als eine heuristische Orientierungs- und Frageperspektive, die erst in ihrer empirischen Anwendung zu konkreten Erkenntnissen führen kann, und ist somit ein thesenhafter Rahmen, mit dem Herkunftsorientierung beschrieben und in seinen Ursachen und Folgen erklärt werden soll.[6]

Hier soll zunächst von einer kontroversen Grundannahme ausgegangen werden, daß Herkunftsorientierung[7] nicht nur durch Diskriminierung oder als Reaktion darauf, sondern auch durch Automarginalisierung[8] entstehen kann.

3.2.1. Der Ansatz

Hier wird davon ausgegangen, daß Menschen nutzensorientiert handeln. Aber der Nutzen ist hier gleich dem subjektiv empfundenen menschlichen Wohlbefinden eines Akteurs. Der Akteur definiert selber aufgrund seiner Sozialisation, was er als Nutzen betrachtet. Die Sozialisation soll heißen: ein Vorgang der Internalisierung von gesellschaftlichen Werten und Normen durch den Akteur. Diese Werte und Normen prägen seine Wahrnehmungs-, Deutungs- und Bewertungsmuster bzw. Nutzenspräferenzen bei der Auswahl zwischen verschiedenen Handlungsentwürfen: die Akteure schätzen subjektiv die Lage, in der sie sich befinden, nach ihren Wahrnehmungs- und Deutungsmustern ein. Diese bedingen ihre Handlungsauswahl und -muster[9]. Die Sozialisation geschieht durch Instanzen in der sozialen Umgebung des Akteurs. Dazu zählen u.a. Familie[10], Schule, Kirche (oder andere religiöse Einrichtungen), Vereine, Nachbarn, Militär, Freunde, Kollegen und andere Verkehrskreise. Während der familiären, schulischen (oder auch militärischen) Erziehung eines Akteurs und damit bei seiner sozialen Interaktion mit miteinander in intensiver Beziehung stehenden und sich wechselseitig aneinander orientierenden und füreinander relevanten Akteure wie mit Bekannten, Freunden, Kollegen, Nachbarn, Kommilitonen etc. werden Werte und Normen[11] verinnerlicht und prägen Deutungs- und schließlich Handlungsmuster. Die eingeschränkte Informations-verarbeitungskapazität des Akteurs und dessen selektive Wahrnehmung bedingen dessen Handlungsauswahl. Um herkömmliche routinemäßig wiederkehrende Alltagssituationen zu bewältigen, muß der Akteur nicht nachdenken, welche Handlung er auswählt, sondern es genügen typisierte und verinnerlichte Wissensstrukturen: es genügen dafür Bündel verinnerlichter Handlungssequenzen bzw. -muster (habits), die auf bestimmte wahrgenommene bzw. subjektiv- definierte Umgebungsreize hin ausgelöst werden (vgl. Esser 1990 a : 234) und als Daumenregeln für die erfolgreiche Bewältigung von Situationen genügen.

„Die ‘Definition der Situation’ - die Bestimmung des jeweiligen ‘Leitmotivs’ des Handelns- kann ... als Teil der routinemäßigen (und unaufwendigen) Abwicklung von Alltagshandlungen aufgefaßt werden. Drastisch erleichtert wird diese Routine der Situationsdefinition insbesondere durch die ‘Typik’ von Situationen, die ihrerseits über einen ‘problemverweisenden ‘Index’’... angezeigt wird [(framing); BG]. Sprache, Konversation, Benennungen, Symbole und Markierungen verweisen sämtlich auf diese ‘problemrelative’ Typisierung und ermöglichen bzw. erleichtern damit die Identifikation des gerade ‘relevanten’ Aspekts der Situation.“ (Esser 1991: 438).

Mit diesem verinnerlichten Rezeptwissen ist der Akteur in der Lage, seine soziale Welt bzw. seine Situation subjektiv zu definieren, um mit möglichst geringem Aufwand mit den alltäglichen Problemen fertig zu werden:

„Es ist ein Wissen von vertrauenswerten Rezepten, um damit die soziale Welt auszulegen und um mit Dingen und Menschen umzugehen, damit die besten Resultate in jeder Situation mit einem Minimum von Anstrengung und bei Vermeidung unerwünschter Konsequenzen erlangt werden können.“(Schütz 1972: 58)

Diejenigen Handlungssequenzen und Einstellungen werden vom Akteur verinnerlicht, die wiederholt zur erfolgreichen Situationsbewältigung nach seinen Kriterien geführt haben, wobei also nicht oft Kalkulationen für wiederkehrende Situationen angestellt zu werden brauchen (vgl. Esser, Gaugler, Neumann u.a. 1979: 110): die Daumenregeln werden solange benutzt, solange sie eine Situation für den Akteur strukturieren und bewältigbar machen (vgl. Kitzing, Esser, Schnell 1985: 67), derart, daß es wenig Unsicherheiten für eine Handlungsoption gibt, so daß die Situation bewältigbar ist. Denn seine subjektive Situationsdefinition wird durch bestimmte von ihm vorher als relevant eingestuften Symbole bzw. Merkmale erleichtert und seine subjektive Einschätzung der Wahrscheinlichkeit des Erfolgs seiner Handlung aufgrund bisheriger Erfolge als so hoch eingestuft. Dies gilt auch für die Interaktionssituationen : diese sind dann erfolgreich bewältigbar, wenn eine wechselseitige Abstimmung der Akteure erfolgt. Diese gelingt um so eher, je größer die Ähnlichkeit deren Bezugsysteme bzw. Deutungsmuster und damit die der Werte und Normen, der Kultur und Subkultur ist, denen diese Akteure entstammen (vgl. Kitzing, Esser, Schnell 1985: 67)[12]. Diese Ähnlichkeit bzw. Gemeinsamkeit der Deutungsmuster sowie der Wertekonsens müssen nicht unbedingt tatsächlich vorhanden sein, sondern können auch von den Akteuren geglaubt werden. Die (geglaubte) Ähnlichkeit bzw. Gemeinsamkeit der Deutungsmuster sowie Werte und Normen hängt gerade von der Manipulation dieser ab, welche Symbole oder Merkmale als Bezugskriterien dafür herangezogen werden. Diese Merkmale, an denen sich die Akteure beim framing während der subjektiven Situiationsdefinition orientieren, können somit auch als positive und negative Selbst- und damit Grenzdefinitionen (etwa zur Identifikation eines individuellen Akteurs mit einer vorgestellten Eigengruppe und damit zur Produktion von Kollektivbewußtsein) angesehen werden. Dazu zählen z.B. Gesichtszüge, Hautfarbe oder „Aehnlichkeiten (sic) des äußeren Habitus oder der Sitten oder beider ... [oder ; BG] Erinnerung an ... Wanderung“ (Weber 1976: 237). Dies führt bei der Subjektiven Einschätzung der Akteure zu einem Gemeinsamkeitsglauben bzw. Glauben an einen gemeinsamen handlungsleitenden Bezugssystem, „ganz einerlei, ob eine Blutsgemeinschaft objektiv vorliegt oder nicht.“ (Weber 1976: 237) Es kommt dazu, daß der Akteur aufgrund dieser als subjektiv- relevant eingestuften Merkmale davon ausgeht, Interaktionssituationen mit Angehörigen der geglaubten Eigengruppe besser zu meistern, so daß seine Erwartungsgewißheit in dieser Hinsicht hoch ist.

