Berlusconi und die Pressefreiheit

Die Ballung politischer und medialer Macht und ihre Auswirkungen auf die Pressefreiheit in Italien


Seminararbeit, 2007

12 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Presse und Pressefreiheit
2.1 Zum Begriff der ‘Presse’
2.2 Die Funktionen der Massenmedien in der Gesellschaft
2.2.1 Die Informationsfunktion
2.2.2 Die Meinungsbildungsfunktion
2.2.3 Die Kritik- und Kontrollfunktion
2.3 Die Pressefreiheit in Italien

3 Silvio Berlusconi als Ministerpräsident und Medienmogul
3.1 Die Unterrepräsentation von politischen Gegenmeinungen im Fernsehen
3.2 Silvio Berlusconis Einfluss auf die RAI
3.3 Berlusconis Umgang mit Kritikern
3.4 Die Sicherung der medialen Macht durch politischen Einfluss
3.4.1 Das ‘Maccanico’-Gesetz
3.4.2 Das ‘Gasparri'-Gesetz

4. Die Einschränkung der Pressefreiheit durch Berlusconis Personalunion

5 Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Arrivederci Pressefreiheit? Medienmogul Silvio Berlusconi ist nicht nur Inhaber der drei größten privaten Fernsehsender Italiens, sondern war von 2001 bis 2006 italienischer Ministerpräsident. In seiner Person vereinte sich mediale und politische Macht und Kraft seines Amtes als Ministerpräsident hatte er seinen einzigen Konkurrenten, das Staatsfernsehen RAI[1], unter Kontrolle.

Das Forschungsinteresse der vorliegenden Seminararbeit richtet sich auf den politischen Einfluss Silvio Berlusconis auf dem italienischen Fernsehmarkt und somit auf den Einfluss auf die Informationsrezipienten, die italienischen Bürger. Im Vordergrund steht dabei der Versuch, die folgende Forschungsfrage zu beantworten: Wurde das demokratische Prinzip der Pressefreiheit durch Berlusconis politische und mediale Macht eingeschränkt? Die hierfür vorgeschlagene Methodik soll an dieser Stelle kurz erläutert werden. Das hiesige Vorgehen besteht darin, die Auswirkungen der Personalunion Silvio Berlusconis mit den Anforderungen der Pressefreiheit zu vergleichen, um eine mögliche Beantwortung der Forschungsfrage zu erreichen.

Dieser Ansatz führt zu folgender Gliederung der Seminararbeit: Im ersten Teil soll der Begriff ‘Presse’ definiert und die Notwendigkeit der Pressefreiheit dargestellt werden. Ferner soll im zweiten Teil auf Auswirkungen der Ballung politischer und medialer Macht Silvio Berlusconis eingegangen werden. Im Anschluss wird analysiert, inwieweit Silvio Berlusconi durch seinen Einfluss die Pressefreiheit einschränken konnte.

2 Presse und Pressefreiheit

Um analysieren zu können, welchen Einfluss Silvio Berlusconi auf die Pressefreiheit in Italien hatte, bedarf es zunächst einer allgemeinen Definition des Begriffes ‘Presse’. Dabei sollen die Aufgaben der Presse in der Gesellschaft kurz beleuchtet werden, um verständlich zu machen, warum die Pressefreiheit als demokratisches Prinzip notwendig ist.

2.1 Zum Begriff der ‘Presse’

Unter dem Begriff Presse fielen ursprünglich alle Erzeugnisse des Buchdrucks, das heißt Zeitungen, Zeitschriften, Bücher, Plakate und Broschüren. Jedoch werden heutzutage unter Presse „der Rundfunk und andere Massenmedien“ (Breunig, 1994, S. 90) zusammengefasst. Unter dem Begriff der Presse sind demnach alle Medien zu verstehen, die mit einer breiten Masse von Individuen in Kommunikation treten.

2.2 Die Funktionen der Massenmedien in der Gesellschaft

Massenmedien stellen in der heutigen Zeit einen bedeutenden Machtfaktor dar, da sie aktuelle Inhalte mit Hilfe von technischen Mitteln an das Publikum senden und somit innerhalb der Gesellschaft eine Informations-, Meinungsbildungs-, Kontroll- und Kritikfunktion übernehmen (Chill & Meyn, 1998, S.3-6).

