4.-Mai-Bewegung und kulturelle Erneuerung 1915-1921 in China


Hausarbeit, 2006

14 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Historische Vorläufer
1.Die Reformbewegung von 1898
1.1 Yan Fu
1.2 Kang Youwei und Liang Qichao
2.Die Xinhai Revolution (xinhai geming- 辛亥革命) und Sun Yatsen

III. Institutionen der alten Gesellschaft
1. Die 4. Mai-Bewegung als anti-traditionelle Bewegung
1.1 Die „Fünf Beziehungen“
1.2 Reaktion und Beweggrund
1.3 Das Schriftwesen der klassischen Literatur
1.4 Reaktion und Beweggrund
1.5 Religion
1.6 Reaktion und Beweggrund
2. Die 4. Mai Bewegung als anti-feudalistische Bewegung
2.1 Yuan Shikais Herrschaft
2.2 Reaktion und Beweggrund

IV. Fazit

V. Bibliographische Angaben

I. Einleitung

Die 1919 von Studenten eingeleitete so genannte 4. Mai-Bewegung (Wusi Yundong - 五四运动) stellt einen Protest gegen den Aufstieg fremder Mächte, eine radikale Ablehnung der Tradition und ein Bestreben nach einer modernen Entwicklung nach westlichem Vorbild dar.[1] Dabei kann der der Begriff der 4. Mai Bewegung einmal verstanden werden als der Tag des 4. Mai 1919, an dem die Studentendemonstration gegen die Unterzeichnung des Versailler Vertrages ihren Lauf nahm, oder er kann verstanden werden als eine ganze Periode[2], dessen Zeitraum in der Literatur uneinheitlich festgelegt ist.[3] In dieser Arbeit wird die die Periode 1915-1921 den Kernzeitraum bilden. Mit dieser Periode wurde eine Phase des kulturellen Umbruchs eingeläutet, die bereits vor der 4. Mai Bewegung ihre historischen Vorläufer besaß.

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Untersuchung der Frage, gegen welche Institutionen der alten Gesellschaft sich die 4. Mai-Bewegung richtete und weshalb gerade gegen diese. Dem Begriff “Institution“ soll hier eine Definition aus soziologischer Sicht zugrunde gelegt werden, da das soziale Zusammenleben der Menschen in Gemeinschaften und Gesellschaften sowie ihre damit verbundenen Werte und Normen betroffen ist.[4]“Institution“ sei hiermit begriffen als ein “soziales Gebilde, Organisation und Prinzip, das als Träger gesellschaftlicher Ordnung öffentlich anerkannt und garantiert ist. Hauptmerkmale sind relative zeitliche Konstanz, das einem kulturellen Muster folgende Zusammenwirken ihrer Glieder und normative Richtlinien, die mit Sanktionen und sozialer Kontrolle durchgesetzt werden“.[5][6] Diese Definition erfasst ein umfangreiches und variationsreiches Feld, aus dem sich für dieses Thema wichtige Elemente der alten Gesellschaft entnehmen lassen, gegen die sich die 4. Mai-Bewegung richtete. Die Arbeit stellt die 4. Mai-Bewegung als eine anti-traditionelle und anti-feudalistische Bewegung dar, verbunden mit ihren Beweggründen. Dabei ist es unabdingbar, wichtige historische Vorläufer der 4. Mai- Bewegung und damit verbunden ihre geistigen Stellvertreter voranzustellen. Die Arbeit schließt mit einem Fazit über die festgestellten Beweggründe.

II. Historische Vorläufer

1.Die Reformbewegung von

In der Geschichte Chinas kennzeichnet die „Hundert Tage Reform“ 1898 einen wichtigen historischen Vorläufer der 4. Mai Bewegung von 1919. Nach der Niederlage Chinas im sino-japanischen Krieg (August 1894 – April 1895[7]) fanden die Reformpläne ihren Ansatz nicht per se in einer Ablehnung traditioneller Moralvorstellungen und althergebrachter sozialer Ordnungssysteme, sondern vielmehr in der Bewahrung traditioneller Grundgedanken und Normen, insbesondere der Beibehaltung der bisherigen Staatsform. Yan Fu, Anhänger von Smith, Rousseau, Montesquieu, Huxley und insbesondere Darwin und Spencer[8] sowie der Anführer der Reformisten, Kang Youwei, waren die Stellvertreter der Reformisten von 1898.[9] Die Bildung der intellektuellen Kampagne „Gesellschaft zum Studium westlicher Errungenschaften und Reformmöglichkeiten in China“ 1895[10] um Kang Youwei und seinem Schüler Liang Qichao sahen ihre Aufgabe darin, eine fundamentale Änderung sämtlicher autarker Institutionen umzusetzen,[11] mit dem Ziel der Beendigung des bisher autokratisch regierten Kaiserreichs und der Etablierung einer konstitutionellen Monarchie.[12] Die folgende abrupte Beendigung der Reformen infolge des von der Kaiserinwitwe Cixi mit Hilfe Yuan Shikais inszenierten Staatsstreiches 1898 geschah jedoch nicht aus einer grundsätzlichen Ablehnung gegenüber Reformen heraus, sondern resultierte aus verschiedenen politischen Standpunkten zwischen dem Kaiser Guangxu und der Kaiserinwitwe Cixi.[13] Letzterer ging es um die Erhaltung ihrer politischen Macht, die ihr infolge einer Verschwörung des Kaisers unter Zuhilfenahme von Kang Youwei entzogen werden sollte.[14] Das Ziel der Errichtung einer konstitutionellen Monarchie ist damit nicht erreicht worden. Dennoch wurden einige Reformen erfüllt wie beispielsweise die Errichtung der Universität Peking und Schulen sowie die Abschaffung des staatlichen Prüfungssystems im Jahr 1905.[15] Die Prüfungen hatten in der Geschichte Chinas eine lange Tradition, in denen sich die Prüflinge an den Auslegungen der kanonischen Schriften sowie an den vier Büchern des Konfuzianismus zu orientieren hatten.[16]

1.1 Yan Fu

Yan Fu, der wie die meisten Reformer der Gentry Schicht entstammte, jedoch nicht zu dem Kreis gehörte, der die offiziellen Staatsprüfungen absolvierte[17], übernahm überwiegend die gedanklichen Elemente über den Sozialdarwinismus aus der Sicht des englischen Philosophen und Soziologen Herbert Spencer[18], der kontinuierlichen Wettbewerbsdruck als Grund für die Verbesserung von Individuen sah.[19] Im Gegensatz zu seinem Zeitgenossen Kang Youwei forderte er eine radikale „Verwestlichung“,[20] was eine radikale Ablehnung chinesischer Traditionen nicht zur Folge haben musste.[21] Bezogen auf die Wirklichkeit vertrat er eine rationale und zielorientierte Haltung. Seine Aufmerksamkeit richtete sich ganz auf die Mittel und Wege, auf deren der Westen zu seinem großen Besitztum gelangte, als da wären das Wissen über die Technologie, die Institutionen und die Infrastrukturen des Westens,[22] selbst wenn dies den „Barbaren“ entstammte.[23] Ein „neues Individuum“ sollte geschaffen werden, was später bei Liang Qichao der „neue Bürger“ sein sollte.[24]

1.2 Kang Youwei und Liang Qichao

Er strebte, wie bereits erwähnt, zusammen mit seinen Anhängern die Bildung einer konstitutionellen Monarchie an, während er als Anhänger des Konfuzianismus[25] dem traditionellen Ordnungssystem treu blieb.[26] Kritik an der Vergangenheit übte er insofern, als dass er den Grund für den fortschrittlichen Stillstand Chinas und der fortschreitenden Entwicklung der fremden Mächte in einer jahrhunderte langen Missinterpretation der konfuzianischen Texte sah.[27] In diesem Zusammenhang bedeutete Modernisierung im Sinne Kang Youweis die Errichtung des Konfuzianismus zu einer Staatsreligion.[28] Im Gegensatz zu Yan Fu, der eine Modernisierung nicht in ein neues Gewand chinesischer Tradition kleiden wollte, ergab eine neue Auslegung der traditionellen konfuzianischen Texte eine Anpassung an den vermeintlichen Orientierungsmaßstab des westlichen Fortschritts.[29] In seinem Werk „Das Buch der großen Harmonie“ (Dadongshu- 大同书) zeigt Kang Youwei eine utopische Sicht der Zukunft auf der Basis eines spirituell-moralisch, geschichtlichen Ablaufes auf, der aus einer universellen Republik der Menschheit besteht, die alle Elemente, die die Menschheit voneinander trennt und somit eine große Gemeinschaft erschaffen würde. Im Gegensatz zu Yan Fu, der ein „neues Individuum“[30] fordert, gibt es in der harmonischen Welt Kang Youweis kein Individuum.[31]

Liang Qichao, der zunächst dieselben Ansichten vertrat wie Kang Youwei, wandte sich später jedoch von ihm ab. Der Journalist floh nach den gescheiterten Reformen von 1898 erst nach Japan. Später siedelte er in die USA um, wo er sich für die westlichen Ideologien und den Sozialdarwinismus begeisterte. Er folgte dem eher wissenschaftlichen begründeten Pfad Yan Fus und kehrte somit der Begründung aus traditionellen konfuzianischen Texten den Rücken.

2.Die Xinhai Revolution (xinhai geming- 辛亥革命) und Sun Yatsen

Die Ziele der Revolution von 1911 waren nach dem Zusammenschluss zum so genannten Revolutionsbund klar definiert. Die Fremdherrschaft der Manchus sollte abgeschafft werden und eine Restauration der Herrschaft der Chinesen sollte folgen. Das aufgestellte Programm bezweckte die Errichtung einer Republik und einen Ausgleich der Grundbesitzrechte. Entgegen aller Erwartung starben 1908 der Kaiser Guangxu und die Kaiserinwitwe Cixi.[32]

Den Auftakt zur Revolution bildete der Aufstand von Wuhan, der sich über die südlichen Provinzen Chinas ausbreitete. Am 9. Oktober 1911 kam es in Hankou zu einer Bombenexplosion, die gegen das Kaiserhaus gerichtet war. In weniger als zwei Monaten erklärten zahlreiche Provinzen ihre Unabhängigkeit von der Qing Regierung. Der Rückruf Yuan Shikais, der als Oberbefehlshaber der Beiyang Armee zu Lebzeiten von Kaiserinwitwe Cixi versetzt wurde und die Erhebung unterdrücken sollte, scheiterte.[33] Dieser schloss sich mit den Revolutionären zusammen, was dazu führte, dass im Februar 1912 die Republik von dem ersten Präsidenten der provisorischen Republik Chinas Sun Yatsen die Republik ausgerufen wurde, bevor er diese an Yuan Shikai abtrat.[34]

[...]


[1] MacFarquhar 119.

[2] Spence 299.

[3] Chow (1) definiert den Zeitraum von 1917-1921, Eastman (123) definiert den Zeitraum von 1915-1923, Schwartz (406-407) gibt keine feste Definition, sondern schreibt, dass bestimmte zu kombinierende Faktoren vor und nach dem 4. Mai 1919 zu dem Begriff 4. Mai Bewegung geführt haben. Er lässt die Phase der „intellektuellen Transformation“ bereits mit der Gründung der Peking Universität beginnen.

[4] Joas 36.

[5] Meyers Lexikon Online 2.0.

[6] Definition Duden: (bes. Soziol., Anthrop.) „bestimmten stabilen Mustern folgende Formen menschlichen Zusammenlebens: die Institution der Ehe, der Familie (…)“.

[7] Spence 221.

[8] Hu 120.

[9] Schwartz, Themes in Intellectual History: May Fourth and After 410.

[10] Franke, Das Jahrhundert der chinesischen Revolution 1851-1949. 72.

[11]“(…) Still, to attain our objectives on a grand scale, we have to change institutions.” (Hu 112).

[12] Franke, Chinas kulturelle Revolution. Die Bewegung vom 4. Mai 1919 90.

[13] Franke, Das Jahrhundert der chinesischen Revolution 1851-1949. 74,78.

[14] Bartke 53.

[15] Franke, Chinas kulturelle Revolution. Die Bewegung vom 4. Mai 1919 34.

[16] Ess 21.

[17] Schwartz, In Search of Wealth and Power. Jen Fu and the West 83.

[18] „Für Herbert Spencer gehörte die Untersuchung menschlicher Gesellschaften in das Studium der biologischen Evolution. Sowohl in der Biologie wie in der Gesellschaft, betonte Spencer, laufen Struktur und Funktionsänderungen parallel. Von ihm stammt der Begriff „Überleben der Bestangepassten“.“ (zit. in Joas 28).

[19] Mittelstraß 852.

[20] zit. in Schwartz, In Search of Wealth and Power. Jen Fu and the West 81.

[21] Schwartz, In Search of Wealth and Power. Jen Fu and the West 81

[22] Schwartz, Themes in Intellectual History: May Fourth and After 412.

[23] ” (…) we have no time to ask whether this knowledge is Chinese or Western, whether it is new or old. If one course leads to ignorance and thus to poverty and weakness, we must imitate it, even if it proceeds from barbarians and wild beasts, not to speak of higher order.” (Schwartz, In Search of Wealth and Power. Jen Fu and the West 49).

[24] Schwartz, Themes in Intellectual History: May Fourth and After 412.

[25] „Der Begriff „Konfuzianismus“ wurde erstmals von Jesuitenmissionaren im späten 16. Jh. verwendet und diente nachher als Bezeichnung für die mit dem chinesischen Weisen Konfuzius (551-479 v. Chr.) verbundene Denkschule.“ (Herder Spektrum 350).

[26] Hu 666.

[27] Schwartz, Themes in Intellectual History: May Fourth and After 410.

[28] Ess 100.

[29] Furth 328.

[30] Schwartz, Themes in Intellectual History: May Fourth and After 412.

[31]“There are modern confucian thinkers who contend that the „subjective“ Confucian values can be separated from their historic connection with a particular conception of normative sociopolitical structure (…) I do think, however, that these thinkers are not wrong in their claim that Confucianism has within limits preserved a certain conception of individual autonomy that is now singular weak in the modern west.” (Schwartz, China and Other Matters 80).

[32] Franke, Das Jahrhundert der chinesischen Revolution 1851-1949 104.

[33] Bartke 286.

[34] Spence 258-263.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
4.-Mai-Bewegung und kulturelle Erneuerung 1915-1921 in China
Hochschule
Universität zu Köln
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
14
Katalognummer
V92643
ISBN (eBook)
9783638062282
ISBN (Buch)
9783638950954
Dateigröße
463 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Erneuerung, China
Arbeit zitieren
Maria Melanie Heinicke (Autor:in), 2006, 4.-Mai-Bewegung und kulturelle Erneuerung 1915-1921 in China, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92643

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