Bei wahrgenommenen Unterschieden geschieht aber Folgendes: einer oder beide potentiellen Interaktionspartner schätzen anhand dieser Merkmale die Situation ein und vermuten mit einer hohen subjektiven Eintrittswahrscheinlichkeit dann eine Diskrepanz zwischen handlungsleitenden Deutungssystemen zwischen ‘mir’ und dem ‘anderen’, so daß aus ihrer Sicht eine wechselseitige Abstimmung der Akteure nicht erfolgt. Dies löst zum Beispiel künftiges Vermeidungsverhalten aus (vgl. Kitzing, Esser, Schnell 1985: 68). Denn aufgrund der verschiedenen Prädispositionen gibt es keine Kommunikationsgrundlage. Erfolgreiches Vermeidungsverhalten wird habitualisiert und routinisiert: falls dies zu einer aus der subjektiven Sichtweise des Akteurs ‘erfolgreichen’ Situationsbewältigung geführt hat, wird die Erfolgswahrscheinlichkeit dieser Strategie subjektiv hoch eingeschätzt und diese Strategie als abrufbare Handlungsmuster habitualisiert und durch Wahrnehmung bestimmter Reize wie kategorisierte bzw. typisierte Merkmale sofort ohne Kalkulationen abrufbar.

Durch die Wahrnehmung bestimmter relevanter Merkmale wird der relevante Aspekt der Situation bei der subjektiven Situationsdefinition beim framing hervorgehoben und die habitualisierte Handlungssequenz ausgelöst. Handlungen, die nicht zum Wohlbefinden (subjektiven Nutzen) führen, werden demnach nicht verinnerlicht, wobei dann Kalkulationen über Optionen aufgestellt werden.

3.2.2. Automarginalisierung[13]

Türken und Deutsche bringen aus ihrem jeweiligen Herkunftskontext auch eigene Werte und Normen mit. Sie haben somit handlungsleitende Werte, Normalitätsfolien, Deutungs- und Wahrnehmungsmuster internalisiert, welche von denen der jeweiligen anderen abweichen können. Deutungs- und Wahrnehmungsmuster hängen auch von Bezugskriterien zur Grenzbestimmungen der jeweiligen Eigengruppe wie geglaubte gemeinsame Werten, Normen, Geschichte, Abstammung, Sprache, Religion, Zukunft etc. ab.

Wenn Türken und Deutsche interagieren und dabei jeweils bei den eigenen subjektiven Situationsdeutungen Unterschiede zwischen dem jeweiligen ‚ego‘ und ‚alter‘ feststellen, dann werden die jeweiligen hohen subjektiven Wahrscheinlichkeiten für eine gemeinsame Kommunikationsbasis und damit auch wechselseitige Abstimmung zu niedrig eingeschätzt. Dies löst bei den Türken die Neigung aus, Kontakte zur ‚anderen‘ Gruppe zu vermeiden. Bereits erfolgte Interaktionen mit anderen Türken werden aber auf die jeweilige Gemeinsamkeit der Bezugskriterien zurückgeführt, welche nach subjektiver Einschätzung mit persönlichen Charaktereigenschaften korrelieren. Das Resultat ist die Neigung, vermehrt Beziehungen mit Angehörigen der ‚eigenen‘ Gruppe einzugehen. Dies determiniert Kontaktpräferenzen der Türken und steigert den Wunsch, private soziale Beziehungen nur zu Ihresgleichen zu unterhalten.

„Als besonders hemmend [für den Kontakt mit Deutschen; BG] erweisen sich ...[die bereits aus ihrem Herkunftsmilieu mitgebrachten; BG] Prädispositionen und die von ihnen abgeleiteten Einstellungen, die das soziale Verhalten der Türken in hohem Maße bestimmen. Die türkischen Jugendlichen zeigen sich ... weniger bereit... , sich der ihnen fremden... Sozialwelt zu öffnen...was sich nicht zuletzt im... Kommunikationsverhalten der Türken äußert. Sie ... suchen die nahe Nachbarschaft ihrer Landsleute und schirmen sich weitgehend von ihrer Umwelt ab.“ (Papalekas 1983: 17)

Erfolgreiche Beziehungen der Türken mit Ihresgleichen führen zur Habitualisierung der Kontaktnachfrage nach ihnen. Sie und Deutsche unterhalten in diesem Fall also nur jeweils untereinander und unterhalten ‘unter sich’ eine freiwillige private soziale Beziehung. Anders gewendet: sie interagieren freiwillig nur unter ‘Ihresgleichen’. Der türkische Akteur verkehrt mit Deutschen nur dann, wenn es sich nicht vermeiden läßt. Nur die eingeschränkte Verfügbarkeit an Angehörigen der Eigengruppe führt dann bei den Türken dazu, Beziehungen einzugehen, die eigentlich nur zweite Wahl sind.

Falls die Option ‚Vermeidung von Deutschen‘ nach eigener türkischer Einschätzung erfolgreich war, wird sie bei ‚wiederkehrenden typischen Situationen‘ (Begegnung mit Deutschen) beibehalten. Dieses intentionale Verhalten gewinnt durch Routinisierungen Stabilität.

Das Ziel ist es herauszufinden, in welchem Umfang dem türkischen Studenten auferlegte oder von ihm verinnerlichte Werte und Normen bzw. kognitive und normative Orientierungsfolien eine Rolle bei der Herkunftsorientierung spielen.

- Wie hoch ist das Ausmaß an Automarginalisierung, d.h. inwiefern bestimmen kognitive und evaluative Deutungs- und Wahrnehmungsmuster aus dem Herkunftskontext der Eltern die Herkunftsorientierung ?
- Woher stammen diese Normalitätsfolien?

