Die regulative Politk der WTO

Das SPS-Abkommen als Beispiel neuer Regulationsansätze


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

23 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Eine thematische Einführung

2. Die ursprünglichen Regulationsansätze der WTO

3. Die neueren Regulationsansätze der WTO – das Beispiel SPS
3.1. The Agreement on the Application of Sanitary and Phytosanitary Measures

4. Die Streitschlichtung in der WTO

5. Regulative Politik am Beispiel des Hormonstreits USA vs. EU

6. Die neuen Regulationsmuster der WTO – eine Zusammenfassung

Anhang

Literaturangaben

1. Eine thematische Einführung

Politisch-administrative Gebilde haben seit jeher den Anspruch, regulativ tätig zu sein. Man spricht ihnen die Aufgabe zu, autoritativ über gesellschaftliche Verteilungsprozesse zu bestimmen. Dies kann auf regionaler, staatlicher oder supranationaler Ebene geschehen, wobei manche die regulativen Möglichkeiten in einem Luhmann’schen Sinne auf das politische System beschränkt sehen, andere wiederum der Politik einen weitergehenden Regulationseinfluss zugestehen. In jedem Fall ist regulative Politik aber eine Grundlogik politisch-administrativer Gebilde, egal wie man nun die Steuerungsmöglichkeiten historisch betrachtet.

Die Art und Weise, in der sich regulative Politik historisch vollzieht und vollzogen hat, weist jedoch unterschiedliche Muster auf. Als sich regulative Politik noch weitestgehend im Nationalstaat verorten ließ, lässt sich eine Entwicklung angefangen vom Nachtwächterstaat, über den aktiven Staat hin zum aktivierenden und präzeptorialen Staat nachvollziehen.[1] Parallel zu diesen Begriffen lassen sich auch verschiedene Ziele der regulativen Tätigkeit festmachen, verbunden mit jeweils entsprechenden Steuerungsmitteln. Das Ziel des Nachtwächterstaats war beispielsweise die Gewährleistung von Frieden und Freiheit, das Mittel das Gewaltmonopol des Staates. Heute wird dagegen vielfach vom Steuerungsverlust politischer Systeme gesprochen, zumindest bezogen auf den klassischen Nationalstaat.[2] Es lässt sich jedoch beobachten, dass die politischen Systeme ihren regulativen Einfluss nicht unbedingt verloren haben. Vielmehr zeigt sich, dass neue Zielsetzungen entstanden sind, zu deren Durchsetzung neue Instrumente politischer Steuerung hinzukommen. Ein „modernes“ Instrument politischer Steuerung wäre beispielsweise die Kontextsteuerung mittels Anreizen. Bezogen auf die Zielsetzung stehen heute vielfach Themen wie ökologische Nachhaltigkeit, der Schutz vor unkalkulierbaren Risiken wie etwa biologischen oder nuklearen Katastrophen, wirtschaftliche Teilhabe oder auch gesundheitsrelevante Technikfolgenabschätzung im Mittelpunkt regulativer Politik. Entlang dieser Schlagwörter wird jedoch deutlich, dass für eine effektive Bearbeitung dieser Themen nicht nur die Mittel regulativer Politik angepasst, sondern auch internationale Institutionen als Akteure mit einbezogen werden müssen, die sich aus der Realität einer ökologisch, ökonomisch und gesellschaftlich stark verwobenen Welt herausgebildet haben und als solche wiederum Rückwirkungen auf den klassischen Nationalstaat haben. Ein Beispiel für ein solches System ist die Welthandelsorganisation (WTO), die neben der Weltbank und dem IWF die wohl bedeutendste Institution globaler Regelsetzung im handelspolitischen Bereich ist. Zunächst als Instrument negativer Integration erdacht, war und ist eine der Hauptaufgaben der WTO die Marktschaffung, die jedoch später durch Elemente der Marktkontrolle, sprich durch positive Integration, ergänzt wurde, wie noch zu zeigen sein wird.[3] Gemäß der Zielsetzung der WTO soll nun verdeutlicht werden, welche Regulationsmuster die WTO besitzt. Darüber hinaus soll am Beispiel eines neuen Regulationsansatzes – in diesem Fall anhand des „Agreement on the Application of Sanitary and Phytosanitary Measures“ - aufgezeigt werden, welche Ideen dieser Entwicklung zugrunde liegen, welche Mittel zur Durchsetzung ihrer Regulationsansätze die WTO besitzt und welche Folgen sich daraus für einzelne politische Aspekte – beispielsweise den Verbraucherschutz – ergeben.

