Das österreichische Parteiensystem


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

25 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Entstehung von Parteiensystemen

3. Typologien von Parteiensystemen

4. Das österreichische Parteiensystem
4.1. Das österreichische Wahlsystem
4.2. Der Nationalrat
4.3. Die BundespräsidentInnenwahl
4.4. Der Bundesrat
4.5. Die Bundesregierung
4.6. Das österreichische Parteiensystem im geschichtlichen Kontext

5. SPÖ – Sozialdemokratische Partei Österreichs
5.1. Geschichte der SPÖ
5.2. Ideologie der SPÖ
5.2.1 Entwicklung des Parteiprogramms

6. ÖVP – Österreichische Volkspartei
6.1. Geschichte der ÖVP
6.2. Ideologie der ÖVP

7. FPÖ – Freiheitliche Partei Österreichs
7.1. Geschichte der FPÖ
7.2. Ideologie der Freiheitlichen Partei Österreichs

8. BZÖ – Bündnis Zukunft Österreich
8.1. Geschichte des BZÖ
8.2. Ideologie

9. Grünalternative Partei
9.1. Geschichte
9.2. Ideologie

10. Kleinparteien

11. Fazit

Quellenverzeichnis:

1. Einführung

Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Thematik des österreichischen Parteiensystems. Um sich damit auseinandersetzen zu können, sollte zu allererst geklärt werden, was Parteiensysteme überhaupt sind, wie sie definiert werden und welche Funktionen sie innehaben.
„Laut Nohlen versteht man unter Parteiensystemen das strukturelle Gefüge der Gesamtheit der politischen Parteien in einem Staat.“[1]

Die Funktionen der Parteiensysteme sind oft eng mit den Funktionen, die man den Parteien zuschreibt, verbunden. Dem Parteienwettbewerb werden beispielsweise die Aufgaben des Beitrags zur politischen Stabilität und die Umsetzung divergierender Anforderungen in Entscheidungen zugeschrieben.

„Parteiensysteme – verstanden in einem modernen Sinne – setzen schließlich ein Mindestmass an Regelmässigkeit voraus, welches nur mit der Ausbildung von dauerhaften Parteiorganisationen erreicht werden kann.“[2]

Die Analyse von Parteiensystemen kann über die Wahl- oder Parteiprogramme, den elektoralen Erfolg der Parteien (über Wahldaten) oder der Parteienorganisation selbst erfolgen. Problematisch beim Analysieren über den Wahlerfolg bzw. über die Repräsentation der einzelnen Parteien im Parlament und der Regierung ist, dass das Kräfteverhältnis zwischen den Parteien verzerrt sein kann. Außerdem kann nicht immer eindeutig nachvollzogen werden, wofür die Parteien stehen und warum sie von den Leuten gewählt wurden. Für den Ländervergleich einzelner Parteisysteme ist die Analyse über den Wahlerfolg sehr gut geeignet, da dieser stets gut dokumentiert ist und die aktuellen Daten leicht erhältlich sind. Die anderen Möglichkeiten zur Forschung sind vom Aufwand her gesehen größer und für eine Länderstudie nicht so gut geeignet.

Der Begriff „Parteiensystem“ kann laut Ladner nicht nur bezogen auf Nationalstaaten, sondern auch staatenübergreifend (hier führt er das Beispiel der Europäischen Union als staatenübergreifendes Parteiensystem an) und auf den verschiedensten Unterebenen angewendet werden. Er führt ebenfalls an, dass in föderativen politischen Systemen auch subnationale Parteiensysteme auf dem Niveau der einzelnen Bundesstaaten (USA), Länder (Deutschland) oder Kantone (Schweiz) wichtig sind, und diese von der Gestalt des nationalen Parteiensystems abweichen können.[3]

2. Entstehung von Parteiensystemen

Zur Entstehung von Parteiensystemen kam es Mitte des 19 Jahrhunderts in England und in den USA. Auslöser war die Ausbreitung von Organisationen der Liberalen und Konservativen in England, als auch der RepublikanerInnen und DemokratInnen in den USA. In verschiedenen Ländern im Süden Europas verzögerte sich die Strukturierung eines Parteiensystems aufgrund von Klientelbeziehungen zwischen politischen FührerInnen und WählerInnen bis ins 20 Jahrhundert.

Für die Entstehung eines Parteiensystems spielen die Bildung von Fraktionen oder Clubs, aber auch außerparlamentarische Organisationen oftmals eine große Rolle.

Laut Ladner werden in der Literatur drei theoretische Ansätze zur Erklärung der Entstehung von Parteien unterschieden.

- Institutionelle Ansätze, welche die Parteien aus der Entwicklung parlamentarischer Systeme und der ihnen zu Grunde liegenden Wahlsysteme ableiten.
- Historische Krisensituationstheorien, die mit der Neuentstehung von Staaten oder dem Zusammenbruch von Verfassungssystemen operieren.
- Modernisierungstheorien, die weniger politische Faktoren als vielmehr soziale und ökonomische Grundlagen der Parteienentstehung analysieren.[4]

Ladner merkt jedoch an, dass jeder dieser drei Ansätze gewisse Schwachpunkte aufweist.

Als Zentrale Voraussetzung für die institutionellen Ansätze sieht er das Funktionieren der repräsentativen Institutionen. England und USA waren hierbei zwei Vorzeigemodelle, da in diesen Ländern das Parlament eine eigenständige Rolle spielte und eine Kontinuität der repräsentativen Regierungsweise gegeben war. Am Beispiel Frankreichs (hier gab es Ansätze zum parlamentarischen System z.B. Restauration, Julimonarchie, die Parteien konnten dennoch keine Kontinuität erreichen) wird aufgezeigt, dass eine parlamentarische Regierungsweise alleine kein ausreichender Grund für die Entstehung eine klar strukturierten Parteiensystems sein kann.

Auch Wahlsysteme allein können die Entstehung von Parteien nicht erklären. In Frankreich gab es je nach Regime, die verschiedensten Wahlsysteme. Durch deren Wahlrechtserweiterungen wurde zwar das Wachstum einiger Parteien, oftmals Protestgruppen gegen das bestehende System, gefördert, aber ihre Entstehung kann allein mit dem Wahlrecht nicht erklärt werden.

Krisentheorien arbeiten vermehrt die ideologischen Antriebskräfte hinter der Entstehung von Parteien heraus und bewähren sich vor allem in kritischen Abschnitten der Staatsentwicklung.

Beispiele für kritische Momente in der Staatsentwicklung sind:

- Entstehung neuer Staaten (Belgien, Irland, Island)
- Legitimitätsbrüche aufgrund von dynastischen Rivalitäten (Frankreich und Spanien zu Beginn des 19 Jahrhunderts)
- Zusammenbrüche von parlamentarischen Demokratien durch die Machtübernahme faschistischer oder faschistoider Systeme (bzw. die Wiederherstellung der parlamentarischen Demokratie nach dem Ende der faschistischen Systeme).[5]

Für die Verdeutlichung der Schwachpunkte der Modernisierungstheorie führt Ladner Deutschland an. Trotz seines Vorsprungs in Bezug auf Urbanisierung, Industrialisierung und Verbreitung von Bildung, hatte es dennoch über eine längere Zeit ein unterentwickeltes Parteiensystem.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Parteien als Ergebnis der gesellschaftlichen Modernisierung gesehen werden können. In Krisenzeiten kann die Entwicklung der Parteien von einem idealtypischen Verlauf abweichen, wobei hier den Parteiverantwortlichen gewisse Gestaltungsmöglichkeiten zukommen.[6]

3. Typologien von Parteiensystemen

Hinsichtlich der Typologisierung von Parteiensystemen muss überlegt werden, welche Parteien berücksichtigt und welche Merkmale einbezogen werden sollen. Die Forschung befindet nicht alle Parteien, die irgendwann und irgendwie einmal, oftmals nur für kurze Zeit, in Erscheinung getreten sind, für wichtig genug, um sie zu berücksichtigen.

„Wichtiger als die absolute Zahl der Parteien ist die Zahl der Parteien, die zählen.“[7]

Aber welche Parteien sind nun diejenigen, die zählen? Ladner führt hier eine Definition von Satori (1976) an. Dieser sieht folgende zwei Kriterien als Merkmale für Parteien, auf die es ankommt.

- Stellung um in eine Regierungskoalition aufgenommen zu werden
- Ausreichende Stärke, um bei Regierungsentscheidungen eine Vetoposition einnehmen zu können[8]

Zur Erstellung einer Parteiensystem-Typologie müssen auch Kriterien wie die Zahl der Parteien, deren Stärkenverhältnis und der Parteienwettkampf berücksichtigt werden.

Eine wichtige Differenzierung hinsichtlich der Parteienanzahl ist die Unterscheidung zwischen dem klassischen Zweiparteiensystem (USA, England) und einem Mehrparteiensystem (Österreich, Italien). Bezogen auf das Kräfteverhältnis der Parteien führt Ladner die Typologisierung laut Smith 1989 an. Dieser unterscheidet drei typische Formen von Parteiensystemen: „imbalance“, „balance“ und „diffusion“:

- Unter imbalanced versteht Smith eine Partei oder eine Gruppe eng zusammenhängender Parteien über eine längere Zeitperiode an der Macht, der Abstand zur zweitgrößten Partei sehr groß und eine Regierungsbildung ohne die dominante Partei undenkbar ist. Als Beispiele können hier die Labour Party in Norwegen bis Ende der 1960er Jahre als auch die SPÖ in den 1970er Jahren angeführt werden.
- „Diffused“ ist ein Parteiensystem, wenn eine relativ große Zahl von Parteien besteht und keine davon eine klare Mehrheit hält. Wichtig ist zudem, dass keine deutliche Polarisierung zwischen den Parteien auszumachen ist und die verschiedenen Parteien die unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppierungen vertreten. Bsp. Niederlande, Frankreich, Belgien
- Unter einem „balanced“ Parteiensystem versteht Smith letztlich ein System mit einer Polarisierung auf einer einzigen Linie. Im Idealfall handelt es sich dabei um ein Zweiparteiensystem. Es können sich aber auch zwei Gruppen von Parteien gegenüberstehen. Die beiden großen Parteien kontrollieren mehr als 90 Prozent der Stimmen. Bsp: Österreich, Großbritannien[9]

4. Das österreichische Parteiensystem

Wie in den vorangegangenen Kapiteln veranschaulicht wurde, besteht ein sehr enger Zusammenhang zwischen dem Parteiensystem eines Landes und den einzelnen Parteien. In Österreich sind momentan fünf Parteien im Parlament vertreten (SPÖ, ÖVP, BZÖ, FPÖ, Die Grünen), die Österreichische Volkspartei und die Sozialdemokratische Partei Österreichs bilden eine große Koalition. Auf die einzelnen Parteien wird in einem späteren Teil dieser Arbeit noch genauer eingegangen.

Da sich in Österreich alle von der Verfassung eingerichteten politischen Institutionen direkt oder indirekt von drei Wahlen ableiten, befasst sich der nächste Abschnitt mit dem österreichischen Wahlsystem und den wählbaren Institutionen.

4.1. Das österreichische Wahlsystem

Wie schon erwähnt gibt es in Österreich drei Wahlen, nämlich die des Nationalrates (die Volkskammer des österreichischen Parlaments), den Bundespräsidenten/die Bundespräsidentin (das Staatsoberhaupt) und die neun Landtage (die Parlamente der Bundesländer).

„Das österreichische Wahlrecht muss gemäß Verfassung ein allgemeines, gleiches, freies, geheimes, unmittelbares und persönliches sein. Es ist ein Verhältniswahlrecht und – seit 1949 – ein lose gebundenes (Partei-) Listenwahlrecht.“[10]

Wahlberechtigt sind alle österreichischen StaatsbürgerInnen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Bei Gemeindewahlen und der Wahl der österreichischen Abgeordneten zum Europäischen Parlament, sind auch in Österreich lebende EU-BürgerInnen wahlberechtigt. Unmittelbare Mitwirkung an der Politik wird den StaatsbürgerInnen durch Volksabstimmungen, Volksbefragungen und Volksbegehren gewährt. Bisher wurde von dem Instrument der Volksabstimmung aber erst 2 Mal Gebrauch gemacht. 1978 fand eine Volksabstimmung betreffend der Inbetriebnahme des Kernkraftwerks Zwentendorf statt und 1994 eine Volksabstimmung bezüglich des EU-Beitrittes. In Österreich gab es bisher 24 Volksbegehren.[11]

[...]


[1] Andreas Ladner: Stabilität und Wandel von Parteien und Parteiensystemen, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2004, S. 27

[2] Andreas Ladner: Stabilität und Wandel von Parteien und Parteiensystemen, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2004, S. 28

[3] Vgl. Andreas Ladner: Stabilität und Wandel von Parteien und Parteiensystemen, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2004, S. 29

[4] Andreas Ladner: Stabilität und Wandel von Parteien und Parteiensystemen, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2004, S. 31

[5] Andreas Ladner: Stabilität und Wandel von Parteien und Parteiensystemen, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2004, S. 32

[6] Vgl. Andreas Ladner: Stabilität und Wandel von Parteien und Parteiensystemen, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2004, S. 30-32

[7] Andreas Ladner: Stabilität und Wandel von Parteien und Parteiensystemen, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2004, S. 36

[8] ebenda

[9] Andreas Ladner: Stabilität und Wandel von Parteien und Parteiensystemen, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2004, S. 38

[10] Dachs et al: Politik in Österreich, Manzsche Verlags- und Universitätsbuchhandlung, Wien 2006, S. 282

[11] Bundespressedient Österreich „Das politische System in Österreich“, S.10, Wien 2000 URL: www.politischebildung.at/upload/polsystem.pdf dl. 25.03.2008

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Das österreichische Parteiensystem
Hochschule
Johannes Kepler Universität Linz  (Institut für Gesellschaftspolitik)
Veranstaltung
Rahmen und Insitiutionen der Gesellschaftspolitik
Autor
Jahr
2008
Seiten
25
Katalognummer
V92663
ISBN (eBook)
9783638062381
ISBN (Buch)
9783640124640
Dateigröße
461 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Parteiensystem, Rahmen, Insitiutionen, Gesellschaftspolitik
Arbeit zitieren
Verena Heitzinger (Autor:in), 2008, Das österreichische Parteiensystem, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92663

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