GIS - gestützte Landnutzungsanalyse ausgewählter Küstenabschnitte Gotlands


Diplomarbeit, 2007

118 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

Zusammenfassung

Abstract

1. Einleitung
1.1 Zielsetzung

2. Gotland: ein geographischer Überblick
2.1 Lage
2.2 Geologische Entstehung
2.3 Klima
2.4 Relief
2.5 Böden
2.6 Vegetation und Landnutzung

3. Die Küstentypen Gotlands
3.1 Sandküsten
3.2 Geröll- oder Steinküsten
3.3 Fels- oder Steilküsten - sog. „klinter“
3.4 Raukküsten - sog. „raukvält“

4. Methodik
4.1 Datengrundlagen
4.1.1 Fotomaterial
4.1.2 Orthographische Luftbilder
4.1.3 Satellitenbilder
4.2 Georeferenzierung der Luftbilder
4.3 Geländekartierung ausgewählter Küstenabschnitte
4.4 Erstellen der Landnutzungskarten mit Hilfe von ArcView GIS

5. Untersuchungsgebiete
5.1 Untersuchungsgebiet I: Langhammars, Fårö
5.2 Untersuchungsgebiet II: Holmudden, Fårö
5.3 Untersuchungsgebiet III: Hoburgen
5.4 Untersuchungsgebiet IV: Holmhällar, Heligholmen

6. Landnutzungsanalyse
6.1 Klassifikationssysteme
6.1.1 Schwedische Klassifikation - land classes, land use classes
6.1.2 Europäische Klassifikation - CORINE Landcover 2000
6.1.3 Modifizierte Klassifikation der CLC2000 für Gotland
6.2 Landnutzung der Küstenregionen 1980
6.3 Landnutzung der Küstenregionen 2007
6.4 Vergleich der Landnutzung 1980 vs. 2007
6.5 Interpretation der Ergebnisse

7. Schlussfolgerungen

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Kartenanhang

ZUSAMMENFASSUNG

DANKSAGUNG

Der größte Dank gilt meiner Familie, insbesondere meinen Eltern für ihre jahrelange (nicht nur finanzielle) Unterstützung und meiner Frau Saskia, die mir mit Rat und Tat zur Seite stand.

Besonderer Dank gebührt Herrn PROF. DR. H.-R. BORK, Leiter der Ökosystemforschung des Ökologie-Zentrums der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, und Herrn PROF. DR. H. STERR, Leiter der Arbeitsgruppe Küstengeographie und Klimafolgenforschung des Geographischen Instituts, für die Möglichkeit der Durchführung dieser Diplomarbeit.

Des Weiteren möchte ich mich bei dem schwedischen Landesvermessungsamt, besonders bei Herrn M. ERIKSSON und Herrn H. ANDERS, für die Hilfe und das Zusenden der Luftbilder bedanken. Ohne diese Luftbilder hätte die Diplomarbeit unter der jetzigen Themenstellung nicht durchgeführt werden können.

Herrn DR. D. LORENZEN danke ich ganz besonders für die Hilfe im Umgang mit dem geographischen Informationssystem ArcView GIS 3.2, womit die Landnutzungskarten erstellt wurden.

Darüber hinaus möchte ich mich an dieser Stelle auch bei denjenigen bedanken, die bereits Erkenntnisse und Ergebnisse lieferten, auf die ich für meine Diplomarbeit zurückgreifen konnte.

Lilienthal, August 2007 Hauke Hinsch Es ist nichts, was den geschulten Verstand mehr kultiviert und bildet, als Geographie.

Immanuel Kant

In der vorliegenden Diplomarbeit „GIS-gestützte Landnutzungsanalyse ausgewählter Küstenabschnitte Gotlands“ werden für vier ausgewählte Küstenregionen exemplarisch die Veränderungen der Landnutzung bzw. der natürlichen Bodenbedeckung in dem Zeitraum von 1980-2007 mittels Auswertung von Luft- und Satellitenbilddaten untersucht sowie durch eine eigenständige Kartierung der Untersuchungsgebiete nach der „CORINE Landcover 2000“ verifiziert und die Ergebnisse in Form von Landnutzungskarten dargestellt. Des Weiteren lag der Fokus für die eigene Erhebung der Landnutzung auf einen an Gotlands Landschaft angepassten Kartierschlüssel, was durch eine Modifizierung der CLC2000 erreicht wurde.

Darüber hinaus sollte bei der Luftbildinterpretation im Vergleich zu der Kartierung 2007 nach Möglichkeit auf relevante Veränderungen der Küstenlinie geachtet und hingewiesen werden, so dass diese in die Auswertung und Darstellung einfließen können.

Nach einer physisch-geographischen Einordnung werden die Einteilung der Küstengestaltstypen nach VALENTIN (1952) erläutert sowie die Küstentypen Gotlands nach der Biotoptypenklassifizierung nach RIECKEN et al. (1994) im Hinblick auf die modifizierte CLC2000 vorgestellt. Der eigentlichen Landnutzungsanalyse vorangestellt sind die Georeferenzierung der vom schwedischen Landes- vermessungsamt zur Verfügung gestellten Luftbilder der Untersuchungsgebiete und die Wahl des zur Kartierung nötigen und geeigneten Klassifizierungsschlüssels. Es werden die schwedischen Klassifikationen der „land classes“- und der „land use class“-Klassifikation als auch die für Gesamteuropa verwendete CORINE Landcover bewertend vorgestellt.

Aufgrund des Fehlens von schwedischen CORINE-Daten für Gotland bzw. der Untersuchungsgebiete werden die selbst erhobenen Daten in Bezug zu der von ZUCHETTO & JANSSON (1985) erstellten „Resources & Society“-Studie und den von ihnen ermittelten Landnutzungsdaten gesetzt.

ABSTRACT

The diploma thesis “GIS-based land use analysis of selected coastal zones of Gotland” is about four chosen coastal regions that will exemplarily be surveyed with regard to the change in land use and natural vegetation during 1980-2007 by interpretation of aerial photos and satellite images. They will be verified by an independent mapping of the areas of interest in spring 2007 using the EU land use classification “CORINE Landcover 2000”. Furthermore the focus of mapping the land use of the areas relies on a modified CLC2000 which is especially adapted to the landscape of Gotland. The results are presented in form of land use maps.

In addition a comparison between the interpretation of aerial photos and the land use mapping in 2007 may demonstrate if there is any occurrence of relevant changes in the coastline, so that the changes can be integrated into the evaluation and the created land use maps.

After a physical-geographical overview of coastal types - classified by VALENTIN (1952) - the coastal types of Gotland, classified as belonging to the red list of endangered biotope types by RIECKEN et al. (1994), are introduced in regard to the modified CLC2000. Before beginning with the actual mapping of the land use, a geo correlation of the aerial photos provided by the Swedish office of land surveying is necessary as well as the choice of the most acceptable means of classification.

