Das ,fremde` Afrika bei Frenssen, Timm und Paluch / Habeck


Magisterarbeit, 2008

79 Seiten, Note: 2,5

Helen Lorentz (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Postkoloniale Theorieansätze
2.1 Edward W. Said: Orientalismus
2.2 Homi K. Bhabha: Die Verortung der Kultur

3. Exkurs: Deutscher Kolonialismus in Deutsch-Südwestafrika

4. Drei Romane aus postkolonialer Perspektive
4.1 Gustav Frenssen: Peter Moors Fahrt nach Südwest
4.1.1 Analyse der Figur Peter Moor
4.2 Uwe Timm: Morenga
4.2.1 Analyse der Figur des Johannes Gottschalk
4.3 Andrea Paluch und Robert Habeck: Der Schrei der Hyänen
4.3.1 Analyse der Figur der Arabella Weber
4.4 Vergleich

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Die Darstellung fremder Welten in der deutschsprachigen Literatur ist so alt wie die deutsche Literatur selbst. Schon im Mittelalter berichteten fahrende Sänger von ihren Erlebnissen in der Fremde und Pilger beschrieben ihre Reisen an heilige Orte. Unabhängig davon, ob es sich dabei um fiktive oder tatsächliche Erfahrungen handelte, basierten sie doch immer auf den subjektiven Wahrnehmungen des jeweiligen Autors. In diesem Sinn sagen Äußerungen über die „Fremde“ mehr über den Sprecher aus als über seinen Gegenstand. In dieser Arbeit widme ich mich dem Afrikabild, das Gustav Frenssen in der Erzählung Peter Moors Fahrt nach Südwest zeichnet, der Darstellung Afrikas in Uwe Timms Roman Morenga und in dem Roman Der Schrei der Hyänen der Schriftstellergemeinschaft Andrea Paluch und Robert Habeck. Alle drei Romane spielen in Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia, das von 1848 bis 1915 deutsche Kolonie war. Sie thematisieren den Umgang deutscher Einwanderer mit den Widerständen, die ihnen die einheimische Bevölkerung entgegenbrachte. Schrieb Frenssen sein Werk zu einer Zeit, als Namibia noch deutsche Kolonie war, griffen Timm und Paluch und Habeck auf einen für sie historischen Stoff zurück. Es soll in dieser Arbeit aber kein autorenorientierter Ansatz verfolgt werden, sondern ein kontextorientierter, genauer gesagt, postkolonialer Ansatz. Die postkoloniale Literaturwissenschaft bietet Theorieansätze, die sich mit dem Subjekt innerhalb des (post)-kolonialen Diskurses beschäftigen. Für eine Analyse des „fremden“ Afrikas stellt diese Arbeit die Fremd- und damit verbundene Selbstwahrnehmung der Hauptfiguren der Romane vor. Die literarischen Figuren werden dabei so behandelt als seien sie reale Menschen. Gegenstand von Fremdwahrnehmung ist das „Fremde“, für das es verschiedene Bedeutungen gibt. Es bezeichnet aber insbesondere „ein unbekanntes, unheimisches Land“[1] oder jemanden, der „aus einem anderen Land, einer anderen Stadt“[2] stammt. Somit werde ich mein Augenmerk ebenfalls auf diese Bereiche richten. Kapitel 2 gibt einen Überblick über die Entwicklung der postkolonialen Theorieansätze und zeigt im Anschluss daran die Ansätze zweier klassischer Vertreter. Die postkolonialen Theorieansätze entwickelten sich im Umfeld der Dekolonisation, die vor allem nach dem 2. Weltkrieg erfolgte. Der Postkolonialismus ist noch eine junge Richtung, insbesondere in der Literaturwissenschaft. Der Gegenstand postkolonialer Literaturbetrachtung ist (post)-koloniale Literatur. Edward W. Said gilt als einer der ersten und wichtigsten Theoretiker des Postkolonialismus. Er analysierte in seinem Werk Orientalism koloniale Texte auf ihr Orientbild. Ein weiterer wichtiger Theoretiker ist Homi K. Bhabha. Er konzentrierte sich auf die Analyse postkolonialer Literaturen. In seiner Essaysammlung The Location of Culture spürt er Risse im kolonialen Diskurs auf. Der darauffolgende Exkurs gibt einen historischen Überblick über die deutsche Kolonialherrschaft in Deutsch-Südwestafrika. Das Deutsche Reich beteiligte sich im Gegensatz zu anderen Staaten erst spät am Kolonialismus. Deutsch-Südwestafrika war eine der ersten deutschen Kolonien und wurde 1884 deutsches Schutzgebiet. Seit den neunziger Jahren des 19.Jahrhunderts ließen sich verstärkt weiße Siedler dort nieder, was dazu führte, dass sich die einheimischen Stämme der Nama und Herero immer eingeengter fühlten und sich schlussendlich gegen die weißen Siedler und die Kolonialverwaltung auflehnten. In Kapitel 3 folgt die Analyse der drei Hauptfiguren der literarischen Werke. Sie fahren freiwillig nach Deutsch-Südwestafrika und haben ähnliche Erwartungen. Was für Erfahrungen machen sie mit der „Fremde“, wie erleben sie sich selbst darin? Verändert sie der Aufenthalt in Deutsch-Südwestafrika? Im Anschluss daran werden die Figuren miteinander verglichen. In Kapitel 4 werden die Ergebnisse zusammengefasst.