3.2.3. Diskriminierung[14], Ursachen, reaktive Automarginalisierung und weitere Reaktionen der Türken

Die Herkunftsorientierung läßt sich auch durch Diskriminierung und durch die Reaktion der Türken darauf erklären. Es wird von den als Stigma[15] betrachteten Merkmalen ausgegangen, durch das sich die Türken von gleichaltrigen Deutschen unterscheiden. Die Folge ist deren negative Diskriminierung im Sinne des zumindest teilweise Ausschlusses, der verbalen und non-verbalen Gewalt etc. durch Deutsche und beeinflußt damit das Kontaktverhalten als Reaktion der Ausgeschlossenen: die Diskriminierungen der Deutschen beeinflussen damit aber auch die Wahl ihrer „Freunde, für die sie sich entscheiden“ (Viehböck, Bratić 1994: 107). Wie schon erwähnt, orientieren sich Akteure bei der Interaktion an Merkmalen anderer. In Interaktionssituationen zwischen Deutschen und Türken werden ‘typische’ Merkmale wie Sitte, Gesichtszüge, Verhaltensweisen, Kleidung, Religion, Hautfarbe, Frisur, Sprache für die Einschätzung der Situation benutzt. Diese vom Akteur subjektiv wahrgenommenen und beurteilten Merkmale gelten als „Indikator für ‘Fremdheit’“(Esser, Gaugler, Neumann u.a. 1979: 112). Diese Fremdheit soll heißen: der Grad der wahrgenommenen Abweichung eines Akteurs und Angehörigen eines Sozialen Kollektivs in bezug auf außen wahrnehmbare Merkmalsausprägungen in den Bereichen der ‘typischen’ im Sinne von als herrschend geltenden und somit anzustrebenden Ausprägungen der Sitte, Hautfarbe, Gesichtszüge, Sprache, Kleidung des Sozialen Kollektivs des anderen Akteurs. Dort, wo es Menschen gibt, gibt es auch Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Aber es sind nicht die Unterschiede per se wichtig, sondern wie diese wahrgenommen und beurteilt werden![16] Falls der türkische Interaktionspartner in seinem äußeren Erscheinen in bezug auf diese Merkmalsausprägungen kognitiv zu stark aus der subjektiven Perzeption des deutschen Akteurs abweicht, wird er als ‘Ausländer/Türke’ kognitiv wahrgenommen. In dieser von einem deutschen Akteur subjektiv gedeuteten ‘Interaktionssituation mit einem Ausländer/Türken’ wird durch diese typisierende und generalisierende Zuschreibung ‘Ausländer/Türke’ aufgrund direkt abweichenden wahrnehmbaren Merkmalsausprägungen eine Korrelation mit den individuellen Personeneigenschaften und Handlungsmustern vermutet. Die vom deutschen Akteur subjektiv eingeschätzte Eintrittsgewißheit bzw. -wahrscheinlichkeit dieses Zusammenhanges zwischen diesen äußeren Merkmalen und der individuellen Personeneigenschaften wird dann als hoch eingestuft. Falls die kognitiv wahrnehmbaren abweichenden Merkmalsausprägungen selber oder für Ausländer/Türken als ‘typisch’ bezeichnete Eigenschaften und Verhaltensmuster als negativ beurteilt (und diese Typisierungen habitualisiert) werden, erfolgt eine Diskriminierung des Ausländers/Türken durch den deutschen Akteur als Folge dessen subjektiver Situationsdefinition. Als Beispiele wären neben Ausschluß an der Teilhabe von sozialer Interaktion, Wegschauen, Anstarren, verbale oder non- verbale Gewalt, Ausgelacht werden, Klatsch etc. zu zählen. Die Diskriminierung soll dann heißen: eine negative Ungleichbehandlung die auf abweichende Merkmalsausprägungen und nicht auf individuellen Eigenschaften zurückgeführt wird. „Diskriminierungen sind dann Handlungen gegenüber Objekten [hier Ausländer; BG], bei denen die Handlungswahl [des deutschen Akteurs; BG] nicht den jeweils gegebenen ‘wirklichen’ Merkmalen (individuelle Eigenschaften des Objekts), sondern (typisierenden und generalisierenden) Zuschreibungen von Eigenschaften und daran geknüpften Bewertungen folgt“ (Esser 1980: 137). Was läuft beim türkischen Akteur dabei ab? Er nimmt in der subjektiv gedeuteten Interaktionssituation ‘Treffen mit Deutsche’ Diskriminierung wahr. Diese wahrgenommene Diskriminierung löst bei ihm subjektiv- empfundene Unerträglichkeit, also ein hohes Maß an negativen Empfindungen und damit subjektive Kosten aus. Die Diskriminierung wird von ihm deshalb als negativ beurteilt und möchte von ihm dann vermieden werden. Dies kann durch negative Sanktionierung[17] der diskriminierenden Deutschen oder durch Kontaktvermeidung geschehen. Oft wahrgenommene Diskriminierungen durch Deutsche erhöhen seine subjektiv- gedeutete Eintrittswahrscheinlichkeit bzw. Erwartungsgewißheit des Ereignisses ‘Diskriminierung durch Deutsche’. Die erwarteten subjektiven Kosten im Sinne der Unerträglichkeit werden als hoch eingestuft. Die Diskriminierung wird bei häufigen wahrgenommenen negativen Ungleichbehandlungen zu einer Alltagssituation. Das prägt auch habits und frames. Der türkische Akteur möchte den Kontakt zu Deutschen vermeiden, da er mit ihnen nur Diskriminierung in Verbindung bringt. Wenn diese Strategie der Kontaktvermeidung Diskriminierungen durch Deutsche und damit Unerträglichkeit vermeidet, gilt sie für ihn als eine erfolgreiche Situationsbewältigung. Diese Strategie der Kontaktvermeidung wird dann als typisierte Handlungssequenz habitualisiert. Der ausländische und damit türkische Akteur orientiert sich auch an den von ihm als typisch betrachteten Merkmalen der Deutschen, die dann auch als Bezugspunkt für sein framing in seiner subjektiven Situationsdefinition gelten. Wahrgenommene äußere Merkmale getroffener Deutscher lösen bei ihm die Situationsdefinition ‘Treffen mit Deutschen’ und die anschließende Kontaktvermeidung zu diesen aus. Diese führen bei ihm „dann zu resignativem Rückzug auf die eigene Ethnie“ (Hill 1984: 90) hier im Sinne der Ausländer/ Türken. Es kommt zur Hervorhebung gerade dieser Merkmale als Referenzkriterien wie z.B. Gesichtszüge, Hautfarbe oder „Aehnlichkeiten (sic) des äußeren Habitus oder der Sitten oder beider ... [oder ; BG] Erinnerung an ... Wanderung“ (Weber 1976: 237). Dies führt zu einem Gemeinsamkeitsglauben bzw. Glauben an einen gemeinsamen handlungsleitenden Bezugssystem, „ganz einerlei, ob eine Blutsgemeinschaft objektiv vorliegt oder nicht.“ (Weber 1976: 237) Es kommt dazu, daß der türkische Akteur aufgrund dieser nun seinerseits hervorgehobenen Merkmale davon ausgeht, Interaktionssituationen mit Angehörigen der Eigengruppe besser zu meistern, so daß seine Erwartungsgewißheit in dieser Hinsicht hoch ist. Seine subjektive Einschätzung des Eintritts negativer Diskriminierung wird auch als niedrig eingestuft, da er aufgrund gemeinsamen Merkmale keine negative Diskriminierung erwartet. Bei schon vorhandener besserer Behandlung durch Ausländer / Türken läuft bei ihm folgendes ab: er führt die Situation ‘bessere Behandlung durch Ausländer/Türken’[18] auf diese ‘Gemeinsamkeiten’ zurück. Dies steigert seine subjektiv gedeutete Einschätzungswahrscheinlichkeit des Eintrittes des Ereignisses, daß er von Ausländern/Türken besser behandelt wird und daß dies ihm Wohlbefinden verschafft. Dies determiniert seine Kontaktpräferenzen und steigert seinen Wunsch, private soziale Beziehungen nur zu Seinesgleichen zu unterhalten. Diese Nachfrage nach Beziehungen äußert sich darin, daß er die Initiative für die Entstehung privater sozialer Beziehungen mit Seinesgleichen ergreift, die natürlich erwidert werden muß, soll die Beziehung entstehen (vgl. dazu Esser 1990 b). Bei erfolgreichen oft erfolgten befriedigenden Interaktionen bzw. Beziehungen mit Ausländern/Türken erhöht seine Erwartungsgewißheit der besseren Behandlung durch Seinesgleichen. Dies führt zur Habitualisierung der Kontaktnachfrage nach ihnen. Sie unterhalten in diesem Fall also nur jeweils untereinander ‘unter sich’ eine freiwillige private soziale Beziehung. Anders gewendet: sie interagieren freiwillig nur jeweils unter ‘Ihresgleichen’. Er interagiert mit Deutschen nur dann, wenn es sich nicht vermeiden läßt. Nur die eingeschränkte Verfügbarkeit an Angehörigen der Eigengruppe führt dann bei den Türken dazu, Beziehungen einzugehen, die eigentlich nur zweite Wahl sind.

Die Bereiche und das Ausmaß an Diskriminierung und deren mögliche Ursachen sowie Folgen sollen ermittelt werden. Die Beziehung zwischen der Ungleichbehandlung und reaktiven Verhaltensweisen des türkischen Studenten soll aufgezeigt werden.

Ferner soll erforscht werden, ob Freunde bzw. Bekannte des Probanden diskriminiert worden sind und welche Ursachen sowie welche Wirkungen diese Ungleichbehandlung gehabt hat.

- Wie hoch ist das Ausmaß an Diskriminierung des Probanden?
- Was sind die Ursachen und die Folgen der Diskriminierung des türkischen Studenten auf die Herkunftsorientierung?
- In welchen Lebensbereichen findet Diskriminierung statt?
- Wie hoch ist das Ausmaß an Diskriminierung der Bekannten bzw. Freunde des Probanden?
- Was sind die Ursachen und die Folgen der Diskriminierung dieser Freunde bzw. Bekannte?

3.2.4. Die Einbettung der deutsch- türkischen Interaktion in die Gelegenheitseigenschaft der Bevölkerungsstruktur

Die Bemerkung, „Türken verkehren mit Deutschen nur dann, wenn es sich nicht vermeiden läßt“ verweist auf die bevölkerungsstrukturabhängige Gelegenheit der Begegnung zwischen den Türken und Deutschen. Es sollen auch von Werten und Normen losgelöste makrosoziologische Grundannahmen getroffen werden. Die demographisch bedingte Gelegenheit bzw. Chance der Interaktion zwischen Gruppen an sich spielt dabei eine Rolle (vgl. Blau 1994).

Die Wahrscheinlichkeit für Beziehungen zwischen den nationalen Gruppen hängt von der Bevölkerungsstruktur auf einem bestimmten Territorium ab. Das Ausmaß an nationaler Heterogenität der Bevölkerung in einem geographischem Raum bestimmt die Gelegenheit für die Interaktion von Angehörigen verschiedener nationaler Gruppen und damit auch die Chance, ‚internationale‘ Beziehungen einzugehen, Menschen gleich zu behandeln, zu helfen oder auch zu diskriminieren. Akteure interagieren: „Personen treffen einander mehr oder weniger zufällig oder institutionalisiert.“ (Esser 1990b: 192). Die Kontaktaufnahme zwischen Deutschen und studierenden Türken setzt damit die (bevölkerungs-) strukturelle Möglichkeit von Kontakten voraus (vgl. Kitzing, Esser, Schnell 1985: 62). Diese Bereiche der Interaktionsgelegenheit bieten sich u.a. allgemein im Arbeitsbereich, im Wohnbereich, in den Cafés, Diskotheken, Vereinen, an der Universität, in Behörden (Ämter, Grenzübergang etc.) und in der Schule. Die räumliche Nähe, d.h. die Nachbarschaft zwischen Deutschen und Türken erhöht die Chance für Kontakte und das Ausmaß tatsächlicher Interaktionen.[19] Diese Interaktionsgelegenheiten können auch als potentielle Lebensbereiche der Diskriminierung betrachtet werden. Eine Bedingung für die Chance der Begegnung zwischen Deutschen und Türken ist, daß der Grad der Türkenkonzentration und der Grad der institutionellen Vollständigkeit einer spezifischen Infrastruktur im Sinne von ‘eigenen’ türkischen vorhandenen Diskotheken, Cafés, Arbeitsbereichen, Schulen und Wohnbereichen in diesen obigen Bereichen nicht zu hoch sein darf. Denn sonst senkt die zu hohe Türkenkonzentration ab einer bestimmten kritischen Masse in diesen Bereichen und ein hoher Institutionalisierungsgrad einer türkischen Infrastruktur nicht nur die strukturelle Chance für Kontakte zwischen Deutschen und Türken, sondern sie entbindet auch die Notwendigkeit, Kontakte außerhalb der ‘eigenen’ Gruppe zu suchen. Suchen? Die Türken kommen überhaupt nicht mehr dazu, Deutsche kennnenzulernen! Damit sinkt der Bedarf an Beziehungen zu Deutschen bei Türken, da diese ihren subjektiven Nutzen durch bestehende soziale Beziehungen beziehen. Beziehungen sind aufwendig und kosten Ressourcen wie z.B. Zeit. Ressourcen sind begrenzt, die Akteure für ihre Zielsetzungen einsetzen können, „und daß daher für sehr aufwendige Arten von Beziehungen... die verfügbaren Ressourcen zu knapp werden, als daß man hiervon viel verwirklichen könnte.“ (Esser 1990b: 192). Deshalb werden Ausländer bzw. Türken wenig für Kontakte mit Deutschen in diesem Fall investieren, wenn sie sowohl befriedigende Beziehungen haben und zu begrenzte Ressourcen, um diese zu investieren, um Kontakte nachzufragen. Denn unter „solchen Bedingungen erhöht sich die Zahl der Kontaktmöglichkeiten und das Ausmaß tatsächlicher Interaktionen“ (Kitzing, Esser, Schnell 1985: 63) zwischen Türken und Deutschen. Eine zu hohe Ausländer- bzw. Türkenkonzentration „erschwert [auch; BG] die Bildung der für Aktivitäten in der Mehrheitsgesellschaft notwendigen kommunikativen und attitudinalen Qualifikationen“ (Heckmann 1992: 115) im Zuge der Sozialisation des individuellen türkischen Akteurs, der in dieses Milieu hineingeboren und -sozialisiert wird und dadurch weniger Möglichkeiten zur Partizipation am Wirtschaftsleben der deutsches Mehrheitsgesellschaft und damit zum sozialen Aufstieg bekommt. Es fehlen ihm nämlich dann dabei kulturelles[20] mit Ausnahme der Bildung und soziales Kapital der Aufnahmegesellschaft.

