„Der EU eine Seele?“

Eine Betrachtung der Notwendigkeit einer europäischen Identität nach Thomas Meyer


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

15 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. „Der EU eine Seele?“
2.1 Was ist das – Europa?
2.1.1 Geografische Grenzen
2.1.2 Kulturelle Grenzen
2.1.3 Fazit
2.2 Was leistet eine Identität und welche Konsequenzen hat sie?
2.3 Braucht Europa eine Identität?
2.3.1 Wie sollte die Identität Europas aussehen?
2.3.2 Warum eine politische „Seele“ für Europa?

3. Resümee

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Diskussionen um eine europäische Verfassung oder den EU-Beitritt der Türkei stellen uns Europäer immer wieder vor die Fragen, was nun Europa eigentlich ist und wer dazu gehört. Zumindest sollte man sich diese Fragen stellen. Aber wie kann man zu diesen kontroversen Themen eine klare Stellung beziehen? Braucht man dazu eine europäische Identität? Viele Autoren gehen heute von einem „Ja“ als Antwort aus.

Wie muss eine solche europäische Identität aussehen? Ist eine kulturelle Identität Europas nötig bzw. ist sie überhaupt möglich? Oder ist für die Europäische Union eine politische Identität das einzige was sie hervorbringen kann? Was bedeutet es Europa eine „Seele“ zu geben?

Mit genau diesen Fragen beschäftigt sich die folgende Arbeit. Grundlage der Überlegungen ist der Text von Thomas Meyer „Die Identität Europas. Der EU eine Seele?“, der sich eingehend und nach Meinung des Autors dieser Arbeit überzeugend mit den genannten Fragen beschäftigt.

2. „Der EU eine Seele?“

2.1 Was ist das – Europa?

Zunächst soll kurz versucht werden zu klären, was Europa überhaupt ist. Gibt es in der europäischen Geschichte Ansatzpunkte, die bei der Beantwortung dieser Frage helfen? Kann man vielleicht Kernpunkte ausmachen, die Europa einzigartig machen? „Worauf soll sich eine europäische Identität beziehen? Auf kulturelle Traditionen Alteuropas, auf politische Leitideen, auf wirtschaftliche Verflechtungen, auf Ähnlichkeiten in der Sozialstruktur und Alltagskultur?“ (Lepsius 1999: 201)[1]

2.1.1 Geografische Grenzen

An erster Stelle soll nun untersucht werden, ob Europa über die Geografie bestimmbar ist. Auf diese Weise sollten schließlich Grenzen erkennbar sein, in denen sich Europa, zum Beispiel kulturell entwickelt hat.

Europa wird häufig als „Anhängsel der großen asiatischen Landmasse“ (Timmermann 1998: 7) benannt. Allerdings ist auch über den Punkt geografische Grenze Europa nicht wirklich zu definieren, denn diese haben sich seit vier Jahrtausenden permanent verschoben (Vgl. Münkler 1995: 12). Bedenkt man die Erweiterungen der Europäischen Union, könnte man sogar behaupten, dass die Grenzverschiebungen noch nicht abgeschlossen sind.

2.1.2 Kulturelle Grenzen

Entscheidender für eine Bestimmung der europäischen Identität scheint aber zu sein, wie sich Europa kulturell begreifen lässt.

Was ist nun genuin europäisch? Gibt es so etwas überhaupt? Thomas Meyer geht dazu auf den Ursprungsmythos Europas zurück, der von der Entführung der Europa, einer phönizischen Prinzessin, durch Zeus berichtet (Vgl. Meyer 2004: 33). „Europa, die schöne Namensgeberin unseres zerrissenen Erdkreises, stammt nämlich aus Asien“ (Meyer 2004: 33). Nicht nur sie stammt ursprünglich aus Asien. Auch „[d]as Verwaltungssystem, die Schrift und vieles mehr übernahmen die Bewohner Kretas, eine der Wiegen der Kultur, die zur europäischen werden sollte, schon im 3. Jahrtausend vor Christi von den ›asiatischen‹ Hochkulturen Babyloniens und der ›afrikanischen‹ Hochkultur Ägyptens“ (Ebd.: 33).

