Die FDP zwischen Existenzangst und Regierungsverantwortung

Wurzeln, Herausforderungen und Perspektiven der deutschen Liberalen


Hausarbeit, 2005

20 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Exposition und Fragestellung

2. Geschichte und geistige Grundlagen der Liberalen
a) John Locke
b) Der deutsche Liberalismus bis 1848
c) Die Reichsgründung von 1871

3. Herausforderungen der FDP
a) Sozialprofil und gesellschaftliche Verankerung
b) Koalitionsaussage vs. koalitionspolitische Offenheit
c) Mangel an Profil?

4.) Perspektiven
a) Politisch-philosophischer Diskurs: Kommunitarismus?
b) Liberale Grundwerte vs. einseitiger Wirtschaftsliberalismus

5.) Schlussbemerkungen

6.) Abkürzungsverzeichnis

7.) Literaturverzeichnis

1. Exposition und Fragestellung

Keine Partei der Bundesrepublik Deutschland war so lange an der Regierung beteiligt wie die FDP, nämlich 40 Jahre von 56 Jahren Bundesrepublik (Alemann 2003: Abb. 10, S. 42). Und auch schon ihre Vorgänger der Weimarer Republik, die „rechtsliberale“ DVP und die „linksliberale“ DDP waren, außer der SPD-Zentrum-Regierung unter Gustav Bauer (SPD) und der Zeit der Präsidialkabinette, an jeder Regierung beteiligt (Lösche 1996: 14; Alemann 2003: Abb. 9, S. 37). Doch woher stammt die FDP und welche Ansichten vertritt sie?

Ich werde zunächst auf Geschichte und Philosophie des Liberalismus eingehen. Dabei betrachte ich den liberalen Vordenker John Locke ebenso wie das Verhalten der Liberalen während der Zeit des Deutschen Bundes und der März-Revolution sowie der Reichsgründung durch Bismarck. Im weiteren Verlauf werde ich die aktuellen Herausforderungen an die Freidemokraten analysieren und dabei auf ihre gesellschaftliche Stellung, koalitionspolitisches Handeln sowie auf ihr in der Öffentlichkeit wahrgenommenes Profil eingehen. Zuletzt werde ich Chancen und Perspektiven für die Partei aufzeigen und versuchen einen kurzen Ausblick zu geben.

2. Geschichte und geistige Grundlagen der Liberalen

a) John Locke

Der Engländer John Locke (1632-1704) gilt als der liberale Vertragstheoretiker. Sein Werk „Zwei Abhandlungen über die Regierung“, 1690 erschienen, hatte nachhaltigen Einfluss auf die bürgerliche Freiheitsbewegung, die Französische Revolution und die Amerikanische Unabhängigkeitserklärung. Locke folgt in seiner Staatstheorie der Vertragstheorie von Thomas Hobbes (1588-1679), nach der der Staat aus einem hypothetischen herrschaftsfreien Naturzustand durch den Vertragsschluss eines jeden mit einem jeden entsteht. Dieser Naturzustand ist ein „Zustand vollkommener Freiheit“, d.h. seine Bewohner sind „innerhalb der Grenzen des Gesetzes der Natur“ an keinerlei Vorschriften gebunden und sind nicht vom Willen anderer abhängig (Locke 1977: 201). Trotzdem ist dieser Zustand „kein Zustand der Zügellosigkeit“ (Locke 1977: 203). Es gibt natürliche Gesetze 1. und 2. Ordnung, die Locke unter anderem mit der Vernunft begründet. In Lockes Naturzustand hat der Mensch zwar eine unkontrollierbare Freiheit der Verfügung über sich und seinen Besitz, aber er darf weder sich selbst noch einen anderen Menschen töten (Recht 1. Ordnung), außer sein eigenes Leben ist bedroht (Locke 1977: 203). Locke begründet dies damit, dass alle Menschen „das Werk eines einzigen allmächtigen und unendlich weisen Schöpfers“ und daher „sein Eigentum“ sind (Locke 1977: 203). Nach Locke bedeutet Freiheit also „keiner anderen Einschränkung als der des natürlichen Gesetzes unterworfen zu sein“ (Locke 1977: 214). Der sog. Kriegszustand entsteht, wenn jemand versucht einen anderen „in seine absolute Gewalt zu bekommen“, da er dies entweder zum Zweck der Sklaverei oder um ihn zu vernichten tun wird und wenn jemand „in ruhiger Überlegung [einen] geplanten Anschlag auf das Leben eines anderen kundgibt“ (Locke 1977: 209). Er beraubt ihn seiner Freiheit, „der einzige[n] Sicherheit (...) [seiner] Erhaltung“, denn die „Freiheit bedeutet die Grundlage alles übrigen“ (Locke 1977: 210). Ein weiteres Recht 1. Ordnung ist das Recht auf Eigentum. Bei Locke hat „niemand (...) ursprünglich ein Herrschaftsrecht“ auf etwas, dass sich im natürlichen Zustand befindet, mit Ausnahme seiner eigenen Person (Locke 1977: 216). Da „die Arbeit seines Körpers und das Werk seiner Hände“ das Einzige sind, was der Mensch von Gott persönlich bekommen hat, ist dies sein Eigentum (Locke 1977: 216). Es ist nach Locke also möglich durch die Ausdehnung seiner Individualität auf einen Gegenstand, in Form von Arbeit, diesem Gegenstand „etwas eigenes“ hinzuzufügen und ihn damit aus dem Naturzustand zu entfernen, ihn also zu seinem Eigentum zu machen (Locke 1977: 217). Es ist jedoch nicht möglich so viel an Eigentum anzuhäufen, wie man es selbst möchte (Locke 1977: 218-219). Man darf sich lediglich so viel aneignen, wie man zum „Vorteil seines Lebens gebrauchen kann, bevor es verdirbt“ (Locke 1977: 219) In Lockes Theorie ist es auch möglich sein Eigentum einzutauschen (Locke 1977: 229). Würde man sein kurzlebiges Eigentum gegen etwas tauschen, das nicht verdirbt, und von dieser unverderblichen Ware so viel anhäufen wie man möchte, so ist dies rechtens. „Denn die Überschreitung der Grenzen seines rechtmäßigen Eigentums lag nicht in der Vergrößerung seines Besitzes, sondern darin, dass irgend etwas ungenutzt verdarb“ (Locke 1977: 229).

Nach Locke kann „keine politische Gesellschaft (...) bestehen, ohne dass es in ihr eine Gewalt gibt, das Eigentum zu schützen“ (Locke 1977: 253). Nach dem Vertragsschluss eines jeden mit einem jeden muss jedes Mitglied der Gesellschaft „seine natürliche Gewalt“ aufgeben zugunsten einer gesellschaftlichen Gerichtsbarkeit (Locke 1977: 253). „Auf diese Weise wird das persönliche Strafgericht der einzelnen Mitglieder beseitigt, und die Gemeinschaft wird nach festen, stehenden Regeln zum unparteiischen und einzigen Schiedsrichter für alle“ (Locke 1977: 253). Dies gilt universell, denn „niemand in einer bürgerlichen Gesellschaft kann von ihren Gesetzen ausgenommen werden“ (Locke 1977: 259). Locke teilt die Staatsgewalt in legislative, exekutive und föderative Gewalten, denn es würde „eine zu große Versuchung sein, wenn dieselben Personen, die die Macht haben, Gesetze zu geben, auch noch die Macht in die Hände bekämen, diese Gesetze zu vollstrecken“ (Locke 1977: 291). In diesem Zusammenhang wird die Legislative näher beschrieben, deren Aufgabe es ist, „die Erhaltung der Gesellschaft und (...) jeder einzelnen Person“ zu sichern (Locke 1977: 283). Daher ist die Legislative keine „absolute, willkürliche Gewalt über Leben und Schicksal des Volkes“ (Locke 1977: 284). Ebenfalls etabliert er das Mehrheitsprinzip, da das staatliche Handeln „nur durch den Willen und den Beschluß der Mehrheit geschehen kann“ (Locke 1977: 260). Dies fußt auf der Volkssouveränität, denn „niemand kann eine Gewalt haben, der Gesellschaft Gesetze zu geben, es sei denn auf Grund ihrer eigenen Zustimmung und der Autorität, die von ihren Gliedern verliehen wurde“ (Locke 1977: 283-284).

b) Der deutsche Liberalismus bis 1848

Zunächst stellt sich die Frage, wann der deutsche Liberalismus entstand. Bereits beim historischen Aspekt gibt es drei Ansatzpunkte. Ordnet Christian Wolff den deutschen Liberalismus bereits „zu Beginn der 1720er Jahre“ ein, so erkennen Horst Dreitzel und Jörn Graber diesen erst 1770 (Wilhelm 2002: 24). Die Mehrzahl der Autoren jedoch verortet ihn in der Zeit zwischen 1790 und 1815 (Wilhelm 2002: 23). Unter der Voraussetzung, dass „unter ‚Liberalismus’ ein Massenphänomen, und zwar konkret eine politisch-soziale Bewegung, verstanden wird“, ist dieser wohl tatsächlich erst „gegen Ende der napoleonischen Ära“ anzusiedeln (Wilhelm 2002: 25). Dabei wird jedoch „die teilweise weit zurückreichende Gedankenarbeit“ nicht in Betracht gezogen (Wilhelm 2002: 25).

Als frühe Forderung der Liberalen galt ein gewaltenteilender Staat, „der seine Machtausübung strikt an das Recht binden und der politischen wie der bürgerlichen Freiheit breiten Raum zugestehen sollte“ (Fenske 2002a: 62). August Ludwig Schlözer, auch als „Erzvater des deutschen Liberalismus“ bezeichnet, schrieb dem Staat die Aufgabe zu, „dem Individuum Schutz zu gewähren“ und „das Volk zahlreich, wohlhabend und aufgeklärt zu machen“ (Fenske 2002a: 61, 64). Der Staat hatte also die Aufgabe der „Gefahrenabwehr“, der „Daseinsvorsorge“ und für das „wirtschaftliche und geistige Gedeihen der Bürger“ zu sorgen (Fenske 2002a: 64). Gleichzeitig sollte dies nicht durch „umfassende Intervention“, sondern lediglich durch die „Setzung des Rahmens“ geschehen (Fenske 2002a: 64). Der Staat sollte so wenig wie möglich in das Gesellschaftsleben eingreifen (Fenske 2002a: 64). In diesen Kontext sind auch Kants drei Prinzipien, „1. die Freiheit jedes Gliedes der Gesellschaft als Menschen, 2. die Gleichheit desselben mit jedem anderen als Untertan und 3. die Selbständigkeit jeden Gliedes des Gemeinwesens als Bürger“ begründet, „die Volkssouveränität war also selbstverständliche Basis der Überlegungen“ (Fenske 2002a: 67).

Der Liberalismus war am „Ideal einer Harmonie von Staat und Gesellschaft orientiert“ und wandte sich gegen „den monarchischen Absolutismus“ (Birtsch 1983: 37). Das monarchische Prinzip wurde aber nicht generell abgelehnt (Birtsch 1983: 37). Die Liberalen grenzten sich zwar vom Adel und „nichtbürgerliche[n] Sozialkreise[n]“ ab, gingen aber davon aus, dass diese gesellschaftlichen Peripherien über die Bildung in die bürgerliche Gesellschaft „ökonomisch und kulturell hineinwachsen sollten“ (Langewiesche 1983: 346-347). In diesen Punkten unterschieden sich die Liberalen von den Radikalen, „die zwar beide die Emanzipation des Menschen wollten, aber sich in Beurteilung des Tempos und des Umfanges dieser Emanzipation sowie der Wege dorthin trennten“ (Fenske 2002b: 271). Der Liberalismus war zu dieser Zeit bereits eine Volksbewegung, „die Anhänger in allen sozialen Schichten hatte“ (Fenske 2002b: 251). Dies wird auch im Wahlerfolg der Liberalen im Frühjahr 1848 deutlich, der ohne breite Verankerung in der Bevölkerung nicht möglich gewesen wäre (Fenske 2002b: 251)

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Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Die FDP zwischen Existenzangst und Regierungsverantwortung
Untertitel
Wurzeln, Herausforderungen und Perspektiven der deutschen Liberalen
Hochschule
Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg  (Institut für Politische Wissenschaft)
Veranstaltung
Parteiendemokratie in Deutschland
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
20
Katalognummer
V92342
ISBN (eBook)
9783638057165
ISBN (Buch)
9783640109036
Dateigröße
547 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Existenzangst, Regierungsverantwortung, Parteiendemokratie, Deutschland
Arbeit zitieren
Christian Spernbauer (Autor:in), 2005, Die FDP zwischen Existenzangst und Regierungsverantwortung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92342

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