2.2.1 Die Informationsfunktion

Nach Chill & Meyn sollen die Massenmedien dem Individuum beziehungsweise dem Bürger das öffentliche Geschehen vollständig, sachlich und verständlich nahe bringen, damit der Bürger in der Lage ist das öffentliche Geschehen zu verstehen. Der Bürger soll durch Informationen die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Zusammenhänge begreifen und seine eigene Interessenlage erkennen. Dadurch soll erreicht werden, dass sich der Bürger aktiv am politischen Diskurs beteiligt.

2.2.2 Die Meinungsbildungsfunktion

Anhand der Informationen, die die Massenmedien vermitteln, kann der Bürger sich ein Bild vom öffentlichen Geschehen machen und sich eine Meinung bilden. Dafür ist es aber notwendig, dass die Massenmedien die unterschiedlichen Meinungen, die im öffentlichen Diskurs artikuliert werden, in einem angemessenen Verhältnis darstellen: der Meinungspluralismus muss durch die Massenmedien gewährleistet werden. Unterschiedliche Meinungen sind die Grundlage jedes demokratischen Systems, denn nur wenn es unterschiedliche Meinungen gibt, können gewisse Zustände, Personen oder Vorschläge von weit reichender Bedeutung unterstützt oder abgelehnt werden. Wenn sich der Bürger keine Meinung bildet, hat die politische Führung mit keinem gesellschaftlichen Widerstand zu rechnen. Dies bedeutet, dass die Führung jede Entscheidung treffen kann.

2.2.3 Die Kritik- und Kontrollfunktion

Die Massenmedien überwachen in der Demokratie nahezu alle politischen und sozialen Akteure. Gemäß den Autoren Chill und Meyn kontrollieren und kritisieren die Massenmedien politische Entscheidungen und tragen somit dazu bei, dass der Bürger Sachverhalte kritischer beurteilen kann. Ohne Massenmedien, die Missstände aufdecken und die Öffentlichkeit darüber informieren, bestünde die Gefahr, dass die Demokratie der Korruption und der Willkür unterläge.

2.3 Die Pressefreiheit in Italien

In Anbetracht der Funktionen, die die Massenmedien in einer Gesellschaft übernehmen, ist es notwendig, dass die Massenmedien ihre Aufgaben frei von jeglicher staatlicher Zensur erfüllen können. Der Bürger muss imstande sein seine eigene Interessenlage zu erkennen und sich eine Meinung zu bilden. Das demokratische Prinzip der Pressefreiheit ist des Weiteren auch das „Recht jedes Privaten (d.h. jedes Individuums oder Bürgers) gegenüber der Hoheitsgewalt des Staates, Äußerungen in Schrift oder Bild frei von Behinderungen durch die Hoheitsgewalt des Staates, abzugeben, zu verbreiten und zu empfangen“ (Breunig, 1994, S.90).

Die Pressefreiheit ist in Italien nicht explizit genannt, aber sie wird nach Art. 21 der italienischen Verfassung von 1948 als „Unterfall der allgemeinen Meinungsäußerungsfreiheit behandelt“ (Geffert, 2004, S. 39). Nach Art. 21 Abs. 1 hat jeder das Recht „den eigenen Gedanken frei in Wort, Schrift und mit jedem anderen Verbreitungsmittel zu äußern“ (Geffert, S.39). Dieses Recht gilt sowohl für private als auch für juristische Personen. Demnach haben Bürger und Massenmedien das Recht ihre Meinung frei zu äußern und ihre Gedanken zu verbreiten.

3 Silvio Berlusconi als Ministerpräsident und Medienmogul

Silvio Berlusconi ist Inhaber der drei größten privaten Fernsehsender Italiens, Italia 1, Rete 4 und Canale 5. Mit seinem Amt als Ministerpräsident, welches er von 2001 bis 2006 inne hatte, konnte er außerdem erheblichen Einfluss auf den Fernsehkonkurrenten, das Staatsfernsehen RAI, nehmen. Silvio Berlusconi vereinte in einer Person politische und mediale Macht. In Anbetracht dieser Medienbesitze stellt sich die Frage, was für Auswirkungen die Personalunion Silvio Berlusconis auf dem italienischen Fernsehmarkt hatte. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die nachfolgenden Beispiele für die Auswirkungen der Personalunion Berlusconis keinen Anspruch auf Vollständigkeit geltend machen und allein auf den subjektiven Einschätzungen des Verfassers beruhen.