Es gibt eine Vielzahl von Texten zu Afrikabildern in der Literatur. Zumeist werden einzelne Werke von Schriftstellern und Schriftstellerinnen verschiedener Länder und Epochen in den Fokus genommen und zu ihrer Darstellung Afrikas untersucht. Schwieriger ist es, Forschungsliteratur zum deutschen Kolonialismus in Afrika zu finden. Da der deutsche Kolonialbesitz im Gegensatz zu anderen Kolonialmächten weniger ausgeprägt war, ist er auch nicht so stark in die Literatur eingeflossen, blieb dort häufig im Hintergrund und wurde auch von den Wissenschaftlern lange Zeit nicht wahrgenommen. Peter Moors Fahrt nach Südwest ist einer der wenigen deutschen Kolonialromane. Dazu gibt es diverse Studien, die das Werk insbesondere vor dem Hintergrund der Biografie seines Autors Gustav Frenssen untersuchen. Sie gehen davon aus, dass Gustav Frenssen dem Hauptprotagonisten Moor seine Kolonialismusbejahenden Ansichten eingeschrieben hat. Die postkoloniale Literaturbetrachtung findet hier keine Anwendung. Der Protagonist Gottschalk aus dem postkolonialen Roman Morenga findet häufig Eingang in analytische Texte. Insbesondere sein sich in Deutsch-Südwestafrika veränderndes Selbstbild wird hier thematisiert. Jedoch sehen die Forscher den Grund dafür nicht im latenten Widerstand der Nama begründet, sondern mehr in den Entscheidungen, die Gottschalk trifft. Über den Roman Der Schrei der Hyänen existiert keinerlei Forschungsliteratur.

2 Postkoloniale Theorieansätze

Der Postkolonialismus ist eine Denkrichtung, die sich im Umfeld der Dekolonisation, der Auflösung der Kolonialreiche entwickelte. Die Vorsilbe „post“ verweist auf den Kolonialismus und seine Epoche, die nach dem 2. Weltkrieg endete. Da die ehemaligen Kolonialmächte aber weiterhin latent Macht ausüben, bezieht diese Denkrichtung auch die nachkoloniale Zeit in ihre Betrachtung ein. Somit liegen die Wurzeln des Postkolonialismus in „historischen Entwicklungen“[3], die bis zum heutigen Tag anhalten. Das ist der allgemeinste gemeinsame Nenner, auf den man diese Richtung bringen kann. Daneben existieren noch weitere Begriffserklärungen, auf die im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht weiter eingegangen werden soll. In der deutschen Forschungslandschaft existieren die Ansätze des Postkolonialismus vor allem in den Kulturwissenschaften, dort insbesondere in der Literaturwissenschaft. Sie wurden erstmals unter dem Namen Postcolonial Studies in Großbritannien zusammengefasst und fanden erst spät Eingang in die deutschen Diskussionen. Eine wichtige Rolle für ihre Konstituierung spielten laut Varela und Dhawan die Commonwealth Literary Studies[4]. Diese beschäftigten sich mit den englischsprachigen Literaturen der Staaten des Commonwealth of Nations. Sie ernteten jedoch schon bald nach ihrer Gründung Kritik, da sie ihre „eigenen“ britischen Literaturen als Maßstab nahmen und inhaltliche sowie formale Abweichungen ablehnten. Sie ließen dabei außer Acht, dass die Kolonialisierung nicht zu konformen kulturellen Entwicklungen führte. Als dann im Rahmen der Dekolonisation seit dem 2. Weltkrieg auch die bisherigen Feststellungen über den Kolonialismus revidiert wurden, konnten die Ambitionen der Commonwealth Literary Studies als neokolonial enthüllt werden. Heutzutage sind generell vom Kolonialismus beeinflusste oder sich davon absetzende Literaturen Gegenstand postkolonialer Literaturbetrachtung. Martin Sexl verweist darauf, dass sich der Kolonialismus aber nicht nur in die Literaturen der Ex-Kolonialherren, sondern auch in die Literaturen der Ex-Kolonisierten „eingeschrieben“[5] hat. Somit rücken auch insbesondere fremdländische Denkweisen, ihr „writing back“ in den Fokus. Wie Axel Dunker darlegt, setzt sich Deutschland im Gegensatz zu Großbritannien noch nicht so lange mit dem Kolonialismus auseinander[6]. Darüber hinaus hielt die Diskussion seiner Meinung nach hierzulande zu lange an Edward W. Saids Orientalismus fest. Weil Said dem Kolonialismus in der deutschen Literatur nicht so große Beachtung schenkte, wurde er eher als allgemeines Phänomen wahrgenommen. Überdies schien der deutsche Kolonialismus im Gegensatz zu dem anderer europäischer Mächte unbedeutend. Für Dunker ist es insbesondere die amerikanische Germanistik, die Ende der 1990er-Jahre den entscheidenden Anstoß für eine Übertragung der Postcolonial Studies auf deutsche Forschungszusammenhänge gegeben hat. Dementsprechend viele Werke, die den Kolonialismus direkt oder am Rande thematisieren, gibt es in der deutschen Literatur noch zu entdecken. Dazu muss aber angemerkt werden, dass sich das „writing back“ in Grenzen hält, da die deutsche Sprache in den ehemaligen Kolonien nie ein populäres Ausdrucksmittel war. Bekannte Vertreter dieser literaturtheoretischen Richtung, welche die Forschung anhaltend interessieren, sind die Literaturwissenschaftler Edward W. Said und Homi K. Bhabha. Said analysierte in Orientalism vom Kolonialismus geprägte literarische und nicht-literarische Werke und entdeckte, dass die westlichen Autoren hier ein einseitiges, diskriminierendes Bild vom Orient konstruieren. Sieht Said keine Möglichkeit, sich dem dominanten Diskurs zu widersetzen, fand Bhabha in der Migrantenliteratur und in Texten aus ehemals kolonisierten Ländern Strategien des Widerstands. Obwohl nur Peter Moors Fahrt nach Südwest ein Kolonialroman ist und die beiden anderen Romane den Kolonialismus aus deutscher Perspektive kritisieren, bietet sowohl die Theorie Saids als auch Bhabhas das Rüstzeug für eine Interpretation ihrer Hauptfiguren. Diese sind aufgrund ihrer Herkunft vom orientalistischen, bzw. Diskurs über die „Fremde“ geprägt, und stoßen in Deutsch-Südwestafrika auf externe und interne Widerstände. Die relevanten Aspekte sollen im Folgenden dargelegt werden.

2.1 Edward W. Said Orientalismus

Edward W. Said (1935-2003) hat - wie Bhabha und viele andere Theoretiker des Postkolonialismus - in seinem Leben Erfahrungen mit dem Kolonialismus und der Migration gemacht. Man gewinnt den Eindruck, dass in diesen Fällen derartige Erlebnisse eine Inspiration für die späteren Tätigkeiten darstellen. Obwohl es schon vor Orientalism (1978) postkoloniale Theorieansätze gab, zum Beispiel von Franz Fanon, wird Saids Werk mehrfach als „Gründungstext“[7] der postkolonialen Literaturtheorie angesehen. Auch in Deutschland, wo es 1979 unter dem Titel Orientalismus erstmals in deutscher Sprache erschien, traf es auf großes Interesse. Said fokussierte darin zum ersten Mal den kolonialen Diskurs. Er bezieht sich auf den Diskursbegriff Michel Foucaults und fasst die Berichte und Annahmen über den Orient als sprachlich vermittelte Symbole auf, die gerade aufgrund ihres symbolischen Charakters diesen Diskurs als sprachliche Kommunikation erst entwerfen. In diesem Sinn sind der Orient und sein damit einhergehendes, geografisches und kulturelles Gegenstück Okzident vom Westen diskursiv entworfen worden. Die Vorstellungen, die damit einhergehen, greift Said in seiner Studie an. Für Said ist es ein Gebilde, das viele Jahrhunderte insbesondere falsche oder romantisierende Bilder vom Orient fabriziert hat[8]. Dem Orient, den Orientalen wurden dabei Adjektive wie irrational, barbarisch, sinnlich, statisch und weiblich zugeordnet[9]. Dem Okzident, dem Europäer wurden Eigenschaften wie Rationalität, Zivilisiert- und Kontrolliertheit, Dynamik und Männlichkeit zugewiesen. Dadurch wird der Okzident aufgewertet und höhergestellt. Derartige Verlautbarungen sagen aber weniger über den Orient aus als vielmehr über denjenigen, der über ihn berichtet. So ist zum Beispiel der Nahe Osten für die meisten Europäer der Orient, Indien ist für den Engländer orientalisch und der Amerikaner versteht unter Orient den Fernen Osten. Somit sieht der Orient je nach Subjektivität des Betrachters anders aus und verweist je nach Beschreibung auf ein anderes Selbstbild. Neben der Vorstellung von Orientalismus als Dichotomie von Morgenland und Abendland existieren für Said noch zwei weitere Variationen. So versteht er die klassische Forschung, die Aussagen über den Orient trifft, als Orientalismus. Das anerkannte Wissen, das über den Orient existiert, ist zumeist Wissen, welches im Westen produziert wird. Die Versuche, außerhalb des Westens eigenständige Wissenschaften aufzubauen, orientieren sich in der Regel an den westlichen Erkenntnissen und müssen sich deswegen notwendigerweise dazu positionieren. Das unterstützt die hegemoniale Stellung des westlichen Wissens. Außerdem sei der Orientalismus der Diskurs, der den Orient beherrscht. Das ist nur dadurch möglich gewesen, weil der Orient besprechbar war und ist. Durch die jahrhundertealte westliche Tradition des Erforschens, Besprechens, Kolonialisierens und Klassifizierens bei gleichzeitiger Auslöschung der dortigen Diskurse gelang es, die eigenen Diskurse einzusetzen und zu entfalten. „Das [...] Konzept des Orientalismus diente vor allem während der Kolonialzeit als Legitimation für den Herrschaftsanspruch des Westens über den Orient. Orientalismus ist also ein westlicher Stil von Herrschaft“.[10] Das, was Said in den Diskursen über den Orient herausgefunden hat, kann auf die Darstellung aller fremden Völker in den Diskursen des Westens übertragen werden. Er wollte damit eine neue Form der Auseinandersetzung mit dem Orient provozieren[11]. Diese ist bestrebt, den Orient-Okzident-Dualismus aufzulösen.

2.2 Homi K. Bhabha Die Verortung der Kultur

Interessierte Said sich für die eine Seite des Themas, beschäftigte sich Homi K. Bhabha (1949) mit der anderen. Er begab sich auf Seiten der Kolonisierten auf die Suche nach Formen und Strategien des Widerstands gegen die koloniale Unterdrückung und entdeckte Möglichkeiten des Widerstands. Seine zentralen Aufsätze erschienen 1994 in dem Sammelband The Location of Culture. Seit dem Jahr 2000 liegt auch die deutsche Übersetzung unter dem Titel Die Verortung der Kultur vor. Rezensenten und Wissenschaftler bezeichnen diesen Sammelband gleichermaßen als Bhabhas wichtigstes Werk. Einigkeit herrscht des Weiteren darüber, dass seine Texte sehr komplex sind und einen „schwer zugänglichen Stil“[12] besitzen.

