Der geschäftsprozessorientierte Prüfungsansatz - eine kritische Würdigung


Seminararbeit, 2005

23 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Problemstellung

2 Entwicklung der Abschlussprüfung
2.1 Risikoorientierte Prüfung und deren Schwächen
2.2 Weiterentwicklung zur geschäftsprozessorientierten Prüfung

3 Diskussionspunkte
3.1 Prüfung von Geschäftsprozessen
3.2 Prüfung der Existenz von Kontrollen und deren Eignung
3.3 Effizienzsteigerung der Prüfung
3.4 Neue Anforderungen an den Berufsstand der Wirtschaftsprüfer

4 Fazit

5 Thesenförmige Zusammenfassung

Anhang

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Problemstellung

Die Abschlussprüfung unterliegt gegenwärtig einem starken Wandel, der auf unterschiedliche Einflüsse zurückzuführen ist. Neben dem technologischen Fortschritt, Kapitalmarktorientierung und gestiegenen Wettbewerb ist eine verbreitete Prozessorientierung bei den zu prüfenden Unternehmen zu registrieren.[1] Auch die steigenden Erwartungen der Mandanten bzw. Adressaten, ein verstärkter Wettbewerb auf dem Prüfungsmarkt sowie neue rechtliche Rahmenbedingungen[2] tragen zu einer solchen Entwicklung bei. Auf Deutschland bezogen, brachte das im Mai 1999 in Kraft getretene Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) Neuregelungen mit sich, die nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Erwartungslücke entstanden sind[3]. Dabei soll vor allem eine stärkere Problemorientierung der Abschlussprüfung erzielt werden.[4] Insbesondere die neue Regelung zur Prüfung des durch den Vorstand eingerichteten Überwachungssystems i.S.d. §91 Abs.2 AktG bringt einschneidende Veränderungen mit sich. Die Prüfung des Überwachungssystems nach §317 Abs.4 HGB geht über die Prüfung des primär auf das Rechnungswesen ausgerichteten Internen Kontrollsystems hinaus und betrifft jeden Bereich des unternehmerischen Prozesses.[5] Vor diesem Hindergrund wurde der traditionelle risikoorientierte Prüfungsansatz weiterentwickelt. Insofern ist das Ziel dieser Arbeit den fortentwickelten geschäftsprozessorientierten Ansatz darzustellen und zu untersuchen, ob dieser die Schwächen des risikoorientierten Ansatzes ausgleicht und somit den veränderten Rahmenbedingungen und den erhöhten Anforderungen des KonTraG gerecht wird.

2 Entwicklung der Abschlussprüfung

2.1 Risikoorientierte Prüfung und deren Schwächen

Im Zeitablauf hat sich die Abschlussprüfung von einer lückenlosen bis hin zur risikoorientierten Prüfung entwickelt. Die Unmöglichkeit einer Vollprüfung führte zu einer Beschäftigung mit dem internen Kontrollsystem (IKS).[6] Dahinter stand die Überlegung, dass der Prüfungsumfang erheblich reduziert werden kann, sofern ein funktionsfähiges, wirksames IKS besteht.[7] Eine Weiterentwicklung des Prüfungsansatzes lag dann in dem Übergang zu einer tätigkeitsorientierten Prüfung (transaction flow auditing). Sofern im Unternehmen Kontrollen eingebaut sind, die die vollständige und korrekte Erfassung der rechnungslegungsrelevanten Informationen in den einzelnen Tätigkeitszyklen wie z.B. im Absatz- und Produktionsbereich sicherstellen, kann der Abschlussprüfer die ergebnisorientierten Prüfungshandlungen verringern, ohne die Prüfungsqualität zu reduzieren.[8]

Die geforderte Mindestwahrscheinlichkeit, dass der Jahresabschluss (JA) keinen wesentlichen Fehler enthält, führte zur Integration von statistischen Ansätzen.[9] Das Prüfungsrisiko, das als die Wahrscheinlichkeit definiert ist, dass der Abschlussprüfer den Bestätigungsvermerk uneingeschränkt erteilt, obwohl der durch ihn geprüfte Jahresabschluss wesentliche Fehler[10] beinhaltet, setzt sich dabei aus dem Fehlerrisiko (inhärentes und Kontrollrisiko) und dem Entdeckungsrisiko multiplikativ zusammen. Aufgrund einer Beurteilung des Fehlerrisikos kann der Wirtschaftsprüfer seine weitere Vorgehensweise im Rahmen der Abschlussprüfung bestimmen.

Die Grenzen des risikoorientierten Prüfungsansatzes sind in der Vergangenheit mehrfach diskutiert worden. Die weitgehende Formalisierung und die damit verbundene Zurückdrängung des prüferischen Ermessens sind die wesentlichen Kritikpunkte an diesem Ansatz.[11] Im Folgenden sollen weitere Grenzen eher qualitativer Art gezeigt werden.

Beim risikoorientierten Ansatz orientiert sich der Abschlussprüfer zwar objektiv am Prüfungsrisiko, subjektiv werden aber die Interessen des Mandanten nicht hinreichend berücksichtigt.[12] Die Erwartungen der Mandanten sind mittlerweile über eine reine Testatfunktion hinausgestiegen.[13] Er möchte einen zusätzlichen Nutzen aus der Abschlussprüfung ziehen. Dies erfordert, dass der Abschlussprüfer über die erkannten Risiken hinaus Prüfungsschwerpunkte in den Bereichen festlegt, die aufgrund des Informationsinteresses des Mandanten von Bedeutung sind.[14]

Des weiteren verleitet die Anwendung des risikoorientierten Prüfungsansatzes zu einer hauptsächlich vergangenheitsorientierten Jahresabschlussprüfung[15], da im wesentlichen die GoB-konforme Abbildung einer abgelaufenen Leistungsperiode im Rechnungswesen geprüft und testiert wird[16]. Dadurch kann der Abschlussprüfer den Anforderungen des durch KonTraG verabschiedeten §317 Abs.2 Satz2 HGB, zur Beurteilung der im Lagebericht dargestellten Risiken der künftigen Entwicklung, nicht ausreichend nachkommen. Dies ist unter anderem eine Ursache für die Erwartungslücke, da in der Regel ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk von der Öffentlichkeit mit dem positiven Votum der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens und nicht mit der vom Gesetz geforderten sachgerechten Abbildung im JA verknüpft wird.[17]

Das Risikomodell impliziert nicht zuletzt eine jahresabschlusspostenbezogene Risikobeurteilung[18] und damit eine Reduktion auf einen „Rechnungswesen- und Prüfungsblickwinkel[19]. Das Risiko einer wesentlichen Fehlaussage wird an unterschiedlichen Merkmalen im Rechnungswesen festgemacht.[20] Der Jahresabschluss wird als Summe der einzelnen JA-Posten verstanden (bottom-up approach).[21] Solch eine Vorgehensweise wird der Struktur des Unternehmens nicht in vollem Umfang gerecht und die im §317 Abs.4 HGB geforderte ganzheitliche Sicht der Überwachungssysteme des Mandanten wird dadurch erschwert.[22]

Und letztlich erfordern die Auswirkungen der Technologisierung und Automatisierung eine Neuorientierung hinsichtlich der Prüfungsschwerpunkte im Rahmen der Abschlussprüfung.[23]

2.2 Weiterentwicklung zur geschäftsprozessorientierten Prüfung

Um die oben angesprochenen Probleme zu lösen, wurde die risikoorientierte Prüfung weiterentwickelt, indem das gesamte Überwachungssystem des Mandanten in die Abschlussprüfung besser einbezogen wird.[24] Im Folgenden soll ein prozessorientiertes Unternehmen und dessen Prüfung dargestellt werden.

Die Unternehmen weisen zunehmend eine geschäftsprozessorientierte Organisation auf, die meistens durch den Einsatz von betrieblichen Informationssystemen unterstützt und abgebildet wird.[25] Der Paradigmenwechsel von der klassischen nach betrieblichen Funktionen gegliederten Organisationsstruktur hin zur prozessorientierten Organisation ist nicht zuletzt durch den gestiegenen Wettbewerb bedingt. Durch Prozessorganisation werden Synergieeffekte zwischen den Funktionen eines ganzheitlichen Ablaufs erreicht.[26] Die Unterschiede zwischen den beiden Organisationstypen werden in Abb. 1und Abb. 2 (Anhang 1) verdeutlicht.

Dieser Sichtweise des Mandanten folgt auch die Vorgehensweise bei der Abschlussprüfung. Während in der Vergangenheit eine Trennung einzelner Tätigkeitszyklen erfolgte, steht bei der Prozessorientierung der Zusammenhang der verschiedenen Zyklen im Vordergrund.[27] Ausgangspunkt der prozessorientierten Prüfung sind nun nicht mehr die Posten des JA, sondern die Geschäftsprozesse des Unternehmens, die sich letztlich im JA widerspiegeln.[28] Damit findet eine Veränderung der Abschlussprüfung von der Posten- hin zur Prozessprüfung statt. Das Unternehmen wird nicht mehr als black box behandelt, sondern als System von betrieblichen Abläufen (Abb. im Anhang 2).[29] Entsprechend verlagern sich die Prüfungsobjekte von der Ergebnisprüfung hin zu Systemprüfungen, die sich auf die Analyse der Geschäftsprozesse selbst und deren Interdependenzen beziehen.[30]

In Rahmen der Prüfungsplanung hat der Abschlussprüfer festzustellen auf welche Posten des JA einzelne Geschäftsprozesse eine Auswirkung haben.[31] Der Begriff „Geschäftsprozess“ wird definiert als „eine Folge von logisch miteinander verknüpften Tätigkeiten (…), die Inputs zu anforderungsgerechten Outputs (…) transformieren“[32]. So reichen die Geschäftsprozesse z.B. von der Bestellung bis hin zum Zahlungseingang.[33] Es handelt sich zum einen um betriebliche Prozesse, die unmittelbar auf die Wertschöpfungskette des Unternehmens ausgerichtet sind, sog. Kernprozesse, zum anderen um solche, die darauf ausgerichtet sind, die erforderliche Infrastruktur zur Erreichung der Unternehmensziele zur Verfügung zu stellen, sog. Unterstützungsprozesse.[34] Die wesentlichen Unterstützungsprozesse sind Rechnungswesen- und IT-Prozesse.[35]

Der Abschlussprüfer muss feststellen welche Risiken auf den Prozessebenen bestehen und inwieweit die vorhandenen Kontrollmaßnahmen dazu geeignet sind diese Risiken zu reduzieren[36]. Um Risiken zu erkennen muss sich der Abschlussprüfer intensiv mit der Geschäftstätigkeit des Mandanten, seinen Zielen und Strategien sowie den daraus ableitbaren Geschäftsrisiken auseinandersetzen. Die Geschäftsrisiken sind insoweit von Bedeutung, als diese Interdependenzen zum Prüfungsrisiko aufweisen.[37] Auch die zutreffende Abbildung von Geschäftsrisiken in JA und Lagebericht ist für die Erteilung des Bestätigungsvermerktes von Bedeutung.[38] Der Zusammenhang zwischen den Unternehmenszielen, Prozessen, Geschäftsrisiken und dem Prüfungsrisiko wird in der Abb. 4 (Anhang 2) verdeutlicht.

Die Prüfung der Kontrollen, deren Funktionsfähigkeit ganzjährlich gewährleistet werden muss, erfolgt dann in Form einer Systemprüfung.[39] In Abhängigkeit der Wirksamkeit der in die Geschäftsprozesse eingebauten Kontrollen kann die Festlegung von Prüfungsschwerpunkten und die Risikoeinschätzung, die unter anderem das Niveau der verbleibenden Prüfungshandlungen determiniert[40], bestimmt werden.

Anknüpfend sollen ausgewählte Einzelpunkte bei der Umsetzung bzw. Anwendung des geschäftsprozessorientierten Prüfungsansatzes diskutiert werden.

3 Diskussionspunkte

3.1 Prüfung von Geschäftsprozessen

Bei der Prüfung von Geschäftsprozessen ist zunächst festzustellen, ob die Abbildung der Prozesse der realen Abwicklung im Unternehmen entspricht. Denn jede Inkonsistenz hat schwerwiegende Konsequenzen sowohl für das Unternehmen selbst als auch für den Abschlussprüfer im Hinblick auf den zu prüfenden JA und Lagebericht.[41] Da die Abbildung der Geschäftsprozesse meistens durch den Einsatz von betrieblichen Informationssystemen erfolgt, hat der Abschlussprüfer die IT-Prozesse des Mandanten zu untersuchen. Die Prüfung der IT-Prozesse ist von besonderer Bedeutung, da diese eine immer wichtigere Unterstützungsfunktion für alle übrigen Geschäftsprozesse und somit für den Fortbestand der Unternehmung haben.[42] Dadurch ergeben sich neue Anforderungen für den Abschlussprüfer, auf die im Kapitel 3.4 näher eingegangen wird.

Weiterhin muss der Abschlussprüfer untersuchen, ob die durch das Unternehmen eingerichteten Geschäftsprozesse der Zielvorstellung des Managements entsprechen. Nur wenn die Prozesse geeignet sind die verfolgten Strategien des Unternehmens umzusetzen, können sie die beabsichtigte risikomindernde Wirkung für Geschäftsrisiken und somit für das Prüfungsrisiko entfalten.[43] Vor allem müssen die Unterstützungsprozesse darauf ausgerichtet sein, der Erreichung der Unternehmensziele zu dienen.[44] Bei der Analyse der Geschäftsprozesse ist zu beachten, dass diese niemals isoliert betrachtet werden dürfen, sondern nur gemeinsam mit weiteren Kern- und Unterstützungsprozessen, um die Interdependenzen zwischen ihnen berücksichtigen zu können.[45]

Obwohl der Prüfungsumfang durch das KonTraG erheblich erweitert wurde, so dass die Prüfung sich nicht mehr nur auf den ordnungsorientierten Teil des Systems, sondern auf das gesamte Überwachungssystem bezieht[46], ist die Abschlussprüfung weiterhin eine Gesetz- und Ordnungsmäßigkeitsprüfung[47]. So hat der Abschlussprüfer festzustellen, ob die planmäßige Abwicklung von Geschäftsprozessen und die daraus resultierenden Geschäftsvorfälle im Rechnungswesen den gesetzlichen Vorschriften entsprechen. Hier sind vor allem die Rechnungswesenprozesse und in ihnen eingebaute Kontrollen auf die Wirksamkeit und Fehleranfälligkeit genauer hin zu untersuchen. Der Abschlussprüfer muss zu einem Urteil gelangen, ob alle Transaktionen vollständig sowie der Sache und der Höhe nach richtig im Rechnungswesen abgebildet werden.[48]

Ein Prüfungsansatz, der an den Prozessen des Mandanten ausgerichtet ist, kommt dem Verlangen des Mandanten nach einem Zusatznutzen entgegen. Da der Abschlussprüfer sich intensiv mit den Geschäftsprozessen des Mandanten befasst, kann es ihm gelingen, dem zu prüfenden Unternehmen einen Mehrwert (added value) zu erbringen, indem er ihm seine Geschäfts- und Kontrollrisiken auf den Prozessebenen sowie erkannten Unstimmigkeiten zwischen Zielen/Strategien und Prozessen oder mangelhafte Abbildung aufzeigt und Verbesserungsvorschläge unterbreitet.[49] Die konsequente Umsetzung des geschäftsprozessorientierten Ansatzes eröffnet dem Abschlussprüfer ein großes Beratungspotenzial.[50] Dem Prüfer kann es unter anderem auf diese Weise gelingen sich so gegenüber seinen Wettbewerbern zu positionieren.[51] Allerdings muss an dieser Stelle die Frage der Vereinbarkeit von Prüfung und prüfungsnaher Beratung genauer betrachtet werden. Ebenfalls kann die Berücksichtigung der Mandantenerwartungen zu mehr Prüfungssicherheit führen. So kann das Management im Rahmen der Gespräche im Vorfeld einer Prüfung auf Schwachstellen im System hinweisen, die es selbst gesondert untersucht sehen möchte.[52]

Abschließend stellt sich die Frage, ob sich ein solcher Prüfungsansatz bei weniger gut organisierten Unternehmen durchführen lässt. Eine Identifikation von Prozessen setzt einen hohen Organisationsgrad voraus. Jedoch mangelt es gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen häufig an entsprechend ausgebauten IKS und Überwachungs- und Berichtssystemen. In diesem Umfeld lassen sich Systemprüfungen nur im geringen Umfang einsetzen, so dass der Prüfer weiterhin verstärkt Einzelfallprüfungen durchführen muss, um die geforderte Prüfungssicherheit zu erlangen.[53]

3.2 Prüfung der Existenz von Kontrollen und deren Eignung

Der Abschlussprüfer hat festzustellen, ob die durch die Unternehmung eingerichteten Kontrollen innerhalb der Geschäftsprozesse für die Zwecke der Abschlussprüfung ausreichend sind.[54]

Zunächst muss der Abschlussprüfer die verfolgten Kontrollziele des Unternehmens feststellen. Die Kontrollziele lassen sich mit unterschiedlichen Kontrollmaßnahmen, d.h. Richtlinien und Verfahren erreichen Für eine effiziente Abschlussprüfung sind die Maßnahmen möglichst weit oben in der Unternehmenshierarchie auszuwählen und im Hinblick auf deren Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit zu untersuchen. Dieses Verfahren entspricht einem Top-down-Ansatz.[55] Falls festgestellt wird, dass die Kontrollziele durch die verschiedenen Maßnahmen nicht vollständig erreicht werden, ist eine kontrollorientierte Verfahrensweise in Rahmen der Abschlussprüfung nicht sinnvoll. Dadurch entsteht unter anderem ein Beratungsbedarf für den Mandanten.[56]

Mit Hilfe der Kontrollziele lässt sich das betriebliche Soll-Objekt definieren[57], so dass der Abschlussprüfer eine vorläufige Systembeurteilung durch einen Soll-Soll-Vergleich vornehmen kann. Kritisch ist anzumerken, dass die Soll-Vorstellung für das interne Überwachungssystem durch den Gesetzgeber nicht geregelt ist.[58] Jedoch können die einschlägigen Prüfungsstandards (z.B. IDW EPS340[59]) zur Hilfestellung herangezogen werden. Im weiteren Schritt hat der Abschlussprüfer die Funktionsprüfung, einen sog. Soll-Ist-Vergleich durchzuführen. Hier muss er die Angaben des Mandanten durch Befragung, Beobachtung und Einsichtnahme in die Dokumentation überprüfen (Transformationsprüfung) und die Effektivität und Funktionsfähigkeit der Kontrollen beurteilen (Funktionsfähigkeitsprüfung) (Abb. 5 im Anhang 3).[60] In Abhängigkeit der Wirksamkeit der in die Geschäftsprozesse eingebauten Kontrollen erfolgt die abschließende Systembeurteilung.

Der geschäftsprozessorientierte Ansatz erlaubt dem Abschlussprüfer ein stärker zukunftsorientiertes Urteil abzugeben und damit einen wesentlichen Beitrag zur Erfüllung der Erwartungen der Adressaten an die Abschlussprüfung zu leisten.[61] Durch die Analyse von Geschäftsprozessen und deren Kontrolle kann der Abschlussprüfer eine Aussage darüber treffen, ob diese auch über den Abschlusstag hinaus wirksam zur Reduktion von Geschäftsrisiken beitragen können. Dies ermöglicht dem Abschlussprüfer auch eine bessere Beurteilung der going concern -Annahme.[62] Weiterhin ist er in der Lage die im Lagebericht dargestellten künftigen Risiken zu beurteilen und auf diese im Bestätigungsvermerk einzugehen. Kritisch dabei ist, dass die Öffentlichkeit eine solche Prüfung der künftigen Risiken mit einer Prognoseentscheidung des Wirtschaftsprüfers verbinden könnte. Dabei wird aber im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung die Realitätsnähe und Widerspruchfreiheit der zugrunde gelegten Annahmen des Mandanten untersucht. Durch solch eine unreflektierte Betrachtung entsteht die Gefahr, dass die Erwartungslücke anstatt vermindert, sogar noch vergrößert wird.[63] Auch eine einseitige Berichterstattung des Abschlussprüfers über die Risiken ist kritisch zu betrachten, da diese eine negative Signalwirkung für die Stakeholder auslösen und somit zu einer self fulfilling prophecy führen kann.[64]

3.3 Effizienzsteigerung der Prüfung

Sowie ein verstärkter Wettbewerb auf dem Prüfungsmarkt als auch mit Gesellschaften anderer Branchen (z.B. Rechtsanwälte, Unternehmensberater) führt zu einem erheblichen Kosten- und Effizienzdruck, wobei insbesondere die für die Prüfungs­handlungen zur Verfügung stehende Zeit immer mehr zum kritischen Erfolgsfaktor wird. Dies ist zum einen dadurch bedingt, dass die Mehrzahl der Unternehmen einen identischen Abschlussstichtag aufweist, zum anderen ist das Management an frühzeitigen Terminen für Bilanzpressekonferenzen und Hauptversammlung interessiert.[65]

Der geschäftsprozessorientierte Prüfungsansatz kommt der Forderung, in immer kürzerer Zeit ein JA zu testieren, entgegen. Die Prüfung von Geschäftsprozessen und ihrer Kontrollen ist nicht mehr auf die Zeit nach dem Bilanzstichtag fixiert, sondern kann grundsätzlich zu jeder Zeit des Jahres durchgeführt werden. Somit wird die Abschlussprüfung zu einem ganzjährlichen ongoing process.[66] Solch eine Vorgehensweise ist nicht zuletzt mit einer Effizienzsteigerung der Abschlussprüfung verbunden.

Ferner hat die rasante Fortentwicklung der Informationstechnologie einschneidende Veränderungen für die Geschäftsprozesse innerhalb der zu prüfenden Untenehmen mit sich gebracht, so dass die Zuverlässigkeit bei der Bearbeitung von Routinetransaktionen im Rechnungswesen wesentlich erhöht wird. Damit findet eine Verschiebung der Prüfungsschwerpunkte von einer großen Anzahl von Routinetransaktionen hin zu außergewöhnlichen und/oder ermessensbehafteten Geschäftsvorfällen statt.[67] Auch die originäre Tätigkeit des Abschlussprüfers ist von dem Fortschritt im IT-Bereich betroffen. Durch den verstärkten IT-Einsatz im Rahmen der Abschlussprüfung können die zeitaufwendigen Arbeitsschritte reduziert werden, oder sogar entfallen. Die sinnvolle Anwendung von IT ist daher mit der Möglichkeit der Effizienzsteigerung verbunden. Die so gewonnene Zeit steht somit für Tätigkeiten zur Verfügung, die unter Risikogesichtspunkten und unter dem Aspekt einer verbesserten Dienstleistungsqualität von größerer Bedeutung sind.[68] Allerdings darf nicht übersehen werden, dass der IT-Einsatz nicht nur Erleichterungen und Einsparpotential, sondern auch neue Unternehmensrisiken mit sich bringt, die ebenfalls für die Abschlussprüfung von Bedeutung sind.[69]

[...]


[1] Vgl. Wiedmann, Harald (1998): Ansätze zur Fortentwicklung der Abschlussprüfung, in: WPg, 1998, S. 338-350, hier S. 339f.

[2] Vgl. Wiedmann, Harald (1998), a.a.O., S. 340f.

[3] Vgl. Deutscher Bundestag (Hrsg.): Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich, BT-Drucks. 13/9712 (1998), S. 11. Online im Internet: URL: http://www.landtag.nrw.de/WWW/Webmaster/GB_I/I.4/Dokumentenarchiv/­dokument.php?quelle=alle&action=anzeigen&wm=1&Id=BAD13/9712 [Stand 27.11.2004].

[4] Vgl. Ebd., S. 26.

[5] Vgl. Schindler Joachim/ Rabenhorst Dirk: Auswirkungen des KonTraG auf die Abschlussprüfung, in: BB, 1998, S. 1886-1893 und 1939-1944, hier S. 1891f.

[6] Vgl. Wiedmann, Harald (1999): Neue Prüfungsansätze vor dem Hintergrund des KonTraG, in: Baetge, Jörg (Hrsg.): Auswirkungen des KonTraG auf Rechnungslegung und Prüfung, Düsseldorf 1999, S. 71-114, hier S. 85f.

[7] Vgl. Wiedmann, Harald (1981): Die Prüfung des internen Kontrollsystems, in: WPg, 1981, S.705-711, hier S. 706.

[8] Vgl. Orth, Christian: Abschlussprüfung und Corporate Governance, Wiesbaden 2000, S. 301.

[9] Vgl. Wiedmann, Harald (1998): a.a.O., S. 343.

[10] Angesprochen ist das sog. b-Risiko; dagegen kennzeichnet das a-Risiko das Risiko der Zurückweisung des Jahresabschlusses, obwohl dieser keine wesentlichen Fehler enthält.

[11] Vgl. Wiedmann, Harald (1998): a.a.O., S. 343.

[12] Vgl. Orth, Thomas M.: Überlegungen zu einem prozessorientierten Prüfungsansatz, in: WPg, 1999, S. 573-585, hier S. 575.

[13] Vgl. Wiedmann, Harald (1998): a.a.O., S. 342.

[14] Vgl. Orth, Thomas M.: a.a.O., S. 575.

[15] Vgl. Ebd., S. 575.

[16] Vgl. Wiedmann, Harald (1998): a.a.O., S. 340.

[17] Vgl. Dörner, Dietrich (1998b): Von der Wirtschaftprüfung zur Unternehmensberatung, in: WPg, 1998, S. 302–318, hier S.303.

[18] Vgl. Dörner, Dietrich (2002): Prüfungsansatz, risikoorientierter, in: Ballwieser, Wolfgang u.a. (Hrsg.): HWRP, 3 Aufl., Stuttgart 2002, Sp. 1744–1762, hier Sp. 1748.

[19] Wiedmann, Harald (1998): a.a.O., S. 349.

[20] Vgl. Wiedmann, Harald (1998): a.a.O., S. 349.

[21] Vgl. Wiedmann, Harald (2000): Abschlussprüfung zwischen Ordnungsmäßigkeitsprüfung und betriebswirtschaftlicher Überwachung, in: Bilanzierung und Besteuerung der Unternehmen. Das Handels- und Steuerrecht auf dem Weg ins 21. Jahrhundert. Festschrift für Herbert Brögner zum 70.Geburtstag, hrsg. v. Poll, Jens, Stuttgart 2000, S. 443-464, hier S. 451.

[22] Vgl. Orth, Thomas M.: a.a.O., S. 575f.

[23] Vgl. Wiedmann, Harald (1999): a.a.O., S. 87.

[24] Vgl. Orth, Thomas M.: a.a.O., S. 576.

[25] Vgl. Berenz, Bernd/Voit, Franz: Die Geschäftsprozessorientierung in der Abschlussprüfung, in: WPg, 2003, S. 1233-1243, hier S. 1233.

[26] Vgl. Scheer, August-Wilhelm: ARIS – Modellierungsmethoden, Metamodelle, Anwendungen, 4. Aufl., Berlin u. a. 2001, S. 7.

[27] Vgl. Wiedmann, Harald (1999): a.a.O., S. 100, auch Wiedamann, Harald (1998), a.a.O., S. 347.

[28] Vgl. Orth, Thomas M.: a.a.O., S. 577.

[29] Vgl. Philipp, Mathias: Proaktive Prüfung von Geschäftsprozessen, Hamburg 2000, S. 98.

[30] Vgl. Marten, Kai-Uwe u.a.: Wirtschaftsprüfung - Grundlagen des betriebswirtschaftlichen Prüfungswesens nach nationalen und internationalen Normen, 2. Aufl., Stuttgart 2003, S. 14.

[31] Vgl. Orth, Thomas M.: a.a.O., S. 578.

[32] Wittlage, Helmut: Moderne Organisationskonzeptionen: Grundlagen und Gestaltungsprozess, Braunschweig 1998, S. 87.

[33] Vgl. Orth, Thomas M.: a.a.O., S. 576.

[34] Vgl. Porter, Michael Eugene: Wettbewerbsvorteile: Spitzenleistungen erreichen und behaupten, Frankfurt am Main, New York 1986, S. 56f.

[35] Vgl. Dörner, Dietrich (2002): a.a.O., Sp. 1755.

[36] Vgl. Wiedmann, Harald (1998): a.a.O., S. 347.

[37] Vgl. Dörner, Dietrich (2002): a.a.O., Sp. 1750.

[38] Vgl. Wiedmann, Harald (1998): a.a.O., S. 346f.

[39] Vgl. Schindler Joachim/Rabenhorst Dirk: a.a.O., S. 1892.

[40] Vgl. Wiedmann, Harald (1998): a.a.O., S. 348.

[41] Vgl. Odenthal, Roger: KonTraG und (EDV-)Verfahrensprüfung, in: ZIR, 2000, S 251-256, hier S.252.

[42] Vgl. Dörner, Dietrich (2002): a.a.O., Sp. 1755.

[43] Vgl. Wiedmann, Harald (2000): a.a.O., S. 453f.

[44] Vgl. Porter, Michael Eugene: a.a.O., S. 56f.

[45] Vgl. Orth, Thomas M.: a.a.O., S. 580.

[46] Vgl. Lück, Wolfgang: Internes Überwachungssystem (IÜS), in: WPK-Mitt. 3/1998, S. 182-188, hier S. 187.

[47] Vgl. Dörner, Dietrich (2000): Zusammenarbeit von Aufsichtsrat und Wirtschaftsprüfer im Lichte des KonTraG, in: DB, 2000, S. 101-105, hier S.104.

[48] Vgl. Dörner, Dietrich (2002): a.a.O., Sp. 1755.

[49] Vgl. Wiedmann, Harald(1998): a.a.O., S. 348f.

[50] Vgl. Orth, Thomas M.: a.a.O., S. 583.

[51] Vgl. Dörner, Dietrich (2002): a.a.O., Sp. 1751.

[52] Vgl. Ebd., Sp. 1751.

[53] Vgl. Ruhnke, Klaus: Geschäftsrisikoorientierte Abschlussprüfung – Revolution im Prüfungswesen oder Weiterentwicklung des risikoorientierten Prüfungsansatzes? in: DB, 2002,S. 437-443, hier S.443.

[54] Vgl. Orth, Thomas M.: a.a.O., S. 580.

[55] Vgl. Ebd., S. 581.

[56] Vgl. Ebd., S. 580f.

[57] Vgl. Ebd., S. 580.

[58] Vgl. Dörner, Dietrich (1998a): Ändert das KonTraG die Anforderungen an den Abschlussprüfer, in: DB, 1998, S. 1-8, hier S. 2.

[59] IDW Hauptfachausschuss: Entwurf IDW Prüfungsstandard: Die Prüfung des Risikofrüherkennungssystems nach §317 Abs.2 HGB (IDW EPS 340), in: WPg, 1998, S. 927-931.

[60] Vgl. Orth, Thomas M.: a.a.O., S. 581f.

[61] Vgl. Dörner, Dietrich (2000): a.a.O., S. 104.

[62] Vgl. Wiedmann, Harald (2000): a.a.O., S. 456.

[63] Vgl. Dörner, Dietrich (1998b): a.a.O., S. 304.

[64] Vgl. Dörner, Dietrich: (2000): a.a.O., S. 105.

[65] Vgl. Wiedmann, Harald (1998): a.a.O., S. 342.

[66] Vgl. Dörner, Dietrich (1998b): a.a.O., S. 309.

[67] Vgl. Wiedmann, Harald (1998): a.a.O., S. 343.

[68] Vgl. Wiedmann, Harald (1999): a.a.O., S. 89f.

[69] Vgl. Ebd., S. 91.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Der geschäftsprozessorientierte Prüfungsansatz - eine kritische Würdigung
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Lehrstuhl für Rechnungslegung und Wirtschaftprüfung)
Note
1,7
Autor
Jahr
2005
Seiten
23
Katalognummer
V92568
ISBN (eBook)
9783638065016
ISBN (Buch)
9783638951821
Dateigröße
469 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Prüfungsansatz, Würdigung, geschäftsprozessorientiert, Prüfungswesen, Wirtschaftsprüfung, Prozesse, Geschäftsprozesse, Internes Kontrollsystem, IKS, risikoorientiert, Erwartungslücke, Überwachungssystem, KonTraG, Abschlussprüfung, Kontrollen, Transparenz, Verständnis der Grschäftstätigkeit, Risikofrüherkennung, risikoorientierter Prüfungsansatz, Added Value, Testatfunktion, Jahresabschlussprüfung, Kontrolle
Arbeit zitieren
Irina Üstündag-Suchanow (Autor:in), 2005, Der geschäftsprozessorientierte Prüfungsansatz - eine kritische Würdigung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92568

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