The surveyed land use classifications, in this case the Swedish “land classes” and the “land use class”-classification as well as the EU-classification “CORINE Landcover”, are presented and evaluated.

The main focus of this thesis is based on the one hand on using two different methods of land use mapping in order to demonstrate changes in land use and on the other hand on modifying the CLC2000 in order to give a better and improved CORINE classification.

Caused by the lack of Swedish CORINE-Data for Gotland and/or the areas of interest, the compiled land use data is going to refer to the “Resources & Society”study of ZUCHETTO & JANSSON in 1985.

1. EINLEITUNG

Küsten sind das am weitesten verbreitete Landschaftselement der Erde. Sie bilden mit einer Gesamtküstenlänge von über 1 Mio. km (KELLETAT 1999, S. 85) für viele Menschen nicht nur Lebens- und Arbeitsraum, sondern auch Erholungsgebiete. Fast die Hälfte der Weltbevölkerung nimmt die Küsten als Lebensraum in Anspruch (STERR et al. 1999). Es sind hoch sensible Geo- und Ökosysteme, die nach BRÜCKNER (1999) durch ihre Nutzung, das Bevölkerungswachstum und den Massentourismus sowie durch Naturgewalten und katastrophale Ereignisse einer permanenten Veränderung und darüber hinaus einem intensiven „Stress“ ausgesetzt sind.

Die Gesamtküstenlänge der Insel Gotland wird bereits von ENGLUND (1942) auf ca. 650 km geschätzt. Mit einer Flächengröße von 3140 km² und ca. 58.000 Einwohnern verzeichnet Gotland eine Bevölkerungsdichte von nur 18,5 E./km² (PRINZ 2005). Über ein Drittel der Bevölkerung lebt in der Inselhauptstadt Visby und Umgebung. Aufgrund der relativ hohen und jährlich ansteigenden Touristenzahlen ist ebenso ein Anstieg der Nutzungsintensität der Küsten Gotlands zu verzeichnen. Die Veränderungen in der Nutzung, zum einen anthropogen, zum anderen durch natürliche Sukzession und Vegetationsausbreitung hervorgerufen, die in dieser Diplomarbeit exemplarisch an vier ausgewählten Küstenabschnitten behandelt und aufgezeigt werden sollen, werden durch ein Geographisches Informationssystem gestützt.

Um die Landnutzung und Bodenbedeckung der Erde großräumig und effizient interpretieren und darzustellen zu können, wurde Anfang der 1970er Jahre mit dem ersten Erkundungssatelliten ERST-1, wie bereits schon NAUMANN (2001) feststellte, der Grundstock für den geowissenschaftlichen Forschungsbereich der Fernerkundung gelegt. Mit einer wachsenden Zahl und zunehmenden Verbesserung der Satelliten und deren Mess- und Aufnahmeinstrumenten in den darauf folgenden zwei Jahrzehnten konnte eine immer bessere Auflösung der auf den Satellitenbilder abgebildeten Erdoberfläche erreicht werden (vgl. Kapitel 6.1.2), so dass bereits seit Mitte der 1980er Jahre in der Bundesrepublik Deutschland, aber auch in anderen europäischen Staaten die Auswertung von Satellitenbildern oder satellitengestützten Fernerkundungsdaten der amerikanischen Landsat TM-Satelliten hinsichtlich der Landnutzung und Bodenbedeckung begonnen wurde. Hierfür wurden Informationssysteme entwickelt, die die Daten digital erfassen, speichern und reorganisieren, modellieren und analysieren können.

„Ein Geographisches Informationssystem kann verstanden werden als ein rechnergestütztes System, das aus Hardware, Software, Daten und den Anwendungen besteht.“ (NAUMANN 2001: 29)

Die in dieser Diplomarbeit erstellten Landnutzungskarten basieren auf orthographischen Luftbildern des schwedischen Landesvermessungsamtes1 und der eigenständigen Erhebung der Landnutzung. Die Karten entstanden mit dem Geographischen Informationssystem ArcView GIS 3.2.

1.1 ZIELSETZUNG

Nach einer geographischen Einordnung Gotlands folgt die Beschreibung der Klassifikation der Küstengestaltstypen nach VALENTIN (1952) und KELLETAT (1989 & 1999) sowie eine allgemeine Beschreibung der Küstentypen Gotlands unter dem klassifizierenden Gesichtspunkt der Biotoptypen nach RIECKEN et al. (1994), da der Fokus dieser Diplomarbeit auf der Landnutzungskartierung von Küstenregionen liegt. Die in Kapitel 2 und 3 gegebenen Vorkenntnisse sind relevant für die Gebietskartierung und die darauf folgende Landnutzungsanalyse.

Im Wesentlichen besteht die Diplomarbeit aus drei sekund ä ren Zielen oder Phasen, die aufeinander aufbauen und abschließend zu dem sog. Prim ä rziel führen (vgl. Abb. 29: schematische Darstellung der methodischen Vorgehensweise). Das erste Ziel ist die Kartierung der Landnutzung der ausgewählten Untersuchungsgebiete (Stand: 4. und 5. Juni 1980) durch Fernerkundung (visuelle Bildauswertung) nach der entwickelten EU-Klassifikation CORINE Landcover 2000 . Das zweite Ziel ist die Modifizierung der CLC2000 für die schwedische Insel Gotland, um sowohl kultur- historisch wertvolle Gebiete, wie beispielsweise die gotländische „lövang“ (Laubwiese), als auch Erweiterungs- und Verbesserungsmöglichkeiten für naturbelassene Räume aufzuzeigen. Darüber hinaus soll durch das Ausschließen der 5 ha-Mindestgröße, die die CLC2000 als Kartiergröße vorgibt, versucht werden, eine exaktere und präzisere Landnutzungskartierung der jeweiligen Gebiete zu erhalten. Daran schließt das dritte Ziel, die Kartierung (im Gelände) der ausgewählten Untersuchungsgebiete (Stand: April/Mai 2007) nach dem für Gotland modifizierten CLC-Klassifizierungsschlüssel an, so dass die Kartensätze der Landnutzung 1980 und 2007 miteinander verglichen werden können, um so das Hauptziel, die Veränderungen von Flächen in Größe und Nutzung innerhalb von 27 Jahren aufzuzeigen sowie die Änderungen, die sich durch die Neu-Attributierung von Flächen durch den modifizierten Klassifizierungsschlüssel ergeben haben, darzustellen.

