Erklärvideos bei Conceptual Change Prozessen im Unterricht. Das Unterrichtsbeispiel des Wasserkreislaufs in der dritten Klasse


Examensarbeit, 2020

79 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2. Begriffsklärung und theoretischer Hintergrund
2.1 Präkonzepte im Sachunterricht
2.1.1 Theoretischer Kontext
2.1.2 Forschungsstand zu Präkonzepten zum Interventionsthema „Wasserkreislauf“
2.2 Conceptual Change im naturwissenschaftlichen Sachunterricht
2.2.1 Begriffsklärung des Conceptual Change
2.2.2 Bedingungen für Konzeptveränderungen bei Kindern
2.2.3 Conceptual Change begünstigende Faktoren
2.3 Digitale Medien im Sachunterricht
2.4 Videos im 21.Jahrhundert
2.4.1 Aktuelle Entwicklung
2.4.2 Das Video als didaktisches Medium
2.4.3 Aktueller Forschungsstand zu Erklärvideos

3 Ableitung der Fragestellung und möglicher Hypothesen

4 Methode
4.1 Erhebungsinstrumente
4.2 Stichprobe
4.4 Begründung des methodischen Vorgehens in Bezug auf die.. Interventionen

5 Ergebnisse
5.1 Präkonzepterhebung
5.1.1 Verdunstung
5.1.2 Kondensation
5.1.3 Versickerung
5.2 Ergebnisse der Lernspuren
5.2.1 Verdunstung
5.2.2 Kondensation
5.2.3 Versickerung
5.3 Prätest
5.4 Posttest
5.5 Fragebogen Interesse zum Fach/Vorerfahrung Erklärvideo
5.6 Fragebogen Rahmenkonzepte, Motivation und soziales... Konstrukt

6 Wissenschaftliche Diskussion

7 Fazit

Literatur- und Quellenverzeichnis

Anhang

Abstract

Das Ziel der vorliegenden Interventionsstudie ist die Untersuchung der Einflüsse von Erklärvideoproduktionen als Lehr- Lernstrategie auf Conceptual Change Prozesse bei Kindern der dritten Jahrgangsstufe. Zu diesem Zweck wurden aus einer Verbindung von qualitativen und quantitativen Verfahren im Prä-/Postdesign Daten kindlicher Vorstellungen zu naturwissenschaftlichen Phänomenen des Wasserkreislaufs und deren Weiterentwicklungen in Abhängigkeit drei verschiedener Interventionsphasen erhoben. Dabei stellte sich insbesondere heraus, dass die Erstellung von Erklärvideos durch die Schülerinnen und Schüler bei diesen einen positiven Einfluss auf deren Conceptual Change Prozesse in Form von Wissenszuwächsen in Abhängigkeit von motivationalen, volitionalen und sozial-interaktionalen Faktoren nimmt. Die Ergebnisse reihen sich in die aktuelle Forschung des bildungswissenschaftlichen sowie sachunterrichtsdidaktischen Sektors ein, die sich in den bisher verfassten Arbeiten auf Erklärvideos als Hilfsmittel durch deren Rezeption durch die Kinder beschränken. Die Forschungsarbeit gibt einen Einblick in eine spezifische Einsatzmöglichkeit des Erklärvideos fernab der Betrachtung dessen als bloßes Hilfsmittel zur Vermittlung von Inhalten. Dabei gerät die eigenständige Produktion dieser durch die Schülerinnen und Schüler als Unterrichtsmethode unter Betrachtung des didaktischen Mehrwerts in den Fokus.

1 Einleitung

Das derzeitige gesellschaftliche Leben entwickelt sich fortschreitend schneller. Neue Konzepte, der Ausbau wirtschaftlicher Ressourcen und die Verstärkung der Leistungsgesellschaft werden zunehmend immer größerer Bedeutung zugeschrieben. Auch im Bildungssystem werden neue Wege beschritten, die die Lehrenden sowie die Lernenden vor große Herausforderungen stellen. Hierzu zählen vor allem die Digitalisierung und der Einsatz von digitalen Medien im Schulalltag. Kein Thema in der Bildungslandschaft ist im Moment präsenter, zeigt doch die Corona-Krise, dass es erheblichen Nachholbedarf in ganz Deutschland diesbezüglich gibt. Die Schulen sind schlecht bzw. gar nicht digital ausgestattet, den Lehrenden fehlt das notwendige Know-How, die IT-Infrastruktur ist spärlich ausgebaut, sodass Netzwerke schnell überlastet sind und der Aufbau sicherer Verbindungen schier unmöglich erscheint. Eine aktuelle Studie, die von der Europäischen Kommission in Auftrag gegeben wurde, zeigt, dass es in Deutschland im Vergleich zum europäischen Durchschnitt auf ISCED-Ebene weniger hoch digital ausgestattete und vernetzte Schulen vor allem in den Grundschulen (Ebene 1) gibt. Gerade einmal 9% dieser verfügen über ein hohes Angebot an digitalen Medien in Relation zur Anzahl der Schüler, sowie eine hohe Breitbandgeschwindigkeit (vgl. Deliotte/ IPSOS 2019). Dem gegenüber stehen die Entwicklungen der Begegnungen der Schülerinnen und Schüler (im Folgenden SuS) mit digitalen Medien in ihrer Lebenswelt. Die JIM-Studie 2019 zeigt weiter, dass nahezu allen befragten Haushalten (98%) ein PC/Laptop sowie WLAN zur Verfügung stehen. Auch mobile Endgeräte wie Smartphones (99%) oder Tablets (63%) sind aus dem häuslichen Umfeld der Kinder kaum wegzudenken (vgl. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2019). Aufgabe der Grundschulen ist es, Lebensweltbezüge herzustellen, um die Brücke zwischen häuslichem und schulischem Alltag zu schlagen und die Interessen der Kinder zu berücksichtigen. Gerade deshalb erscheint es von essenzieller Bedeutung, dass die Schulen den Fokus stärker auf digitale Bildung legen und der Vermittlung medienspezifischer Kompetenzen einen höheren Stellenwert zuschreiben. 73 % der Teilnehmenden der JIM-Studie 2019 nutzen vor allem Streamingdienste. Zu den wichtigsten zählt hierbei die Plattform YouTube bei den Befragten. 20% der Mädchen, sowie 16% der Jungen nutzen die Plattform dabei zum Konsum von Erklärvideos für die Schule. 41% der jüngeren Befragten (12-13 Jahre) gaben an, dies sogar mehrmals pro Woche oder gar täglich zu tun (vgl. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2019). In einer bundesweiten Befragung des Bitkom e.V. Digitale Schule - vernetztes Lernen (2015) wünschen sich vor allem die Schülerinnen und Schüler (71%) eine stärkere Einbindung von Lernvideos in den Unterricht. Diese bieten auf Grundlage der vorgestellten Studien das Potential, den Unterricht mit Hilfe derer alltagsbezogener zu gestalten und im gleichen Zuge den Forderungen der Kultusministerkonferenz bezüglich der Medienbildung gerecht zu werden. Bereits im Jahr 2016 präsentierte diese eine „Strategie zur Bildung in der digitalen Welt", in der Bildungsaufträge formuliert wurden, die die Schulen umzusetzen haben. Die zur Umsetzung der festgelegten Kompetenzbereiche benötigte Ausstattung der Schulen soll nun im Rahmen des Digitalpakts von 2019-2024 durch die Länder bereitgestellt werden.

Die vorliegende Interventionsstudie beschäftigt sich mit der Zielstellung, die Erklärvideos (synonym zu Lernvideo) in den Unterricht unter dem Aspekt der Erreichung eines didaktischen Mehrwerts zu integrieren. Unter Berücksichtigung der auszubildenden Kompetenzen in der digitalen Welt durch den Beschluss der KMK im Jahre 2016 soll ein Lehr-Lernprozess zum Thema Wasserkreislauf digital gestützt in der dritten Jahrgangsklasse einer thüringischen Grundschule geplant und durchgeführt werden. Das Forschungsvorhaben bezieht sich dabei auf die Frage, inwiefern die Erstellung von selbst generierten Erklärvideos durch die Schülerinnen und Schüler als Lehr-Lernstrategie Einfluss auf deren Conceptual Change Prozesse nimmt. Die Untersuchung fokussiert dabei sowohl didaktische als auch bildungswissenschaftliche Aspekte.

Beginnend mit der Klärung des theoretischen Rahmens in Bezug auf Conceptual Change sowie Erklärvideos und der damit verbundenen Herausstellung aktueller Forschungsergebnisse, wird weiter der Aufbau der Studie bezüglich der verschiedenen Interventionsphasen und der zugrundeliegenden Messinstrumente vorgestellt. Die gewonnenen Ergebnisse der vier Messzeitpunkte aus der Längsschnittstudie werden anschließend separat präsentiert und wissenschaftlich diskutiert. Das Ende der Forschungsarbeit bietet einen Ausblick auf weitere Forschungsschwerpunkte und beinhaltet ein persönliches Fazit zum wissenschaftlichen Arbeiten im Rahmen dieses Forschungsvorhabens.

2 Begriffsklärung und theoretischer Hintergrund

2.1 Präkonzepte im Sachunterricht

2.1.1 Theoretischer Kontext

Im Sachunterricht verfügen Grundschulkinder bereits über „teilweise tief in Alltagserfahrungen verankerte Vorstellungen von naturwissenschaftlichen Phänomenen"(LANGE, 2010, Online im Internet). Diese können durch eigene Erfahrungen oder die übernahme von Konzepten aus dem direkten sozialen Umfeld des Kindes übernommen worden sein. Die kindlichen Vorstellungen bezeichnen dabei laut Duit geistige Entwürfe „die sich ein Mensch von der ihn umgebenden und durch Sinneseindrücke auf ihn wirkenden Welt macht" (Duit, 1997, S. 234). In der Sachunterrichtsdidaktik haben sich die Begriffe Alltagsvorstellungen oder Präkonzepte für diese vorunterrichtlichen Erfahrungen etabliert.

Wer Kindern im Sachunterricht bei der Erschließung ihrer Umwelt Hilfe leisten möchte, benötigt hinreichend zuverlässige Vorstellungen darüber, wie Kinder ihre Umwelt wahrnehmen, was sie davon wahrnehmen und welche Art von Schlüssen sie aus ihren Wahrnehmungen ziehen. (Kahlert, 2009, S.36) Studien haben belegt, dass auch mit Hilfe des naturwissenschaftlichen Unterrichts die bestehenden kindlichen Vorstellungen zu Phänomenen der belebten und unbelebten Natur nicht zu naturwissenschaftlichen Sichtweisen modifiziert werden können. Es werden lediglich Hybride erzeugt, bei denen alte und neue Vorstellungen miteinander verwoben werden (vgl. Duit, 1995, S.910). Die Präkonzepte stehen dabei meist mit verschiedenen Grundannahmen in Verbindung (vgl. Wiesner, 2011, S.34). Dies kann beispielsweise einer „Ansammlung von Vorstellungen und Denkweisen zu physikalischen Begriffen und Phänomenen entsprechen, die die Lernenden aus ihren Alltagserfahrungen gebildet und welche sich im täglichen Gebrauch bewährt haben" (Benesch/Winkler, 2016, Online im Internet). Nach Duit und HÄUßLER „stimmen diese vorunterrichtlichen Vorstellungen mit den zu lernenden naturwissenschaftlichen zumindest in zentralen Aspekten nicht überein" (1997, S. 428). Sie widersprechen häufig den zugrundeliegenden naturwissenschaftlichen Gesetzen, erscheinen den SuS jedoch meist logisch, weshalb man bei dieser Art von Alltagserfahrungen auch von deep structures spricht. „Dabei handelt es sich um stabile, tief in bestehende Strukturen verankerte Vorstellungen, an denen die Schüler beständig festhalten" (Möller, 2010). Sie erweisen sich als resistent gegenüber Veränderungen und können sogar die Wahrnehmung des Kindes, beispielsweise bei der Durchführung von Experimenten, beeinflussen (vgl. ebd.).

Werden Kinder mit einem naturwissenschaftlichen Phänomen konfrontiert und aufgefordert, eine Erklärung zu finden, kommt es nicht selten vor, dass sie spontan, aufgrund von alltagsbasierten Vorstellungen, versuchen, sich den Kontext zu erschließen. Diese Präkonzepte bezeichnet man als Ad- hoc-Vorstellungen (vgl. Wodzinski, 1996). Sie unterscheiden sich wesentlich in der Stabilität von den deep structures, da sie nicht dauerhaft präsent sind, sondern spontan in der Befragungssituation erzeugt wurden (vgl. ebd.).

In Bezug auf die aktuelle Forschung über die Herkunft der Präkonzepte lässt sich zusammenfassen, dass diese sowohl auf der „Basis von Alltagserfahrungen als auch durch Unterricht entstehen können“ (Lange, 2010, Online im Internet). Im Alltag entstehen sie beispielsweise durch den Umgang mit der Natur, durch Sinnes- und Spracherfahrungen, durch Gespräche mit Mitmenschen sowie durch den Medienkonsum (vgl. Lange-Ewerhardy, 2016, S.40). Die in Alltagssituationen konstruierten Präkonzepte sind besonders widerstandsfähig gegenüber herkömmlichen Unterrichtsstrategien und interagieren mit im Unterricht gelehrtem Wissen, sodass es auch zu einer Vielzahl an unbeabsichtigten Lernergebnissen kommen kann (vgl. Wandersee et Al., 1994). Die kindlichen Vorstellungen nehmen demnach nach Lange und Ewerhardy eine doppelte Rolle ein: „Zum einen werden sie als unumgänglicher Ausgangspunkt des Lernens betrachtet, zum anderen bilden sie aber auch die Hauptgruppe der Schwierigkeiten beim Lernen von naturwissenschaftlichen Konzepten und Verfahren“ (2016, S.40).

2.1.2 Forschungsstand zu Präkonzepten zum Interventionsthema „Wasserkreislauf"

Im Bereich des Themengebietes „Wasserkreislauf“, das dieser Interventionsstudie zugrunde liegt, existieren bereits zahlreiche Studien über die Präkonzepte der Kinder. Zusammengefasst zeigen sie im Hinblick auf die Vorerfahrungen der Kinder deutliche Hürden und Verständnisprobleme beim Lernen (z.B. Covitt/ Gunckel/Andersson 2009, Dickerson et al. 2007). Dabei bestehen vor allem inhaltlich Probleme bei der Erkenntnis, dass das Wasser Teil eines dynamischen Systems ist und sich fortwährend innerhalb des Kreislaufes in Bewegung hält, wie Ben-zvi-Assaraf und Orion (2005) in einer quantitativen Fragebogenstudie, kombiniert mit Zeichnungen und nachfolgenden qualitativen Interviews in Israel herausstellen konnten. Das heißt, es konnten selten Verbindungen zwischen den zugehörigen Phänomenen (Verdunstung, Kondensation, Niederschlag und Versickerung) durch die SuS geknüpft werden (vgl. ebd.). Zu ähnlichen Erkenntnissen gelangte auch Wübbeling (2012) in ihrer empirischen Untersuchung mit qualitativen Interviews, in der sie herausstellen konnte, dass lediglich einzelne Komponenten des Wasserkreislaufes den Kindern präsent waren.

Betreffend der kindlichen Vorstellungen zum Verdunstungsphänomen stellten beispielsweise Bar und Galili (1994) sowie Russell, Harlen und Watt (1989) Untersuchungen an. Dabei stellte sich heraus, dass die Kinder dem Wasser einen Ortswechsel zuschreiben, jedoch nicht auf die Änderung der Aggregatzustände hinweisen. So führen sie aus, dass das Wasser verschwinde, oder in den Boden eingesaugt werde. Sie schreiben die Ursache externen Faktoren, wie beispielsweise der Sonne, zu (vgl. ebd.).

Im Bereich der Kondensation untersuchte Wübbeling (2012) die Vorstellungen der Kinder zur Wolkenbildung der dritten Jahrgangsstufe. Dabei wurden Aussagen gesammelt, die beschreiben, dass Wolken Wasser aus der Luft auffangen, Wolken aus bestehenden Gewässern hochziehen oder aus Rauch entstehen würden. In der Jahrgangsstufe 5 konnte Hofbauer (2014) hingegen zeigen, dass die Teilnehmenden in der Lage sind, fachnahe Erklärungen in Bezug auf aufsteigendes Wasser in Form von Wasserdampf, verdunstendem Wasser oder Nebel zu liefern. Dass besonders Kinder im Elementar- und Primarbereich über vielfältige Vorstellungen verfügen, konnten Malleus, Kikas und Marken (2016) in ihrer Interviewstudie herausstellen. Dabei zeigten alle Altersgruppen „alltagsweltliche, synthetische und wissenschaftliche, also fachlich gesehen korrekte Vorstellungen" (Schubert, 2018, S.147). Ferner stellte Alkis (2007) mit Hilfe von Fragebögen heraus, dass eine Vielzahl von SuS Wolken mit Wasserdampf gleichsetzen, beziehungsweise diesen als Bestandteil der Wolken ansehen. „Dies bestätigen auch Keeley, Eberle & Dorsey (2008, S. 159), die zudem anführen [...], dass diese zwar durchaus Verdunstung anführen, allerdings das Konzept von Kondensation nicht mit der Wolkenbildung in Verbindung bringen" (Schubert, 2018, S.146).

Zu den Präkonzepten im Hinblick auf Grundwasser und Quellen wurde in mehreren Studien dargelegt, dass das Grundwasser in keiner Verbindung zum umgebenden Boden oder Gestein gesehen wird. So wurden Aussagen der Kinder ermittelt, die unterirdische Seen, Flüsse oder Höhlen beschreiben (vgl. Ben-zvi-Assaraf/Orion 2005; Gunckel et al. 2012; Reinfried 2006, Reinfried/Tempelmann/Aeschbacher 2012). Die SuS berücksichtigen zwar das Versickern des Wassers („es geht rein", „zieht ein" oder wird vom Boden „eingesaugt"), können jedoch keine Auskunft darüber geben, was anschließend mit dem Wasser im Erdboden passiert (vgl. Wübbeling 2012). „In jedem Fall bestätigt sich, dass das Wasser im Boden als statisch wahrgenommen wird, das Wasser ist halt „weiter unten" bzw. es „bleibt unzugänglich in der Erde" (Schubert, 2018, S.145).

Die Präkonzepte bieten Lehrkräften die Chance, Zugänge für neue Unterrichtsinhalte zu eröffnen, da sie durch die Erhebung lebensweltnahe Bezüge herstellen können. Eine zum Unterricht vorangestellte Erhebung dieser ermöglicht dabei die Planung eines adaptiven Unterrichts, der die Vorerfahrungen der Kinder berücksichtigt, um bestmögliche Lernziele zu erreichen. Sind die Alltagsvorstellungen tief verankert, erfordert es beim Lernprozess einen tiefgreifenden Konzeptwechsel, um ein stabiles Grundgerüst naturwissenschaftlichen Wissens zu bilden. Diese Prozesse bezeichnet man in der Didaktik auch als Conceptual Change (vgl. Kahlert, 2009, S, 194).

2.2 Conceptual Change im naturwissenschaftlichen Sachunterricht

2.2.1 Begriffsklärung des Conceptual Change

Seit den 1980er Jahren beschäftigen sich zahlreiche Forscher mit der Frage, wie ein Wechsel von Präkonzepten hin zu wissenschaftlichen Konzepten gelingen kann. Der Prozess der Veränderung wird als Conceptual Change bezeichnet. „Der Begriff steht für Reorganisation bestehender Wissensstrukturen und Begriffe“ (Lange/Ewerhardy, 2016, S. 42), wird als Konzeptwechsel übersetzt und ist dadurch oft missverständlich. Dabei handelt es sich nämlich nicht um einen Austausch von Wissen, also den eins-zu-eins Wechsel von zweierlei verschiedenen Konzepten, sondern um einen langwierigen Umstrukturierungsprozess, bei dem die Präkonzepte mit dem neu erworbenen Wissen verwoben werden (vgl. Jung, 1993). Aufgrund dieser Gegebenheiten erscheint der Begriff „Konzeptveränderungen“ nach Kornelia Möller (2007) angemessener und wird bevorzugt gebraucht.

Beim Conceptual Change müssen die Lernenden ihre „vorhandenen Wissensstrukturen grundlegend revidieren und neue Strukturen aufbauen, neue Aspekte integrieren oder Strukturen ausdifferenzieren“ (Jonen/Möller/Hardy, 2003, S. 95). Dabei werden die Präkonzepte nicht zwangsweise aufgegeben, sondern um neue Faktoren erweitert, sodass mehrere Vorstellungen unterschiedlicher Status parallel existieren (vgl. Hewson/Hewson, 1992, S. 59 ff.) und diese dann situationsabhängig abgerufen werden können (vgl. Tytler, 1994 in Jonen/Möller/Hardy, 2003, S.95).

Die Wissensaneignung besteht dabei nicht aus einer kumulativen Anhäufung zahlreicher Informationen zu einem Endprodukt, sondern aus der Konstruktion eines neuen Produkts durch die Integration neuer Informationen zu bestehenden Konzepten". (Benesch/Winkler, 2016, Online im Internet)

In Bezug auf die Äquilibrationstheorie nach Piaget, welche die Komplexitätssteigerungen der Wahrnehmung des Handels mit dem Bestreben des Kindes nach Herstellung eines Gleichgewichts zwischen bewährten und neuen Interpretationen der Umwelt beschreibt, lassen sich zwei Arten von Konzeptveränderungen unterscheiden (vgl. Kahlert, 2009, S.58): Zum einen kann es zur Assimilation, also einer Ergänzung bereits vorhandener Vorstellungen um neue Erkenntnisse, kommen. Diese werden in die bereits bestehenden Wissensstrukturen integriert, ohne größere Veränderungen vorzunehmen. Diese Prozesse werden auch als kontinuierliche Lernwege bezeichnet (vgl. ebd.). Ein zweiter Weg des Conceptual Change kann die Akkommodation sein, bei der die nicht belastbaren Konzepte durch die neuen aufgegeben und somit die bestehenden Wissensstrukturen stark verändert werden. Man bezeichnet diese auch als diskontinuierliche Lernwege (vgl. ebd.).

2.2.2 Bedingungen für Konzeptveränderungen bei Kindern

Damit eine Konzeptveränderung vonstattengehen kann, müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein. Hierzu stellen Posner et al. (1982) einige kognitive Bedingungen auf: Zunächst müssen die SuS mit ihren bisherigen Alltagserfahrungen unzufrieden sein, d.h. bestimmte Aspekte ihrer eigenen Erklärungen müssen einen Bruch in ihrer Schlüssigkeit erleben, sodass die Kinder unsicher bezüglich ihrer eigenen Überzeugung werden und diese in Frage stellen. Des Weiteren müssen die naturwissenschaftlichen Vorstellungen, wie sie im Unterricht vermittelt werden, den SuS verständlich und von Beginn an plausibel sein. Hierzu muss der Lerngegenstand didaktisch reduziert und methodisch an die Ausgangslagen der Kinder angepasst werden. Erst wenn sich schlussendlich die neuen Erkenntnisse in ihrer Anwendung auch als fruchtbar erweisen, kann insgesamt eine Konzeptveränderung wirkungsvoll durchlaufen werden (vgl. ebd.).

Die Theorie nach Posner et al. (1982) wurde seit ihrer Veröffentlichung um etliche Faktoren ergänzt. So stellen beispielsweise Pintrich, Marx und Boyle (1993) die Bedeutung motivationspsychologischer Aspekte für den Conceptual Change heraus. Das Interesse für naturwissenschaftliche Phänomene muss dabei grundlegend vorhanden sein, um die nötige Anstrengungsbereitschaft aufbringen zu können, seine eigenen Ideen und Vermutungen zu teilen und anschließend neue Ideen zu akzeptieren und in bestehende Konzepte einzubinden. Darüber hinaus bedienen sich neuere Ansätze auch den sozial-konstruktivistischen Positionen Vygotskys, da bei Konzeptveränderungen individuelle als auch soziale Konstruktionen miteinander in Verbindung stehen (vgl. Lange/Ewerhardy, 2016, S.43). „Tytler (1994) untersuchte Konzeptwechsel bei Grundschulkindern und beschreibt diese als multidimensional" (Jonen/Möller/Hardy, 2003, S.95). Er stellt ferner heraus, dass Conceptual Change­Prozesse durch das Alltagswissen und durch Möglichkeiten der praktischen Anwendung der Konzepte in unterschiedlichen Situationen beeinflusst werden.

2.2.3 Conceptual Change begünstigende Faktoren

Aktuell werden verschiedene Methoden in der Sachunterrichtsdidaktik diskutiert, die den Conceptual Change begünstigen können. Hierzu zählen der parallele Aufbau von Konzepten, die Verwendung von Präkonzepten als Grundpfeiler bzw. Brücken oder das Auslösen von kognitiven Konflikten (vgl. HÄUßLER et al. 1998 in Jonen/Möller/Hardy, 2003, S.95). In jedem Fall werden die Präkonzepte als Ausgangspunkt festgelegt, anhand derer die Lernumgebungen gestaltet werden müssen, um die selbstgesteuerte Entwicklung von Konzepten und deren Anwendung durch die SuS gewährleisten zu können. Die häufigste Anwendung findet die Konfliktstrategie im Sachunterricht. Dabei werden nach der Präkonzepterhebung die SuS mit ihren Fehlvorstellungen konfrontiert, sodass sie die erste Bedingung nach Posner et Al. (1982), nämlich die Unzufriedenheit mit ihren eigenen Vorstellungen, erfahren. Den Kindern wird dabei die Möglichkeit eröffnet, Grenzen ihrer eigenen Vorstellungen zu erkennen und aus ihren Fehlern durch Ursachenforschung, Rückschlüsse ziehen zu können.

Die Aufgabe der Lehrkräfte besteht darin, „die Schüler zu aktivieren, zu eigenen Denkanstrengungen zu ermutigen, sie bei der produktiven überwindung von Schwierigkeiten und Fehlern zu unterstützen, ihnen beim Aufbau einer wohlorganisierten Wissensbasis behilflich zu sein und ihnen notwendige remediale Unterstützung zukommen zu lassen." (Helmke/Weinert, 1997, S.130 f.)

Anhand der Theorien zum Conceptual Change wurden einige Anregungen zur Unterstützung dieser formuliert (z.B. Duit, 1996; DuiT/HÄUßLER, 1997; Dubs, 1997): Es ist zunächst wichtig, bedeutsame Inhalte zu wählen und diese für die Kinder entsprechend ihrer Lernausgangslagen aufzubereiten. Um eine bedeutungsvolle Fragestellung auswählen zu können, sind zwei Perspektiven zu berücksichtigen. Die jeweilige Bezugsdisziplin bestimmt zum einen die Bedeutsamkeit, indem sie naturwissenschaftliche Denk- und Arbeitsweisen aufgreift, Evidenzen schafft, bestimmte Prinzipien zugrunde legt oder zentrale Fragen in den Vordergrund des kindlichen Interesses rückt (vgl. NRC 2007 in Lange/Ewerhardy 2016, S. 44). Andererseits muss das Problem für die SuS selbst bedeutsam sein, indem es für sie verständlich und herausfordernd ist und zudem ihr Interesse weckt. Neugier weckende Faktoren des Unterrichtsgegenstandes resultieren dabei wiederum in situationalem Interesse (vgl. Renninger et Al. 1998). Hierzu eignen sich besonders Phänomene, die die Kinder begeistern, sodass sie implizit motiviert sind, eine Lösung für diese zu finden (vgl. Mandl et Al. 1995).

Um Conceptual Change im Unterricht zu unterstützen, muss dieser erfahrungsorientiert sein. Das heißt, Alltagserfahrungen, Vorstellungen und Vorkenntnisse müssen erhoben und im Unterricht aufgegriffen werden, um ein anschlussfähiges Wissen zu konstruieren. Des Weiteren müssen die Kinder selbst naturwissenschaftliche Methoden, wie das Experimentieren oder Modellieren, erproben können, um selbstgesteuert neue Erkenntnisse zu gewinnen (vgl. Lange/Ewerhardy 2016, S. 44). Dabei sollte genug Raum und Zeit für den ausführlichen sozialen Austausch bereitstehen, um über Erklärungen zu beraten und einen gemeinsamen Lösungsweg auszuhandeln. Die Lernumgebungen sollten ferner so gestaltet sein, dass sie einen Lebensweltbezug aufweisen und den Kindern es ermöglichen, ihr Wissen in variablen Situationen anwenden zu können - dass also verstandene Gesetzmäßigkeiten auch auf andere Phänomene übertragen werden. Während des Unterrichts sollten die Kinder auch immer wieder zum Begründen, Diskutieren, Vergleichen, Anwenden und Zusammenfassen angeregt werden, um naturwissenschaftliche Denk- und Arbeitsweisen zu verinnerlichen und den Unterricht sprachsensibel zu gestalten (vgl. ebd). Dabei müssen Konfrontationen nicht zwangsweise auf die Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden beruhen, da vor allem der Austausch mit anderen Lernenden den Einzelnen herausfordert, sich zu behaupten. Dies kann dazu führen, die eigene Position distanziert zu betrachten und diese gegebenenfalls „zu überdenken, um eine schlüssige Argumentation des eigenen Standpunktes liefern zu können" (Benesch/Winkler, 2016, Online im Internet).

Ein hoher Grad an Selbststeuerung begünstigt weiterhin motivationale Faktoren und ermöglicht indi­viduelle Lernwege. Experimente bilden dabei besonders im naturwissenschaftlichen Unterricht au­thentische Lernsettings.

Die Wirkung von Authentizität auf die Lernenden ist besonders wichtig, da auf diese Weise der Rückbe­zug auf Alltagskontexte als sinnvoll und nützlich erachtet wird und gleichermaßen durch das persönliche Erleben und Analysieren eines bestimmten Sachverhalts anhand der experimentell gewonnenen Ergeb­nisse aus Überzeugung ein Conceptual Change stattfinden kann." (Benesch/Winkler, 2016, Online im Internet)

Hierdurch ergibt sich die Möglichkeit, einen Lebensweltbezug herzustellen, der eine nachhaltige Lern­atmosphäre für die SuS schafft. Inwiefern diese entstehende Lernatmosphäre noch gewinnbringender gestaltet werden kann, und zwar mit Hilfe digitaler Medien, soll die vorliegende Forschungsarbeit im Folgenden zeigen.

2.3 Digitale Medien im Sachunterricht

„Digitale Medien prägen unsere kulturelle, soziale und wirtschaftliche Welt in einem vor wenigen Jahr­zehnten noch nicht vorstellbarem Ausmaß“ (Irion,2016, S.16). Befragt man heutzutage Kinder zu ihrem Mediennutzungsverhalten, dann sind Smartphone, PC und Fernseher kaum noch aus der Lebenswelt wegzudenken (vgl. KIM-Studie 2018, Medienpädagogischer Forschungsverband Südwest). Dabei neh­men die digitalen Medien immer größeren Einfluss auf den Alltag der Menschen. Die heutige Genera­tion ist bereits mit einer Vielzahl von Medien aufgewachsen und kann sich eine Welt ohne diese kaum mehr vorstellen. So kommt es, dass bereits Kinder im Alter von 2-6 Jahren Zugriff auf Tablets und Smartphones haben und diese beispielsweise zum Abspielen von Videos nutzen können (vgl. Kühn/Lampert, 2015). Ob diese Nutzung sinnvoll ist, bleibt zu hinterfragen.

Sicher ist jedoch, dass die Medien auf Grundlage von Verarbeitungsprozessen auf die Kinder wirken (vgl. Irion, 2016, S.17). So zeigen sie beispielsweise bestimmte emotionale Reaktionen auf initiierte Handlungsabläufe (vgl. Gleich, 2007) - sie lachen bei lustigen Szenen oder zeigen ihr Mitgefühl mit den Protagonisten, in denen sie dessen Gefühle nachahmen.

Konstruktivistische Lerntheorien, sowie Mediennutzungsansätze (vgl. bspw. Renckstorf 1977) stellen den Verarbeitungsprozess der gewonnenen Erfahrungen heraus. „Rezipientinnen achten etwa beim Betrachten einer Fernsehsendung auf Aspekte, die für ihren Lebenshorizont als subjektiv bedeutsam bewertet werden“ (Irion, 2016, S. 17). Nach diesem Prinzip integrieren auch Kinder aktiv die neuen Erfahrungen in ihre bestehenden Vorstellungen, indem sie spezifische Interessen (bspw. Erkenntnis oder Unterhaltung) verfolgen. Die Wirkung eines digitalen Mediums ist somit nicht nur vom Inhalt, sondern vom Konsumierenden, seinen Einstellungen und Gefühlen gleichermaßen abhängig. Dabei kann das Verhältnis von Rezipientinnen und Medium als Interaktionsverhältnis angesehen werden.

Da die digitalen Medien einen zentralen Stellenwert in der Lebenswelt der Kinder erreicht haben, müs­sen diese auch einen Platz im Unterricht finden, um angemessene Zugänge zu schaffen und an den Alltagserfahrungen der Kinder anknüpfen zu können. Dabei müssen sowohl Gefahren und Risiken als auch positive Nutzungsmöglichkeiten und der kompetente Umgang mit den Endgeräten thematisiert werden. Schorb (1998) unterscheidet dabei drei medienpädagogische Grundrichtungen:

Die normative Medienpädagogik soll die SuS einerseits vor den Gefahren schützen, sie andererseits aber an „gute" Medienprodukte heranführen. Im Bereich der Mediendidaktik sollen die digitalen Me­dien Lehr- und Lernprozesse unterstützen, indem sie sinnvoll in den Unterricht integriert und für die Kinder nutzbar gemacht werden. Die reflexiv-kritische Medienpädagogik beinhaltet das kritische Hin­terfragen der Mediennutzung und mögliche Ansätze zur Veränderung des eigenen Umgangs mit die­sen.

Ausgehend von der Mediatisierung der Kindheit (vgl. Tillmann/Hugger, 2014) entwickelte die Kultus­ministerkonferenz im Jahre 2012 einen Vorschlag zur digitalen Bildung, um „Medienbildung als Pflicht­aufgabe schulischer Bildung nachhaltig zu verankern, sowie den Schulen und Lehrkräften Orientierung für die Medienbildung in Erziehung und Unterricht zu geben" (Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, 2012, S.3). Ferner wurde das Hervorheben des „didak­tisch-methodischen Gebrauchs neuer Medien und deren Chancen für die Gestaltung individueller und institutioneller Lehr-Lernprozesse" (ebd.) gefordert. Dabei ist „die Medienbildung ein dauerhafter, pä­dagogisch strukturierter und begleiteter Prozess der konstruktiven und kritischen Auseinandersetzung mit der Medienwelt" (ebd.). Betont wird durch die Kultusministerkonferenz besonders die Themati­sierung und Vermittlung der Medienkompetenz mit Beginn der Primarstufe bis hin zur Sekundarstufe, wenngleich der Prozess der Medienbildung nach der schulischen Laufbahn noch nicht abgeschlossen sei. Es sei Aufgabe der Schule, einen Grundstein in Bezug auf den kompetenten Umgang mit digitalen Medien zu legen, deren Chancen und Risiken herauszustellen und diese sinnvoll in Lehr-Lernarrange­ments zu integrieren, um so der Lebenswelt der Kinder gerecht zu werden (vgl. Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, 2012, S.3).

Dabei werde vor allem die digitale Bildung durch „spielerisches und probierendes Handeln im Elemen­tarbereich vorbereitet, erhält durch die Auseinandersetzung mit Inhalten [...] in der Primarstufe eine erste Basis und wird durch systematisches Lernen im Sekundarbereich fortgeführt" (GDSU, 2013, S.63). Aufgabe der Grundschule ist laut der GDSU dabei, „entwicklungsangemessene Kompetenzen im Um­gang mit Medien" (vgl. ebd.) in schulischen wie auch in außerschulischen Lernarrangements aufzu­bauen. Mit dieser Zielstellung wird ebenso „das Kernanliegen des Sachunterrichts - die natürliche, so­ziale und technische Umwelt zu erschließen" (vgl. ebd. S.83) - durch den Aspekt der medialen Bildung umgesetzt. In der vorliegenden Interventionsstudie soll nach diesem Ansatz das Tablet als Hilfsmittel zur Erstellung eines Erklärvideos genutzt werden, um diese Zielstellungen zu erreichen. Welche Chan­cen der Einsatz von Videos im schulischen Kontext bieten kann und warum ausgerechnet diese als digitales Medium eingesetzt werden sollten, wird im nächsten Unterkapitel erläutert.

2.4 Videos im 21.Jahrhundert

2.4.1 Aktuelle Entwicklung

Aktuell beruht der Großteil des „heutigen Internet-Traffics auf Videos". Auf der Plattform Youtube werden beispielsweise täglich Videos mit einer Gesamtdauer von einer Milliarde Stunden konsumiert (vgl. Youtube-Press, 2017). Zum Vergleich - 5 Jahre zuvor waren es noch 3 Milliarden Stunden täglich (vgl. Becher, 2012, S.5). Digitale Medien und der Streaming-Hype werden immer populärer und sprechen bereits die Kleinsten der Gesellschaft an. Das Besondere an den hiesigen Streamingdiensten wie Youtube, Myvideo oder Instagram ist dabei, dass die Rezipientinnen nicht nur konsumieren, sondern meist selbst Inhalte produzieren und auf den Plattformen präsentieren. Dafür bedarf es heutzutage keiner grundständigen Ausbildung zum Filmmacher mehr, sondern lediglich eines mobilen Endgerätes mit einer gängigen Kamera, um kurze Videos zu erstellen. Diese stehen mittlerweile zu großen Teilen schon Kindern und Jugendlichen zur Verfügung und wecken in dieser Zielgruppe besonderes Interesse (vgl. KIM-Studie 2018, Medienpädagogischer Forschungsverband Südwest).

Wenngleich nicht alle Mitglieder der Streaming-Dienste eigene Inhalte hochladen, suchen dennoch viele vor allem nach einer bestimmten Gattung der Videos: den Erklärvideos. Eine Statistik von Google Trends gibt Auskunft darüber, dass der Suchbegriff „Erklärvideo" in den vergangenen Jahren einen Anstieg um 20% erfuhr (vgl. Simschek/Kia 2017, S.17). Das Erklärvideo boomt (vgl. ebd.), da es komplexe Sachverhalte schnell und leicht verständlich darbietet. In der Bremer Video-Studie von 2012 gaben fast alle Befragten lernrelevante Videointeressen an (vgl. Rummler/Wolf, 2012). Mehr als die Hälfte der Teilnehmenden suchte bereits gezielt nach Videos, um darin dargestellte Handlungsabläufe nachzustellen oder mit Hilfe derer zu üben. Dabei nutzten 60 Prozent diese zur Vorbereitung auf Leistungskontrollen oder Referate (vgl. ebd.). In einer ARD/ZDF Online-Studie konnten außerdem Busemann und Gscheidle (2012, Online im Internet) herausstellen, dass 26% der Jugendlichen Anleitungsvideos zusätzlich zum Fernsehkonsum schauen (vgl. Wedler/Karrie, 2018, Online im Internet). „Die Bedeutung solcher Videos beschreibt auch Rummler (2017, S. 170), der Online-Videos als das aktuelle Leitmedium versteht, durch welches ein neuer Kulturraum (Marotzki et al. 2000) definiert wird" (Wedler/Karrie, 2018, Online im Internet). Begründet werden kann dies vor allem mit der Vielfältigkeit methodisch-didaktischer Einsatzmöglichkeiten der Erklärvideos. Ergänzend zum „Unterhaltungszweck nutzen Jugendliche die Online-Videos als Teil der Digital Natives (Prensky 2001)" (Wedler/Karrie, 2018, Online im Internet) ebenfalls zur Eigenbildung (vgl. Rummler, 2017, S. 174). Demnach sind Erklärvideos im Bildungssektor auf unterschiedlichen Ebenen als anschlussfähig zu betrachten und das Ignorieren dieser stark verwerflich. Die didaktischen Stärken des Videos sollen in einem kurzen Abriss im nächsten Unterkapitel herausgestellt werden.

2.4.2 Das Video als didaktisches Medium

Erklärvideos sind kurze Clips mit einer Laufzeit von etwa 2-5 Minuten, die einen komplexen Sachverhalt didaktisch reduziert einfach vermitteln. Der Begriff wird synonym zu Lernvideos verwendet (vgl. Arnold/Zech, 2019, S.9) und erfährt immer größerer Beliebtheit im Bildungssektor. Sie sind bezogen auf den Stil „generisch offen“ (vgl. ebd.): sowohl in der Legetechnik, Screencasts, Motion-Graphics, oder auch in einer Stop-Motion-Animation kann das Erklärvideo zahlreiche Formen annehmen. Bei der Vielzahl an Möglichkeiten seien an dieser Stelle nur diese beispielhaft genannt. In der vorliegenden Studie wird die Stop-Motion-Animation zur Anwendung kommen, dazu wird in folgenden Kapiteln vertieft eingegangen. Die Erklärvideos bedienen sich meist einfachen, nicht wissenschaftlichen Erklärungsmustern, um komplexe Zusammenhänge deutlich zu machen. Durch einen einfachen Satzbau und den Verzicht auf gehobene Sprache wird die Merkfähigkeit durch die subjektive Beteiligung der RezipientInnen gefördert. Im Unterschied zum Unterrichtsfilm überzeugt das Erklärvideo durch seine Kürze und Interaktivität: „Es erklärt, leitet an, ruft aber zur Eigenhandlung auf“ (vgl. ebd. S.10). Dabei orientiert es sich mit Storytelling-Elementen emotional am Bedürfnis der KonsumentInnen. Durch den Alltagsbezug, in den die Inhalte integriert werden, wird zudem eine höhere Identifikation gewährleistet (vgl. Simschek/Kia 2017, S.20).

Im didaktischen Zusammenhang werden Erklärvideos zur Vermittlung neuer Inhalte, sowie zur Festigung bereits erlernten Wissens verwendet. Häufig wird es in ersterem Zusammenhang genutzt, bei dem sowohl orientierungs-, als auch tiefgründiges Wissen durch die RezipientInnen angeeignet werden soll. Videosequenzen werden dabei zunehmend Teil multimedialer Lernumgebungen, da sie vor allem komplexe Zusammenhänge kurz und prägnant und didaktisch reduziert darstellen (vgl. Niegemann et al., 2004, S. 153). Das Video kann als „elektronisch vermittelte bzw. gespeicherte (Ton-) Filmaufnahme“ (ebd.) definiert werden, die sich „als eine Reihe von Einzelbildern, die so schnell hintereinander aufgezeichnet bzw. abgespielt werden, dass sie den Eindruck fließender Bewegung erzeugt“ (Petko, 2014, S.62), versteht. Die spezifische Bedeutung des Wortes „Video“ bezieht sich dabei primär auf die fotografisch produzierten Bewegtbilder (vgl. ebd.). Davon abzutrennen sind Animationen, in die „zeichnerische, gegenständliche oder computergenerierte Objekte“ (ebd.) durch Animationssoftware in filmische Bewegung umgesetzt werden.

Lernchancen ergeben sich dabei beispielsweise über die Multisensualität. Durch die Vereinigung von Text, Bild, Bewegtbild, Stimme, Sound und Musik erzielt das Erklärvideo Emergenzeffekte (vgl. Frederking 2013, S. 549). Daraus resultiert eine hohe Anschaulichkeit, mit Hilfe derer mehrere Sinne gleichzeitig angesprochen werden können. Der Konsumierende kann sich besser orientieren und gewinnt einen schnelleren Überblick über das Thema.

Im Zuge der doppelten Kodierung werden dabei die Bilder im Gegensatz zu Wörtern besser behalten und erinnert - allerdings geschieht dies selbst bei einer attraktiven und aufmerksamkeitserregenden Informationspräsentation nicht immer automatisch (vgl. Kerres 2005, S. 158; vgl. Frühauf 2011, S . 61). (ULlmann, 2018, Online im Internet).

Wichtiger ist jedoch auch der Sprechtext, der das zu vermittelnde Wissen beinhaltet und über den auditiv-verbalen Kanal verarbeitet wird. Beide Teile verhindern in der Komposition den split attention effect, da sowohl Bild und Ton synchron ablaufen und nicht getrennt voneinander wahrgenommen werden. Außerdem zeigen Studien, dass der Einsatz von gesprochenen Texten die Aufmerksamkeit, das Aktivierungsniveau sowie das Sehverhalten des Betrachtenden (vgl. Niegemann et al., 2008, S.196; vgl. Frühauf ,2011, S. 95) beeinflusst. Erklärfilme sind darüber hinaus immer an eine bestimmte Zeit gebunden. Im Gegensatz zum Textmedium kann der Ablauf nur durch das Pausieren unterbrochen werden. Dies ermöglicht die beliebige Wiederholbarkeit des Inhaltes durch mehrfaches Vor- oder Zurückspulen. So können Rezipientinnen ihr Lerntempo selbst bestimmen. Dadurch wird es für den Unterricht nachhaltiger und ist zudem über Internetportale und Streamingdienste leicht zugänglich. Durch die Interaktion können nach Tulodziecki und Herzig (2009) „[...] flexiblere und wirkungsvollere Lehr- und Lernverfahren [...]" entstehen. Das Video ist demnach auch unterhaltsamer und merkfähiger als das Lernen durch Lesen (vgl. Lambert, 2012, S. 78).

Auch im Unterricht zeigt das Lernen mit Hilfe von Videos Stärken auf. Dabei konnten sich Erklärvideos in der TIMSS und den PISA-Studien vor allem als „wertvolle Hilfsmittel” erweisen (vgl. Stadler, 2005, Online im Internet). Der Einsatz von Videos ermöglicht dabei für beide Parteien, sowohl Lehrende als auch Lernende, einen anderen Blick auf die Dinge. Es bietet Anknüpfungspunkte zur Anschlusskommunikation in Form von gewinnbringenden Diskussionen. Durch aufkommende Fragen wird die soziale Interaktion angeregt - das wiederum kann zu einem besseren Verständnis beitragen. Des Weiteren erlauben die „illustrierten Informationsbausteine einen eigenständigen gezielten und medial unterstützten Wissenserwerb" (Gervé, 2003, S. 204). Das bedeutet, dass der Lerngegenstand unterstützend durch das Medium schrittweise und eigenständig erarbeitet werden kann. Dass Erklärvideos für den Unterricht nutzbar werden, ist im Wesentlichen von den allgemeinen Gütekriterien für Medien und Materialien im Sachunterricht abhängig. Dabei muss das Medium an die Vorerfahrungen der SuS anknüpfen und Raum für die Erweiterung von Handlungsmöglichkeiten bereitstellen. Als wesentliches Merkmal ist ebenso die Förderung zur Medienkompetenz zu berücksichtigen (vgl. ebd.). Dabei kann der Lerngegenstand mit Hilfe des Videos durch die Eröffnung eines neuen Zugangs vorbereitet und intensiviert werden. Dadurch werden auch die Grenzen des Mediums offengelegt. Außerdem muss der Lernende unter Zuhilfenahme des Mediums unterstützt werden, Wissen zu konstruieren und eine breite Vernetzung von Wissensstrukturen vornehmen zu können. Dies geschieht vor allem dann, wenn exemplarische Deutungsmuster geliefert werden und der Sachinhalt selbst und nicht das Medium an sich im Mittelpunkt stehen (vgl. Gervé, 2003, S.209).

2.4.3 Aktueller Forschungsstand zu Erklärvideos

Wissenschaftliche Studien zu Erklär- und Anleitungsvideos existieren seit 2006 (vgl. Kay, 2014, S.22). In bisherigen Forschungsarbeiten konnte nachgewiesen werden, dass Lernvideos für Lernende motivie­rend (vgl. Hill/Nelson 2011), praktisch, hilfreich und effektiv hinsichtlich der Lernverbesserung wirken (vgl. Holbrook/Dupont, 2011). Vor allem Studierende schätzen besonders die Kontrolle darüber, wann und wo sie lernen (vgl. Hill/Nelson 2011, Jarvis/Dickie 2010), was sie lernen sollten (vgl. Holbrook/Du­pont 2011) und die Geschwindigkeit des Lernens (vgl. Chester et al. 2011). Darüber hinaus konnte ein positiver Zusammenhang zwischen Lernvideos und Testergebnissen (vgl. Traphagan et al. 2010, Crip- pen/Earl 2004) und auch Zensuren (vgl. Vajoczki et al. 2010, Wieling/Hofmann 2010) festgestellt wer­den. Ungeklärt ist jedoch, in welcher Abhängigkeit diese Effekte stehen (vgl. Fiorella/Mayer, 2018; Kay, 2012).

Inwiefern die Bildungsfilme sich als effektiv in der Wissensvermittlung erweisen, kann bisher nicht pau­schal beantwortet werden. Dabei gibt es kaum Untersuchungen, die herkömmlichen Unterricht mit dem Einsatz von Erklärvideos in den Vergleich stellen.

Eine Studie von 2007 kam zu dem Ergebnis: „Wird ein Film jedoch zusammen mit dem Unterricht durch einen Lehrer kombiniert, kommt es zu einem höheren Wissenszuwachs im Vergleich zum Unterricht oder Film allein, auch dann, wenn der Film wiederholt gezeigt wird" (vgl.NiEDiNG et al. , 2015, S. 150; vgl. Michel et al. , 2007, S.172 ff. zitiert nach Ullmann, 2018, Online im Internet).

Daraus lässt sich ableiten, dass das Erklärvideo keineswegs herkömmlichen Unterricht ersetzt, sondern als Hilfsmittel angesehen werden kann. Die beschriebenen Studien stützen sich dabei auf den Einsatz des Erklärvideos als Rezeptionsmedium. Das heißt, die hierdurch gewonnenen Erkenntnisse beschrän­ken sich lediglich auf den Konsum des Erklärvideos durch die SuS.

3 Ableitung der Fragestellung und möglicher Hypothesen

Aufgrund der aktuellen Forschungslage, in der Erklärvideos größtenteils als Hilfsmittel im Unterricht und in Bezug auf die Lernerfolge durch den Konsum derer analysiert wurden, stellt sich die Frage, wel­chen Einfluss die Erklärvideos auf die Lernenden nehmen, wenn diese selbst in die Rolle der Produzie­renden schlüpfen. Die empirische Studie vereint dabei sachunterrichtsdidaktische mit bildungswissen­schaftlichen Aspekten. Es soll davon ausgegangen werden, dass die SuS die Methode als metakognitive Lernstrategie, die die Planung, Überwachung, Regulation und Bewertung des eigenen Lernprozesses vereint, im Unterricht anwenden, um eine bestehende Konzeptveränderung zu beeinflussen. Lernstra­tegien werden dabei „(...) als Gedanken und Handlungsweisen des Lernenden zur Gestaltung des Lern­prozesses und Erreichung der Lernziele bezeichnet, wobei diese Gedanken und Handlungsweisen ge­wollt, gelenkt - d. h. situationsgerecht - und gekonnt eingesetzt werden“ (Mandl/ Kopp, 2006, S. 1) bezeichnet. Es kann davon ausgegangen werden, dass es sich um Sequenzen von Handlungen handelt, die dazu beitragen, dass ein bestimmtes Lernziel erlangt wird. Die Strategien können dabei flexibel und situationsangemessen eingesetzt werden und „bilden eine Kombination von Lerntechniken, die zu­sammen einen Plan zur Lösung eines Problems in einem spezifischen Handlungskontext bzw. einem Situationstyp (z.B. Mediennutzung) ergeben“ (ebd. S.13).

Zur Klärung der Fragestellung wurde eine Interventionsstudie im Längsschnitt erstellt, die in vier Messzeitpunkten aufzeigen soll, inwiefern ein Conceptual Change durch den Einsatz der Videoerstellung als Lernstrategie beeinflusst werden kann - positiv oder negativ. Hierzu wurden drei Interventionsphasen konzipiert, die aufeinander aufbauend dazu beitragen sollen, ein wissenschaftliches Grundgerüst für den Lerngegenstand des Wasserkreislaufes aufzubauen. Ausgehend von den Erkenntnissen zu Conceptual Change begünstigenden Faktoren, Methoden und Techniken wurden im Vorfeld zwei Methoden eruiert, die sicherstellen sollen, dass eine Konzeptveränderung vorliegt, die dann durch den Einsatz der Videoerstellung beeinflusst werden kann. Die Verlaufsplanungen zu den Interventionen liegen auf dem digitalen Datenträger vor. In folgender Abbildung wird eine chronologische Auflistung der Interventionsphasen und Messzeitpunkte dargestellt, die einen Überblick über den Verlauf der Untersuchung geben soll.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Untersuchungsverlauf chronologisch Die Untersuchung beschäftigt sich dabei mit vier Thesen, die sowohl bereits erforschte Sachverhalte als auch neue Aspekte betrachtet. Da die Interventionen auf Grundlage der aktuellen Forschung konzipiert wurden, müssen diese Aspekte vor dem Kontext der Untersuchung individuell betrachtet und für die Stichprobe im Speziellen ausgewertet werden.

Ausgehend von den Erkenntnissen der aktuellen Forschung, dass sich Experimente und deren gemeinsame Reflexion zur Konzeptveränderungen anbieten, soll diese Annahme für die vorliegende Stichprobe untersucht und die Hypothese H1 geklärt werden:

These H1: Durch die Anwendung der Aufbaustrategie mit Hilfe naturwissenschaftlicher Versuche entsteht eine erste Stufe der Konzeptveränderung bei den untersuchten Kindern.

Im Anschluss daran soll der Umstrukturierungsprozess, als den man den Conceptual Change auch bezeichnen kann, weiter durch das naturwissenschaftliche Modellieren unterstützt werden. Da dieser Methode nachgesagt wird, dass durch sie das im Unterricht vermittelte Wissen verstärkt werden kann, wird in der Hypothese 2 davon ausgegangen, dass hierdurch der bestehende Prozess der Konzeptveränderung weiter gefestigt wird:

These H2: Nach der Intervention des naturwissenschaftlichen Modellierens ist der Konzeptwandel so gefestigt, dass die ProbandInnen das angeeignete Wissen in 50% der Fälle richtig anwenden.

Im Falle der Feststellung des Umstrukturierungsprozesses während dieser beiden Phasen, kann auf Grundlage dessen der Einfluss der Erstellung der Erklärvideos durch die Lernenden untersucht werden. Aufgrund der Ergebnisse der lernpsychologischen Forschung, die einen positiven Einfluss von metakognitiven Lernstrategien auf Lernerfolge nachweisen, soll im nächsten Schritt der These 3 nachgegangen werden:

These H3: Das Erklärvideo nimmt als metakognitive Lernstrategie positiven Einfluss auf die Conceptual Change Prozesse der ProbandInnen.

Um letztendlich Faktoren herauszustellen, die den Effekt der Anwendung dieser Lernstrategie in Bezug auf die Erstellung der Erklärvideos beeinflusst haben könnten, soll in Anlehnung an die Bedingungen für den Conceptual Change die Rahmenkonzepte untersucht werden. Dabei rückt die nachfolgende These in den Vordergrund:

H4: Die Faktoren, die im Allgemeinen Conceptual-Change-Prozesse bedingen, tragen im Wesentlichen dazu bei, dass die Methode Erklärvideo als Lernstrategie die Konzeptveränderung begünstigt.

Im Folgenden sollen die Methoden, bzw. Messinstrumente zur Klärung der Hypothesen und Beantwortung der Forschungsfrage vorgestellt werden.

4 Methode

4.1 Erhebungsinstrumente

Für die Beantwortung der Forschungsfrage und der aufgestellten Hypothesen war es zunächst notwendig, ein Untersuchungsdesign auszuarbeiten, das sowohl den Anforderungen dieser gerecht wird, jedoch ein zu überwältigendes Ausmaß nicht überschreitet. Die in den Hypothesen aufgestellten Ansprüche auf die Erforschung des Gegenstandes nahmen dabei maßgeblich Einfluss auf die Planung der Untersuchung.

Zur Beantwortung der H1 wurde zunächst eine Präkonzepterhebung nach dem Beispiel von Russel, Harlen & Watt (1989) eine offene Fragestellung zu den Phänomenen der Verdunstung, Kondensation und Versickerung angesetzt. Hierzu sollten die ProbandInnen Erklärungen für folgende Fragestellung notieren:

- Was ist mit den Pfützen auf dem Schulhof passiert?
- Wie entstehen Wolken?
- Was passiert mit dem Regenwasser, wenn es auf den Erdboden fällt?

Dazu wurde ein Arbeitsblatt vorbereitet, auf dem die Fragestellung abgebildet war. Auf selbigen standen zwei Antwortformate zur Wahl: zum einen Zeilen zur schriftlichen Formulierung der Gedanken, zum anderen ein weißes Feld zur zeichnerischen Lösung (siehe Anhang, Abb. 14-16).

Um den Einfluss der ersten Interventionsphase auf die Vorerfahrungen untersuchen zu können, wurde die gleiche Fragestellung nach erfolgreicher Beendigung dieser erneut gestellt, um die Aussagen der SuS vor- und nach dem Einsatz der Methode zu vergleichen und um Aussagen über eine mögliche Konzeptveränderung treffen zu können. Beide Datensätze sollten anschließend miteinander verglichen und mögliche Veränderungen in den Ausführungen der einzelnen ProbandInnen sichtbar gemacht werden, um mit Hilfe der erzielten Ergebnisse Rückschlüsse auf die Konzeptveränderungen ziehen zu können.

Im Zusammenspiel der beiden Interventionsphasen, die sich nach aktueller Forschung zur Unterstützung von Conceptual Change erwiesen haben, wurde ein Prätest konzipiert, der den Wissensstand der Teilnehmenden nach diesen erheben und die H2 klären sollte. Hierfür wurden 10 Fragen ausgewählt, die im Multiple-Choice-Antwortformat beantwortet werden sollten. Dabei handelte es sich um Fragen zu den Einzelphänomenen des Wasserkreislaufes (Verdunstung, Kondensation, Niederschlag und Versickerung) (siehe Anhang, Abb. 17/18).

Da sich die zentrale Fragestellung des Forschungsvorhabens auf den Einsatz eines Erklärvideos als Lernstrategie richtet, sollte in diesem Zusammenhang in Erfahrung gebracht werden, inwiefern das Wissen aus den Interventionen zum betreffenden Lerngegenstand des Wasserkreislaufes verinnerlicht wurde. Hierfür dienten geschlossene Fragen, die nach der anstehenden Intervention der Erklärvideo­Erstellung einen Vergleich im Hinblick des Wissenszuwachses statuieren sollten. Um die Ergebnisse aus den vorhergehenden Erhebungsmethoden zu berücksichtigen, mussten die Antworten aus der Präkonzepterhebung der ProbandInnen in den Antwortkatalog aufgenommen werden, um so eine auftretende Konzeptveränderung herausstellen zu können. Die Ergebnisse sollten statistisch ausgewertet werden. Dabei galt es sowohl die Einzel-, als auch die Gesamtergebnisse für einen späteren Vergleich mit dem Posttest offenzulegen. Die Analyse der individuellen Leistungen stand dabei im besonderen Fokus, da es sich beim Conceptual Change um einen individuellen Prozess handelt, der von unterschiedlichen Faktoren, und hierzu zählen auch vor allem Persönlichkeitsmerkmale, abhängig ist.

Zur Klärung der H3 sollte dann der Posttest angesetzt werden, der nach der Intervention der Erstellung der Erklärvideos durchzuführen war. Der Test war identisch zum Prätest (siehe Anhang, Abb. 14-16) und sollte dem geschuldet, eine aussagekräftige Antwort auf die Fragestellung geben können. Auch bei dessen Auswertung wurde das Programm IBM SPSS zur quantitativen Datenanalyse genutzt, um Erkenntnisse in Bezug auf die Häufigkeit und Verteilung der einzelnen Antworten zu erhalten. Ebenfalls wie im Prätest wurde die Auswertung sowohl für jeden Teilnehmenden als auch für die Gesamtstichprobe vorgenommen.

Mit Vorlage der Ergebnisse aus dem Posttest mussten anschließend die Daten aus Prä-/ und Posttest verglichen, sowie Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausgestellt werden. Dies sollte das Finden einer Antwort zur Klärung der H3 gewährleisten.

Zur Überprüfung der letzten These wurden zwei weitere standardisierte Fragebögen entwickelt, die den Einfluss der Rahmenkonzepte (Motivation, soziales Konstrukt, Einstellungen zum Fach) untersuchen sollten, um die gewonnenen Erkenntnisse aus der H3 erklären zu können. Der erste Fragebogen, der gemeinsam mit dem Prätest durch die ProbandInnen bearbeitet wurde, enthielt Fragen zum persönlichen Bezug zum Fach Sachunterricht (siehe Anhang, Abb.19). Dabei ging es vor allem um das Interesse für naturwissenschaftliche Themen und das Lernen in der naturwissenschaftlichen Perspektive des Sachunterrichtes. Ferner wurden zwei Fragen zum Konsumverhalten der ProbandInnen bezogen auf Erklärvideos gestellt, um in Erfahrung zu bringen, inwiefern diese mit dem Aufbau und Zweck dieser vertraut waren. Davon ausgehend sollten Rückschlüsse auf die Instruktion zur Videoproduktion gezogen und diese adaptiert werden.

Der zweite Fragebogen wurde gemeinsam mit dem Posttest herausgegeben und enthielt spezifische Fragen zur Videoerstellung (siehe Anhang, Abb.20). Hierbei lag der Fokus vor allem auf der Motivation, dem sozialen Konstrukt sowie der Rahmenkonzepte (Lehrerinstruktion, Hilfsmittel, Organisation, Umgang mit digitalem Medium).

Während der erste Fragebogen Ergebnisse liefern sollte, die für die Planung der Interventionen bedeutsam war, konnte der zweite Fragebogen zur Stellungnahme bezüglich der H4 herangezogen werden. Beide Fragebögen stellten als Antwortformat eine 5-stellige Likert-Skala zur Verfügung, um möglichst genaue Aussagen der ProbandInnen zu erhalten. Zur Auswertung wurde ebenfalls IBM SPSS genutzt, um Häufigkeiten darzustellen und die Daten statistisch auszuwerten.

4.2 Stichprobe

Die Interventionsstudie im Prä-/Post-Design wurde an einer thüringischen Grundschule durchgeführt. Es bot sich die Wahl dieses Standortes an, da ich selbst als Vertretungslehrerin an dieser Schule tätig bin und die teilnehmende Klasse eigenständig leite. Anders, als vor dem Beginn der Studie angenommen, konnte die Untersuchung nur in einer Klasse durchgeführt werden, da aufgrund des Lehrermangels die zwei dritten Klassen zusammengelegt werden mussten.

Die Fachklasse besteht aus 35 SuS unterschiedlicher Leistungsniveaus. Die Erhebungen wurden mit allen Kindern durchgeführt, da kein zweiter Fachlehrender zur Betreuung einer Halbgruppe zur Verfügung stand. Aus den Datensätzen zu je 35 Stück, wurde eine zufällige Stichprobe von 6 Teilnehmenden zur Analyse gezogen. Hierfür wurde eine Lostrommel vorbereitet, in der alle Namen der SuS vorhanden waren. Das Kind, welches den Klassendienst der „helfenden Hand“ ausübte, zog aus der Trommel 6 Zettel und übergab sie der Lehrkraft. Die Namen wurden im Plenum nicht bekanntgegeben. Aus der Stichprobenziehung wurden je 3 Jungen und Mädchen ermittelt, die sich im durchschnittlichen Leistungsbereich befinden. Keines der Kinder wird durch einen pädagogischen Entwicklungsplan gefördert. Lediglich der Proband W5 weist eine Beeinträchtigung im sozial­emotionalen Bereich auf und wird psychologisch betreut.

Im Vorfeld an die Untersuchung wurde bereits das Themengebiet Wetter behandelt, sowie eine Experimentierreihe zum Thema Zustandsänderungen des Wassers durchgeführt. Der Wasserkreislauf wurde als Abschluss dieser Unterrichtseinheit geplant.

Die Interventionen fanden im Klassenraum immer freitags von 8.20 - 9.50 Uhr statt. Die Erstellung der Erklärvideos wurde am Dienstag, den 21.01.2020 von 8.20 - 13.05 Uhr als Projekt durchgeführt. Da an diesem Tag die Hälfte der Klasse zum Projekt „Naschen“ eingeteilt war, bot sich der Termin in verkleinerter Konstellation an.

Um die aus der Studie gewonnenen Daten nutzen zu können, wurde zuvor eine Einverständniserklärung (siehe Anhang, Abb.21) für die Eltern zur Unterzeichnung herausgegeben. Für die verwendete Stichprobe liegen diese positiv vor.

[...]

Ende der Leseprobe aus 79 Seiten

Details

Titel
Erklärvideos bei Conceptual Change Prozessen im Unterricht. Das Unterrichtsbeispiel des Wasserkreislaufs in der dritten Klasse
Hochschule
Universität Leipzig
Note
1,5
Autor
Jahr
2020
Seiten
79
Katalognummer
V924090
ISBN (eBook)
9783346260918
ISBN (Buch)
9783346260925
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sachunterricht, Erklärvideos, Conceptual Change, Grundschuldidaktik, Wasserkreislauf
Arbeit zitieren
Michelle Beyer (Autor:in), 2020, Erklärvideos bei Conceptual Change Prozessen im Unterricht. Das Unterrichtsbeispiel des Wasserkreislaufs in der dritten Klasse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/924090

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