Europa lässt sich nicht nur mythologisch als „Hybrid“ (Ebd.: 34) bezeichnen, denn es war wie die meisten Kulturen vielen Einflüssen erlegen. Etwas wirklich Genuines gibt es also nicht. „Die Homogenitätsfiktionen, aus denen [die Kulturen] ihre Weihe beziehen sollten, waren stets späte politische Erfindungen, die dem hybriden Ursprungsprozess durch einen Akt entschlossner Nostrifizierung das vermeintlich Zweifelhafte nehmen und seine Produkte in einen sicheren, ungeteilten Besitz der Zugehörigen verwandeln sollte, auf den niemand sonst Ansprüche geltend machen kann“ (Ebd.: 34). Für die Identitätsbildung sind jedoch scharfe Trennlinien nötig (Ebd.: 71), wodurch dieser Prozess verständlich wird. Solche Trennungen waren zur Ausbildung Europas aber nicht nur nach außen nötig. „Das Europa der Gegenwart ist, […], erst möglich geworden, als es sich in nahezu allen die Konstitutionen des politischen Gemeinwesens betreffenden Fragen in einem wahrhaft revolutionären Bruch von dem abgewandt hatte, was bis dahin als christliches Verständnis von den öffentlichen Belangen gegolten hatte“ (Ebd.: 34f). Demnach kann auch in der gemeinsamen christlichen Tradition nicht das Europa ausmachende Kernelement gesehen werden, denn „[d]ie Erzählung von der christlichen Identität Europas ist auch nur ein Mythos“ (Ebd.: 35).

Vielleicht sollte man die Aufklärung, den Bruch mit dem Christentum, die Zuwendung zur Säkularität als einen wichtigen eurospezifischen Punkt ansehen (Vgl. ebd.: 36). In Europa gibt es auch heute, vom Vatikan abgesehen, keinen Staat in dem nicht Kirche und Staat getrennt sind. Allerdings heißt dies nicht, dass Religion keine Rolle mehr spielt. Im Gegenteil, sie unterscheidet auch die europäischen Staaten untereinander. Die Intensität der Religiosität ist innerhalb Europas sehr unterschiedlich. Trotzdem kann man eine „rasche Entchristlichung und wachsenden religiösen Pluralismus“ (Leggewie 2004: 13) als bezeichnend für das heutige Europa sehen.

Aus dem Bruch mit dem Christentum ging der Liberalismus hervor, der unsere moderne Zeit prägt. Allerdings zeichnen sich gerade die Werte, die seit der Aufklärung ihr Wirkung entfalteten durch einen Universalismus aus, der letztendlich „gerade keine europäische Identität zu stiften vermag“ (Meyer 2004: 36). Vorstellungen und Ideen wie die der Demokratie, der Gleichheit aller Menschen und der Menschenrechte sind universal und nicht spezifisch europäisch (Vgl. Leggewie 2004: 14).

2.1.3 Fazit

Religion und Geografie scheiden also aus, wenn es zu bestimmen gilt, was Europa wirklich ist. Auch die universalistischen Werte, die unser Leben bestimmen eigenen sich nicht um eine europäische Identität zu bestimmen.

Ist Europa dann nicht mehr als eine „kapitalistische Marktgemeinschaft mit sozialstaatlichen Elementen“ (Leggewie 2004: 13)? Und selbst diese Beschreibung kann man nicht vorbehaltlos annehmen, denn die „kapitalistische Marktgemeinschaft“ wird durch die „neoliberale Globalisierung“ (Ebd.: 13) in Frage gestellt.

[...]


[1] Thomas Meyer: Die Identität Europas – Der EU eine Seele?

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
„Der EU eine Seele?“
Untertitel
Eine Betrachtung der Notwendigkeit einer europäischen Identität nach Thomas Meyer
Hochschule
Universität Stuttgart  (Institut für Sozialwissenschaften)
Autor
Jahr
2007
Seiten
15
Katalognummer
V92278
ISBN (eBook)
9783638060967
Dateigröße
421 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Seele
Arbeit zitieren
Marie-Christin Pollak (Autor:in), 2007, „Der EU eine Seele?“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92278

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