Des Weiteren wurde versucht, mit Hilfe der Luft-/Satellitenbildinterpretation und der Geländekartierung/Fotodokumentation Veränderungen der Küsten- bzw. Uferlinie nachzuweisen.

Die gewonnenen Daten, Ergebnisse und erstellten Landnutzungskarten sind in Kapitel 6 (Landnutzungsanalyse) schriftlich, tabellarisch und in Form von Gesamtkartensätzen abgebildet. Im Kartenanhang sind die im GIS erzeugten Karten im DIN A4-Format gesondert zu betrachten.

2. GOTLAND: EIN GEOGRAPHISCHER ÜBERBLICK

In diesem Kapitel wird ein physisch-geographischer Überblick gegeben. Einen Schwerpunkt bildet die geologische Entstehung, da diese entscheidend ist für das Herausbilden des Reliefs, der Küsten, der Bodenbildung und somit auch für die Vegetation und heutige Landnutzung eine bedeutende Rolle spielt.

2.1 LAGE

Die schwedische Insel Gotland liegt etwa 150 km bis 260 km südlich von Stockholm zwischen dem 57 und 58 Grad nördlicher Breite sowie 18 und 19 Grad östlicher Länge. Die Inselhauptstadt Visby liegt auf dem Breitengrad: 57° 38' Nord und dem Längengrad: 18° 17' Ost (Koordinaten aus: National Geographic 3-D Atlas; Koordinatenabgleich unter: www.googleearth.com). Die Nachbarinsel Öland liegt 60 km entfernt, das schwedische Festland ca. 90 km, welches von schwedischen Schnellfähren in knapp drei Stunden Fahrzeit erreicht werden kann. Im Osten erreicht man Lettland bzw. die Bucht von Riga nach ca. 150 km. Die Insel hat in etwa eine Nord-Süd- Ausdehnung von ca. 150 km und eine maximale West-Ost- Ausdehnung von ca. 50 km.

Abb. 1: Lage der Insel Gotland in der Ostsee (Kartenausschnitt). Quelle: Der Grosse Weltatlas 2005, S. 101

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Gotland ist mit 3.140 km² (SCHARNWEBER 2005) nach den dänischen Inseln Fünen (Fyn) und Seeland (Sjælland) die drittgrößte Insel der Ostsee. In unterschiedlichen statistischen Quellen bezüglich der Inseln im Ostseeraum werden jedoch die beiden großen dänischen Inseln oftmals nicht der Ostsee zugerechnet. Daher steht Gotland in den gängigen Statistiken vor Ösel (2984 km²), von den Esten auch Saarema genannt, den Ålands (ca. 6500 finnische Inseln; 1481 km²), Öland (1347 km²) und Rügen (973 km²) an erster Stelle (QUACK 1997).

Zur Gemeinde Gotland zählen zahlreiche kleinere Inseln. Zu nennen sind die beiden Karlsinseln, Lilla und Stora Karlsö (1,6 km² und 2,5 km²), welche aufgrund zahlreicher Vogelarten, die diese zwei Inseln jedes Jahr als Brutrevier aufsuchen, unter Naturschutz gestellt worden sind (Abb. 2 u. 3), die Insel Furillen (4 km²), Gotska Sandön (37 km²) und die Insel Fårö (114 km²) im Norden, die von Gotland durch den „Fårösund“ oder auch „storlandet“ getrennt ist. Fårö und Gotska Sandön dienten bis zum 1. April 1997 als Militärstützpunkte und waren für ausländische Touristen lediglich mit einer Ausnahmegenehmigung und zusätzlicher Führung zugänglich.

Abb. 2: Lilla Karlsö Abb. 3: Stora Karlsö

Quelle: http://www.gotland.net/klintehamn/turistin/lkarlso.htm

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Lilla und Stora Karlsö, ebenso wie Gotland selbst, weisen den gleichen geologischen Ursprung auf, ragen mit ihren Steilküsten bis zu 66 m ü. d. M. (Lilla Karlsö) empor und sind mit zahlreichen bis zu 20 m tiefen Grotten versehen. Für Ornithologen sind die Inseln ein wahres Paradies: Trottellummen (Uria aalge) haben hier mit der größten Population im Ostseeraum (BAESSLER & BAESSLER 1990) ihren Brutplatz, aber auch Tordalke (Alca torda), Silber- und Heringsmöwen (Larus argentatus & Larus fuscus), der Mauersegler (Apus apus) sowie Lappentaucher (Podicipedidae: Podiceps cristatus & Podiceps grisegena), Lerchen (Alaudidae) und Stare (Sturnidae) sind hier ebenfalls zu Hause.

Die Insel Gotska Sandön (Abb. 4) liegt 37 km nördlich von Gotland und ihr Name bedeutet „Gotländische Sandinsel“. Sie ist 5 km lang und bis zu 8 km breit (QUACK 1991). Die höchste Erhebung findet sich im Inneren mit 42 m ü. d. M. Bauern nutzten die Insel zur Schafhaltung, Holzgewinnung und als Stützpunkt zur Robbenjagd. Der Untergrund der Insel besteht zum größten Teil aus Sand, so dass sich aufgrund der Abholzung bereits 1870 große Flugsanddünen entwickelten, die die Insel zu durchqueren drohten. Als Gegenmaßnahmen wurden die Schafe ausgesiedelt,

50.000 Bäume und Strandhafer angepflanzt. Bereits 1910 wurden erste Teile der Insel unter Naturschutz gestellt. Erst im Jahre 1963 wurde die gesamte Insel als Nationalpark ausgewiesen (QUACK 1997).

Abb. 4: Gotska Sandön, Nationalpark (Kartenausschnitt, Kartenoriginal 1: 100 000). Quelle: Kartcentrum Vällinby 2004 (http://www.lantmateriet.se/kartcentrum)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Heute bilden die Wanderdünen bis zu 15 m hohe und 300 m breite Strukturen - eine einzigartige Kulisse, die zahlreiche Tagestouristen anlockt. Wenige Eichen, Überreste von Laubwald und der mit Heidekraut durchsetzte Kiefernwald (QUACK 1997), der das Innere der Insel bedeckt, dominieren die Vegetationsdecke. VON GADOLIN (1979) bezeichnet diese Landschaft als botanisches Unikum.

2.2 GEOLOGISCHE ENTSTEHUNG

Die Entstehung der oberflächennahen Gesteine Gotlands setzte vor 440 Millionen Jahren im Erdzeitalter des Paläozoikums (545-358 Mio. J. v. h.), mit Beginn der Periode des Silur (440-400 Mio. J. v. h.), am Äquator ein. In dem sog. Ur-Meer, einem warmen, tropischen Flachmeer, wo die Wassertemperatur nicht unter 20° Celsius sank, entwickelte sich eine artenreiche Fauna (BAESSLER & BAESSLER 1990), die entscheidend zur Gesteinsbildung beitrug. Diese Organismen, Kleinstlebewesen bzw. deren kalkhaltigen Überreste und aus dem Wasser ausgefällter Kalk sanken zum Meeresgrund und bildeten im Laufe der Jahrmillionen die heutige 450 m hohe Sedimentabfolge, den Kern Gotlands. „Der ungeheure Eigendruck presste diese Ablagerungen fest zusammen: Kalkstein entstand.“ (SCHARNWEBER 2005: 13)

Der tiefere Untergrund Gotlands wurde bereits im Kambrium (545-495 Mio. J. v. h.) und im darauf folgenden Ordovizium (495-440 Mio. J. v. h.) gebildet. Kambrische und silurische Gesteine treten im Nordwesten Gotlands an die rezente Oberfläche. Auf ihnen entstand im Silur eine über 600 m mächtige Folge aus Kalken. Die Geologische Karte des Ostseeraumes (Abb. 5) belegt, dass Schweden auf dem „Baltischen Schild“ liegt und weit älter als die „Osteuropäische Tafel“ (Bildung im Devon), Öland (Bildung im Kambrium und Ordovizium) oder Gotland (Bildung hauptsächlich im Silur) ist.

Abb. 5: Vereinfachte geologische Karte des Ostseeraumes mit geologischer Zeittafel. Quelle: REINICKE 2003, S. 11

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

„Im Übergang vom Ordovizium zum Silur treten Tiere und Pflanzen mit Chitin- oder Kalkteilen auf.“ (MROWKA 1989: 201) Die Pflanzen und hauptsächlich Tiere versuchten mit diesem evolutiven Schritt ihre Weichteile zu schützen. An die 2000 Arten konnten aufgrund fossiler Funde nachgewiesen werden, wovon ein Großteil heute ausgestorben ist. Durch die zahlreichen Fossilienfunde auf Gotland wird die Periode des Silur von den Geologen und Paläontologen auch als Gotlandium bezeichnet. Das älteste Fossil, welches auf Gotland gefunden wurde, ist der in Abb. 6 dargestellte Palaeophonus nuncius, ein ca. 6 cm großer Landskorpion, der sich kurz nach der Hebung Gotlands über den Meeresspiegel entwickelt haben muss. Schnecken, Schwämme (Gastropoda / Porifera/Spongia), Trilobiten (Dreilappkrebse), Brachiopoden (Armfüßer), Cephalopoden (Kopffüßer), Cnidaria (Nesseltiere), Stachelhäuter (Echinodermata; z. B. Seesterne (Asteroidea)), Seelilien (Crinoidea), Tintenfische (Cephalopoda unterkl. Coleoidea) u. a. Mollusken (Weichtiere) wie beispielsweise Balvia -Arten (Muschel-Arten), aber auch Korallenarten, die zur Klasse der Blumentiere (Anthozoa) im Stamm der Nesseltiere gehören und Algen sind die am häufigsten genannten Versteinerungen. Diese lassen sich, wie Abb. 7 zeigt, an vielen Stränden Gotlands in kürzester Zeit finden. Die dort abgebildeten Fossilien wurden am Strand von Högklint (etwa 80 km südlich von Visby) gefunden. Das Aufsammeln vom lockeren Boden bzw. Strand ist erlaubt, das Herausbrechen oder Ausgraben von Versteinerungen aus Steilküsten oder festem Gestein ist verboten. Wie oben beschrieben, entstanden die paläozoischen Gesteine Gotlands in Äquatornähe. Sie waren Teil der Kontinents Baltika (Fennoskandia), der sich als Bruchstück vor ca. 800 Mio. Jahren von dem Superkontinent Rodina abspaltete. Baltika umfasst die Landmassen des Baltischen Meeres, Schottland, Skandinavien, Polen und die russische Tafel. Im Silur kollidierte die Landmasse mit dem kleineren Kontinent Avalonia und im Devon (420-360 Mio. J. v. h.) mit dem großen Kontinent Laurentia, woraufhin es zu der Vereinigung zum Großkontinent Euramerika (Laurussia) kam. Mit der anhaltenden Kontinentaldrift wurden die Kontinente weiter nordwärts bewegt. Nach dem Erreichen des heutigen Ostseeraumes unterlag der Raum Gotlands im Tertiär und Quartär dem Wechsel von Warm- und Kaltzeiten mit den einhergehenden Abschmelz- und Wiedervereisungsprozessen der Gletscher und Eismassen Nordeuropas. Diese klimatischen und glazialen Prozesse formten die Oberflächengestalt und Küsten Gotlands.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6: Palaeophonus nuncius. Fundort: Visby.

Quelle: LEMKE 1986, S. 10

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 7: Fossilienfunde, Högklint. Foto: H. Hinsch 09/2006

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 8: Ausbreitung der Eisbedeckung, der Seen und der Vegetationszonen während wichtiger Phasen seit der Eem-Warmzeit. Quelle: FRÉDEN 1994, National Atlas of Sweden - Geology, S. 123

Die Weichsel-Eiszeit (Abb. 8) ist durch zwei kürzere Warmzeiten, dem Brörup- Interstadial und dem Odderade-Interstadial, mit einer Zeitspanne von jeweils 10.000 Jahren unterbrochen. Nach der Hauptphase der Weichsel-Eiszeit, die mehr als 40.000 Jahre andauerte und ca. 18.000 v. Chr. endete, begann das Eis zu schmelzen. Nach VON KLINGSPOR (1934) schmolz das Eis ca. 40-500 m im Jahr ab, so dass auf einer Fläche von 3,1 Mio. km² Inlandeis (LIEDTKE 1992) mit einer Mächtigkeit von 2-3000 m innerhalb von 10.000 Jahren abtaute und Moränen von Kies, Steinblöcken, Sand und Ton hinterließ (HEINRICHS 1995). Abbildung 9 stellt den Eisrückgang von 18.000 v. Chr. (höchste Ausdehnung des Weichsel-Gletschers) bis 6.500 v. Chr. (Bildung des Litorina-Sees) dar.