Bhabha erweitert Saids Vorstellung einer statischen Beziehung zwischen zwei Gebilden um die Vorstellung einer dynamischen Bezugnahme. So entdeckte er in der westlichen Repräsentation des Orients eine generelle Ambivalenz gegenüber den anderen, die es dem Westen unmöglich macht, den Kolonialismus durchzusetzen. So ist für Bhabha die Kontaktaufnahme, das In-Beziehung-Treten zu etwas Externem, etwas Fremdem, ein lebenswichtiges menschliches Bedürfnis[13]. Sichtbar wird diese Bezugnahme im Austausch von Blicken, die weiterhin die psychische Beziehung der Schauenden gestalten. Schon innerhalb dieses Blickkontaktes sieht Bhabha Raum für Ambivalenzen. So sieht der Kolonisator, der den Kolonisierten anschaut, in ihm den devoten Untergebenen, fühlt sich aber gleichzeitig von ihm verfolgt, weil er annimmt, dass dieser seinen privilegierten Platz einnehmen will. Auch wenn sich der Kolonisierte unterwirft, ist sich der Kolonisator niemals sicher, dass dieser es ernst meint. Er hinterfragt sein Verhältnis zum Untertanen ständig, stellt paranoide Vermutungen darüber auf, was der Unterworfene ihm gegenüber wohl empfindet und plant und reagiert hypersensibel, wenn dieser sich ihm widersetzt. Der Kolonisierte will laut Bhabha zwar die Position seines Herrn einnehmen, aber wünscht sich „gleichzeitig seinen Platz in der rächenden [Kursivsetzung durch H. K. B.] Wut des Sklaven [zu] behalten“.[14] Das Wissen um die Abhängigkeit vom anderen, der seine Position erst rechtfertig und der gleichzeitige Wunsch nach einer natürlichen Überlegenheit von ihm hinterlässt einen weiteren ambivalenten Eindruck beim Kolonialherrn. Er steht also vor dem Dilemma, den anderen auszublenden oder ihn wahrzunehmen und seine Kritik zu spüren. Ansgar Nünning erinnert an Bhabhas Aussage, wonach sich das koloniale Begehren immer in Relation zum Ort des anderen artikuliert[15]. Damit wendet er sich der Aussage Lacans zu, wonach das Begehren immer das Begehren des anderen ist. Aufgrund der widerstreitenden Begehrlichkeiten entstehen ambivalente Identitäten, welche sich sowohl von ihrem Gegenüber als auch von sich selbst zugleich abgestoßen und angezogen fühlen. Das führt auf Seiten des Kolonialherren dazu, dass er von einem „wackelnden Thron“ aus regiert und das auch ausstrahlt. Im Rahmen dieser Beobachtung spielt sich auch das Konzept der Mimikry ab, das Bhabha in dem Aufsatz Von Mimikry und Menschen: Die Ambivalenz des kolonialen Diskurses diskutiert[16]. Der Terminus Mimikry stammt aus der Biologie und bezeichnet dort eine „tierische Schutzanpassung, bei der ein gut geschütztes Tier, das über eine Warntracht verfügt, von einem ungeschützten Tier anderer Artzugehörigkeit in Körperform oder Farbe nachgeahmt wird“[17]. Bhabha glaubt, dass die Kolonialherren von den Kolonisierten verlangen, dass diese sie imitieren, damit sie jene leichter kontrollieren können. Sie sollen das Aussehen und Verhalten der Kolonisatoren übernehmen und deren Werte und Normen internalisieren. Somit entsteht ein koloniales Subjekt, welches wie der Kolonisator selbst ist und doch immer anders und damit makelbehaftet bleibt. Zum einen stabilisiert die Anerkennung dieser Differenz die Herrschaft der Kolonialherren, legitimiert sie doch den Unterschied zwischen den Originalen und ihren Imitationen. Zum anderen wird eine Leerstelle zwischen Kolonisator und Kolonisiertem sichtbar, die dem Erstgenannten demonstriert, dass er es mit Kopien zu tun hat. Dadurch bekommt der Zweitgenannte die Möglichkeit, die Kontrolle zu unterwandern. Bhabha bezeichnet die Mimikry deswegen auch als die „geheime [...] Kunst der Rache“[18], da sie die Autorität durchlöchert und die Herrschaft angreift. „Bereits hier muss allerdings einschränkend gesagt werden, dass sich Mimikry nicht als antikoloniale Waffe in den Händen eines selbstbewussten Subjekts befindet, sondern lediglich einen Effekt der Risse im kolonialen Diskurs darstellt“.[19] Somit wird Widerstand durch die hegemonialen Diskurse erst hergestellt. Das, was in den Brüchen passiert, interessiert nun Bhabha. Um sich dem Geschehen zu nähern, nennt er ein Beispiel. So wird die Bibel als Zeichen des Christentums und damit der westlichen Gesellschaft in viele Sprachen übersetzt und in vielen Sprachen verbreitet[20]. Im Prozess der Übersetzung kommt es zu Vermischungen bzw. Hybridisationen (eine Begrifflichkeit, die Bhabha ebenfalls der Biologie entnommen hat) der Kulturen. Dabei werden die klaren, binären Oppositionen zwischen beiden Seiten verwischt, eine Unterscheidung zwischen den Grenzen der Kulturen wird zunehmend schwieriger. Diese Durchdringung führt aber nicht zur Gleichförmigkeit beider Seiten - passiert sie doch in einem „Dritten Raum“[21] zwischen den Kulturen, sondern legt den Fokus auf die Differenz, „einen Ort, mitten im Zentrum“.[22] Daraus resultiert die Vorstellung einer Identität, der schon immer eine Differenz inhärent ist, oder, wie Elisabeth Bronfen anmerkt, in welcher der/das „Andere [...] [schon immer] seine Stelle einnimmt[23]. Diese hybride Identität ist nicht auf eine einzige Abstammung zu fixieren, sie ist weder fertig noch vollständig und immer in Bewegung. Wie Nünning darlegt, wünscht sich Bhabha, dass sich der Künstler im dritten Raum positioniert und von dort aus kreativ tätig wird[24]. Dort kann er zum einen kulturelle Zeichen bewusst mit neuer Bedeutung belegen und dadurch reinterpretieren und außerdem die Spaltung bzw. Dopplung seiner Identität aus der Distanz betrachten und künstlerisch umsetzen. So, wie die Kolonisierten die nicht hinterfragbare „Heilige Schrift“ infrage stellen können und damit die Autorität der Kolonialherren unterwandern, wird, wie schon bei der Mimikry, die Hybridität durch die Herrschaft erst ermöglicht. Der koloniale Diskurs fragmentiert somit selbst die Identität und Autorität der Kolonisatoren[25]. Insgesamt wird hier ersichtlich, dass die Positionierungen von Kolonisatoren und Kolonisierten nicht stabil und einheitlich sind[26]. Sie stehen darüber hinaus immer in Konflikt zueinander. Trotzdem wünschen sich beide Seiten einheitliche Subjekte und rufen sie auch als solche an. Sie weisen einander starre Subjektpositionen, Stereotype zu, welche die Gegenseite angeblich ausfüllen. Für Bhabha ist das Stereotyp die Hauptstrategie des kolonialen Diskurses. Es ist für ihn eine komplexe, widersprüchliche Form der Darstellung, weil er vermeintlich Offenkundiges fortwährend wiederholen muss, um sich seiner Wahrheit zu vergewissern. Es braucht darüber hinaus eine „kontinuierliche, sich ständig wiederholende Kette anderer Stereotype“[27], um erfolgreich arbeiten zu können. Obwohl Stereotype soziale Konstrukte sind, geben sie vor, einen natürlichen Ursprung zu besitzen. Bhabha führt Fanons Studie Schwarze Haut, weiße Masken an, in der er zwei Momente der Konstituierung kolonialer Subjekte entdeckt[28]. So gibt es dort zum einen das weiße Kind, das sich aus Angst vor Fanons dunkler Haut mit der eigenen Mutter identifiziert. Wird es im Laufe seines Lebens des Weiteren mit den zumeist weißen Helden in den Medien konfrontiert, wird es sich wiederum mit diesen gleichsetzen. Bhabha meint, dass das Subjekt hier „den Angelpunkt des ,Stereotyps’ [umkreist], um zu einem Punkt der totalen Identifikation zurückzukehren“.[29] Das kolonisierte Subjekt, das diese Erfahrungen macht, wird traumatisiert, denn es muss feststellen, dass es niemals die „Weiße“ besitzen kann, die es zu begehren gelernt hat, noch die „Schwärze“ verbergen kann, die es zu hassen gelernt hat. Bhabha meint, dass schon der Titel von Fanons Studie, die Konsequenz der Verleugnung der Differenz beinhaltet, indem er auf eine Art Monstrum mit gespaltener Haut verweist. Bhabha stellt im Verlauf seiner Untersuchungen eine Analogie zwischen dem kolonialen Stereotyp und dem Fetisch bei Freud her[30]. Für Bhabha herrscht zwischen ihnen eine Ähnlichkeit, weil sie beide Ersatzobjekte für reale Objekte und weiterhin in der Lage sind, kontroverse Gefühle und Haltungen zu artikulieren und gleichzeitig zu maskieren.

3. Exkurs: Deutscher Kolonialismus in Deutsch-Südwestafrika

Nachdem die öde Küste des heutigen Namibia Seefahrer und Entdecker jahrhundertelang davon abgehalten hatte, das Land zu betreten, erwarb der deutsche Kaufmann Adolf Lüderitz 1883 von einem Häuptling der dort ansässigen Nama, die auch Hottentotten genannt werden, das Gebiet der späteren Lüderitzbucht[31]. Ein Jahr später legitimierte das Deutsche Reich seine Landerwerbungen und erklärte sie zum Schutzgebiet Deutsch-Südwestafrika. Lüderitz dehnte seine Ländereien aus, musste sie aber 1886 aufgrund finanzieller Engpässe in die Hände der Deutschen Kolonialgesellschaft für Südwestafrika übergeben. Nachdem der deutsche Reichskanzler Otto von Bismarck sich zunächst aus der Kolonialpolitik herausgehalten hatte, beanspruchte er 1884 auf der Berliner Kongokonferenz das Gebiet des gesamten Namibia als Kolonialbesitz. Er wollte mit diesem Akt das Prestige des Deutschen Reiches heben und in die Riege der Kolonialmächte aufsteigen. Die Reichsregierung hatte zunächst weiterhin lediglich die Schutzherrschaft inne und entsandte Reichskommissare nach Deutsch-Südwestafrika, die Schutzverträge mit den Eingeborenen abschlossen. Darin verpflichtete sich das Deutsche Reich, die Herero vor den Nama zu schützen, da es zwischen beiden Stämmen immer wieder zu Konflikten kam. So stahlen die Nama den Herero, die ihre Rinder kultisch verehrten, fortdauernd ihre Tiere. Und obwohl die Herero ihnen zahlenmäßig weit überlegen waren, umfassten sie doch um 1895 mit achtzigtausend Menschen das Vierfache des Namavolkes, konnten sie sich gegen die Diebe nicht zur Wehr setzen. Im Gegenzug verpflichteten sich die Herero, ohne Einwilligung der Deutschen Regierung kein Land an andere als deutsche Staatsbürger zu veräußern sowie keine Schutzverträge mit anderen Staaten abzuschließen. Außerdem sollten sie die deutschen Bürger und deren Eigentum schützen. Die Deutschen wollten hingegen Sitten und Gebräuche des Hirtenvolkes respektieren. Der Häuptling der Nama, Hendrik Witbooi, griff die Herero jedoch weiterhin an. Und weil die deutschen Schutztruppen nicht in der Lage waren, ihre Seite des Vertrages einzuhalten und die Herero zu schützen, brachen diese 1888 mit dem Schutzvertrag. Ein Jahr später entsandte die deutsche Regierung weitere Schutztruppler nach Deutsch-Südwestafrika und stationierte sie zwischen den verfeindeten Stämmen. Weil auch sie nicht vermitteln konnten, erlaubte die Regierung den Herero Waffen einzuführen, um sich selbst zu verteidigen. Damit schienen die Herero zufrieden gewesen zu sein, denn sie erneuerten 1890 den Schutzvertrag. Nach der EntlassungBismarcks im selben Jahr schlug die Regierung andere Töne in der Außenpolitik an und konkurrierte immer mehr mit den anderen Kolonialmächten. Das entfachte auch das Anspruchsdenken der deutschen Bevölkerung, die sich verstärkt in Deutsch-Südwestafrika ansiedelte. Obwohl Deutsch-Südwestafrika eine Fläche von etwa 835 000 km² umfasst und damit fast doppelt so groß ist wie das damalige Deutsche Kaiserreich, bot das Land nur wenig Lebensraum, denn Ackerbau und Viehzucht waren dort nur in geringem Maße möglich. Die Siedler tauschten bevorzugt günstige Produkte aus ihrer Heimat gegen das Land der Einheimischen und übervorteilten sie somit. Viele Herero, die das Prinzip des Landhandels bisher nicht gekannt hatten, ließen ihre Herden jedoch weiterhin auf den verkauften Wiesen grasen und zogen so die Wut der Siedler auf sich, welche die Hirten gewaltsam vertrieben. Es gab immer mehr Streitigkeiten um Plätze und Wasserstellen und die Einheimischen fühlten sich mehr und mehr eingeschränkt. Auch hielten sich die Siedler häufig nicht an die in den Schutzverträgen ausgehandelten Pflichten und legten rassistisches Verhalten an den Tag. Sie fühlten sich den Schwarzen häufig überlegen und praktizierten die Prügelstrafe. Des Weiteren kam ihnen zu Gute, dass sie bei Übergriffen auf die einheimische Bevölkerung zumeist milde Strafen erhielten. Deshalb misstrauten die Einheimischen den deutschen Kolonisatoren zunehmend. Als im Jahr 1897 eine Rinderpest ausbrach, ließen die Herero ihre Rinder nicht von den Deutschen impfen, obwohl diese es ihnen angeboten hatten. Das führte dazu, dass die meisten ihrer Tiere starben und die Herero neben ihrem Land nun auch noch ihre Lebensgrundlage verloren. Sie verelendeten und verschuldeten sich zusehends und heuerten bei den erstarkten Siedlern an. Weil die Herero und Nama 1892 Frieden geschlossen hatten, hatten die überraschten Deutschen befürchtet, dass sich die vereinigten Stämme gemeinsam gegen sie auflehnen würden. Sie zwangen daraufhin Hendrik Witbooi, den Kapitän der Nama, einen Schutzvertrag mit ihnen abzuschließen. Für die Deutschen verliefen die folgenden Jahre einigermaßen ruhig, sie konnten ihre Machtposition weiter ausbauen. Eines Tages wandte sich einer der Hererohäuptlinge, Assa Riarua, an den Gouverneur Theodor Leutwein und bat ihn, die Gleichbehandlung der Schwarzen herbeizuführen, das Hereindrängen weißer Siedler ins Land zu unterbinden und dem Treiben der weißen Händler Einhalt zu gebieten. Leutwein beschloss, Reservate für die Herero bereitzustellen und ab 1903 ein Verbot der Kreditvergabe zu erlassen. Von diesem Zeitpunkt an sollten auch alle Kredite ungültig sein. Die Händler hatten somit ein Jahr Zeit, um die Schulden einzutreiben, was sie um so rigoroser machten. Das Gebiet, in das die Herero siedeln sollten, gefiel ihnen nicht, weil es ihnen minderwertig erschien. Sie erinnerten sich immer mehr an die Zeit vor der kolonialen Herrschaft und dachten daran, wie gering ihre Einschränkungen damals waren. Sie beschlossen, diesen Zustand wieder herzustellen und die Kolonisatoren zu vertreiben. So trafen sie sich im April und Mai 1903 mehrfach, um über ihr Vorgehen zu sprechen. Die Kolonisatoren schöpften keinen Verdacht, weil die Herero ihnen erzählten, dass sie dort Erbschaftsstreitigkeiten austragen würden und sich weiterhin freundlich zeigten. Obwohl die Kolonisatoren immer häufiger auf bewaffnete Hererotruppen und verlassene Lagerplätze stießen, wussten sie mit diesem Verhalten nichts anzufangen. Sie konnten sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorstellen, dass die Herero sich gegen sie auflehnen könnten. Als der Waffenschmuggel zunahm, wollten sie ihn jedoch unterbinden. Dagegen lehnte sich Ende Oktober 1903 ein Namastamm auf. Um die Niederschlagung des Aufstandes zu unterstützen, eilte Leutwein den dort ansässigen Truppen zu Hilfe. Daraufhin bereiteten sich die Herero immer emsiger auf einen Aufstand vor. Die zurückgebliebenen Deutschen - Farmer, Händler und wenige Militärs - sprachen von einer regelrechten Kaufwut der Herero. Sie vermuteten, dass die Herero auswandern wollten. An den Weihnachtstagen mehrten sich Berichte von Kolonisatoren, die ein seltsames Verhalten der Herero wahrgenommen hatten. So hätten Herero zum Beispiel Vieh gestohlen, was untypisch für dieses Volk sei. Auch habe es Warnungen gegeben, dass Land zu verlassen. Am 11. Januar 1904 um 1 Uhr morgens berichtete der Bezirkschef von Okahandja dem Postdirektor, dass in und um Okahandja viele Hererotruppen aufgelaufen und weitere im Anmarsch seien. Deshalb traten die Deutschen noch am selben Tag in Verhandlungen mit den Häuptlingen der Herero. Am nächsten Morgen um 8 Uhr begannen die Herero, die Deutschen zu überfallen. Sie erschossen sie, plünderten und zerstörten ihre Farmen sowie Eisenbahn- und Telegrafenverbindungen. Etwa 150 Deutsche kamen bei diesen ersten Aufständen ums Leben, darunter waren auch ein paar Frauen, die durch eine Anweisung der Hereroführung eigentlich geschützt waren. Weil der Aufstand des Namastammes noch bis zum 27. Januar anhielt, war die zurückgebliebene personalschwache Schutztruppe den Aufständischen zunächst nicht gewachsen. Leutwein, der immer gute Beziehungen zu den Herero unterhalten hatte, plädierte noch für Verhandlungen mit den Herero, um den Aufstand zu beenden. Der Kommandeur der deutschen Schutztruppen, Lothar von Trotha, setzte sich hingegen für eine militärische Lösung ein. Er forderte weitere Mannschaften an und führte später insgesamt 15.000 Soldaten gegen 5.000 bis 7.000 Hererokrieger ins Feld. Die Herero baten auch den Namaführer Witbooi um Unterstützung, der sich aber auf die Seite der Deutschen schlug. Überrascht von der militärischen Macht der Deutschen, verschanzten sich dieHerero mit ihren Frauen und Kindern sowie dem Vieh am Waterberg. Von Trotha umzingelte sie mit seinen Truppen und befahl am 11. August 1904 anzugreifen. Viele Herero kamen dabei um, aber tausenden gelang es, den Belagerungsring zu durchbrechen und in die Wüste zu flüchten. Einige hundert Herero unter der Führung Mahareros konnten sich in das britische Betschuanaland retten. Der Plan einer militärischen Vernichtung des Gegners musste schon am nächsten Tag wegen Erschöpfung und fehlenden Nachschubs aufgegeben werden. Auch die am 13. August einsetzende Verfolgung der Herero musste wegen Wasser- und Weidemangel für die Schlachtviehherden einen Tag später wieder abgebrochen werden. Trotz der schweren Niederlage der Herero vertrat von Trotha nicht die Ansicht, dass der Aufstand bereits niedergeschlagen und der Krieg beendet sei. Am 2. Oktober 1904 erließ er eine Proklamation an das Volk der Herero, mit der er verkündete, dass alle Herero vernichtet werden, die in Südwestafrika aufgegriffen werden. Von Trotha ließ die in die Wüste Geflohenen von Soldaten verfolgen und töten. Er versuchte, die Herero mit seinen Truppen einzukreisen und so in die Enge zu treiben. Unter günstigen Umständen wäre es für die Herero durchaus möglich gewesen, das Sandfeld unbeschadet zu durchqueren. Ihre Nachhuten verwickelten die schwachen, nachfolgenden deutschen Patrouillen in kurze Feuergefechte, um den eigenen Leuten einen weiteren Vorsprung zu verschaffen. Außerdem verseuchten sie die immer spärlicher werdenden Wasserstellen mit totem Vieh und setzten das Steppengras in Brand. Außerdem zwang die Reichsregierung von Trotha wenige Tage nach dem Eintreffen der Proklamation in Berlin - was etwa sechs Wochen nach ihrer Verkündung geschah - zur Umkehr. Er wurde darüber hinaus angewiesen, mit Ausnahme der Initiatoren des Aufstandes das Leben der Herero zu schonen und die von den evangelischen Missionaren angebotene Vermittlungstätigkeit anzunehmen. Trotzdem waren schon viele Herero bei ihrem Marsch durch das Sandfeld während der Trockenzeit umgekommen. Fast ihr gesamten Vieh war verendet und so starben viele an Hunger, Durst und Krankheit. Die Überlebenden zogen erschöpft, hungernd und verarmt im Land umher, versteckten sich und wurden nach Ergreifung in die dafür eingerichteten Arbeitslager bzw. Konzentrationslager gebracht. In den Lagern ging ein Großteil der Gefangenen zugrunde. Im Oktober 1904, unmittelbar nach der Schlacht am Waterberg, griffen die bis dahin auf deutscher Seite kämpfenden Nama unter Witbooi und Jakob Morenga die Deutschen an. Witbooi hatte den Deutschen an jenem Tag den bestehenden Schutz- und Beistandspakt aufgekündigt und eine offizielle Kriegserklärung ausgesprochen. Sie hatten befürchtet, dasselbe Schicksal erleiden zu müssen wie die Herero. Witbooi und seine Leute griffen in Gibeon und Umgebung alle Weißen an. Die Kriegsführung der Herero und Nama unterschied sich grundlegend. Während die Herero die offene Feldschlacht suchten, operierten die Nama in Form einer Guerillataktik aus dem Hinterhalt heraus. Im Jahr 1905 gab es mehrere größere Kämpfe zwischen den Nama und den Deutschen. Am 29. Oktober 1905 starb Hendrik Witbooi, als er und seine Männer versuchten, eine deutsche Transportkolonne zu überfallen. Daraufhin ergaben sich seine Anhänger Anfang 1906. Damit schied die größte Gruppe der rebellierenden Nama aus dem Kampf. Immer mehr Gruppen konnten zur Aufgabe bewegt werden. Die deutsche Regierung stritt derweil über das militärische Vorgehen in Deutsch-Südwestafrika und die Finanzierung des Krieges. Es kam zur Auflösung des Deutschen Reichstags und zu den so genannten Hottentotten-Wahlen von 1907. Am 31. März 1907 gab die Regierung das offizielle Ende des Kriegszustandes bekannt. Morenga führte den Guerillakrieg jedoch so lange weiter, bis er in einem Gefecht am 19. September 1907 getötet wurde. Am 17. März 1908 kapitulierten die Nama endgültig.

[...]


[1] Wahrig Deutsches Wörterbuch. Hg von Renate Wahrig-Burfeind. München/ Gütersloh: Wissen Media Verlag GmbH. S. 551.

[2] Ebd.

[3] Eagleton, Terry: Einführung in die Literaturtheorie. 4. Auflage. Stuttgart: Metzler Verlag 1997. S. 232.

[4] Castro Varela, Maria do Mar; Nikita Dhawan: Postkoloniale Theorie: Eine kritische Einführung. Bielefeld: Transcript 2005.22 ff.

[5] Einführung in die Literaturtheorie. Hg. Martin Sexl. Wien: WUV 2004. S. 277.

[6] Dunker, Axel: Einleitung. In: (Post-)Kolonialismus und Deutsche Literatur. Impulse der angloamerikanischen Literatur- und Kulturtheorie. Hg. von Axel Dunker. Bielefeld: Aisthesis Verlag 2005. S.1-16. S. 7.

[7] Zum Beispiel: Einführung in die Literaturtheorie. S. 276.

[8] Said, Edward W.: Einleitung. In: Said, Edward W.: Orientalismus. Frankfurt am Main: Verlag Ullstein GmbH 1981. S.8-38. S. 8 ff.

[9] De Toro, Alfonso: Jenseits von Postmoderne und Postkolonialität. Materialien zu einem Modell der Hybridität und des Körpers als Transrelationalem, Transversalem und Transmedialem Wissenschaftskonzept. In: Räume der Hybridität: postkoloniale Konzepte in Theorie und Literatur. Hg. von Christof Hamann. Hildesheim: Olms 2002. S.15- 52. S. 22.

[10] Einführung in die Literaturtheorie. S. 280.

[11] Said, Edward W.: Einleitung. S. 8 ff.

[12] Grundbegriffe der Kulturtheorie und Kulturwissenschaften. Hg. von Ansgar Nünning. 3. Auflage. Stuttgart: Metzler Verlag 2005. S. 62.

[13] Bhabha, Homi K.: Die Frage der Identität: Frantz Fanon und das postkoloniale Privileg. In: Die Verortung der Kultur. Hg. von Elisabeth Bronfen, Michael Kessler u.a.. Tübingen: Stauffenburg Verlag Brigitte Narr GmbH 2000. (= Stauffenburg Discussion Studien zur Inter- und Multikultur 5). S. 59-96. S. 65 ff.

[14] Ebd. S. 66.

[15] Grundbegriffe der Kulturtheorie und Kulturwissenschaften. Hg. von Ansgar Nünning. S. 68.

[16] Bhabha, Homi K.: Von Mimikry und Menschen: Die Ambivalenz des kolonialen Diskurses. S. 125-136.

[17] Geo Themenlexikon in 20 Bänden. Naturwissenschaften und Technik. Begriffe, Methoden, Zusammenhänge H-Pg. Mannheim: Gruner & Jahr AG & Co KG 2007. (= Band 7). S. 762.

[18] Bhabha, H. K.: Die Frage der Identität: Frantz Fanon und das postkoloniale Privileg. S. 82.

[19] Castro Varela, M.; N. Dhawan: Postkoloniale Theorie: Eine kritische Einführung. S. 92.

[20] Bhabha, Homi K.: Zeichen als Wunder: Fragen der Ambivalenz und Autorität unter einem Baum bei Delhi im Mai 1817. S.151-180.

[21] Bhabha, Homi K.: Das theoretische Engagement. In: Die Verortung der Kultur. Hg. von Elisabeth Bronfen, Michael Kessler u.a.. Tübingen: Stauffenburg Verlag Brigitte Narr GmbH 2000. (= Stauffenburg Discussion Studien zur Inter- und Multikultur 5). S. 29-58. S. 56.

[22] Bronfen, Elisabeth: Vorwort. In: Die Verortung der Kultur. Hg. von Elisabeth Bronfen, Michael Kessler u.a.. Tübingen: Stauffenburg Verlag Brigitte Narr GmbH 2000. (= Stauffenburg Discussion Studien zur Inter- und Multikultur 5). S. IX- XIV. S.XI.

[23] Ebd. S. XI.

[24] Grundbegriffe der Kulturtheorie und Kulturwissenschaften. Hg. von Ansgar Nünning.

[25] Bhabha, Homi K.: DissemiNation: Zeit, narrative Geschichte und die Ränder der modernen Nation. S.207-254. S. 224.

[26] Bhabha, H.K.: Die Frage des Anderen: Stereotyp, Diskriminierung und der Diskurs des Kolonialismus. S.97-124. S. 98.

[27] Ebd. S. 114.

[28] Ebd. S. 112.

[29] Ebd. S. 112.

[30] Ebd. S. 110.

[31] Nuhn, Walter: Sturm über Südwest. Der Hereroaufstand von 1904 - Ein düsteres Kapitel der deutschen kolonialen Vergangenheit Namibias. Koblenz: Bernard & Graefe Verlag 1989. S. 24 ff.

Ende der Leseprobe aus 79 Seiten

Details

Titel
Das ,fremde` Afrika bei Frenssen, Timm und Paluch / Habeck
Hochschule
Universität Paderborn
Note
2,5
Autor
Jahr
2008
Seiten
79
Katalognummer
V92879
ISBN (eBook)
9783638053389
Dateigröße
709 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Afrika, Frenssen, Timm, Paluch, Habeck
Arbeit zitieren
Helen Lorentz (Autor:in), 2008, Das ,fremde` Afrika bei Frenssen, Timm und Paluch / Habeck, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92879

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