Der Stellenwert des Sprechens in ausgewählten Lehrwerken für den Englischunterricht der Berliner Grundschulen

Didaktisch-methodische Reflexionen zu einer kommunikativen Übungstypologie


Masterarbeit, 2008

91 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Bestimmung und Beschreibung des Untersuchungsgegenstandes
2.1 Das Sprechen – Begriffsklärung, Abgrenzung und theoretische Hintergründe
2.1.1 Was ist „Sprechen“?
2.1.2 Monologisches vs. dialogisches Sprechen
2.1.3 Das Primat des Gesprochenen – Zentrale Unterschiede zwischen den sprachproduktiven Fertigkeiten des Sprechens und Schreibens
2.1.4 Psycholinguistische Grundlagen des Fremdsprachenerwerbs
2.1.4.1 Zentrale Prozesse bei der mündlichen Sprachproduktion
2.1.4.2 Biologische Sprachlernvoraussetzungen für den Fremdspracherwerb
2.1.4.3 Kognitive Sprachlernvoraussetzungen für den Fremdspracherwerb
2.1.4.4 Einfluss der Erstsprache auf die zu erlernende Fremdsprache
2.2 Lehrwerke im Englischunterricht – Stellenwert und Konzeption
2.2.1 Die Dominanz der Lehrwerke im Englischunterricht
2.2.2 Die Konzeption von Englischlehrwerken

3 Durchführung der Lehrwerksanalyse
3.1 Fragestellung
3.2 Vorstellung des Lehrwerks Orange Line vom Klett Verlag
3.3 Vorstellung des Lehrwerks Portobello Road vom Diesterweg Verlag
3.4 Wissenschaftliche Methoden der Untersuchung
3.5 Kategorien für die Lehrwerksanalyse
3.6 Untersuchungsergebnisse
3.6.1 Orange Line 1 und 2
3.6.2 Portobello Road 1 und 2

4 Auswertung
4.1 Orange Line 1 und 2
4.2 Portobello Road 1 und 2

5 Total Physical Response Storytelling (TPRS) als alternative Übungstypologie zur Förderung eines kommunikativen Englischunterrichts
5.1 Storytelling
5.2 TPRS
5.3 Konzept und Intention des TPRS
5.4 Exemplarischer Ablauf und didaktisch-methodische Reflexion des TPRS

6 Fazit

Literatur

1 Einleitung

Vor dem Hintergrund der Globalisierung in unserer heutigen Informations- und Wissensgesellschaft ist die Kommunikation nicht nur im Berufsleben, sondern auch im Alltag und in den Medien zunehmend mehrsprachig geprägt. Deshalb muss es eine der zentralen Aufgaben des Schulunterrichts sein, bei den heranwachsenden Schülern1 die Entwicklung einer interkulturellen fremdsprachigen Handlungsfähigkeit zu fördern, um sie auf ein Leben in einer immer enger zusammenwachsenden Welt vorzubereiten, in der Menschen unterschiedlichster Kulturen und Nationalitäten auf engstem Raum zusammenleben (vgl. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport Berlin et al. 2006: 9f.). Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen2 des Europarats weist darauf hin, dass durch den Erwerb einer Fremdsprachenkompetenz die Kommunikation und Interaktion zwischen Menschen verschiedener Muttersprachen erleichtert wird, wodurch „gegenseitiges Verstehen und die Zusammenarbeit gefördert und Vorurteile und Diskriminierung überwunden werden können“ (Europarat 2001: 15).

Gerade auch in einer internationalen und multikulturell geprägten Weltstadt wie Berlin, die bei Touristen aus aller Welt ein immer beliebteres Reiseziel darstellt und in der Ende 2007 insgesamt 470 004 ausländische Einwohner aus über 190 Nationen melderechtlich registriert waren (vgl. Amt für Statistik Berlin Brandenburg 2007: 19), wird die Ausbildung einer interkulturellen fremdsprachlichen Handlungsfähigkeit eine immer wichtigere Voraussetzung für ein friedliches und harmonisches gesellschaftliches Zusammenleben. Aufgrund der Tatsache, dass Englisch den offiziellen Status der Weltsprache inne hat und somit als wichtigste Vermittlungssprache bzw. Kommunikationsbrücke zwischen Menschen aus unterschiedlichen Ländern und Kulturen fungiert, muss dem Englischunterricht an den Berliner Schulen besondere Bedeutung beigemessen werden.

Eines der wichtigsten und höchsten Ziele des Englischunterrichts und – mit Ausnahme von Latein - eines jeden anderen Fremdsprachenunterrichts ist zweifellos die Erlangung der kommunikativen Fertigkeiten (vgl. Borgwardt 1993: 120, Weskamp 2001: 124), denn ohne sie wäre die zielsprachliche Kommunikation in ihrer natürlichen Form nicht möglich. Je weiter sich die kommunikativen Fertigkeiten der Schüler im Englischunterricht entwickeln, um so deutlicher wird zwischen Sprachflüssigkeit (fluency) und Sprachrichtigkeit (accuracy) unterschieden, die es jeweils zu fördern gilt. Um den Forderungen nach einem kommunikativen Englischunterricht, der bereits in der Grundschule die kommunikativen Fertigkeiten der Schüler anregen und fördern soll nachzukommen, wird von Entwicklungspsychologen und Fachdidaktikern immer wieder die Bedeutung der Handlungsorientierung betont.

Während der zahlreichen Beobachtungs- und Hospitationspraktika, die ich bereits vor und auch während meines Lehramtsstudiums an diversen Berliner Grundschulen absolviert habe, musste ich zu meinem Erstaunen immer wieder feststellen, dass der an den Schulen praktizierte „kommunikative“ Englischunterricht nicht nur in den dritten und vierten, sondern auch in den fünften und sechsten Klassen fast ausschließlich frontal ausgerichtet ist und hauptsächlich auf das imitative „Input-Output-Prinzip“ (Bleyhl 2000: 15) zurückgreift. Dies bedeutet in der Konsequenz, dass sprachliche Strukturen und Wendungen durch den so genannten pattern drill lediglich eingeübt und reproduziert werden. Eine handlungsorientierte Sprachproduktion bzw. das selbstständige Formulieren vollständiger und zusammenhängender Sätze wird dabei jedoch nicht gefördert. Häufig konnte ich beobachten, dass Fünft- und auch Sechstklässler auf Fragen der Lehrer lediglich mit einzelnen Wörtern oder Satzfragmenten antworteten. Der Aufforderung der Lehrer, in ganzen Sätzen zu antworten, konnten die Schüler meistens nur entgegen kommen, indem sie deutsch antworteten oder mit Mühe die vom Lehrer bereits vorgegebenen Antworten englisch nachsprachen. Dabei sollte es gerade beim Übergang von der vierten zur fünften Klasse, wo das Nachsprechen auswendig gelernter Sprachstrukturen noch stark dominiert, Aufgabe des weiterführenden Englischunterrichts sein, besonderen Wert auf die Ausbildung des freien bzw. des produktiven Sprechens zu legen (vgl. Schwarz 2006: 9). Für mich ergab sich aufgrund dieser - meines Erachtens nach - recht bedenklichen und durchaus beunruhigenden Beobachtungen die Frage, woran es liegen könnte, dass der in meinen bisherigen Praktika erlebte „kommunikative“ Englischunterricht nicht besonders handlungsorientiert war und auch das kreative bzw. freie Sprechen der Schüler nur äußerst selten anregen konnte, obwohl die Ausbildung der kommunikativen Fertigkeiten in der Literatur immer wieder als höchstes Ziel des Fremdsprachenunterrichts erklärt wird, und zahlreich erprobte Schülerversuche auf die Bedeutung der Handlungsorientierung für die Umsetzung dieses wichtigen Ziels verweisen. Auffällig war, dass alle Englischlehrer, die ich im Laufe meiner Schulpraktika beobachtet habe, bei der Vorbereitung und Durchführung ihres Unterrichts fast ausschließlich auf die ihnen zur Verfügung gestellten Lehrwerke zurückgegriffen haben. Als ich einige Englischlehrer gezielt auf deren Unterrichtplanung ansprach, entgegneten sie mir einstimmig, dass es in der Regel nicht nur unter vielen Englischlehrern, sondern auch unter den meisten anderen Fachlehrern der Berliner Grundschule selbstverständlich sei, sich bei der Unterrichtsgestaltung hauptsächlich an den Stoffverteilungsplänen der jeweiligen Lehrwerke zu orientieren. Aufgrund meiner Beobachtungen und der Lehreraussagen kam ich schließlich zu der Vermutung, dass die doch recht schlecht ausgeprägten kommunikativen Fertigkeiten der von mir beobachteten Schüler eventuell auf die Qualität der im Unterricht verwendeten Lehrwerke zurückgeführt werden könnte, da diese für einen kommunikativen und handlungsorientierten Englischunterricht unter Umständen nicht optimal konzipiert sind. Um diesem Sachverhalt nachzugehen und nachzuforschen, ob meine Vermutung tatsächlich gerechtfertigt und zutreffend ist, soll es das Ziel der vorliegenden Arbeit sein, den Stellenwert des Sprechens in ausgewählten Lehrwerken, die im Englischunterricht der Berliner Grundschule benutzt werden zu überprüfen. Dabei soll untersucht werden, welche unterschiedlichen Übungstypologien die Lehrwerke zur Ausbildung der kommunikativen Fertigkeiten anbieten, in welchem Umfang diese Übungstypologien jeweils vertreten sind und inwiefern diese „kommunikativen“ Übungstypologien die im Rahmenlehrplan für Englisch festgeschriebenen kommunikativen Fertigkeiten abverlangen und fördern.

2 Bestimmung und Beschreibung des Untersuchungsgegenstandes

2.1 Das Sprechen – Begriffsklärung, Abgrenzung und theoretische Hintergründe

In diesem Kapitel geht es darum, das „Sprechen“ als wichtigen Gegenstand meiner Untersuchung vorzustellen und zu beschreiben. Dabei soll zunächst deutlich gemacht werden, was man genau unter dem „Sprechen“ versteht, durch welche besonderen Merkmale es sich auszeichnet, welche Teilfertigkeiten es erfordert und welche Bedeutung die Ausbildung der kommunikativen Fertigkeiten im Rahmenlehrplan für Englisch einnimmt. Im Anschluss daran werden die zentralen Unterschiede zwischen dem monologischen und dem dialogischen Sprechen herausgearbeitet sowie das Sprechen von der ebenfalls sprachproduktiven Fertigkeit des Schreibens abgegrenzt. Weiterhin wird auf einige psycholinguistische Grundlagen und Voraussetzungen des Fremdsprachenerwerbs eingegangen, um Aufschluss darüber zu erhalten, welche Faktoren beim Fremdspracherwerb bzw. bei der Ausbildung der kommunikativen Fertigkeiten besonders berücksichtigt werden müssen.

2.1.1 Was ist „Sprechen“?

Das „Sprechen“ ist eine sprachproduktive Teilfertigkeit der Sprachkompetenz (vgl. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport Berlin et al. 2006: 12) und beschreibt den Vorgang des überwiegend auf zwischenmenschliche Interaktion ausgelegten Gebrauchs der menschlichen Stimme, wobei artikulierte Sprachlaute mit dem Ziel einer Informationsvermittlung, die in Abhängigkeit von monologischen oder dialogischen Sprechabsichten einseitig oder mehrseitig verlaufen kann, erzeugt werden. Damit eine reibungslose dialogische Kommunikation auf verbaler Ebene gewährleistet werden kann, muss bei den beteiligten Personen nicht nur ein gewisses Niveau an Sprechfertigkeit, sondern auch ein Mindestmaß an Hörverständnis vorausgesetzt werden, damit der bzw. die Gesprächspartner die Sprechabsichten des jeweiligen Sprechers verstehen und angemessen darauf reagieren kann/ können (Vollmer 1998: 237). Sicherlich gibt es auch nonverbale Kommunikationstechniken wie beispielsweise der Einsatz von Gestik und Mimik, wodurch dem Inhalt des Gesagten Nachdruck verliehen und auch das Sehverstehen des Zuhörers bzw. der Zuhörer angeregt werden soll. Doch je tiefgründiger und komplexer der Inhalt eines Gespräches oder einer Diskussion wird, desto schwieriger wird es für den bzw. die Zuhörer, den Inhalt des Gesagten bei unzureichendem Hörverstehen nur mit Hilfe von nonverbalen Kommunikationsmitteln zu verstehen. Dem Sprecher wiederum steht insbesondere beim dialogischen Sprechen nur wenig Zeit zur Verfügung, eine Aussage zu strukturieren oder ein Nachschlagewerk zu Hilfe zu ziehen, da die mündliche Sprachproduktion in der Regel spontan, ungeplant und flüchtig, aber trotzdem auch dynamisch und kontextabhängig verläuft (vgl. Hughes 2002: 10). Apeltauer betont, dass „das Sprechen einer Sprache viele Teilfertigkeiten, die untereinander in einer hierarchischen, nichtlinearen Beziehung stehen“ (Apeltauer 1997: 93), erfordert. Beispielsweise setzt die Äußerung zu einem bestimmten Thema mit einer bestimmten Absicht voraus, dass man sich „artikulieren, Worte angemessen auswählen und anordnen, Sätze kohärent aufeinander beziehen und gesellschaftliche Konventionen beachten kann“ (ebd.). Allgemein lässt sich sowohl für das monologische als auch für das dialogische Sprechen feststellen, dass vom Sprecher einer Sprache verlangt wird, dass er sich nicht nur „phonetisch, intonatorisch, grammatikalisch und lexikalisch“ korrekt ausdrückt, sondern auch die angemessene „Sprachebene“ findet und idealerweise auch landeskundliche Bedingungen berücksichtigt (Heuer 1987: 86).

Der GER unterscheidet zur erfolgreichen Umsetzung von Sprechabsichten zwischen insgesamt drei erforderlichen kommunikativen Sprachkompetenzen: den linguistischen, den soziolinguistischen und den pragmatischen Kompetenzen (vgl. Europarat 2001: 109). Da diese drei kommunikativen Sprachkompetenzen allesamt äußerst komplex sind, lassen sich die einzelnen Sprachkompetenzen wiederum in zahlreiche Teilfertigkeiten unterscheiden. Die linguistischen Kompetenzen bzw. die Kenntnis der formalen Mittel, aus denen sinnvolle Mitteilungen formuliert werden können und die Fähigkeit, diese Mittel auch zu verwenden, werden unterschieden in3:

- lexikalische Kompetenz (umfasst die Kenntnis des Vokabulars einer Sprache, das aus lexikalischen und grammatischen Elementen besteht, sowie die Fähigkeit, es zu verwenden);
- grammatische Kompetenz (Kenntnis der grammatischen Mittel einer Sprache und die Fähigkeit, diese zu verwenden);
- semantische Kompetenz (umfasst die Fähigkeit Lernender, sich der Organisation von Bedeutung bewusst zu sein und diese zu kontrollieren);
- phonologische Kompetenz (involviert Kenntnisse und Fertigkeiten der Wahrnehmung und der Produktion in Bezug auf Phoneme, die phonetische Zusammensetzung von Wörtern, Satzphonetik, phonetische Reduktion etc.).

Die soziolinguistischen Kompetenzen, die zur Bewältigung der sozialen Dimension des Sprachgebrauchs notwendig sind, umfassen:

- sprachliche Kennzeichnungen sozialer Beziehungen (Auswahl und Verwendung von Begrüßungsformeln, Verwendung und Auswahl von Anredeformen, Konventionen des Sprecherwechsels und Ausrufe und Flüche);
- Höflichkeitskonventionen („positive“ und „negative“ Höflichkeit, angemessene Verwendung von Höflichkeitsformeln, absichtlicher Verstoß gegen Höflichkeitskonventionen);
- Redewendungen, Aussprüche, Zitate und sprichwörtliche Redensarten;
- Registerunterschiede (unterschiedliche Grade der Formalität wie z.B. formelhaft, formell, neutral, informell, freundschaftlich, vertraut);
- Varietäten (Fähigkeit, sprachliche Variation aufgrund der sozialen Schicht, der regionalen Herkunft, der nationalen Herkunft, der ethnischen Zugehörigkeit und der Berufszugehörigkeit zu erkennen).

Die pragmatischen Kompetenzen, die auf konkrete sprachliche Handlungsmöglichkeiten ausgerichtet sind, umfassen die Diskurskompetenz, die funktionale Kompetenz und die Schemakompetenz. Sie betreffen das Wissen der Sprachverwendenden/ Lernenden um die Prinzipien, nach denen Mitteilungen:

- organisiert, strukturiert und arrangiert sind (Diskurskompetenz);
- verwendet werden, um kommunikative Funktionen zu erfüllen (funktionale Kompetenz);
- nach interaktionalen und transaktionalen Schemata angeordnet sind (Schemakompetenz).

Damit der Englischunterricht den komplexen Anforderungen der im GER beschriebenen kommunikativen Sprachkompetenzen nachkommen kann, benennt der Rahmenlehrplan für Englisch die gleichgewichtige Entwicklung aller kommunikativen Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie die Ausbildung interkultureller und Methodenkompetenzen als oberstes Ziel (vgl. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport Berlin et al. 2006: 10). Da sich „Sprache“ letztlich von „Sprechen“ ableitet, wird im Rahmenlehrplan für Englisch „insbesondere der Stellenwert der Mündlichkeit stärker akzentuiert“ (Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München 2008: 1) als noch vor einigen Jahren. Hughes beschreibt den Stellenwert des Sprechens im Fremdsprachenunterricht folgendermaßen:

„In the realm of second language teaching there is also apparently high attention paid to the skill of speaking: to be fluent in a language is the lay person’s goal; the source of input in highly influential ‘communicative approaches’ is largely the spoken form.” (Hughes 2002: 35)

Eine zentrale Aufgabe des Englischunterrichts besteht daher in der Förderung der Kommunikationsfähigkeiten im Hinblick auf eine sprachliche Bewältigung von „vielfältigen und motivierenden, zugleich repräsentativen und möglichst authentischen Themen und Alltagssituationen“ (Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München 2008: 1), in denen ein für Schüler persönlicher Bezug herzustellen ist und in denen persönliche Interessen der Schüler herausgestellt werden können. Zu diesem Zweck soll der Unterricht Sprechanlässe bieten und darüber hinaus den Schülern einen Dialog mit ihren Mitschülern und anderen Personen ermöglichen, in welchem sie auch selbstständig Impulse setzen können (vgl. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport Berlin et al. 2006: 20). Weskamp betont, dass insbesondere Dialoge im Fremdsprachenunterricht „nicht nur die Sprachkompetenz von Lernern“ fördern, sondern „auch zum Bewusstmachen und zur Veränderung von Sehweisen und Einstellungen“ (Weskamp 2001: 124) beitragen. Um der bei der Schaffung kommunikativer Sprechanlässe erforderlichen Authentizität und Schülerzentrierung nachzukommen, soll sich der Englischunterricht an den Prinzipien der Schüler-, der Prozess- und der Handlungsorientierung orientieren (vgl. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport Berlin et al. 2006: 51). Bezüglich der dabei zu wählenden Sozialform sollen Partner- und Gruppenarbeit im Vordergrund stehen, da diese beiden Sozialformen am besten geeignet sind, um die Schüler zu einer Kommunikation untereinander und mit anderen Personen zu ermutigen und zu befähigen.

2.1.2 Monologisches vs. dialogisches Sprechen

Wie bereits erwähnt, wird bei der mündlichen Sprachproduktion primär zwischen dem monologischen und dem dialogischen Sprechen unterschieden. Das monologische Sprechen zeichnet sich im Gegensatz zu dem dialogischen Sprechen in erster Linie dadurch aus, dass der Sprachverwendende einen gesprochenen Text produziert, der von einem oder mehreren Zuhörern empfangen wird. Da beim monologischen Sprechen die Informationsvermittlung einseitig vom Sprachverwendenden zum Zuhörer verläuft, nimmt der Sprachverwendende ausschließlich die Rolle des Sprechers und der bzw. die Zuhörer ausschließlich die Rolle des bzw. der Hörenden ein. Im GER werden folgende Sprechakte dem monologischen Sprechen zugeordnet4:

- öffentliche Durchsagen (Mitteilungen, Anweisungen etc.);
- Sprechen vor Zuhörern (öffentliche Reden, Vorlesungen, Predigten, unterhaltsame Darbietungen, Verkaufpräsentationen, Referate etc.);
- Beschreibung von Erfahrungen;
- Argumentieren (z.B. in einer Diskussion);
- Vorlesen eines geschrieben Textes;
- Vorspielen einer eingeübten Rolle;
- Vorsingen eines Liedes.

Obwohl – genau wie beim dialogischen Sprechen – in der Regel frei gesprochen wird, ist das monologische Sprechen bei Weitem nicht so spontan wie das dialogische Sprechen, da sich der Sprecher bereits vor einer Rede oder einer Durchsage Gedanken über den Inhalt, die Wortwahl und die Struktur dessen, was er sagen will, macht und gegebenenfalls während des Sprechens auch Hilfsmittel benutzt. Gängige Hilfsmittel, die beim monologischen Sprechen häufig benutzt werden, sind beispielsweise Stichwortzettel, Mind Maps, OH-Projektoren oder PowerPoint-Präsentationen.

Das dialogische Sprechen ist dagegen ein zwischen zwei oder mehreren Personen geführter mündlicher Interaktionsprozess, der aus Rede und Gegenrede besteht. Dabei handeln Sprachverwendende „abwechselnd als Sprechende und Hörende […], um durch das Aushandeln von Bedeutung auf der Basis des Prinzips der Kooperation das Gespräch gemeinsam entstehen zu lassen“ (Europarat 2001: 78). Durch den ständigen Wechsel zwischen Sprecher und Zuhörer müssen beim dialogischen Sprechen andauernd „Rezeptions- und Produktionsstrategien“ (ebd.) in wechselseitiger Wirkung verwendet werden. Außerdem gibt es „Klassen von kognitiven und kooperativen Strategien […], die die Kooperation und Interaktion steuern, wie etwa Sprecherwechsel, sich auf ein Thema einigen und darauf, wie man sich ihm nähert, Lösungen vorschlagen und evaluieren, rekapitulieren und den erreichten Gesprächsstand zusammenfassen, in einem Konflikt vermitteln usw.“ (ebd.). Im GER werden folgende Sprechakte dem dialogischen Sprechen zugeordnet:

- zwanglose Unterhaltung;
- informelle Diskussion;
- formelle Diskussion;
- Debatte;
- Interview;
- Verhandlung;
- gemeinsames Planen;
- praktische zielorientierte Zusammenarbeit.

Neben dem monologischen und dem dialogischen Sprechen wird im GER auch noch die Sprachmittlung als eine separate Form der mündlichen Sprachproduktion hervorgehoben (vgl. Europarat 2001: 89, Müller-Hartmann et al. 2004: 62). Bei der Sprachmittlung geht es dem Sprachverwendenden nicht darum, „die eigenen Absichten zum Ausdruck zu bringen, sondern darum, Mittler zwischen Gesprächspartnern zu sein, die einander nicht direkt verstehen können, weil sie Sprecher verschiedener Sprachen sind (was der häufigste, aber nicht der einzige Fall ist)“ (Europarat 2001: 89). Zu sprachmittelnden Aktivitäten zählen „Dolmetschen und Übersetzen sowie das Zusammenfassen und Paraphrasieren von Texten in der selben Sprache, wenn derjenige, für den der Text gedacht ist, den Originaltext nicht versteht“ (ebd.). Da die Sprachmittlung im Berliner Rahmenlehrplan für Englisch allerdings erst ab der Sekundarstufe 1 eine Rolle spielt, wird an dieser Stelle nicht weiter auf sprachmittelnde Fertigkeiten eingegangen.

2.1.3 Das Primat des Gesprochenen – Zentrale Unterschiede zwischen den sprachproduktiven Fertigkeiten des Sprechens und Schreibens

Es wurde bereits mehrfach angedeutet, dass die moderne Sprachwissenschaft in der gesprochenen Sprache die primäre Form der Sprachproduktion sieht und die geschriebene Sprache als davon abgeleitet betrachtet. Trotzdem ist zur Ausbildung einer kommunikativen Kompetenz nicht nur das Sprechen, sondern auch das Schreiben von großer Bedeutung. Um das Sprechen etwas genauer vom Schreiben abzugrenzen, werden im Folgenden einige wesentliche Aspekte aufgelistet, in denen sich das Sprechen maßgeblich vom Schreiben unterscheidet.

Während geschriebene Sprache visuell wahrgenommen und durch motorische Schreibbewegungen produziert wird, wird die gesprochene Sprache überwiegend auditiv wahrgenommen und durch artikulierte Sprachlaute mündlich produziert (vgl. Hughes 2002: 10). Darüber hinaus ist die schriftliche Sprachproduktion statisch, geplant, dekontextualisiert und durch ihre schriftsprachliche Fixierung jederzeit abrufbar, während die mündliche Sprachproduktion dynamisch, ungeplant, kontextabhängig und aufgrund ihres kurzlebigen Charakters vergänglich ist, obwohl es mittlerweile diverse Medien gibt, mit denen man die gesprochene Sprache aufzeichnen kann (vgl. ebd.). Außerdem ist die geschriebene Sprache durch die Tatsache, dass die schriftliche Sprache in anderen sozialen Kontexten verwendet wird und der Sprachverwendende beim Schreiben viel mehr Zeit hat, sich zu überlegen, wie er sich artikuliert, in der Regel wesentlich formaler und eloquenter als die gesprochene Sprache, bei der man aufgrund der Interaktion mit einem Gesprächspartner wesentlich spontaner in der Sprachproduktion sein muss. Dafür können beim Sprechen regionale Sprachvarietäten in Bezug auf Akzent und Dialekt in die Sprachproduktion einbezogen werden, was beim Schreiben eher unüblich ist. Chafe und Danielewicz fassen die zentralen Unterschiede zwischen der schriftlichen und mündlichen Sprachproduktion bezüglich der Wortwahl folgendermaßen zusammen:

„Choosing lexical items is partly a matter of choosing aptly and explicitly, partly a matter of choosing the appropriate level. In the first case, the deliberateness and editability inherent in writing lead to a more richly varied, less hedged, and more explcit use of words. Speakers are so strongly constrained by their need to produce language rapidly and by their inabilty to edit, that they are unable to imitate the lexical richness and explcitness of writing, even when, as in lecturing, such qualities would be especially valued. In the second case, although the seperate histories of spoken and written language have led to partially divergent vocabularies, it is not as hard for speakers to borrow liberally from the written lexicon, or conversely for writers to borrow from the spoken. Thus lectures that are more literary than conversations, and letters more conversational than academic papers. The constaints are not imposed by cognitive limitations, but by judgements of appropriateness. (Chafe and Danielewicz 1987: 94)

Ergänzend zu den bisher genannten Unterschieden zwischen geschriebener und gesprochener Sprache weist Schatz darauf hin, dass das Sprechen im Gegensatz zum Schreiben häufig mit Körpersprache in Form von Gestik und Mimik verbunden ist, wodurch eine kommunikationsunterstützende und verständnisfördernde Wirkung erzielt werden soll (vgl. Schatz 2006: 33). Darüber hinaus dient der Einsatz von Körpersprache aber auch dazu, ein Gespräch gemeinsam zu konstruieren, „indem der Hörer mit verschiedenen Signalen ein Feedback gibt und der Sprecher ad hoc darauf reagiert“ (ebd.). Solche Rückmeldungen seitens des Hörers sehen beispielsweise so aus, dass er „dem Gespräch und den Gedanken des Sprechenden folgt, ihn zustimmend unterstützt (Aja!, Aha!, Toll!, Kopfnicken) oder Zweifel hat (So? Wirklich?)“ bzw. „Erstaunen (Na so was!) oder gar Ablehnung (Kopfschütteln, Das glaub ich nicht!)“ äußert (ebd. 34). Dagegen können beim Schreiben Hilfsmittel wie z.B. Wörterbücher oder andere Nachschlagewerke benutzt werden, was beim dynamischen Vorgang des Sprechens eher störend wirkt. Aufgrund dieses Nachteils gegenüber dem Schreiben kommt es beim Sprechen regelmäßig zu „nichtsyntaktischen Pausen, wenn der Sprechende nach einem passenden Wort sucht, oder er behilft sich mit Fülllauten wie äh, hm, tja “ (ebd. 33). Die Verwendung solcher „nichtsyntaktischen Pausen“ kann aber auch eine Folge dessen sein, dass sich ein Sprecher zuallererst überlegt, „von welcher gemeinsamen Informationsbasis Hörer und Sprecher ausgehen“ (Zydatiß 2005: 197) können. Die gesprochene Sprache „manifestiert sich deshalb – über eine variierte Länge der Pausen, über verschiedene Intonationskonturen und über die jeweilige Primärbetonung auf einer bestimmten Wortsilbe – primär als eine Folge von Informationseinheiten“, die mit den „syntaktisch durchstrukturierten Satzeinheiten“ (ebd.) der geschriebenen Sprache absolut nicht identisch sein müssen. Eine weitere, bei der mündlichen Kommunikation häufig zu beobachtende Erscheinung ist das Auftreten von Ellipsen, wodurch das gegenseitige Verständnis der an dem Gespräch beteiligten Personen in der Regel allerdings nicht beeinflusst wird, „da der situative Kontext und vorher bereits Gesprochenes für die Gesprächspartner klar ist und eindeutig ist, was gemeint ist“ (Schatz 2006: 33).

Durch die Gegenüberstellung der schriftlichen und mündlichen Sprachproduktion wurde einerseits deutlich, dass sich das Sprechen in Bezug auf Art und Qualität der Sprachproduktion eindeutig vom Schreiben unterscheidet. Andererseits wurde ebenfalls deutlich, dass beide Formen der Sprachproduktion sowohl Vor- als auch Nachteile haben. Um in der Lage zu sein, je nach Situation auf die geeignete Form der Sprachproduktion zurückzugreifen sind deshalb beide Fertigkeiten für die Ausbildung einer kommunikativen Sprachkompetenz von Relevanz.. Aufgrund der Dominanz des Mündlichen in der Alltagskommunikation, auf die die Sprachlernenden laut Rahmenlehrplan besonders vorbereitet werden sollen, ist jedoch sicherlich der mündlichen Sprachproduktion eine etwas größere Bedeutung beizumessen.

2.1.4 Psycholinguistische Grundlagen des Fremdsprachenerwerbs

In diesem Kapitel werden zunächst die wesentlichen Prozesse, die bei der mündlichen Sprachproduktion - unabhängig von der gesprochenen Sprache - ablaufen, aufgeführt und erklärt. Im Anschluss daran werden wichtige Sprachlernvoraussetzungen für den Fremdsprachenunterricht analysiert, um Erkenntnisse darüber zu gewinnen, worauf bei der Ausbildung der mündlichen Sprachproduktion im Fremdsprachenunterricht besonders geachtet werden sollte.

2.1.4.1 Zentrale Prozesse bei der mündlichen Sprachproduktion

Entgegen traditioneller Modelle zur mündlichen Sprachproduktion, die sich lediglich an einem „generativen (= regelbasierten) Prinzip der Sprachverarbeitung orientieren“, geht man aufgrund heutiger Forschungserkenntnisse davon aus, dass dem „aktiv-produktiven Sprachgebrauch ein doppeltes System der Sprachverarbeitung zugrunde liegt“ (Zydatiß 2005: 192). Das bedeutet, dass beim Sprachgebrauch nicht nur auf Verarbeitungsmodalitäten zurückgegriffen wird, die von einem stärker regelgeleiteten System ausgehen, sondern auch auf Prozesse, die stärker von lexikalischen Gegebenheiten und von Leistungen des Langzeitgedächtnisses geprägt sind (vgl. ebd.). Obwohl beide Systeme „aufgrund der neuronalen Netzwerkstruktur des Gehirns“ interagieren, kommen die „analytisch-generativen Prinzipien eher in der linken Hirnhälfte und beim Schreiben zum Einsatz, während die primär gedächtnisgestützten und von lexikalischen Einheiten getragenen Verarbeitungsprozeduren vor allem in der rechten Hirnhälfte und beim freien interaktiven Sprechen aktiviert werden“ (ebd. 193). Eine freie interaktive Sprachproduktion lässt sich daher nur über ein duales Verarbeitungssystem erklären, da eine „akzeptable Flüssigkeit des freien Sprechens […] unter dem immensen Druck der konkreten Sprachverwendungssituation […] nur in der Weise sicherzustellen [ist], dass Sprecher auf ein Wissenssystem zurückgreifen können, das einen weitgehend nicht-generativen […] Charakter hat“ (ebd. 194).

Wie bereits ersichtlich wurde, ist die flüssige mündliche Sprachproduktion ein äußerst komplexer Prozess und erfordert „das schnelle Zusammenspiel mehrerer Komponenten im Sprachvorgang“ (Zydatiß 2005: 193). Um die Prozesse, die bei der mündlichen Sprachproduktion ablaufen zu erklären, wird oft auf das Sprachproduktionsmodell von Levelt aus dem Jahre 1989 zurückgegriffen (siehe Abbildung 1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Das Sprachproduktionsmodell nach Levelt (Levelt 1989: 9).

Die relevanten Kernstücke des Modells bilden dabei die drei Komponenten c onceptualizer, formulator und articulator, die im Folgenden genauer vorgestellt werden.

Im conceptualizer wird die Intention des Sprechaktes geplant, wobei sowohl Informationen aus dem Lang- als auch aus dem Kurzzeitgedächtnis genutzt werden können, um das Zusammenfließen von z.B. Kontextwissen, situationsspezifischem Wissen und sozialer Situation zu überwachen und zu regeln. Der message generator formt dabei mit Hilfe des Monitors eine sogenannte preverbal message, die an den formulator geschickt und weiterverarbeitet wird. Eine preverbal message hat in erster Linie einen semantischen Charakter, allerdings muss es sich dabei nicht immer unbedingt um vollständige Propositionen handeln, da auch predicates, modifiers und elliptical elements eine preverbal message bilden können. Der Monitor, neben dem message generator der zweite Bestandteil des conceptualizers, vergleicht den Output des message generators und den Input, der über das speech-comprehension system erfolgt und sowohl aus der internal speech als auch aus der overt speech resultieren kann, und unterbricht gegebenenfalls den message generator durch Stoppsignale, wenn Fehler bemerkt werden und Korrekturen vorzunehmen sind.

Der formulator formt nun aus der vom conceptualizer gesendeten preverbal message einen phonetic plan, der an den articulator weitergeleitet wird, wodurch der formulator eine Schnittstelle zwischen konzeptueller und linguistischer Ebene bildet. Das Erstellen des phonetic plans erfolgt in zwei Schritten. Zunächst wird der grammatical encoder aktiviert, der sowohl aus Prozeduren für den Zugriff auf Lemmata als auch aus Prozeduren für den syntaktischen Aufbau besteht. Im grammatical encoder werden so z.B. aus Nomen Nominalphrasen und aus Verben Verbalphrasen aufgebaut. Durch die syntaktische Anordnung der Lemmata entsteht die surface structure, die an den phonological encoder geschickt wird, wodurch der zweite Schritt eingeleitet wird. Nun müssen die zu den Lemmata gehörenden Wortformen aktiviert werden, wobei es bei besonders komplexen Interaktionsprozessen durchaus auch vorkommen kann, dass einige Wortformen bereits aktiviert werden können, bevor die surface structure komplettiert wird. Der phonological encoder ist dabei nicht nur an phonologischen, sondern auch an morphologischen Prozessen wie Flektion, Deklination und Komposition beteiligt. Das Resultat der phonologischen Enkodierung sind artikulatorische Planungsstrukturen, die zur Ausführung an den articulator weitergeleitet werden.

Im articulator werden die artikulatorischen Pläne dann schließlich abgearbeitet und über neuromuskuläre Instruktionen und das komplexe Zusammenspiel von Sprechmuskulatur, Atmungssystem usw. in overte Sprache transformiert. Da es unter Umständen dazu kommen kann, dass gewisse Asynchronien zwischen Planung und Ausführung auftreten können - beispielsweise dann, wenn der Sprecher etwas herunterschlucken will oder husten muss – geht Levelt davon aus, dass es einen articulatory buffer gibt, in dem die Pläne bei Bedarf für eine gewisse Zeit zurückgehalten werden können.

Der Sprecher kann nun die Aufmerksamkeit sowohl auf seine overt als auch auf seine intern produzierte Sprache lenken, diese analysieren und mit Hilfe des Monitors kontrollieren. Die produzierte Sprache wird dabei zunächst „auf der Ebene des Sprachverstehens“ (Zydatiß 2005: 196) analysiert, indem auf das speech-comprehension system zugegriffen wird. Dieses schickt nach Zugriff auf das mentale Lexikon die Analyseresultate, die für einen gewissen Zeitraum im Arbeitsgedächtnis verfügbar bleiben, an den Monitor, wodurch Eigenkorrekturen ermöglicht werden. Allerdings kommt es auch häufig vor, dass die Gesprächspartner den Sprecher auf Fehler hinweisen und Verbesserungen vornehmen.

Zydatiß hält fest, dass das Sprechen aufgrund der „Komplexität des Sprechvorgangs (von der inhaltlichen Konzeptionierung über die syntaktische Strukturierung bis hin zur phonetischen Realisierung) […] kein rein linearer, serieller Prozess“ (Zydatiß 2005: 196) ist. Sprecher planen demzufolge in der Regel „nicht ‚perfekte’ komplexe Sätze, sondern realisieren ihre Aussagen ‚diskontinuierlich’; abhängig von strukturellen Versatzstücken, die ihnen verfügbar sind, und von den Reaktionen ihres Gesprächspartners“ (ebd.). Aufgrund der Tatsache, dass „die Kapazitäten des Arbeitsgedächtnisses, das die Kontroll- bzw. Monitorfunktion (parallel zum Sprechen) sicherstellen muss, äußerst begrenzt sind, ist der Sprecher auf hoch automatisierte sprachliche Routinen angewiesen, wenn er seine inhaltlichen Konzepte in morphosyntaktische Strukturen transponieren will“ (ebd.). Aus diesem Grund ist es für die mündliche Sprachproduktion von erheblicher Bedeutung, dass der Sprecher dazu in der Lage ist, lexikalische Elemente und strukturelle Versatzteile aufzunehmen, zu speichern und jederzeit abzurufen (vgl. ebd. 194).

2.1.4.2 Biologische Sprachlernvoraussetzungen für den Fremdspracherwerb

Im Gegensatz zum Erstspracherwerb, der sich parallel zur Hirnreifung entwickelt und wichtige Anstöße zu Veränderungen im Nervensystem des Gehirns gibt, muss beim Zweitspracherwerb nach dem dritten bzw. vierten Lebensjahr die neu gelernte Sprache „in bereits bestehende Strukturen des Gehirns integriert werden, weil die erwähnten Veränderungen im Nervensystem des Gehirns kaum mehr stattfinden“ (Apeltauer 1997: 68).

Je später also eine Fremdsprache erlernt wird, umso stärker ist der Lernende auf bereits bestehende neuronale Vernetzungen im Gehirn angewiesen, in die die neue Sprache integriert werden muss. Trotz dieser eher „nachteiligen“ Ausgangsbedingungen ist der nachzeitige Zweitspracherwerb in der Regel nicht mit größeren Schwierigkeiten als der Erstspracherwerb verbunden, „da mit der zunehmenden Beherrschung der Erstsprache und der damit verbundenen Automatisierung immer weniger Kapazität für die Verarbeitung der Erstsprache benötigt wird, so dass Platz für neue Aufgaben, z.B. die Verarbeitung einer weiteren Sprache, entsteht“ (ebd.).

Mittlerweile wird in der psycholinguistischen Forschung vermutet, dass es sogar Parallelen zwischen dem Erstsprach- und einem nachzeitigen Fremdspracherwerb gibt, wonach Lerner beim nachzeitigen Fremdspracherwerb ähnliche Entwicklungsstadien durchlaufen können wie beim Erstspracherwerb (vgl. ebd. 69). Beispielsweise stützen sich ähnlich wie beim Erstspracherwerb auch beim nachzeitigen Zweitspracherwerb Verstehensprozesse zu Beginn des Spracherwerbs verstärkt auf „prosodische und nonverbale Elemente“, weil „Bedeutungen fremdsprachlicher Ausdrücke häufig nicht verstanden oder nur indirekt erschlossen werden können“ (Apeltauer 1997: 69). Dabei übernimmt zunächst die rechte Hemisphäre des Großhirns eine dominierende Funktion, während die linke Hemisphäre mit zunehmender Beherrschung der zu lernenden Sprache immer mehr an Bedeutung gewinnt (vgl. ebd.). Die Sprachverarbeitungsprozesse im Gehirn können aber auch „von Bildungsvoraussetzungen bzw. vom Gebrauch spezifischer Sprachformen, von der Lernsituation (formell – informell), von Erwerbsmodalitäten, Vermittlungsformen sowie vom Alter der Lerner“ (ebd. 71) beeinflusst werden. Dementsprechend begünstigen z.B. informelle Lernsituationen im Gegensatz zu formellen Lernsituationen eher eine rechtshemisphärische Verarbeitung, und Lerner mit einem höheren Bildungsstand tendieren im Gegensatz zu Lernern mit einem geringeren Bildungsstand eher zu einer linkshemisphärischen Verarbeitung.

Neben dem Großhirn ist auch das Zwischenhirn bzw. das sogenannte „limbische System“ (vgl. Apeltauer 1997: 70) für den Sprachlernprozess von Bedeutung. Das limbische System ist nicht nur für emotionale und affektive Prozesse verantwortlich, sondern es beeinflusst auch die „Motivation, Sprechflüssigkeit, und Aufmerksamkeitsspanne eines Lerners“ (ebd.). Diese Einflüsse des limbischen Systems hängen insbesondere vom Alter des Lerners und der allgemeinen Lernsituation ab (vgl. ebd.).

2.1.4.3 Kognitive Sprachlernvoraussetzungen für den Fremdspracherwerb

Während Erwachsene normalerweise in ihrem Sprachlernverhalten analytisch und bewusst reflektierend vorgehen, tendieren Kinder eher zu einer spontanen und intuitiven Vorgehensweise (vgl. Apeltauer 1997: 89). Diese unterschiedlichen Verhaltensweisen hängen „einerseits mit funktionalen Spezialisierungen im Gehirn zusammen, andererseits mit alters- und erfahrungsbedingten Entwicklungen im kognitiven Bereich sowie mit dem in der Erstsprache erreichten Entwicklungsstand“ (ebd.). Obwohl sprachliche und kognitive Entwicklung zunächst parallel verlaufen, beeinflussen sie sich mit fortschreitendem Erstspracherwerb immer stärker gegenseitig. Apeltauer beschreibt die Bedeutung der in der Erstsprache ausgebildeten sprachlichen und kognitiven Fertigkeiten für den Zweitspracherwerb folgendermaßen:

„Beim Erwerb einer Zweitsprache wird automatisch auf die bereits während des Erstspracherwerbs entwickelten Fähigkeiten und Fertigkeiten zurückgegriffen. Ein Lerner, der über viele und differenzierte Fähigkeiten und Fertigkeiten verfügt, wird dabei einem anderen überlegen sein, der nur über wenige und nicht sehr differenzierte Fertigkeiten verfügt. Mit anderen Worten: Lebenserfahrungen und Bildungsvoraussetzungen wirken sich positiv auf Sprachlernprozesse aus.“ (Apeltauer 1997: 89)

Das Erlernen einer fremden Sprache bewirkt beim Lerner nicht nur eine verstärkte Bewusstmachung von Zusammenhängen zwischen Erst- und Zweitsprache, sondern auch eine Reflexion über damit verbundene Informationsverarbeitungsprozesse. In diesem Zusammenhang spricht man auch von „metasprachlichen (d.h. über Sprache reflektierenden oder sich auf Sprache beziehenden) und metakognitiven Fähigkeiten“ (Apeltauer 1997: 89). Metasprachliche Fähigkeiten umfassen dabei Fähigkeiten wie z.B. „Korrekturen (einschließlich Selbstkorrekturen), […] Kommentare […] oder Sprachspielereien“ (ebd. 90), die sich auf die zu erlernende Fremdsprache beziehen und dabei helfen, die eigenen Sprachprozesse bewusst zu kontrollieren und zu planen. Solche Fähigkeiten entwickeln sich insbesondere in „Kontaktsituationen mit Muttersprachlern, weil Gespräche zwischen Lernern einer fremden Sprache und Sprechern, die die Zielsprache als Muttersprache sprechen, oft einen großen Anteil an solchen metasprachlichen Äußerungen aufweisen“ (ebd.).

Metakognitive Verfahren wie z.B. Wiederholung, Gruppierung und Elaborierung sind dagegen Verfahren zur Steuerung von Gedächtnisprozessen, wobei die Leistungsfähigkeit des Gedächtnisses verbessert werden soll. In Bezug auf das Erlernen einer Fremdsprache spielen die metakognitiven Fähigkeiten des Lerners insbesondere bei der Selbststeuerung der eigenen Lernprozesse eine wichtige Rolle. Apeltauer weist darauf hin, dass sich mit zunehmender Lebenserfahrung bei jedem Individuum das Wissen über Gedächtnisprozesse weiterentwickelt (vgl. Apeltauer 1997: 91). Die Entwicklung metakognitiver Fähigkeiten erfolgt dabei in drei Stadien5:

1. Kinder können metakognitive Verfahren noch nicht gebrauchen.
2. Die Verfahren können unter Anleitung verwendet werden. Ein spontaner Gebrauch ist aber noch nicht beobachtbar.
3. Lerner können Situationen identifizieren, in denen der Gebrauch eines metakognitiven Verfahrens (einer ‚Gedächtnisstrategie’) hilfreich wäre und verwenden sie nun auch spontan.

In Anlehnung an diese drei Entwicklungsstadien hebt Apeltauer hervor, dass der Übergang vom ersten zum zweiten Stadium entwicklungsbedingt ist, während der Übergang vom zweiten zum dritten Stadium an Erfahrungen bezüglich des Umgangs mit spezifischen Lernproblemen gebunden zu sein scheint, da häufig auch noch Erwachsene Probleme damit haben, Gedächtnisstrategien spontan anzuwenden (Apeltauer 1997: 91).

Generell spielen beim Erwerb einer Fremdsprache die Prozesse der Kontrolle, Automatisierung und Restrukturierung eine besondere Rolle, um insbesondere die Regeln grammatischer Strukturen, die für ein fehlerfreies und korrektes Sprechen der Zielsprache unbedingt erforderlich sind zu erlernen und zu verinnerlichen (vgl. Apeltauer 1997: 92). Dabei gebrauchen die Sprachlernenden in der Regel eine Kommunikationsstrategie, die als das sogenannte U-Kurven-Modell von Karmiloff-Smith bekannt ist (vgl. Bredel 2005: 87). Danach begegnen Sprachlernende neuen grammatischen Strukturen als Erstes, indem sie den sprachlichen Input lediglich imitieren, ohne dessen Muster zu analysieren. Beispielsweise werden schwache Flexionsmuster (learned, turned) und starke Flexionsmuster (thought) zunächst aufgrund der zielsprachlichen Imitation korrekt verwendet. In der zweiten Phase des U-Kurven-Modells kommt es jedoch zu einem scheinbaren Rückschritt, indem häufig das schwache Flexionsmuster der regelmäßigen Verben auch auf unregelmäßige Verben (* thinked) übertragen wird. Obwohl solche Übergeneralisierungen einen Beleg für einen beginnenden Einblick des Sprachlernenden in die Regelhaftigkeit (??? Evtl. Systematik, Regularität ???) des Flexionssystems darstellen, treten aufgrund der noch nicht analysierten Irregularitäten bei den unregelmäßigen Verben Fehler auf. In der dritten und letzten Phase des Modells erhält der Sprachlernende korrigierende Hinweise zu seinen Fehlern, wodurch er in die Lage versetzt wird, nun auch die irregulären (evtl weglassen???) Regularitäten bei den unregelmäßigen Verben herauszufiltern und diese korrekt anzuwenden (thought).

2.1.4.4 Einfluss der Erstsprache auf die zu erlernende Fremdsprache

Es wurde bereits mehrfach erwähnt, dass nach heutigen Erkenntnissen das Niveau eines Lerners in seiner Erstsprache als Sprachlernvoraussetzung einen nicht unbedeutenden Einfluss auf die Aneignung einer fremden Sprache ausübt. Dabei ist der Einfluss der Erstsprache umso größer, je mehr Ähnlichkeiten zwischen der Erst- und der zu erlernenden Fremdsprache besteht. Andererseits ist der Einfluss der Erstsprache umso geringer, je größer die Unterschiede zwischen Erst- und Fremdsprache sind, da ein Lerner in solchen Situationen kaum auf seine bereits im Zusammenhang mit der Erstsprache ausgebildeten Fertigkeiten zurückgreifen kann, wodurch der Sprachaneignungsprozess tendenziell eher Ähnlichkeiten mit dem Verlauf des Erstspracherwerbs aufweist. Da auftretende Fehler während des Fremdspracherwerbs verschiedene Ursachen haben können, sollten die Lehrkräfte stets über die Kompetenz ihrer Lerner in deren Erstsprache informiert sein, um geeignete Rückschlüsse treffen und passende Hilfestellungen geben zu können.

Einer der bei Fremdsprachenlernern am häufigsten auftretenden Fehler, die auf den Einfluss der Erstsprache zurückgeführt werden können, ist der sogenannte Interferenzfehler. Solche Interferenzfehler entstehen dann, wenn ein Fremdsprachenlerner aus seiner Erstsprache bekannte Elemente und Strukturen auf die zu erlernende Zweitsprache überträgt, wodurch aufgrund der Verschiedenheit beider Sprachen Fehler in der Zielsprache entstehen. Aufgrund solcher fehlerhaften Übertragungen von der Erst- in die Zweitsprache werden Interferenzfehler häufig auch als negativer Transfer bezeichnet (vgl. Apeltauer 1997: 83). Ein klassisches Beispiel für eine negative Transferleistung im Englischunterricht sind sogenannte „falsche Freunde“, die z.B. durch lautliche Ähnlichkeiten im Bereich der Lexik Schwierigkeiten bereiten können. Dementsprechend ergibt die deutsche Übersetzung des Satzes „ He became very angry. “ bei vielen Schülern „* Er bekam sehr zornig. “ aufgrund der lautlichen Ähnlichkeit von „ became “ und „ bekam “. Insgesamt sind Interferenzfehler „vor allem während der Anfangszeit, in formellen Kontexten und bei älteren Lernern beobachtbar, seltener bei fortgeschrittenen Lernern oder bei Kindern, die in informellen Situationen ihre Zweitsprache erwerben“ (ebd. 88).

Oftmals ist bei Lernern einer Fremdsprache in bestimmten Situationen während der Sprachproduktion die Vermeidung der Zielsprache zu beobachten, insbesondere dann, wenn ein Lerner sprachliche Unterschiede zwischen Erst- und Zweitsprache (bewusst oder unbewusst) wahrnimmt. In solchen Situationen greifen Fremdsprachenlerner häufig auf ihre Erstsprache zurück, um beispielsweise lexikalische Lücken in der Fremdsprache zu überbrücken. Je nach Entwicklungsstand der Fremdsprachenbeherrschung kann es ebenso vorkommen, dass Lerner bei der fremdsprachlichen Produktion das Zurückgreifen auf die Erstsprache bewusst vermeiden, wodurch sich jedoch die Fehlerrate in der Fremdsprache erhöhen kann, da der Lerner auch dort das Zurückgreifen auf die Erstsprache vermeidet, wo er in der Fremdsprache unsicher ist. Aus diesem Grund können regelmäßige Fehler, die beim Gebrauch der Fremdsprache auftreten, auch durchaus ein Beleg für eine hohe Sprachbewusstheit des Lerners sein.

Obwohl die Erstsprache auch positive Effekte - wie z.B. Verstehens- und Lernerleichterungen durch das Wiedererkennen von Ähnlichkeiten - auf den Fremdspracherwerb haben kann, wird an dieser Stelle nicht weiter auf sogenannte „positive Transfers“ eingegangen, da diese in bisherigen Untersuchungen zum Einfluss der Erstsprache auf das Erlernen einer Fremdsprache nur verhältnismäßig wenig Berücksichtigung gefunden haben (vgl. Apeltauer 1997: 88).

2.2 Lehrwerke im Englischunterricht – Stellenwert und Konzeption

Da es sich bei meiner Untersuchung um eine gegenüberstellende Lehrwerksanalyse handelt, bei der in zwei verschiedenen Lehrwerken für den Englischunterricht jeweils der Umfang und die Qualität der Übungen zur Ausbildung einer kommunikativen Sprechfertigkeit ermittelt und anschließend miteinander verglichen wird, erfolgt in diesem Kapitel zunächst die Beschreibung der Rolle und Bedeutung von Englischlehrwerken im Unterricht. Dazu wird zunächst allgemein auf den Stellenwert der Lehrwerke im Englischunterricht an der Berliner Grundschule eingegangen. Im Anschluss daran werden die wichtigsten Aspekte und Kriterien zusammengetragen, die ein zeitgemäßes und den Anforderungen des aktuellen Rahmenlehrplanes entsprechendes Lehrwerk für den Englischunterricht erfüllen sollte.

2.2.1 Die Dominanz der Lehrwerke im Englischunterricht

Der traditionelle Englischunterricht ist neben seiner „frontal gesteuerten Frage-Antwort Gestaltung“ oftmals auch durch eine „rigide Anbindung der Lehr- und Lernprozesse an das Lehrbuch“ (Kurtz 2001: 42) gekennzeichnet, wodurch der Unterrichtsablauf sowohl auf inhaltlicher als auch auf sprachlicher Ebene maßgeblich durch die Struktur des verwendeten Lehrwerks beeinflusst wird. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts wurde erstmals die Forderung erhoben, dass der „freie, mündliche, nicht auf ein Buch sich stützende Unterricht den Mittelpunkt und den leitenden Teil des unterrichtlichen Geschehens bilden solle“ (ebd.). Man erkannte früh, dass durch die alleinige Arbeit mit dem Lehrwerk der ‚Aktionsradius des Englischlehrers’ (ebd.) dermaßen eingeschränkt wird, dass zentrale didaktische Prinzipien wie z.B. Individualisierung, Aktualisierung und Kreativität nicht berücksichtigt werden können. Um Schüler insbesondere zum Training des freien und kommunikativen Sprachhandelns zu motivieren und anzuregen, muss es Aufgabe des Lehrers sein, sich an den jeweiligen Lernvoraussetzungen, Interessen und soziokulturellen Bedingungen der Klasse zu orientieren, um Sprechanlässe zu finden, in denen die englische Sprache als ein Kommunikationsmittel wahrgenommen wird, das einen realen Bezug zur Lebenswelt der Schüler hat (vgl. ebd. 45). Da jede Klasse und jeder Schüler unterschiedlich ist und spezielle Bedürfnisse hat, kann ein Lehrer dieser Aufgabe nicht nur durch die alleinige Arbeit mit dem Lehrwerk nachkommen, sondern er muss sich darüber hinaus auch je nach Klassensituation eigene Gedanken zur Schaffung von möglichst realitätsnahen und authentischen Gesprächssituationen machen.

Trotz dieser Erkenntnisse sieht es leider auch im Alltag des heutigen Englischunterrichts an vielen Berliner Grundschulen so aus, dass das Lehrwerk nicht nur das primäre, sondern auch das einzige Unterrichtsmedium darstellt (vgl. Kurtz 2001: 44f.). Obwohl die Lehrwerke heutzutage inhaltlich wesentlich breitgefächerter sind und auch viel mehr kreative, didaktisch fundierte Übungsformen zur Ausbildung der unterschiedlichen Fertigkeiten anbieten, kann man durch die alleinige Verwendung des Lehrwerks nach wie vor nicht den Ansprüchen eines modernen und schülerzentrierten Englischunterrichts gerecht werden. Butzkamm sieht die Ursache für die Dominanz der Lehrwerke im Englischunterricht in der „Vielfalt vorgefertigter Buchübungen (Lehrbuch und Workbook)“, die eine „ständige Verlockung für den Lehrer“ (Butzkamm 1995: 193) darstellen. Da die Lehrwerke trotz aller Kritik für den Unterricht als theoretische Grundlage unverzichtbar sind, wäre für einen zeitgemäßen Englischunterricht sicherlich ein freier und souveräner Umgang mit dem Reichtum, den die heutigen Englischlehrwerke und die daran angekoppelten Medien bieten, in Kombination mit einigen vom Lehrer ausgewählten, authentischen Sekundärmaterialien, die auf die besonderen Bedürfnissen der jeweiligen Klasse abgestimmt sind, wünschenswert.

2.2.2 Die Konzeption von Englischlehrwerken

Moderne Englischlehrwerke unterstehen heutzutage in erster Linie dem Anspruch, den Anforderungen des Rahmenlehrplans für Englisch gerecht zu werden, indem unterschiedliche, inhaltlich relevante und didaktisch-methodisch aufbereitete Lern- und Übungsaufgaben angeboten werden, durch welche sowohl die Ausbildung der kommunikativen Kompetenz als auch die der methodischen, interkulturellen und sozialen Kompetenz zur Erlangung einer interkulturellen, fremdsprachlichen Handlungsfähigkeit angeregt, gefördert und sichergestellt werden soll. Dabei ist jedoch zu beachten, dass nicht nur die Qualität der Aufgaben im Lehrbuch, sondern auch die Art und Weise, in der der Lehrer die jeweiligen Aufgaben mit seinen Schülern behandelt, für das Erreichen eines effektiven Lernzuwachses entscheidend ist. Während ein trockenes, monotones Abarbeiten der Aufgaben von den Schülern lediglich als Pflichterfüllung angesehen wird, tragen beispielsweise zusätzliche Bezüge zu aktuellen Ereignissen zu einer erhöhten Motivation und Lernbereitschaft der Schüler bei. Aus diesem Grund ist ein guter Englischunterricht nicht nur von der Qualität des verwendeten Lehrwerkes abhängig, sondern auch vom Engagement des Lehrers. Da eine sorgfältige Koordination des Unterrichts über ein komplettes Schuljahr aber insbesondere aufgrund unterschiedlicher Vorraussetzungen bei den Schülern und differenzierter Unterrichtsbedingungen einen hohen Zeitaufwand erfordert, bieten immer mehr Lehrwerke als Hilfestellung einen zusätzlichen Stoffverteilungsplan an, an dem sich Lehrer bei ihrer Unterrichtsvorbereitung allerdings lediglich orientieren sollten.

Darüber hinaus sollte ein gutes Englischlehrwerk außerdem über einen deutlich gekennzeichneten Grammatikteil verfügen, der die grammatischen Regeln übersichtlich hervorhebt, erklärt und sie durch ausgewählte Beispiele veranschaulicht. Zur expliziten Übung von grammatischen Regeln und Strukturen eignet sich besonders ein im Rahmen des Lehrwerks mitgeliefertes Activity Book oder Workbook, in dem Übungen – meist mit schrittweise steigendem Schwierigkeitsgrad - zu einzelnen oder vertiefend auch zu mehreren grammatischen Themen in Kombination vorgefertigt sind. Zur Unterstützung für die Schüler sollten dabei gerade bei komplexeren Übungen oftmals ein bis zwei Musterbeispiele als Orientierungshilfe vorgegeben werden. Ein gutes Lehrwerk sollte zur Hilfestellung auf den letzten Seiten sowohl über ein alphabetisches Wörterverzeichnis als auch über eine Übersicht über die unregelmäßigen Verben verfügen.

Zur Übung des Hörverstehens und des überwiegend monologischen Sprechens bieten Lehrwerke häufig auch eine mitgelieferte Audio-CD an, auf der Reime, Gedichte, Lieder und Kurzgeschichten enthalten sind. Da meist viele der Texte auf der CD von Muttersprachlern gesprochen werden, eignen sie sich besonders gut zur Übung des Hörverstehens. Durch unterschiedliche Akzente der Sprecher können außerdem regionale Varietäten der englischen Sprache im Unterricht thematisiert werden.

Inhaltlich sind Englischlehrwerke in der Regel so konzipiert, dass sie in verschiedene Units unterteilt sind, die jeweils einen speziellen inhaltlichen Schwerpunkt besitzen. Diese inhaltlichen Schwerpunkte befassen sich gerade in der Grundschulphase meistens mit Themen aus Bereichen wie z.B. Schule, Eltern und Freunde, die sich direkt auf die Lebenswelt der Kinder beziehen. Noch vor Beginn der einzelnen Units stellen die meisten Lehrwerke eine kleine Gruppe von Schülern vor, die tatsächlich existieren, in England leben, genauso alt wie die Fremdsprachenlerner sind und sowohl vom äußeren Erscheinungsbild als auch vom Verhalten recht unterschiedlich sind. Diese Schüler, die die Fremdsprachenlerner durch das gesamte Lehrwerk begleiten, sollen dabei die Heterogenität einer Schulklasse repräsentieren und gleichzeitig als Identifikationsfiguren fungieren. Durch die Tatsache, dass die englischen Schüler in den Lehrwerken viele Geschichten aus ihrem Alltag erzählen, werden auch landeskundliche Aspekte wie z.B. das englische Schulsystem oder typisch englische Essgewohnheiten thematisiert. Dadurch lernen die Fremdsprachenlerner neben der englischen Sprache auch gleichzeitig England aus kultureller, sozialer, historischer und geographischer Sicht kennen.

Die Units eines Lehrwerks sind meistens ziemlich ähnlich strukturiert. Zu Beginn einer jeden Unit gibt es zunächst einen Einstiegsteil, der in den jeweiligen thematischen Schwerpunkt der Unit einführen soll. Dieser Einstieg erfolgt meistens über Fotos, die entweder beschrieben werden sollen oder zu denen Fragen beantwortet oder Eindrücke bzw. Erwartungen gesammelt werden. Im Anschluss daran erfolgt ein Abschnitt, in dem die Schüler mit neuen Lerninhalten (insbesondere aus dem Bereich Grammatik) oder auch mit neuen Lern- und Arbeitstechniken vertraut gemacht werden. Dazu werden die neuen Lerninhalte zunächst beschrieben, erklärt und anhand von Beispielen vorgestellt. Anschließend erhalten die Schüler durch möglichst vielfältige und abwechslungsreiche Aktivitäten die Möglichkeit, sich mit den neuen Lerninhalten vertraut zu machen. Danach folgt ein ausführlicherer Übungsteil, in dem die Schüler die zuvor neu erlernten Inhalte bzw. Arbeitstechniken weiter vertiefen können. Wie bereits erwähnt, gibt es in Ergänzung zu diesen Übungsteilen auch zusätzlich Activity Books oder Workbooks. Abschließend enthält jede Unit noch eine spannende oder lustige Geschichte, anhand derer insbesondere das Leseverstehen, das laute Vorlesen, die Wörterbucharbeit oder auch die Ausbildung von Lesestrategien geübt werden kann. Die Reihenfolge der einzelnen Bestandteile einer Unit kann mitunter von Lehrwerk zu Lehrwerk variieren oder sich gar vermischen, dennoch sollten aber in jeder Unit eines modernen Englischlehrwerks die beschriebenen Elemente auf jeden Fall enthalten und klar erkennbar sein.

3 Durchführung der Lehrwerksanalyse

3.1 Fragestellung

Ziel und Zweck der von mir durchgeführten Lehrwerksanalyse soll es sein, zwei verschiedene Englischlehrwerke, die im gegenwärtigen Englischunterricht der Berliner Grundschule (kommt auch an anderen Stellen vor ???) sehr häufig verwendet werden, für die jeweils fünfte und sechste Klassenstufe auf deren Übungsangebot zur Ausbildung und Förderung der kommunikativen Kompetenzen zu überprüfen. Gegenstand meiner Untersuchung sind die Lehrwerke Orange Line vom Klett Verlag und Portobello Road vom Diesterweg Verlag. Ich werde im Folgenden die in diesen Lehrwerken vorhandenen Übungstypologien zum Sprechen herausgearbeiten, kategorisieren und sowohl in ihrer Quantität als auch Qualität analysieren, wobei zwischen Übungen zur dialogisch-interaktiven und monologisch-zusammenhängenden Rede unterschieden wird. Durch die Ergebnisse dieser Untersuchung soll schließlich Aufschluss darüber erlangt werden, ob die im Rahmenlehrplan verankerten Ziele für den Englischunterricht der fünften und sechsten Klasse durch die Arbeit mit dem jeweiligen Lehrwerk erreicht und abgedeckt werden können. Darüber hinaus soll der Frage nachgegangen werden, ob die ausgewählten Lehrwerke den Anforderungen eines modernen handlungsorientierten Englischunterrichts, in dem das Sprechen der englischen Sprache spielerisch und in authentischen Kontexten erlernt und geübt werden soll, tatsächlich gerecht werden können. Ich habe mich bewusst für die Analyse von Lehrwerken für die fünfte und sechste Klasse entschieden, da in den Standards für die dritte und vierte Klasse der Anteil des Sprechens noch ziemlich unterrepräsentiert ist und sich im Wesentlichen auf die Imitation des zuvor Gehörten bezieht.

3.2 Vorstellung des Lehrwerks Orange Line vom Klett Verlag

Orange Line, das im Auftrag vom Klett Verlag von Frank Haß herausgegeben wird, ist nicht nur in Berlin, sondern auch deutschlandweit sicherlich eines der renommiertesten Lehrwerke für den Englischunterricht. Orange Line ist ein Medienverbund verschiedenster Materialien, in dessen Zentrum das Schülerbuch steht, welches neuerdings auch ein Video mit typischen Alltagszenen aus dem Leben englischer Kinder bzw. Jugendlicher enthält. In Ergänzung zu dem Schülerbuch wird von Orange Line außerdem ein Workbook mit Audio-CD und wahlweise auch mit Lernsoftware angeboten.

[...]


1 Im Folgenden wird zum Zwecke der Vereinfachung für alle angesprochenen Personengruppen ausschließlich das männliche Genus verwendet.

2 Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen wird im Folgenden mit GER abgekürzt.

3 Die folgenden Angaben zu den kommunikativen Sprachkompetenzen sind aus dem GER entnommen, S. 110-130.

4 Die folgenden Beispiele zum monologischen bzw. dialogischen Sprechen sind aus dem GER entnommen, S. 58-90.

5 Die drei Entwicklungsstadien der metakognitiven Fähigkeit sind aus Apeltauer 1997: 91 entnommen.

Ende der Leseprobe aus 91 Seiten

Details

Titel
Der Stellenwert des Sprechens in ausgewählten Lehrwerken für den Englischunterricht der Berliner Grundschulen
Untertitel
Didaktisch-methodische Reflexionen zu einer kommunikativen Übungstypologie
Hochschule
Freie Universität Berlin
Note
2,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
91
Katalognummer
V924842
ISBN (eBook)
9783346247193
ISBN (Buch)
9783346247209
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Englischunterricht, Lehrwerke, Lehrwerk, Englisch, Unterricht, Grundschule, Berlin
Arbeit zitieren
Thomas Schachtebeck (Autor:in), 2008, Der Stellenwert des Sprechens in ausgewählten Lehrwerken für den Englischunterricht der Berliner Grundschulen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/924842

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