Abb. 9: Eisrückgang und postglaziale Hebung im Ostseeraum. - A: Weichsel-Eiszeit um 18.000 v. Chr. mit ihrer größten Ausbreitung, Meeresspiegel ca. 130 m tiefer als heute - B: Eisrückgang um 13.500 v. Chr., Meeresspiegel 100 m tiefer als heute - C: Baltisches Eismeer, ca. 10.500-9.900 v. Chr. - D: Yolda-See, ca. 9.900-9.300 v. Chr., Meeresspiegel ca. 60 m tiefer als heute - E: AncylusSee, ca. 9.300-6.500 v. Chr. - F: Litorina-See, ca. 6500-6.000 v. Chr. Quelle: SJÖBERG 1992, National Atlas of Sweden - Sea and Coast, S. 15

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Durch das Abschmelzen des Eises entstand in Teilen des heutigen Ostseebeckens der Baltische Eisstausee, der um ca. 10.000 v. Chr. Anschluss an das Weltmeer fand und sich Süßwasser mit Salzwasser vermischte. Es bildete sich das sog. Yoldia- Meer (um 10.000-9.300 v. Chr.), benannt nach der Salzwassermuschel Yoldia arctica (LIEDTKE 1981). Da die Landhebung schneller als der Meeresspiegelanstieg verlief, wurde der Anschluss ans Weltmeer abermals unterbrochen und ein neuer Süßwassersee, der Ancylus-See (9.300-6.500 v. Chr.), benannt nach der Süßwasserschnecke Ancylus fluvialis, konnte entstehen (VON KLINGSPOR 1934). Die anhaltende Landhebung führte im weiteren Verlauf dazu, dass das „Ostseewasser“ nach Südwesten verlagert wurde, so dass sich eine neue Verbindung zum Weltmeer bildete. Durch die neue Öffnung gelangte ab 7.500 v. Chr. (LIEDTKE 1992) die Strandschnecke Littorina littorea in die heutige Ostsee, wonach die Litorina-See (6.500-6.000 v. Chr.) benannt wurde. Die Litorinazeit dauerte ca. 3.000 Jahre an. Ein Resultat des Abschmelzens der Eisdecke ist das Zerreiben und Herausbrechen (Detersion und Detraktion) von anstehendem Gesteinsmaterial und somit auch die Gestaltung des Reliefs. So wurde auf Gotland durch die glazialen Abtragungsprozesse eine 150 m mächtige Schicht (von 600 auf 450 m) abgetragen. Ein ebenso entscheidendes Resultat des Gletscherrückgangs war das Herausheben Gotlands über den Meeresspiegel, was durch das Zusammenspiel von Isostasie (Landhebung und -senkung) und Eustasie (eustatische Meerspiegelschwankungen) bewirkt wurde. Die starke Auflast der Eismassen hatte über die Jahrtausende hinweg eine Landsenkung Skandinaviens zur Folge. Nach dem Ende der letzten Eiszeit begann sich das Land aufgrund des fehlenden Drucks wieder zu heben. Das abgeschmolzene Eis hat gegenläufig mit den freigewordenen Wassermassen zu einem Meeresspiegelanstieg beigetragen. Die Schwankungen des Meersspiegels können gravierend und aus geologischer Sicht in „kürzester“ Zeit extrem ausfallen.

Abb. 10: Meeresspiegelschwankungen vom Kambrium bis ins Tertiär. Quelle: CLARK 1989, S. 95

Eustasie = relative ökologische Stabilität eines Landschaftsökosystems

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In Abb. 10 sind die Meeresspiegelschwankungen vom Kambrium bis ins Tertiär abgebildet. Besonders im Tertiär unterlag der Meeresspiegel starken Schwankungen und zeigt deutlich wie rapide der Meeresspiegel sinken und wieder steigen kann. Während der größten Ausbreitung des Inlandeises lag der Meeresspiegel bis zu 130 m niedriger als heute (SJÖBERG 1992).

Die Isostasie ist bis heute nicht abgeschlossen. Das Zentrum der Landhebung scheint in der Gegend um Västerbotten bzw. im Bottnischen Meerbusen zu liegen und verzeichnet eine Hebung von 8,5 mm/J (Abb. 11). Laut BERGSTEN (1974; In

SÖMME 1974) sind es 9,2 mm/J oder 1 m im

Jahrhundert. Auf Höhe Stockholms sind es 4 mm/J, in Göteborg werden nur noch bis zu 2 mm/J erreicht, wohingegen in Südschweden eigentlich keine Landhebung mehr stattfindet. MÖRNER (1980; In LIEDTKE 1992) ist jedoch zu der Überlegung gekommen, dass der hohe Druck des Eises zwar die Landmassen herabgedrückt hat, die Landhebung aber nicht alleine auf die Entlastung zurückzuführen ist, sondern alt angelegte Tektonik (tektonische Störungen) im Untergrund mitverantwortlich ist. Durch alte marine Grenzen und Strandwälle konnte die tatsächliche Hebung von ca. 850 m berechnet werden. Dadurch lassen sich Rückschlüsse auf die Eismächtigkeit ziehen, die zwischen 2500 und 3000 m gelegen haben muss. Da sich die Landhebung seit 6.000 Jahren

Abb. 11: Landhebung Schwedens in

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: FRÉDEN 1994, National Atlas of Sweden - Geology, S.101

nur noch in Millimeterbeträgen pro Jahr vollzieht, Hebungshöhe und frühere Eismächtigkeit rekonstruiert sind, ist MÖRNER der Meinung, dass ein isostatischer Restanstieg Skandinaviens von nicht mehr als 100-130 m zu erwarten ist. „Erst im zweiten Jahrtausend v. Chr. nahm Gotland die heutige Gestalt an, ausgenommen die östlichen und südlichsten Inselteile, die seinerzeit noch unter Wasser lagen, sowie der Norden der Insel, wo die Buchten von Kappelshamn und Vägume durch einen schmalen Sund miteinander verbunden waren.“ (BOHN 1997: 10) Dass Gotland in den letzten 4.000 Jahren einer

konstanten Hebung unterlag (ca. 1 mm/J), lässt sich an den Küsten und den Strandwällen, die weit im Landesinneren noch sichtbar sind, erkennen.

2.3 KLIMA

Wie bereits in Kapitel 2.1 beschrieben, liegt Gotland zwischen dem 57. und dem 58. Breitengrad und somit auf gleicher geographischer Breite wie beispielsweise Kamtschatka (Russland), Labrador (Kanada) oder den Aleuten in Alaska (U.S.A.), die der Klimazone der kühlgemäßigten Mittelbreiten angehörig sind. Gotland hingegen weist ein Cfb-Klima (nach KÖPPEN) auf, welches vorwiegend maritim und somit milder gegenüber den eben aufgezählten Gebieten und dem schwedischen Festland ist. Zu beachten ist hier allerdings, dass Schweden bzw. das schwedische Festland vom 55. bis 69. Breitengrad reicht und somit drei unterschiedlichen Klimazonen zuzuordnen ist.

Mit einem Mittelwert von 874 Sonnenstunden für Juni, Juli und August (MROWKA 1989) ist Gotland führend im skandinavischen Raum und wird aus diesem Grund auch als Sonneninsel bezeichnet.

Abb. 12: Klimadiagramm Visby.

Quelle: http://www.klimadiagramme.de/Europa/visby.html

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Betrachtet man Abb. 12 (Klimadiagramm Visby), so wird deutlich, dass die Insel neben der relativ hohen Sonneneinstrahlung auch einen geringen Jahresniederschlag von 519 mm aufweist (Stand: 10. Mai 2000) und 40 mm Monatsniederschlag nur im September, November und Dezember leicht überschritten werden.

Der Jahresniederschlag schwankt etwa zwischen 400-550 mm. Basierend auf der Studie von HAMBERG (Niederschlagsmessungen an ungefähr 460 Stationen von 1880-1909) zeigt Abb. 13 die jährliche Niederschlagsmenge in mm für Schweden. Die Karte verdeutlicht, dass jene von Westen nach Osten hin abnimmt. Für Gotland sind Niederschlagswerte zwischen 400-500 mm angegeben.

Gotland verzeichnet trockene und warme Sommer. Die durchschnittliche Julitemperatur beträgt 16,3° Celsius, die durchschnittliche Januartemperatur 0,7° Celsius. Die Jahresdurchschnittstemperatur liegt bei 7° Celsius. Maximalwerte liegen im Sommer bei 23-24° Celsius, die Wassertemperatur der Ostsee kann im August bis auf 20° Celsius steigen.

Abb. 13: Mittlere jährliche Niederschlagsmengen in mm (1880-1909). Quelle: GUINCHARD et al. 1913, S. 49

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Eine Erklärung für die warmen Sommer und die lang anhaltenden Trockenperioden ist die Bildung von kontinentalen Sommerhochs, welche vom Schwarzen Meer nach Nordfinnland ziehen und dort von kühleren Luftmassen nach Südwesten umgeleitet werden (Abb. 14). Ein Sommerhoch kann dann mit verminderter Wärmeenergie das Bottnische Meer und Ostschweden sowie Gotland erreichen (PRINZ 2005). Zum anderen bringt auch das Azorenhoch Schönwetterlagen, sofern es sich über das schwedische Festland bis nach Gotland ausbreiten kann (MROWKA 1989). Ebenso sind die winterlichen Hochs verantwortlich für Trockenheit (Abb. 15).

Abb. 14: Wettersituation, 7. August 1975 Abb. 15: Wettersituation, 10. Januar 1987

Quelle: RAAB & VEDIN 1995, National Atlas of Sweden - Climate, Lakes and Rivers, S.49

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.4 RELIEF

Das Relief übernimmt viele verschiedene Funktionen, um die ablaufenden Prozesse des Landschaftshaushaltes zu regeln (ZEPP 2002). ZEPP nennt es die Ökofunktionalität des Reliefs und führt folgende Regelfunktionen, die das Relief erfüllt, auf: 1. Modifizierung des oberflächennahen Windfeldes und somit die Ausbreitung von Luftschadstoffen, 2. wichtigste Energieumsatzfläche des Erde- Atmosphäre-Systems, 3. Bestimmung des regionalen und lokalen Wasserhaushalts, 4. Umverteilung des Oberflächenabflusses und 5. die Regelung des unterirdischen Abflusses (ZEPP 2002: 24).

An der Herausbildung des Reliefs waren unterschiedlichste Faktoren und Wirkungsweisen maßgeblich beteiligt. Die Bildung des Kalksteins im Silur, die Plattentektonik, die Eiszeiten und das Zu- und Abnehmen der Gletscher, das Zusammenspiel von Isostasie und Eustasie, die Ostsee und natürlich das Klima stellen die entscheidenden Faktoren dar.

Mit Abb. 16 soll verdeutlicht werden, dass diese Wechselbeziehungen und Kombinationen aus unterschiedlichen Faktoren und deren Wirkungsweisen in der Geomorphologie als endogene und exogene Dynamik bezeichnet wird.

Abb. 16: Systematik einer genetisch orientierten Geomorphologie (stark verändert nach HÜSER 1973). Quelle: ZEPP 2002, S. 20

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die exogenen Prozesse (Verwitterung, Abtragung und Ablagerung von Gesteinsmaterial durch Wasser, Eis und Wind) wirken vorwiegend reliefvermindernd. Die endogenen Prozesse (Plattentektonik, Vulkanismus usw.) wirken vorwiegend relieferhöhend und strukturbildend. Diese Prozesse, im Zusammenhang mit der Schwerkraft, bilden die Kruste und Oberflächenformen (AHNERT 1996). An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass auf eine Reliefanalyse bei der Erstellung der Landnutzungskarten aus Zeit- und Kostengründen verzichtet wurde. Darüber hinaus findet die Darstellung des Reliefs eher in Topographischen- oder Bodennutzungskarten Verwendung als in Landnutzungskarten. Trotzdem soll hier in Kürze das Relief Gotlands beschrieben werden.

ELIASON (2000) bezeichnet Gotland als Sedimentblock der 2 Grad nach Südosten geneigt ist, so dass durch Erosion, vor allem durch die glazialen Bewegungen, viel Sediment im schrägen Winkel abgetragen wurde. „Von den ältesten Schichten im Nordwesten gelangt man zu immer jüngeren, je weiter südlich man auf Gotland kommt.“ (ELIASON 2000; In: SCHARNWEBER 2005: 14)

BOHN (1990) vergleicht die Insel mit einer riesigen Kalksteinplatte, deren Höhe von Westen nach Osten hin abnimmt. Gotland ist jedoch nicht nur ein Kalk-Plateau, welches ein West-Ost-Gefälle aufweist. Es besitzt weite, flache Ebenen, die meist landwirtschaftlich genutzt werden oder sumpfige Areale, die als Naturreservate ausgeschrieben sind sowie leicht hügelige Regionen und steile Küstenabschnitte. Insgesamt wird die Insel nach Osten hin flacher, behält aber ihren leicht hügeligen Charakter bei. Die Landschaft erhebt sich selten höher als 40 m ü. d. M. Der Wert pendelt in der Regel zwischen 23 und 28 m. An der Ostküste sind lediglich die Erhebungen um den Ort Ardre, 1 km südlich mit 45 m ü. d. M. und 2 km nördlich die Torsburg, die 68 m ü. d. M. liegt, nennenswert.

„Die Oberflächengestalt der Insel zeigt fast überall sanft geschwungene Formen ohne dramatische Höhen und Tiefen. Selbst die mächtigen Kalkschollen erheben sich nicht höher als 15 m aus dem umgebenen Land. Nur wenige Felspartien an der Küste ragen höher als 50 m steil aus dem Wasser empor. Gotlands höchster Punkt liegt bei 83 m.“ (MROWKA 1989: 10)

Die Insel weist also keine relevanten Niveaudifferenzierungen auf. Die Durchschnittshöhe liegt bei etwa 25 m ü. d. M. Die höchste Erhebung der Insel liegt mit 83 m in der Lojsta-Heide, 3 km nordwestlich des Ortes Lojsta (57° 18' 48.22" N 18° 22' 54.76" O) im heutigen Russpark.

2.5 BÖDEN

Ebenso wie bei der Bildung des Reliefs spielen auch bei der Bodenbildung (Pedogenese) viele Faktoren und Prozesse eine Rolle. In Abhängigkeit zu den in Abb. 17 dargestellten Faktoren (Ausgangsgestein, Relief, Klima, Wasser, Vegetation, Mensch, Bodentiere, bodenbildende Prozesse und Zeit) entsteht an jedem Standort ein bestimmter Bodentyp. Die bodenbildenden Prozesse konnten auf Gotland zum einen erst nach der Landhebung über dem Meeresspiegel und zum anderen erst nach dem Abschmelzen der Gletscher beginnen.

Abb. 17: Bodenbildende Faktoren und Prozesse. Quelle: GANSSEN 1965, S. 15

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das anstehende Gestein, in diesem Fall Kalk-, Mergel- und Sandstein, wird durch Verwitterungsprozesse zerkleinert, was je nach Härte des Ausgangsmaterials variiert. Man unterscheidet bei den Verwitterungsprozessen zwischen physikalischer und chemischer Verwitterung.

Durch Erwärmung und Abkühlung des Gesteins und die damit einhergehende Volumenzu- und abnahme kann es zu Rissen und Spalten kommen, wodurch im Laufe der Zeit das Material zerkleinert wird. Gefrorenes Wasser und die damit verbundene Volumenzunahme kann in den Spalten und Rissen die sog. Frostsprengung verursachen und dadurch zur Zerkleinerung beitragen. Diese beiden Vorgänge werden als physikalische Verwitterung bezeichnet. Die chemische Verwitterung hingegen wird in Oxidationsverwitterung, Lösungsverwitterung und hydrolytische Verwitterung unterteilt. Bei der Oxidationsverwitterung lagern sich Sauerstoff- und Hydroxid-Ionen an bestimmten Mineralien, die Eisen-, Sulfid- oder Mangan-Ionen enthalten an, bewirken somit eine Auflockerung des Kristallgitters und erleichtern den Angriff von anderen Reagenzien. Zu erkennen ist dies durch die typische Verfärbung ins bräunliche durch Eisen- oder Manganoxid. Bei der Lösungsverwitterung werden Salze ausgefällt und durch Wasser wegtransportiert. Unter hydrolytischer Verwitterung versteht man die Reaktion von Wassermolekülen mit Mineralien. Kalk (CaCO3), wie er auf Gotland vorkommt, ist nur sehr schwer löslich. Regen- oder Sickerwasser, was Kohlensäure (H2CO3) enthält, reagiert mit dem Kalk zu Kalziumhydrogencarbonat (Ca(HCO3)2), welches dann wasserlöslich ist. Dieser Vorgang wird auch Verkarstung genannt (KUNTZE et al. 1994). Das konstante Herauslösen des Kalks hat eine 10 km lange Höhle, die sog. „Lummelunda Grotten“, im Untergrund der Insel entstehen lassen. Diese Höhlenkomplexe liegen ca. 15 km nördlich von Visby und stellen die größten und tiefsten von vielen kleineren Höhlensystemen an der Westküste, die durch den hydrolytischen Prozess entstanden sind.

Gotlands Böden sind in der Regel sehr kalkhaltig, reich an Mineralien, jedoch arm an Phosphat (P) und Stickstoff (N). Die landwirtschaftlich besten Flächen liegen dort, wo der Boden aus mergelig lehmigem und tonigem Kalkstein mit einer glazialen Moränendecke besteht. Diese Böden wurden von den Landwirten über jahrelanges, oft jahrzehntelanges, Testen und Versuchen ausfindig gemacht. Diese fruchtbaren Moränengebiete liegen in den ökonomischen Zentren Roma und Dalhem sowie um Hemse und Lau. In Abb. 18 ist zu erkennen, dass der Silurkalk an vielen Stellen offen zu Tage tritt und keine Bodenbearbeitung möglich macht. Das Niederschlagswasser versickert schnell im Kalkstein. Die Humusschicht, die oftmals aufliegt, ist nur von geringer Mächtigkeit (QUACK 1997).

In Trockenphasen müssen die Landwirte ihre Böden zusätzlich bewässern, was sich negativ auf das Grundwasser und die Trinkwasserversorgung auswirkt. Deshalb werden Böden in Küstennähe, hier hauptsächlich Obstanpflanzungen (SALZER 1970), mit nicht entsalztem Ostseewasser bewässert. Zusätzlich werden unfruchtbarere Küstenböden bzw. Böden mit Phosphat- und Stickstoffmangel mit Seetang, aber auch mit Kunstdünger behandelt.

PAPADAKIS (1969) verweist in seinem Buch „Soils of the World“ für Gotland auf „podsols“ (p) bzw. „grey-brown podsolic“ (pb). Diese Angaben sind jedoch stark vereinfacht. Auf Gotland sind durchaus mehrere unterschiedliche Bodentypen vorzufinden, die im Folgenden erläutert werden sollen.

Aufgrund der länderspezifischen Bodenklassifikationen bzw. der weltweit unterschiedlichen Klassifikations-Systeme (FAO-UNESCO 1961, Soil Taxonomy 1975, BRD-System nach KUBIENA & MÜCKENHAUSEN 1953) und deren verschiedenartigen Einteilungen, werden hier die deutschen Bezeichnungen nach dem morphogenetischen Klassifikations-System nach SCHROEDER (1992) verwendet, welches sich stark an das Klassifikations-System von KUBIENA & MÜCKENHAUSEN anlehnt.

Vorkommende Bodentypen auf Gotland (die FAO- und ST-Klassifikation sind in Klammern angegeben):

1. Syrosem (FAO: Lithosol, Regosol, Arenosol; ST: Entisole)
2. Rendzina (FAO: Rendzina; ST: Rendoll)
3. Pararendzina (FAO: Regosol, Leptosol; ST: Entisols)
4. Braunerde (FAO: Cambisol; ST: Ochrept, Umbrept)
5. Parabraunerde (FAO: Luvisol, Podzoluvisol; ST: Alfisols)
6. Podsol (Bleicherde) (FAO: Podzol; ST: Spodosols)
7. Gley und Pseudogley (FAO: Gleysol; ST: Aquods und FAO: Planosol, Gleysol; ST: Aquods)

Bodenklassifikation von KUBIENA international anerkannt (modifiziert von MÜCKENHAUSEN). Nach der deutschen Wiedervereinigung erneut überarbeitet. Bodenkartierung der deutschen Landesämter erfolgt i. d. R. nach dieser morphogenetischen Systematik.