2. Die ursprünglichen Regulationsansätze der WTO

The GATT was reincarnated as a fully fledged international organization, the WTO. This new organization became a symbol of the emergence of a more global economic system. Trade was widely regarded as a key catalyst for future growth and prosperity. Those were, rightly, euphoric moments.”

(Sutherland P., Bhagwati J., u.a. 2004, S.2;)

Die Welthandelsorganisation wurde am 15. April 1994 mit den WTO-Agreement von Marrakesch als Nachfolgeorganisation des GATT gegründet. Oberstes Ziel der Organisation war und ist seitdem, den Welthandel zu liberalisieren und Handelshemmnisse abzubauen, um so Wohlstand und Wirtschaftwachstum weltweit zu steigern. Im Wesentlichen ging es also darum, wie in der Einleitung bereits erwähnt wurde, negativ integrativ tätig zu werden, also dafür zu sorgen, einen möglichst breiten Markt zu schaffen. Um dazu verbindlich in der Lage zu sein, war es zunächst von großer Bedeutung, dass das Vertragswerk von Marrakesch kein locker strukturiertes Vertragswerk wie das des GATT 1947 war, sondern in ein Regelwerk überführt wurde, dass in der Form einer internationalen Organisation mit Rechtspersönlichkeit einen unabhängigen rechtlichen Status besitzt und für die Mitgliedsstaaten übergreifende Verbindlichkeit bei allen Rechtstiteln gewährleistet.[4] Diese Rechtspersönlichkeit ist inhaltlich im wesentlichen unter dem Stichwort der wechselseitigen Kooperation zu betrachten, wobei zunächst einmal dahingestellt sei, inwieweit sich die Kooperation aus einer realistischen Betrachtungsweise ergibt oder sich aus der Sichtweise eines neoliberalen Institutionalismus heraus manifestiert.[5] Innerhalb dieser auf Kooperation angelegten Rechtsordnung lassen sich nun laut Prieß/Berrisch fünf wesentliche Tätigkeitsfelder herausarbeiten, zu denen u. a. „Regelsetzende Funktionen mit dem Ziel rechtlicher Verbindlichkeit;“ sowie „Funktionen der Norm-Überwachung zur Erhöhung der Regelbefolgung im internationalen System;“ gehören (PRIEß/BERRISCH 2003, S. 41). Es zeigt sich also, dass sie WTO schon aus ihrer organisatorischen Struktur heraus eine regelsetzende und regelüberwachende Institution ist. Die drei konstituierenden Rahmengrundlagen sind dabei das „General Agreement on Tariffs and Trade“ (GATT), das „General Agreement on Trade in Services“ (GATS) sowie das „Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights” (TRIPS). In all diesen Bereichen wurden von Seiten der Mitgliedsstaaten nationale Kompetenzen auf die Ebene der WTO übertragen, damit auf supranationaler Arena für den Bereich des Güterhandels (GATT) und der Dienstleistungen (GATS) Handelshemmnisse abgebaut werden (also ein Markt geschaffen wird) und damit geistiges Eigentum kein zusätzliches Hemmnisse für den Handel darstellt (TRIPS).

All diesen Bereichen liegen dabei zentrale regulative Prinzipien zugrunde. Der wohl bedeutendste Kernpunkt ist die Meistbegünstigungsklausel (GATT Art.1, GATS Art.2, TRIPS Art.4). Sie besagt, dass Handelsvorteile, die ein Staat A einem anderen Staat B gewährt, auch allen anderen Vertragspartnern C gewährt werden müssen. Ausnahmen werden lediglich „under strict conditions“ gewährt, begrenzt auf regionale Integrationsbündnisse, also z.B. für die EU oder unter Bedingungen auch für die NAFTA oder die ASEAN. Auch für Entwicklungsländer sind vorteilhafte Regelungen vorgesehen, wie beispielsweise längere Übergangsfristen bei der Implementierung neuer Richtlinien.[6] Das Meistbegünstigtenprinzip hat so zweierlei Folgen für die einzelnen Mitgliedstaaten: Einerseits werden die Möglichkeiten zu bilateralen Vertragsabschlüssen stark eingeschränkt, und andererseits besitzen bilaterale Regelungen, wenn sie zustande kommen und WTO-relevante Bereiche berühren, multilaterale Gültigkeit für die Vertragspartner.

Ein zweiter Kernpunkt klassischer regulativer WTO-Politik ist die so genannte Inländerbehandlung (GATT Art.3, GATS Art.17, TRIPS Art.3.) Sie besagt, dass Güter, Dienstleistungen und geistiges Eigentum aus dem Ausland nicht schlechter behandelt werden darf, als solches das aus dem Inland stammt.[7] Regulativ an diesem Prinzip ist im Grunde genommen das Verbot von nationalstaatlichen Regulationsmaßnahmen. Staatliche Einflussnahme auf die Preisfindung mittels Subventionen, Zöllen oder anderen Steuerentlastungen für heimische bzw. Steuerbelastungen für ausländische Erzeugnisse wird somit verboten. Betroffen sind des weiteren auch technische, lizenzbedingte oder mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen.

Ein ebenfalls bedeutendes regulatives Prinzip ist die Verpflichtung zur Transparenz (GATT Art.10, GATS Art.3). Relevante Gesetze, Regulierungen, Richtersprüche oder auch administrative Beschlüsse müssen demnach für Akteure aus Politik und Wirtschaft in einer angemessenen Zeitspanne so zugänglich gemacht werden, dass diese sich mit den Beschlüssen in dem erforderlichen Umfang vertraut machen können.[8]

Ein vierter Kernbereich regulativer WTO-Politik soll hier einige Einzelpunkte bündeln und diese unter dem Schlagwort des offenen Wettbewerbs subsumieren. Zunächst wäre beispielsweise die Vorhersehbarkeit zu nennen, unter die das Verbot fällt, einmal festgelegte Zölle und/oder Tarife wieder zu erhöhen. Ein zweiter Punkt ist der freie Marktzugang, der im einzelnen genauer definiert wird. Das GATS-Abkommen sieht einen freien Marktzugang etwa dann gewährleistet, wenn keine Beschränkung bei der Anzahl der Diensteanbieter, des Gesamtwertes der Dienstleistungsgeschäfte, des Gesamtvolumens an erbrachten Leistungen, der Gesamtzahl der Personen die in einem Sektor beschäftigt werden dürfen, der Beschränkung der Beteiligung ausländischen Kapitals sowie bei der Wahl der Unternehmensform vorliegen.[9] Weiter zu nennen ist auch das Verbot mengenmäßiger Beschränkungen[10], das inhaltlich eine starke Konnexität mit der Inländerbehandlung aufweist und den Mitgliedsstaaten untersagt, Quotenbeschränkungen auf Güter oder Dienstleistungen zu erheben.

Betrachtet man sich nun diese Regulationsansätze im Gesamten, so wird man nicht nur Ausnahmen finden, wie etwa bezüglich der Entwicklungsländer oder regionaler Integrationsbündnisse wie bei der Meistbegünstigtenklausel, sondern es macht Sinn auch das Prinzip der Reziprozität mit zu berücksichtigen. Demnach sind die Akteure auf WTO-Ebene bemüht, für gewährte Marktteilnahme oder Handelserleichterungen ihrerseits passende Ausgleichs-Anreize zu erlangen. Hier zeigen sich jedoch bereits strukturelle Probleme. So kann man nicht von Reziprozität sprechen, wenn die USA ihren Telekommunikationsmarkt für Unternehmen aus Venezuela öffnet, im Gegenzug für die US-amerikanischen Unternehmen aber nur der Markt von Venezuela zugänglich gemacht wird. Auf diese Problematik der Regulation soll jedoch noch später eingegangen werden.

Weiterhin bleibt festzuhalten, dass die genannten Regulationsmuster in erster Linie der negativen Integration dienen. Sie sind ein Instrument der Marktschaffung. Diese negative Integration geht dabei einher mit einer produktbezogenen Regulation, die die „Kompatibilität zwischen unterschiedlichen Produkten sichern [soll], [...].“ (SCHARPF in SCHENK, SCHMIDTSCHEN, u.a. 1998, S. 55). Es werden also lediglich Vorschriften darüber gemacht in welcher Form das jeweilige Gut bzw. die jeweilige Dienstleistung innerhalb der WTO-Staaten gehandelt wird. Es wird also festgelegt, dass Stahlträger z.B. nicht mit Zöllen belegt werden, oder Dienstleistungen gleichwertigen Marktzutritt haben. Es wird jedoch nicht geregelt, wie Güter und Dienstleistungen entstehen, der Prozess der Produktion oder Entstehung bleibt von der Regulierung unberührt.

Nun weist Voelzkow darauf hin, dass den Staaten durch diese Art der Regulierung nicht direkt Steuerungskanäle verschlossen werden, da auch auf nationalstaatlicher Ebene die Definition technischer Standards meist der kooperativen Selbstregulierung anheim gestellt ist.[11] In diesem Zusammenhang sollte jedoch auf die Entwicklungsländer verwiesen werden, in denen diese kooperative Selbstregelung nicht so stark ausgeprägt ist und die zudem mit dem generellen Verbot von Zollanhebungen ein wichtiges protektionistisches Mittel verlieren, wobei sich über das Für und Wider von Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen natürlich streiten lässt (vgl. SENTI 2000, S. 212/213). Wenn man darüber hinaus davon ausgeht, dass „sich international entweder die Standards technisch führender Unternehmen oder die des Landes mit dem größten Nachfragepotential durchsetzen werden.“ (SCHARPF in SCHENK, SCHMIDTSCHEN, u.a. 1998, S. 56), dann kann dies für die anderen Länder weitere Anpassungskosten nach sich ziehen.

[...]


[1] Willke, H.: „Ironie des Staates: Grundlinien einer Staatstheorie“; Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M., 1992, S. 144;

[2] Willke, H.: „Entzauberung des Staates: Überlegungen zu einer sozietalen Steuerungstheorie“; Königstein/Ts. Athenäum-Verlag, 1983, S. 9;

[3] Mayntz R., Bogdandy A., Genschel P., Lütz S.: „Globale Strukturen und deren Steuerung“; Forschungsbericht aus dem MPIfG, Köln, 2005, S. 15;

[4] Neyer, J.: „Integrationstheorien“; Vorlesungsreihe Supranationale politische Herrschaft, Frankfurt a.M., 2005, S.2;

[5] Cemerin, M.: „Institutioneller Wandel und Macht im Welthandelssystem“; Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden, 2007, S. 47;

[6] http://www.wto.org/english/thewto_e/whatis_e/tif_e/fact2_e.htm

[7] Ebd;

[8] GATT Art.10; http://www.wto.org/english/docs_e/legal_e/gatt47_01_e.htm

[9] Krogias, M.; „Regulative Politik im Spannungsfeld von Globalisierung und Regionalisierung: EU, NAFTA und WTO. Eine empirische Analyse der Regelsetzung im Telekommunikationssektor“; Ruhr-Universität Bochum, Bochum, 2004; S. 164;

[10] GATT Art.11; http://www.wto.org/english/docs_e/legal_e/gatt47_01_e.htm

[11] Scharpf, F.: „Globalisierung als Beschränkung der Handlungsmöglichkeiten nationalstaatlicher Politik“; erschienen in: Schenk K.-E., Schmidtchen D., Streit M., Vanberg V.: „Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie“; Band 17, Mohr Siebeck Verlag, Tübingen, 1998, S. 55-56;

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Details

Titel
Die regulative Politk der WTO
Untertitel
Das SPS-Abkommen als Beispiel neuer Regulationsansätze
Hochschule
Universität Augsburg  (Philosophisch-Sozialwissenschaftliche Fakultät)
Veranstaltung
Regulative Politik
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
23
Katalognummer
V92288
ISBN (eBook)
9783638061018
ISBN (Buch)
9783638953436
Dateigröße
532 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Politk, Regulative, Politik, wto, sps-abkommen, welthandel
Arbeit zitieren
Andreas Herz (Autor:in), 2007, Die regulative Politk der WTO, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92288

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