Es sollte erforscht werden, wie hoch der Institutionalisierungsgrad der migrantenspezifischen Infrastruktur ist und in welchem Verhältnis dieser zur Gelegenheit zu Begegnungen zwischen Türken und Deutschen steht.

- Inwieweit beeinflußt die Bevölkerungsstruktur Gelegenheiten für Beziehungen zwischen Deutschen und studierenden Türken?
- Inwieweit beeinflußt die Bevölkerungsstruktur die Mobilität der studierenden Türken?
- In welchen Interaktionsbereichen kommt es vermehrt zur Diskriminierung der türkischen Studenten?

3.3. Die Zukunftspläne: welche Lebenspläne hat der türkische Student?

„Es wird von ... [den Probanden; BG] erwartet, daß sie Vorstellungen über ihr künftiges Leben entwickeln, das in eigener Regie geführt werden soll. Der Lebensplan ist kein Drehbuch, das dann Stück für Stück verwirklicht wird, vielmehr umfaßt ein Lebensplan eine Vielzahl von Einzelplänen, die z.T. nur in groben Grundzügen mehr oder weniger bestimmt definiert und zudem auch revidierbar sind.“ (Lenz 1988: 19)

Zentrale allgemeine Bestandteile des Lebensentwurfs sind Beruf und Lebensformen, wozu u.a. räumliche Trennung von den Eltern[21], das (nicht-) eheliche Zusammenleben mit Partnerinnen oder Partnern, Alleinleben, Kinderwünsche, Vorstellungen über die inhaltliche Gestaltung der Familien- und Paarbeziehung zählen. Lebenspläne können die Partizipation an gesellschaftlichen und politischen Prozessen miteinbeziehen (vgl. Lenz 1988: 19). Bei Ausländern bzw. türkischen Studenten könnte eine mögliche künftige ‚Remigration‘ in das Herkunftsland der Eltern ein nicht unwichtiges Bestandteil des Lebensplans darstellen (vgl. in Bezug auf Ausländer dazu: Viehböck, Bratić 1994: 179 f.). Welche Bedeutung haben diese Zielvorstellungen allgemein? Der Akteur schafft, um überhaupt zu handeln, sich seine Ziele, entwickelt dafür geeignete wissensmäßige und praktische Mittel oder Verfahren und kontrolliert die Zielverwirklichung (vgl. Voß 1991: 219) , wobei seine Handlungsauswahl auch von der subjektiv eingeschätzten Grad der Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Ereignisses ‚Erfolg der Handlung bzw. des Mittels zum Zweck‘ abhängt: Handlungen mit unrealistisch geltenden Zielen oder auch mit fehlender subjektiver Erfolgsgewißheit bzw. Zuversicht werden im Gegensatz zu jenen mit realistischen Zielen und als erfolgreich antizipierten Mitteln nicht ausgewählt. Das heißt Zukunftsvorstellungen prägen die Auswahl von Handlungsoptionen und damit auch die gegenwärtige Lebensgestaltung.

Der subjektiv eingeschätzte Grad des Erfolgs einer Handlung hängt von Erfolgen bisheriger Handlungen ab: das heißt, wenn bisherige Handlungen zum Erfolg geführt haben, geht der Akteur davon aus, daß dies künftig auch geschehen wird, was zum gesteigerten Selbstvertrauen und damit auch seine Fixierung auf schwerer erreichbare Ziele führen kann. Im umgekehrten Fall gilt eher das Gegenteil. Der subjektiv eingeschätzte Grad der Eindeutigkeit und Konkretheit der Zukunft hängt auch vom gegenwärtigen Wissen des Akteurs ab: der Akteur orientiert sich an seinen retrospektiven Erfahrungen und extrapoliert sie in die Zukunft. Anders gewendet: „Erst indem Deutung und Wissen, die in der Gegenwart zur Verfügung stehen, auf Zukunft bezogen werden, gelingt es, den - teils bestimmbaren, teils unbestimmbaren - Horizont von Möglichkeiten und Entscheidungszumutungen überhaupt perspektivisch anzupeilen.“ (Treptow 1992: 362) Zum Beispiel hängt eine Karriereaspiration damit auch von der subjektiven Deutung der gegenwärtigen Situation des Akteurs ab. Es besteht dann m.E. die Möglichkeit von der Aspiration auf die gegenwärtige Lage des Akteurs zu schließen. Dieses Verfahren ist allerdings nicht ganz zuverlässig, da eine subjektiv als defizitär empfundene gegenwärtige Lage die Anforderungen an die eigene Zukunft höherschrauben kann oder eine subjektiv als angemessen betrachtete jetzige Situation dazu führt, künftig den Status quo ‚nur‘ beizubehalten. Lebensentwürfe und tatsächlich vorhandene Lebenschancen hängen aber nicht nur von subjektiven, individuellen Entscheidungen des Akteurs ab, sondern auch von den objektiv vorhandenen sozialen Rahmenbedingungen bzw. der Herrschaftsordnung, die ihm den Zugang zu gesellschaftlich wichtigen Ressourcen verschaffen oder verweigern und ihn somit diskriminieren. Diese realexistierenden Rahmenbedingungen werden bei der subjektiven Deutung der Situation durch den Akteur bei seiner Wahl von Handlungsentwürfen einbezogen. Die Zukunftserwartung des türkischen Studenten und deren Zusammenhang mit dem gegenwärtigen Handeln soll nun empirisch ermittelt werden. Die gesellschaftlichen Bedingungen für Lebenschancen und -pläne sollen dabei nicht unberücksichtigt bleiben.

- Welche abstrakten oder konkreten Zukunftsvorstellungen hat der türkische Student, welche Erwartungshorizonte leiten seine gegenwärtige Lebensgestaltung?
- Sieht er seine Zukunft in der Bundesrepublik oder eher in der Türkei? Was sind die Ursachen?
- Welche tatsächlich vorhandenen Rahmenbedingungen beeinflussen seine Zielvorstellungen und Realisierungen der Lebensentwürfe.

3.4. Das Selbstkonzept des türkischen Studenten

Eine weiteres Ziel besteht darin, das Selbstkonzept des Probanden herauszufinden.

- Wie lautet die Antwort auf die Forschungsfrage, wer er ist und wozu er gehört?

2. Hauptteil: Die Dossiers über Yavuz und Yusuf

1. Die Aufbereitung der Interviews

Die in den Audiokassetten vorhandenen Interviews wurden vollständig transkribiert und auf Datenträgern gespeichert, um den Informationsverlust möglichst gering zu halten. Dabei wurden gleichzeitig die personenbezogenen Daten anonymisiert und die Fälle mit einem vom Probanden nach dem Interview ausgesuchten Ersatznamen versehen, um eine Identifizierung auszuschließen. Zitate aus den Transkriptionen wurden in unterschiedlicher Art und Weise verwendet: „als Referenz, als Illustration, als Substitut für ein eigenes Argument oder als Quintessenz, wenn die Formulierung etwas in einer solchen Weise auf den Punkt bringt, daß sie nicht zu übertreffen ist.“ (Kudera 1995: 66)

2. Dossier über Yavuz

1. Die Auswahl des Kandidaten

Die nationale Herkunft des Probanden gilt als Auswahlkriterium. Der Proband oder die Interviewte mußte Student und Nachkomme türkischer Einwanderer sein. Der Interviewte erfüllt als türkischer Besucher der Konstanzer FH diese Voraussetzungen. Yavuz wurde von einem Bekannten des Interviewers vermittelt. Die erste Kontaktaufnahme zum Interview fand persönlich auf einer vom Interviewer und dem Probanden besuchten Uniparty statt, wobei er sofort einwilligte. Proband und Interviewer kennen sich, haben aber keine soziale Beziehung zueinander.

2. Der Erfahrungsbericht

Das Interview wurde am Freitag, den 14.5.1999, im Zimmer des Probanden, in seiner WG in Petershausen/Konstanz zwischen 18 und 20 Uhr durchgeführt und mit einem Tonbandgerät aufgezeichnet. Es fand am Schreibtisch des Probanden statt, wobei beide sich gegenüber saßen. Der Proband sollte aus folgenden Gründen zu Hause befragt werden: es sollte sich der Interviewer einen Einblick in das Inventar des Jugendlichen an Besitz- bzw. Gegenständen verschaffen. Darüber hinaus wurde eine Reduktion des äußeren Zeitdrucks sowie eine Entspannung der Situation durch die vom Probanden vertraute und selbstbestimmte häusliche Umgebung angestrebt, was auch durch die Bekanntschaft beider erreicht werden sollte. Der Interviewer und der Proband waren zur Interviewzeit sowohl in dessen Zimmer als auch in der Wohnung allein, während der Mitbewohner einkaufen gegangen war. Vor dem Interview wurden dem Probanden die Absichten des Interviews vorgelesen. Danach wurde der Leitfaden beim Interview eingesetzt, wobei während des Gesprächs aufgekommene neue Fragen auch gestellt worden sind. Es wurde im Komplex ‚Zukunftsvorstellungen‘ dem Probanden ein Blatt mit Induktoren vorgelegt, den dieser zu ergänzen gehalten war. Es wurden anschließend leicht objektivierbare sozialstatistische Daten anhand eines standardisierten Fragebogens erhoben. Am Ende des Interviews wurden verschiedene weitere neu entstandene Fragen gestellt, welche vom Probanden beantwortet worden. Im Anschluß an das Interview wurden in einem Kurzprotokoll Besonderheiten und Auffälligkeiten des Interviewverlaufs festgehalten und eine Inventarliste angefertigt. Der dem flüchtig Interviewer bekannte Proband ging frei und interessiert mit dem Gespräch um. Die Gesprächsatmosphäre war entspannt und mitunter heiter und wurde durch entsprechende Bemerkungen beider gekennzeichnet, wobei aber die Seriosität der Datenerhebung nicht in frage gestellt worden ist. Fragen, deren Sinngehalt vom Probanden nicht erfaßt wurde, wurden mit dessen Rückfragen begegnet. Dies könnte ein Indiz dafür sein, daß er am Gespräch, an der korrekten Beantwortung der Fragen und am Thema interessiert war. Allerdings wurde das Interview zweimal durch ein Telephonat und eine WC- Pause des Probanden unterbrochen, wobei das jeweilige Thema nach einer kurzen Wiedereinführung des Interviewers weiter bearbeitet wurde.

Das empirische Interviewmaterial mußte dann aufbereitet und ausgewertet werden, damit dessen Präsentations- und Analysefähigkeit sichergestellt werden konnte, wobei das Transkript aus Platzgründen nicht beigelegt ist.

Die Auswertung des Interviews umfaßt das Portrait, die Rahmendaten des Probanden und eine Gesamtinterpretation der gesammelten Daten vor dem Hintergrund theoretisch- konzeptueller Überlegungen über die Antwort auf die gestellten Forschungsfragen.

[...]


[1] Diese vorliegende Arbeit basiert auf zwei 1999 im Rahmen eines über Soziale Randgruppen geführten theoriegeleiteten Intensivinterviews mit zwei türkischen Studierenden und ist stark verkürzt in einem Sammelband von Sandra Bartsch, Burak Gümüs und Türkan Türetken-Simic (2000) erschienen.

[2] Das sind Personen, die an deutschen (Fach-) Hochschulen eingeschrieben sind und einen Studentenausweis für deutsche (Fach-) Hochschulen besitzen.

[3] Die nominale Definition für Türken in Deutschland soll heißen: ehemalige oder aktuelle Staatsbürger der Republik Türkei, einerlei welcher Muttersprache, Abstammung, Religion, Konfession sie besitzen oder subjektiven Glauben an eine Gemeinschaft hegen (subjektives Zusammengehörigkeitsgefühl). Damit ist der Objektbereich weit genug gefaßt, um möglichst alle Personen, die oder deren Vorfahren aus der Türkei stammen, einzubeziehen, egal ob sie nun einen deutschen Paß haben oder nicht, egal welche Herkunft oder subjektive Selbstdefinition sie besitzen.

[4] ‘Bildungsinländer’ sind Personen, die ihre Hochschulreife in einem Gymnasium in Deutschland erworben haben, was voraussetzt, daß sie ein Gymnasium in der Bundesrepublik besucht haben und der deutschen Sprache hinreichend mächtig sind. Dadurch sollen Türken, die zwecks Studium in die Bundesrepublik eingereist sind und sich hier aufhalten und damit keine Nachfahren von Arbeitsimmigranten sind, vornherein von dem Objektbereich ausgeschlossen werden. Aus darstellungsökonomischen Gründen wird für die in Konstanz studierende türkische Bildungsinländer der Ausdruck ‚ türkischer Student ‘ verwendet.

[5] Dieses bei dieser Arbeit durchzuführende Leitfadeninterview ist allerdings im Gegensatz zu anderen gleichnamigen Interviews als eine mündliche Befragung ein Vorgang der Antwortaufnahme auf gestellte Fragen und damit eine asymmetrische Interaktionssituation mit einem Akteur mit der Rolle des Nur- Befragers und einem anderen Akteur als Nur - Beantworters, der sich an dem Interviewer und an den Fragen orientiert, bei dem die Reihenfolge und Formulierung der Fragen schon relativ fest vorgegeben ist und deshalb nicht nur als Gedächtnisstütze für den Interviewer dient.

[6] Der Autor dieser Arbeit wollte zunächst den machttheoretischen Ansatz der Randgruppen (vgl. Wiehn o. J.; vgl. Wiehn 1994) auf türkische Studenten anwenden. Dessen vollständige und wissenschaftlich korrekte Anwendung mit dem Bezug auf die Beziehung zwischen der gegenwärtig in der Bundesrepublik herrschenden Elite und der kausalen Verbindung zu den von ihm Befragten bedürften einen höheren empirischen Forschungsaufwand, der durch zwei Interviews nicht bewerkstelligt werden kann.

Der Autor weist auf seine erste Hausarbeit hin, bei der der machttheoretische Ansatz en detail dargestellt und theoretisch angewandt worden ist.

[7] Herkunftsorientierung soll heißen : Eigenrandgruppenorientierung in bezug auf Kontaktverhalten. ‘Kontaktverhalten’ soll folgendes bedeuten: die Handlung eines Akteurs, mit einem anderen eine private soziale Beziehung zu haben. ‘Soziale Beziehung’ soll heißen: ein aufeinander gegenseitig eingestelltes bzw. bezogenes und dadurch orientiertes intentionales Verhalten mindestens zweier Akteure bzw. deren aufeinander bezogene soziale Interaktion, die auf längere Dauer eingerichtet ist. ‘Privat’ soll heißen: eine Eigenschaft für Lebens- bzw. Tätigkeitsbereiche, die ausdrücklich nicht der Öffentlichkeit angehören, keine formalen Rollenzuschreibungen haben und damit nur persönlich und freiwillig sind. ’Private soziale Beziehung’ soll heißen: eine persönlich ‘gefärbte’ Form sozialer Interaktion mindestens zweier Akteure, die freiwillig und auf längere, nicht fixierte Dauer eingegangen wird und über eine Begegnung hinausgeht. ‘Eigenrandgruppenorientierung’ soll heißen: die Ausrichtung eines Akteurs zu einem von den herrschenden Werten und Normen abweichendem sozialem Kollektiv, zu dem er laut weiter zu erläuternden bestimmten Referenzkriterien zugehört. ‘Eigenrandgruppenorientierung in bezug auf Kontaktverhalten’ heißt dann: die Handlung eines Akteurs, nur mit Angehörigen eines von den herrschenden Werten und Normen abweichenden sozialen Kollektivs, dem er auch angehört, eine persönlich ‘gefärbte’ Form sozialer Interaktion freiwillig und auf längere, nicht fixierte Dauer einzugehen.

[8] Automarginalisierung wird weiter unten definiert.

[9] Der Akteur deutet die Situation, in der er sich nach seiner selektiven Wahrnehmung befindet und schätzt damit subjektiv seine Lage und mögliche attraktive Zielzustände und voraussichtliche Folgen seiner Handlungsweise ein (subjektive Deutung der Situation). Dabei werden verbale und nonverbale soziale Konstellationen aufgrund bisheriger verarbeiteter Erfahrungen individuell subjektiv gedeutet. Dies gilt als Voraussetzung für die eigene Handlungsauswahl nach subjektiven Kosten-/Nutzenskriterien (vgl. Esser 1996:1 ff.). Die subjektiv attraktivsten Ziele und die dafür subjektiv eingeschätzten Mittel werden aufgrund bisheriger Erfahrungen nach dem vom Akteur subjektiv eingeschätzten Grad der Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Erfolgs der Handlung ausgewählt.

[10] Die Familie ist für die Jugendlichen und junge Erwachsene nicht selten die wichtigste Bezugsgruppe, da die meisten von ihnen in ihr leben und daran ihr Handeln, Wahrnehmungs- und kognitive und evaluative Deutungsmuster orientieren (vgl. Schäfers 1982: 98). Dies müßte auch für türkische Studenten gelten, so weit keine räumliche Trennung von den Eltern durchgeführt worden ist. Eltern übernehmen die Rolle der Erzieher und stellen Ansprüche an das Verhalten des Kindes und damit an ihre eigene Elternrolle, die ihr Erleben von Erfolg oder Mißerfolg als ‚Lehrer‘ bestimmen. Diese „Entwicklungsverantwortung“ läßt sie Anforderungen an Kinder und Jugendliche stellen und diese auch mit Autorität zu realisieren (vgl. Fend 1998: 40). Bei der Beziehung zwischen Kindern und Eltern haben letztere einen elterlichen Machtvorsprung, dessen Umgang einen Interaktionsinhalt darstellt (vgl. Lenz 1988: 14). Da die heranwachsenden türkischen Jugendlichen und Erwachsenen gleichzeitig mit deutschen Gleichaltrigen in Schule oder im Beruf in die deutsche Normen- und Sozialisationsfeld hineinsozialisiert werden, kommt es zum Wettbewerb verschiedener Sozialisationsinstanzen bei der Prägung von Normalitätsfolien. Der Machtvorsprung der Eltern nimmt dadurch und durch zunehmendes Heranwachsen der Jugendlichen sowie durch eine räumliche Trennung von den Eltern ab.

[11] Normen sind dann gegeben, wenn das Recht auf Kontrolle einer Handlung nicht vom Akteur selbst bestimmt wird, sondern sozial definiert ist, ehe sie internalisiert werden.

[12] Akteure orientieren sich in der Situation ‘Interaktion mit anderen Akteuren’ an Merkmalen anderer Akteure, die „ein Individuum in einer Interaktionssituation bei den jeweils anderen wahrnimmt, bewertet und an bestimmte Verhaltenserwartungen geknüpft werden...Die entsprechenden Merkmale haben in verschiedenen Situationen und bei verschiedenen Interaktionspartnern unterschiedliche Bedeutungen und werden mit unterschiedlichen Erwartungen verknüpft... Situationsübergreifende und intersubjektive Bedeutung erlangen [diese Merkmale; BG] nur , soweit (Wert-) Konsensus darüber in der jeweiligen Kultur (bzw. Subkultur) reicht. In Interaktionssituationen, in denen keine weiteren Kriterien zur Verfügung stehen, orientiert sich die Einschätzung der Interaktionspartner an den sichtbaren Merkmalen und Verhaltensweisen der Akteure (ethnische Merkmale, Kleidung, Sprache, Geschlecht, Alter usw.).“ (Esser, Gaugler, Neumann u.a. 1979: 112, meine Hervorhebung) Akteure brauchen nicht darüber nachzudenken, was sie tun sollen, wenn sie kognitive und normative Deutungsmuster und Handlungssequenzen als Orientierungsfolie typisiert, kategorisiert und verinnerlicht haben. Dies gilt auch für die Perzeption und Evaluation anderer Akteure bzw. sozialen Kollektiven: „Wahrnehmungs- und Beurteilungsprozesse in bezug auf Personen und Personengruppen können als Sonderfall allgemeiner kognitiver Kategorisierungsvorgänge angesehen werden. Die Besonderheiten sind erstens, daß die Objekte der Wahrnehmung und Beurteilung selbst handelnde Personen sind; d.h. daß eine Reaktion auf Kategorisierung in Rechnung gestellt werden muß, deren Folgen zunächst unsicher sind. Die zweite Besonderheit ist, daß bei solchen Wahrnehmungsprozessen nicht ‘Alltagstheorien’ über die Umgebung allgemein, sondern ganz konkrete ‘private Persönlichkeitstheorien’ zur Anwendung kommen, die - ähnlich wie soziologische Theorien- von der ‘Korrelation’ bestimmter (latenter) Eigenschaften von Personen ausgehen, so daß bei Kenntnis einer bestimmten (meist: äußerlich erkennbaren) Eigenschaft das Vorliegen auch dieser anderen (latenten) Eigenschaften ‘selbstverständlich’ angenommen wird.“ (Esser 1980: 138; meine Hervorhebung).

[13] Automarginalisierung soll heißen: die Handlung des Türken, sich als Minderheit bewußt von den Deutschen abzugrenzen. Dies führt auch zur Herkunftsorientierung im Sinne der Hausarbeit.

[14] Diskriminierung wird weiter unten definiert.

[15] Dieses Konzept des Stigmas geht u.a. auf Goffman zurück (vgl. Goffman 1975).

[16] Die Hervorhebung, Tradierung bzw. Institutionalisierung bestimmter Gemeinsamkeiten oder Unterschiede als Referenz- und Abgrenzungsmerkmale zur ‚Manipulation‘ von Wahrnehmungs- und Deutungsmustern hängt von definitionsmächtigen gesellschaftlichen Eliten mit Medien- und Sozialisationsinstanzen wie zum Beispiel Schulen ab, die diesen Kriterien soziale Geltung verschaffen und durch Wert- und Norminternalisierung tradieren können.

Der Autor weist auf seine letzte Hausarbeit hin, in der diesem Umstand mehr Achtung geschenkt wurde.

[17] Akteure interagieren ja, wobei negative oder positive interne oder externe Auswirkungen aus den Handlungen resultieren. Dabei entsteht ein Interesse der Betroffenen an der Kontrolle der Handlungen, um Kosten zu vermeiden oder Vorteile zu fördern. Diskriminierung von Türken durch Deutsche führt bei den erstgenannten zur psychischen Unerträglichkeit. Dies schafft bei ihnen einen Anreiz Diskriminierung durch negative Sanktionierung der sie diskriminierenden Deutschen zu verhindern. Die Türken versuchen damit, die eigene Norm‚Unterlassung der Diskriminierung‘ mit Sanktionen gegen Deutsche durchzusetzen und gegebenfalls Deutsche vor Diskriminierung durch Erhöhung der Sanktionswahrscheinlichkeit und -härte abzuschrecken. Dies geschieht aber dann, wenn der türkische Akteur genug Ressourcen zur Sanktionierung diskriminierenden Verhaltens besitzt.

[18] Dazu gehören gegenseitige Hilfe, Sympathiebekundung, Geselligkeit, die den subjektiven Nutzen erhöhen.

[19] Auch die Sprachfähigkeit, was mit den Akteuren zu tun hat, ist für die Aufnahme dieser Kontakte ziemlich wichtig (vgl. Kitzing, Esser, Schnell 1985: 60).

[20] Kulturelles Kapital soll heißen „dauerhaft verinnerlichte Fähigkeiten, Fertigkeiten und Wissensformen, die hinreichend generalisiert sind, um als Potential zur Transformation in ökonomisches Kapital ... in der Aufnahmegesellschaft zu wirken.“ (Nauck, Kohlmann, Diefenbach 1997: 481).

[21] Bei Studenten ist nicht selten eine räumliche Trennung von den Eltern von Statten gegangen, weil sie z.B. nicht in ihrer Heimatstadt studieren.

Ende der Leseprobe aus 92 Seiten

Details

Titel
Türkische Studierende
Untertitel
Fremdverrandung oder Automarginalisierung?
Autor
Jahr
1999
Seiten
92
Katalognummer
V92903
ISBN (eBook)
9783638053402
ISBN (Buch)
9783638945851
Dateigröße
889 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Informationen zum Text: Der Text ist im Jahr 1999 entstanden und existiert seit 2008 auch in gedruckter Form.
Schlagworte
Türkische, Studierende
Arbeit zitieren
Assist. Prof. Dr. Burak Gümüs (Autor:in), 1999, Türkische Studierende, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92903

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Titel: Türkische Studierende



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