Abb. 18: Gesteine und Lockerböden, Feuchtgebiete vor der Entwässerung. Quelle: MROWKA 1989, S. 176

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Syroseme (A(i)-C-Horizontfolge):

Der Syrosem (russ. = rohe Erde) ist ein Gesteinsrohboden gemäßigter Klimagebiete, früher auch als Skelettboden bezeichnet und ist in der Bodenbildung ein Initialstadium. Weiter wird er durch das Ausgangsgestein bestimmt (Granit, Kalk, Quarzit). Eine geringe Humusschicht kann auf dem Ausgangsgestein liegen. Es hat noch keine nennenswerte chemische Verwitterung stattgefunden. Auf Kalkstein gehen die Syroseme in Syrosem-Rendzinen über, auf Mergelstein bilden sich Pararendzinen aus. Nach SCHROEDER (1992) zeigt der Syrosem dort Beständigkeit, wo fortschreitende Bodenbildung nicht gegeben ist (durch Erosion in Hanglagen). Ein Beispiel für die Skelett- oder Schuttböden auf Gotland sind die Hällmark-Gebiete.

2. Rendzina (Ah-C-Horizontfolge):

Die Rendzina (poln. = Kratzen, Rauschen bzw. flachgründiger Kalkboden) entstehen durch chemische und physikalische Verwitterung sowie Humusanreicherung aus Kalkstein. Die typische Rendzina besitzt einen oft humus- und skelettreichen, krümeligen Ah-Horizont über einem festen Ausgangsgestein, z. B. Dolomit, Kalkstein, lockeres Carbonat - oder Gipsgestein. Er verzeichnet i. d. R. über 40 % CaCO3 und kann auf verschiedenen Kalksedimenten basieren. Auf Gotland wird hauptsächlich der Silurkalk durch die chemische Verwitterung gelöst.

„Bei einem Kalkstein mit 95 % CaCO3 muss z.B. ca. 2 m Gestein verwittern, um einen 20 cm mächtigen carbonatfreien Verwitterungsrückstand entstehen zu lassen (unter der Annahme, dass das Raumgewicht des entstandenen Bodens etwa halb so groß ist wie das des Gesteins).“ (SCHEFFER & SCHACHTSCHABEL 2002: 492)

3. Pararendzina (Ah-C-Horizontfolge):

Pararendzinen sind Böden aus Lockergestein mit einem A-C-Profil, besitzen einen Kalkanteil von 10 - 40 % und dazu einen Tongehalt von mehr als 30 %, weswegen sie auch als Mergelböden bezeichnet werden. Unter Wald geht der Boden nach Entkalkung in Braunerden und/oder Parabraunerden über, während sich in Steppengegenden Schwarzerden (Tschernoseme) bilden können. Auf Gotland sind diese Pararendzinen typisch, da sie sich auf Geschiebemergelstandorten entwickeln konnten.

4. Braunerde (Ah-Bv-C-Horizontfolge):

Die Braunerden sind die häufigsten Böden Mitteleuropas. SCHROEDER (1992) schreibt sie dem gemäßigten humiden Laubwaldklima zu. Sie besitzen eine hohe Variationsbreite, was wiederum vom Ausgangsgestein abhängt. Sie entstanden durch fortschreitende Bodenentwicklung aus Rankern oder Rendzinen. Auf Geschiebelehm sind an wenigen Standorten nährstoff- und humusreiche Braunerden, die schwach sauer bis neutral sind, auf Gotland entstanden.

5. Parabraunerde (Ah-Al-Bt-C-Horizontfolge):

Parabraunerden, auch Fahlerden genannt, sind ebenfalls vom Ausgangssubstrat abhängig. Sie entstehen aus Löss oder Geschiebemergel. Aus ehemals Rendzinen, Schwarzerden oder basenreichen Braunerden, wenn durch Ausfällung des Kalks und leichte Versauerung eine Lessivierung (Tonverlagerung) ermöglicht wird, entstehen Parabraunerden, die von Natur aus Laubwaldstandorte sind und nach ZECH & HINTERMAIER-ERHARD (2002) weltweit eine Fläche von 650 x 10[6]ha einnehmen. Laubwaldstandorte sind auf Gotland durch die jahrhunderte lange Abholzung der Laubbäume rar geworden, so dass Parabraunerden lediglich in den heutigen Laubwiesen-Gebieten vorzufinden sind.

6. Podsol (Ah-Ae-Bs-C-Horizontfolge):

Podsole, auch Bleicherde genannt, verzeichnen eine starke Versauerung der oberen Bodenhorizonte. Es sind meist sandige Böden mit schlechter Wasserspeicherkapazität. Mit entsprechender Bewässerung, Kalkung und Düngung eignet sich auch dieser zum Ackerbau, oftmals zum Kartoffelanbau (ZECH & HINTERMAIER-ERHARD 2002). Als natürliche Vegetation sind Mischwälder, Nadelwälder und Zwergsträucher zu nennen. Podsole kommen auf Gotland in der Gegend von Burgsvik im Süden Gotlands, teilweise auch im Norden und südlich von Hemse vor, wo sie nach den Entwässerungsmaßnahmen zu Tage getreten sind (MROWKA 1989).

7. Gley (Ah-Go-Gr-Horizontfolge)/Pseudogley (Ah-Sw-Sd-Horizontfolge):

Der Gley (russ. = sumpfiger Boden) ist ein mineralischer vom Grundwasser beeinflusster Boden. Durch die vorausgegangene starke chemische Verwitterung kann der G-Horizont (Bezeichnung des B-Horizontes beim Gley) lehmig und tonreich

[...]


1 http://www.lantmateriet.se CORINE Landcover: Coordinated Information on the European Environment (landcover engl. = Bodenbedeckung); Projekt der EU-Kommission für Flächennutzungsauswertung. Weitere Informationen zu CORINE in Kapitel 6.1.2

Ende der Leseprobe aus 118 Seiten

Details

Titel
GIS - gestützte Landnutzungsanalyse ausgewählter Küstenabschnitte Gotlands
Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
118
Katalognummer
V92731
ISBN (eBook)
9783638050821
ISBN (Buch)
9783640099245
Dateigröße
6832 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Landnutzungsanalyse, Küstenabschnitte, Gotlands
Arbeit zitieren
Hauke Hinsch (Autor:in), 2007, GIS - gestützte Landnutzungsanalyse ausgewählter Küstenabschnitte Gotlands, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92731

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: GIS - gestützte Landnutzungsanalyse ausgewählter Küstenabschnitte Gotlands



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden