Kapitalflucht und Zinsbesteuerung nach der RiL zur Besteuerung grenzüberschreitender Zinszahlungen an Privatanleger (RiL 2003/48/EG)


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

21 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die EU-Zinsrichtlinie 2003/48/EG
2.1. Erarbeitung der EU-Zinsrichtlinie
2.2. Inhalt der EU-Zinsrichtlinie
2.3. Umsetzung der EU-Richtlinie in nationales Recht (Bsp. Deutschland)
2.4. Probleme, Lücken und Kritik an der EU-Zinsrichtlinie
2.5. Erste Erfolge der EU-Zinsrichtlinie
2.6. Änderungs- und Erweiterungsvorschläge der EU-Zinsrichtlinie

3. Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Verzeichnis der Internetquellen

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Chronologie der Kapitalflucht u. Zinsbesteuerung in der BRD und der EU

Abb. 2: Das Meldeverfahren der ZIV

Abb. 3: Das Quellensteuerverfahren

Abb. 4: Quellensteuerzahlungen der Schweiz an die betroffenen EU-Staaten..

1. Einleitung

Kapitalflucht bezeichnet den umfangreichen und plötzlichen Transfer von Vermögen, Geld, Edelmetallen oder Sachwerten ins Ausland (…). Das Ziel der Kapitalflucht ist im Falle einer Inflation die Werterhaltung oder ansonsten die Umgehung inländischer Steuern.“[1] Diesem Problem wurde die Deutsche Mark bereits im Jahre 1958 ausgesetzt, als viele Deutsche begannen, z.B. mit Hilfe von Briefkastenfirmen, ihr Geld ins Ausland zu bringen.[2] Es dauerte nicht lange und auch Europa musste sich Gedanken machen, wie man den Abfluss von Kapital in die Steueroasen eindämmen bzw. verhindern könnte. Nachdem bereits im Jahr 1962 der erste Vorschlag erarbeitet wurde, dauerte es nochmals über 40 Jahre bis der Rat der Europäischen Union die „Richtlinie 2003/48/EG im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen“ (im Folgenden kurz „EU-Zinsrichtlinie“ genannt) erließ.[3] Der lange und schwierige Weg soll in der folgenden Tabelle chronologisch veranschaulicht werden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Chronologie der Kapitalflucht u. Zinsbesteuerung in der BRD und der EU[4]

Seit dem 01.07.2005 gilt also die EU-Zinsrichtlinie 2003/48/EG in den damals 15 EU-Mitgliedstaaten, wobei zwischen 12 Ländern der automatische Informationsaustausch vollzogen wird und für die Staaten Belgien, Luxemburg und Österreich eine Sonderregelung in Bezug auf eine Quellensteuer besteht (durch Gesetzesanpassungen wurden auch die in den letzten Jahren neu beigetretenen EU-Länder in die Richtlinie integriert). Damit tauchen viele Fragen auf, wie z.B.: Warum hat die Einführung dieser Richtlinie so lange gedauert? Wie erfolgt die genaue Umsetzung dieses Gesetzes? Warum besteht ein Sonderstatus für Belgien, Luxemburg und Österreich? Wie wirkungsvoll und lückenfrei ist die neue EU-Zinsrichtlinie? Diese und weitere Fragen sollen im Verlauf der folgenden Arbeit genauer untersucht und soweit wie möglich beantwortet werden.

2. Die EU-Zinsrichtlinie 2003/48/EG

2.1. Erarbeitung der EU-Zinsrichtlinie

Nachdem bereits im Jahr 1962 feststand, dass die Europäische Union eine gemeinsame Zinsbesteuerung benötigt, gab es immer wieder Streitigkeiten um die genauen Bestandteile einer solchen Richtlinie. Die Niedrigsteuergebiete wollten ihren Status nicht aufgeben und weiterhin von der Kapitalflucht in ihre Länder profitieren. Aber durch die immensen Fortschritte im Bereich der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion wurde der Druck, eine gemeinschaftliche Steuerpolitik zu verfolgen, zunehmend größer. Auch die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützten dieses Vorhaben, da sie seit dem Terroranschlag vom 11. September 2001 sehr am Kapitalverkehr in die so genannten Steueroasen interessiert waren, um die Finanzierung des internationalen Terrorismus zu verhindern oder zumindest zu erschweren. Die Niedrigsteuerländer wurden auf diese Weise mehr und mehr zum Einlenken gezwungen und man konnte erste Verhandlungserfolge mit ihnen verbuchen.[5]

2.2. Inhalt der EU-Zinsrichtlinie

Man einigte sich zwar auf das Modell eines Informationsaustauschs über grenzüberschreitende Zinszahlungen, aber vor allem mit den EU-Mitgliedsstaaten mit niedrigen Steuern mussten Ausnahmeregelungen vereinbart werden. Grundsätzlich gilt der „automatische“ Informationsaustausch zwischen allen nationalen Steuerbehörden in Europa. Ein Sonderrecht genießen die Länder Belgien, Luxemburg und Österreich. In einem Übergangszeitraum müssen diese keine Informationen an die anderen Staaten senden, falls die stattdessen eine Quellensteuer auf grenzüberschreitende Zinszahlungen einfordern. Diese Steuer wird in drei Schritten von anfangs 15 v.H. auf 20 v.H. und letztendlich bis auf 35 v.H. ab 1.7.2011 erhöht.[6] Somit bleibt das Bankgeheimnis in diesen Ländern bestehen und die drei Staaten bekommen Informationen aus den anderen EU-Staaten gesendet.[7] Des Weiteren mussten, um eine Verzerrung des Wettbewerbs weitgehend zu unterbinden, Verträge mit einer Vielzahl von Drittstaaten wie der Schweiz, Liechtenstein, Monaco, San Marino und Andorra geschlossen werden. Auch abhängige oder assoziierte Gebiete wie die Kanalinseln, Isle of Man und bestimmte Gebiete in der Karibik sind davon betroffen und müssen die automatische Auskunftserteilung bzw. eine Quellensteuer vertraglich mit der EU zusichern.[8] So besteht über bilaterale Verträge eine Quellensteuer auf Zinszahlungen an EU-Ausländern in Andorra, Liechtenstein, Monaco, San Marino, Schweiz, Britische Jungferninseln, Turks- und Caicoinseln, während diese Länder selbst keine Informationen über Zinszahlungen aus dem Ausland bekommen.[9]

Der automatische Informationsaustausch zwischen den beteiligten EU-Staaten erfolgt auf die folgende Weise: „Die zuständige Behörde des Mitgliedstaats der in die Zinszahlung eingeschalteten ‚Zahlstelle’ informiert die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, in dem der ‚wirtschaftliche Eigentümer’ der Zinsen (d.h. die Person, der die Zinsen zustehen) ansässig (wohnhaft) ist. Die Auskünfte müssen sich auf sämtliche während eines Steuerjahres erfolgten Zinszahlungen erstrecken. Sie sind mindestens einmal jährlich automatisch zu erteilen, und zwar binnen sechs Monaten nach dem Ende des Steuerjahres des Mitgliedstaats, in dem die Zahlstelle niedergelassen ist.“[10] Die Zahlstelle ist in den meisten Fällen ein Kreditinstitut, z.B. die Bank des Kapitalanlegers.

Das System der Quellensteuer in Belgien, Luxemburg und Österreich vollzieht sich wie folgt: Wenn z.B. ein Anleger aus Deutschland in Belgien ein Sparbuch besitzt, dann zieht die belgische Bank die fällige EU-Quellensteuer ein, während keinerlei Informationen an Deutschland gesendet werden.[11] 75 Prozent der einbehaltenen Quellensteuer fließen in das Heimatland der Anleger, die restlichen 25 Prozent verbleiben in dem Land, welches die Quellensteuer erhebt, um die anfallenden Aufwandskosten zu decken.[12]

Bei Zinszahlungen an EU-Bürger in der Schweiz gilt die identische Höhe des Quellensteuersatzes wie in Belgien, Luxemburg und Österreich, nur es wird von einem so genannten Steuerrückbehalt gesprochen anstatt von einer Quellensteuer. Der Anleger kann hier seine Zustimmung geben, dass seine Daten an die zuständige Steuerbehörde gemeldet werden (freiwilliger Informationsaustausch) anstatt der Zahlung des Steuerrückbehalts.[13]

Hauptunterschied zwischen dem Vertrag mit der Schweiz und der Sonderregelung mit Belgien, Luxemburg und Österreich ist die Informationsweiterleitung in die „andere Richtung“, d.h. wenn ein Anleger aus der Schweiz Zinszahlungen über ein Konto einer deutschen Bank erhält, so meldet diese keinerlei Informationen darüber in die Schweiz. Im Gegensatz hierzu erfolgt eine solche Meldung einer deutschen Bank an das Heimatland des Sparers im Falle eines belgischen, luxemburgerischen oder österreichischen Anlegers.[14]

2.3. Umsetzung der EU-Richtlinie in nationales Recht (Bsp. Deutschland)

Wie von allen EU-Mitgliedsstaaten verlangt, setzte die Bundesregierung Deutschlands am 26.01.2004 die EU-Zinsrichtlinie in nationales Recht um. Die so genannte Zinsinformationsverordnung (im Folgenden kurz „ZIV“ genannt) stimmt in weiten Teilen mit der EU-Richtlinie überein und besitzt nur einige nationale Besonderheiten.[15] In zwei Fällen greift die ZIV für einen Kapitalanleger:

- „Der Anleger ist in einem anderen Mitgliedsstaat als Deutschland ansässig und tätigt eine Geldanlage in Deutschland: Die ZIV regelt die Übermittlung der Daten über die Zinszahlung an den Wohnsitzstaat des Anlegers.
- Der Anleger ist in Deutschland ansässig und tätigt eine Geldanlage in einem Land mit Quellensteuereinbehalt: Die ZIV regelt die Verfahren zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Anrechnung der EU-Quellensteuer.“[16]

Wenn ein in Deutschland ansässiger Anleger Kapital in einem anderen EU-Mitgliedsstaat anlegt, dann wird die Auskunftserteilung dieses Staates an Deutschland über dessen nationale Umsetzung der EU-Zinsrichtlinie geregelt.[17]

Das Meldeverfahren der ZIV vollzieht sich nach folgendem System:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Das Meldeverfahren der ZIV[18]

Die andere Möglichkeit ist die Erhebung einer Quellensteuer bei gleichzeitigem Übermitteln von Informationen aus Deutschland, wie sie in den Ländern Belgien, Luxemburg, Österreich und vier relativ unbedeutenden Steueroasen praktiziert wird (Quellensteuerländer 1). Länder die eine Quellensteuer erheben, aber keine Daten aus Deutschland erhalten, sind die Schweiz, San Marino, Andorra, Liechtenstein, Monaco und zwei kleine Karibikstaaten (Quellensteuerländer 2).[19]

Wenn nun ein Anleger aus Deutschland eine Kapitalanlage in einem Land mit Quellensteuer besitzt, kommt folgendes Verfahren der ZIV zum Tragen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Das Quellensteuerverfahren[20]

Es besteht auch die Möglichkeit ohne Anrechnung der Quellensteuer, falls der Anleger sich für die Ermächtigungsmethode (freiwillige Auskunft an die deutschen Finanzbehörden) oder die Freistellungsmethode (Freistellungsbescheinigung an das ausländische Kreditinstitut) entscheidet. In den meisten Quellensteuerländern sind beide Methoden möglich, in einigen Wenigen nur eine der beiden.[21]

2.4. Probleme, Lücken und Kritik an der EU-Zinsrichtlinie

Nachdem die Erarbeitung der EU-Zinsrichtlinie so viele Jahre in Anspruch genommen hat, möchte man meinen auf ein perfekt durchdachtes und lückenloses Gesetz zugreifen zu können. Dieser Erwartung wird die Richtlinie aber bei Weitem nicht gerecht. So formulierte der Redakteur Jan Keuchel (Recht & Steuern Handelsblatt) am 29.06.2005 sehr treffend: „Europäisches ist nicht selten ein verdorbener Brei, den zu viele Köche angerührt haben. Um eine gemeinsame Mahlzeit zustand zu bekommen, darf jeder Mitgliedsstaat seinen Senf dazugeben – bis am Ende etwas herauskommt, dass allenfalls nur wenigen schmeckt. Bestes Beispiel ist die EG-Zinsrichtlinie, die nun am 1. Juli in Kraft tritt.“[22]

[...]


[1] Vgl. Internetquelle [1] Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Kapitalflucht

[2] Vgl. Merten (2002),

[3] Vgl. IFSt-Schrift Nr. 418 (2004), S. 5 ff.

[4] Vgl. Götzenberger (2002), S. 25 ff.; IFSt-Schrift Nr. 418 (2004), S. 5 ff.; Merten (2002), S. 21 ff.; Schmid (2006), S. 16 ff.

[5] Vgl. IFSt-Schrift Nr. 418 (2004), S. 6 ff.

[6] Vgl. IFSt-Schrift Nr. 418 (2004),

[7] Vgl. Schmid (2006),

[8] Vgl. IFSt-Schrift Nr. 418 (2004),

[9] Vgl. Schmid (2006),

[10] IFSt-Schrift Nr. 418 (2204),

[11] Vgl. Schmid (2006),

[12] Vgl. Internetquelle [2] The European Union On-Line: http://europa.eu/scadplus/leg/de/lvb/131050.htm

[13] Vgl. Neue Zürcher Zeitung (04.06.2003) Nr. 127,

[14] Vgl. Schmid (2006), S. 102 ff.

[15] Vgl. Schmid (2006),

[16] Schmid (2006),

[17] Vgl. Schmid (2006),

[18] Schmid (2006),

[19] Vgl. Schmid (2006), S. 23 f.

[20] Schmid (2006),

[21] Vgl. Schmid (2006), S. 22 ff.

[22] Handelsblatt (29.06.2005) Nr. 123,

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Kapitalflucht und Zinsbesteuerung nach der RiL zur Besteuerung grenzüberschreitender Zinszahlungen an Privatanleger (RiL 2003/48/EG)
Hochschule
Universität Augsburg
Veranstaltung
Hauptseminar zur Finanz- und Bankwirtschaft
Note
1,7
Autor
Jahr
2007
Seiten
21
Katalognummer
V92573
ISBN (eBook)
9783638054553
ISBN (Buch)
9783638946414
Dateigröße
462 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kapitalflucht, Zinsbesteuerung, Besteuerung, Zinszahlungen, Privatanleger, Hauptseminar, Finanz-, Bankwirtschaft, Zinsrichtlinie, Steuerhinterziehung, Zinsbetrug, Steueroasen, EU, Finanzwirtschaft, Zinsabschlagsteuer, Zinsabschlagssteuer, Steueroase
Arbeit zitieren
Julian Schüppert (Autor:in), 2007, Kapitalflucht und Zinsbesteuerung nach der RiL zur Besteuerung grenzüberschreitender Zinszahlungen an Privatanleger (RiL 2003/48/EG), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92573

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