3.1 Die Unterrepräsentation von politischen Gegenmeinungen im Fernsehen

Durch seinen umfassenden Medienbesitz war Silvio Berlusconi in seinem Amt als Ministerpräsident in der Lage 80 Prozent der Sendeanlagen in Italien zu kontrollieren. Somit konnte er Einfluss auf das Agenda-Setting im italienischen Fernsehen nehmen. Dies hatte zur Folge, dass politische Gegenmeinungen in den Massenmedien nur bedingt thematisiert wurden. Beispielsweise wurden Berlusconi kurz vor der Wahl 2005 zwei zweistündige Sendungen auf RAI 1 zugesprochen, in denen er sein Programm für die nächste Legislaturperiode darstellen durfte. Dem politischen Herausforderer Romano Prodi hingegen wurden nur fünf Minuten in einer Politiksendung auf dem gleichen Sender zugesprochen (Hambückers, 2006, S. 97). Nach dem Gesetz Nr. 28/2000[2] zur politischen Werbung und Wahlwerbung, muss jeder politischen Gruppierung jedoch gleicher Zugang zu Hörfunk- und Fernsehprogrammen gewährt werden (Geffert, 2004, S. 199).

3.2 Silvio Berlusconis Einfluss auf die RAI

Das italienische Staatsfernsehen RAI ist mit 9700 Angestellten, 30.000 freien Mitarbeitern und einem Zuschaueranteil von ca. 43 Prozent neben Berlusconis Medienkonzern ‘ Mediaset‘, die größte Fernsehanstalt Italiens. Die RAI hat als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt Italiens einen öffentlichen Auftrag, nämlich die Sicherstellung der Informationsversorgung für die italienische Gesellschaft. Der staatliche Rundfunk ist „den Prinzipien des Pluralismus, der Objektivität, der Vollständigkeit und Neutralität der Informationen, sowie der Öffnung für die verschiedenen politischen, sozialen, kulturellen und religiösen Tendenzen verpflichtet“ (Geffert, 2004, S. 196). Die RAI wurde unter Berlusconi durch einen fünfköpfigen Verwaltungsrat kontrolliert, dessen Mitglieder durch die Präsidenten von Senat und Abgeordnetenhaus bestimmt wurden. Im Frühjahr 2003 gehörten dem Gremium vier Vertreter der Regierung Berlusconis und eine Vertreterin der Opposition an, welche den Vorsitz des Verwaltungsrates übernahm. Durch eine derartige Besetzung innerhalb des Verwaltungsrates der RAI könnte Silvio Berlusconi in der Lage gewesen sein, politischen Einfluss auf die Berichterstattung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu nehmen. Innerhalb der RAI sind desweiteren Schlüsselpositionen durch ehemalige Mitarbeiter des Mediaset-Konzerns besetzt worden. Clemente Mimun ist Chefredakteur des Fernsehsenders Tg1[3] und bestimmt somit maßgeblich den Inhalt der Nachrichtensendungen, die „jeden Tag zwischen 15 und 18 Millionen Zuschauer“ (Hambückers, 2006, S. 151) mit Nachrichten versorgen. Mimun hat vor dem Antritt seines Postens als Chefredakteur des Tg1 für Canale 5 gearbeitet, einen Privatsender Berlusconis. Anhand dieses Beispiels zeigt sich, dass die journalistische Unabhängigkeit unter Berlusconi kaum gegeben war, sondern die Regierungshörigkeit ein entscheidendes Kriterium für die Besetzung von Schlüsselpositionen innerhalb der RAI war.

3.3 Berlusconis Umgang mit Kritikern

Am 18. April 2002 kritisierte Silvio Berlusconi während eines Staatsbesuches in Bulgarien drei Fernsehjournalisten der RAI, die in ihren Sendungen, kurz vor der Wahl 2001, negativ über Berlusconi berichteten. Berlusconi ließ verlauten, es sei die Pflicht der neuen RAI-Führung, sicherzustellen, dass so etwas nie wieder vorkomme (Alexander Stille, 2006, S.312). Berlusconis‘ Äußerung hatten weitreichende Folgen, denn nach „zwei Monaten . . . waren die Sendungen aller drei von Berlusconi erwähnten Persönlichkeiten aus dem RAI-Programm verschwunden“ (Alexander Stille, S. 312). Zwei der drei Fernsehjournalisten, Enzo Biagi und Michele Santoro, gehörten zu den „bekanntesten italienischen Medienpersönlichkeiten“ (Tranfaglia, 2002, S.130). Dieser Fall zeigt, dass Berlusconi trotz seiner unbegrenzten Macht über die Programme der RAI, nicht davor zurückschreckte, die wenigen Sendungen, die nicht im Einklang mit seiner Politik waren, abzuschaffen. Aufgrund von derartigen Vorkommnissen kann man das Prinzip der Pressefreiheit unter Berlusconi als nicht garantiert bezeichnen, da die staatliche Macht die Meinungsfreiheit durch Zensur einschränkte.

3.4 Die Sicherung der medialen Macht durch politischen Einfluss

Das ‘Gasparri’-Gesetz (Gesetz Nr. 112/2004)[4] war ein neues Mediengesetz, das unter Berlusconi verabschiedet wurde und das das seit 1997 bestehende Mediengesetz ‘Maccanico’ (Gesetz Nr. 249/1997)[5] ersetzte. Anhand der beiden Gesetze soll deutlich gemacht werden, wie Silvio Berlusconi in der Lage war seine mediale Macht im Bereich des Fernsehens, dank seiner politischen Macht zu sichern und auszubauen.

3.4.1 Das ‘Maccanico’-Gesetz

Zuerst soll ein Blick auf Art. 2 Abs. 6 des Gesetzes ‘Maccanico’ geworfen werden. Dieser Artikel beschränkte die Anzahl der Fernsehkonzessionen pro Rechtssubjekt, welches laut Gesetz nicht mehr als „20% der nach dem Frequenzverteilungsplan verfügbaren analogen terrestrischen Rundfunkkanäle auf nationaler Ebene“ (Geffert, 2004, S.125) besitzen oder kontrollieren durfte. Für das terrestrisch-empfangene Fernsehen in Italien sind nur elf Frequenzen verfügbar. Das ist gleichbedeutend damit, dass ein Rechtssubjekt nach Art. 2 Abs. 6 maximal zwei Fernsehsender terrestrisch betreiben durfte. Des Weiteren setzte das ‘Maccanico’-Gesetz in Art. 2 Abs. 8 eine Konzentrationsgrenze für Fernsehen und Hörfunk fest. Nach diesem Artikel darf ein einzelner Konzessions- oder Genehmigungsinhaber an den Gesamtressourcen des jeweiligen Marktes maximal einen Anteil von 30 Prozent haben (Geffert, S. 130). Diese Artikel sollten verhindern, dass ein Rechtssubjekt eine verbotene marktbeherrschende Stellung in einem Sektor des Rundfunkmarktes (z.B. Fernsehen) erlangen konnte.

[...]


[1] Radiotelevisione Italiana

[2] vgl. http://www.agcom.it/L_naz/L_220200_28.htm

[3] Telegiornale di Raiuno

[4] vgl. http://www.agcom.it/L_naz/L_112_04.htm

[5] vgl. http://www.agcom.it/L_naz/L_249.htm

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Berlusconi und die Pressefreiheit
Untertitel
Die Ballung politischer und medialer Macht und ihre Auswirkungen auf die Pressefreiheit in Italien
Hochschule
Universität St. Gallen
Note
1,5
Autor
Jahr
2007
Seiten
12
Katalognummer
V92644
ISBN (eBook)
9783638062299
ISBN (Buch)
9783638950961
Dateigröße
447 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Berlusconi, Pressefreiheit
Arbeit zitieren
Eric Schmidgall (Autor:in), 2007, Berlusconi und die Pressefreiheit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92644

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Berlusconi und die Pressefreiheit



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden