Klimawandel - Eine Herausforderung für Kirche und Gesellschaft


Examensarbeit, 2008

43 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Vorwort

2 Aktuelle Situation
2.1 Nachrichten und Schlagzeilen
2.2 Internationale Klimapolitik
2.2.1 Zur Geschichte der Internationalen Klimapolitik
2.2.2 Der vierte Sachstandsbericht des IPCC
2.3 Ursachen und Folgen des Klimawandels
2.4 Ursachen der ökologischen Krise

3 Theologische Grundlagen
3.1 Missverständnisse und Fehldeutungen
3.2 Biblische Grundlagen
3.2.1 Alttestamentliche Quellen
3.2.1.1 Auslegung des Schöpfungsauftrags in Gen 1-3
3.2.1.2 Auslegung des Dekalogs
3.2.2 Neutestamentliche Quellen
3.2.2.1 Die Botschaft Jesu vom Reich Gottes
3.2.2.2 Neutestamentliche Leitlinien für den Umgang mit der Natur
3.3 Bewahrung der Schöpfung – Schöpfungsauftrag
3.3.1 Der Wert der Natur
3.3.2 Der Mensch – Teil der Natur
3.3.3 Die Sonderstellung des Menschen
3.4 Ökologische Ethik

4 Die Ungerechtigkeiten des Klimawandels
4.1 Globale Ungerechtigkeit
4.2 Intergenerationelle Ungerechtigkeit
4.3 Ökologische Ungerechtigkeit

5 Klimaschutz im Bistum Würzburg
5.1 Gespräch mit dem Umweltbeauftragten der Diözese Würzburg
5.1.1 Die Aufgaben des Umweltbeauftragten
5.1.2 Wieso braucht eine Diözese einen Umweltbeauftragten?
5.2 Beiträge der Diözese Würzburg zum Schutz der Umwelt
5.2.1 Die Aktion - CO2 Fasten
5.2.2 Umweltmanagement im Kilianeum – Haus der Jugend
5.3 Zukünftige Beitragsmöglichkeiten der Diözese Würzburg zum Klimaschutz

6 Konsequenzen für die Zukunft
6.1 Konsequenzen für die Gesellschaft
6.2 Konsequenzen für den Einzelnen
6.2.1 Probleme in der Umsetzung des Klimaschutzes
6.2.2 Umweltbewusste Haushaltsführung
6.2.3 Umweltbewusste Fortbewegung
6.3 Konsequenzen für die Kirche
6.3.1 Aufruf zur Stellungnahme
6.3.2 Mit gutem Beispiel voran gehen
6.3.3 Die Menschen zu einem Beitrag und Verzicht ermutigen

7 Resümee
7.1 Rückblick
7.2 Persönliche Stellungnahme des Verfassers

8 Ausblick

9 Literaturverzeichnis

1 Vor wort

Im Rahmen meines Studiums zum Gemeindereferenten erstellte ich zwischen dem siebten und achten Semester im Fach Moraltheologie diese Zulassungsarbeit mit dem Thema „Klimaschutz – Eine Herausforderung für Kirche und Gesellschaft.“

Persönlich beschäftige ich mich schon seit längerer Zeit mit dem Umwelt- und Klimaschutz. So ist mir aufgefallen, dass sich viele Menschen und gerade auch Christen[1] nur wenig oder gar nicht für den Klimaschutz engagieren und faktisch kein umweltbewusstes Verhalten zeigen. Doch gerade Christen haben die Pflicht, die von Gott geschenkte Schöpfung zu bewahren und Klimaschutz aktiv zu praktizieren. Deshalb entschied ich mich ganz bewusst dazu, meine Zulassungsarbeit über diese Themenstellung zu schreiben und darin zu verdeutlichen, dass alle Menschen und besonders die Kirche herausgefordert sind, ihren größtmöglichen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.

In der vorliegenden Arbeit werden zunächst die aktuelle Situation sowie die internationale Klimapolitik und die ökologische Krise kurz umrissen. Anschließend erfolgen eine Auswertung der theologischen und biblischen Grundlagen zum Klimaschutz sowie eine Darstellung des Schöpfungsauftrages. In einem nächsten Schritt wird exemplarisch beschrieben, was das Bistum Würzburg durch Personen und Aktionen zum Klimaschutz beiträgt. Schließlich werden Konsequenzen für jeden Einzelnen, die Gesellschaft und die Kirche benannt.

2 Aktuelle Situation

„Der globale Klimawandel ist bereits Realität. Die Menschen spüren seine Auswirkungen buchstäblich am eigenen Leib: Hitze und Dürre, Stürme und Starkniederschläge…. Der globale Klimawandel stellt die wohl umfassendste Gefährdung der Lebensgrundlagen der heutigen und … der kommenden Generationen sowie der außermenschlichen Natur dar“[2], so schreibt Karl Kardinal Lehmann in seinem Geleitwort zu dem im Jahr 2006 von der Deutschen Bischofskonferenz veröffentlichten Expertentext zum Klimawandel. Wenn im Folgenden über Klima und Klimawandel gesprochen wird, ist zu beachten, dass Klima nicht das lokale Wetter der nächsten drei Tage meint, sondern „die Gesamtheit der Witterungen eines längeren Zeitabschnitts einschließlich der dabei auftretenden Extrema.“[3] „Es umfasst Temperatur, Niederschläge, Wind sowie Wolkenbildung, die statistisch erfasst und beschrieben werden. Der Beobachtungszeitraum beträgt dabei im Allgemeinen mindestens 30 Jahre.“[4]

Klima ist durch natürliche und menschliche Einflüsse veränderbar. Unterschieden wird daher zwischen dem natürlichen und dem anthropogenen Klimawandel. In dieser Arbeit wird hauptsächlich auf den anthropogenen, d.h. auf den vom Menschen beeinflussten Klimawandel Bezug genommen. Seit am 30.01.2007 der Vierte Sachstandsbericht des Uno-Expertengremiums IPCC[5] zum Klimawandel veröffentlicht wurde, ist der Einfluss des Menschen auf den Klimawandel wissenschaftlich belegt. Fest steht: Wenn nichts gegen den Klimawandel unternommen wird, so wird dieser zukünftig mehr Menschen als Opfer fordern, als er es bislang tut.[6] Deshalb ist es wichtig zu analysieren, warum die Erderwärmung im letzten Jahrhundert so stark zugenommen hat und daraus Handlungsschlüsse zu ziehen.

2.1 Nachrichten und Schlagzeilen

„Klassenkampf gegen Klimakiller – City Maut in London“ so lautet eine Schlagzeile in der Süddeutschen Zeitung vom 13.02.2008. Der Artikel schildert die Überlegungen des Londoner Bürgermeisters Ken Livingstone, eine extra Maut für Fahrzeuge mit einem extrem hohen Benzinverbrauch einzuführen.[7]

Einen Artikel mit der Überschrift „Lebensmittelmärkte wieder in die Innenstädte holen“ konnte man am 15.02.2008 in der Regionalzeitung „Main Echo“ lesen. Er ist Titel eines Interviews mit einem regionalen Bürgermeister, welcher darin fordert, das Auto öfters stehen zu lassen und stattdessen das Fahrrad zu benutzen.[8]

Die Zeitschrift Focus stellt Ende Januar die dramatische Frage „Neue Eiszeit ab 2055?“, als Überschrift eines Artikels in dem der russische Wissenschaftler Khabibullo Abdusamatow eine neue Eiszeit und das Ende der Erderwärmung voraussagt.[9]

Diese Artikel sind nur drei Beispiele für Schlagzeilen, die in den heutigen Zeitungen zu finden sind. Derzeit kann man fast jede seriöse Tageszeitung aufschlagen und wird darin, mit hoher Wahrscheinlichkeit, einen Bericht über den Klimawandel und die aktuelle Klima-diskussion finden. Dies verdeutlicht die Brisanz des Themas.

2.2 Internationale Klimapolitik

Der Klimawandel beschäftigt nicht nur die deutsche Bevölkerung und Politik, sondern wird auch im internationalen Kontext diskutiert und verhandelt. Die größte Rolle kommt hierbei der UN und dem Expertengremium IPCC zu.

2.2.1 Zur Geschichte der Internationalen Klimapolitik

Die Diskussion um den Klimawandel ist nicht neu. Seit Ende der 70er Jahre wird in Wissenschaftskreisen über den anthropogenen Klimawandel diskutiert. Der politische Prozess zum Schutz des Klimas begann Ende der 80er Jahre. 1992 wurde im Rahmen der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung (UNCED) in Rio de Janeiro die Klimarahmenkonvention verabschiedet.[10] Diese bilden eine entscheidende Grundlage für die seit 1994 jährlich stattfindenden Klimakonferenzen. Im Jahr 1997 wurde auf der dritten Klimakonferenz in Kyoto das so genannte „Kyoto-Protokoll“ verabschiedet. Hier einigten sich die verhandelnden Staaten erstmals darauf, ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren und setzten dafür einen verbindlichen Zeitrahmen.[11] Noch heute findet ein Großteil der internationalen Klimapolitik auf der Grundlage des Kyoto-Protokolls statt. Im Dezember 2007 verständigte sich die UN-Klimakonferenz in Bali schließlich darauf, im Jahr 2009 ein neues Klimaschutzabkommen zu beschließen.[12] Um eine wissenschaftlich fundierte Klimapolitik gewährleisten zu können, wurde 1988 das IPCC-Expertengremium gegründet, welches seitdem regelmäßig so genannte Sachstands- berichte vorlegt.[13]

2.2.2 Der vierte Sachstandsbericht des IPCC

Der globale Temperaturanstieg seit Mitte des 20. Jahrhunderts ist mit größtmöglicher Wahrscheinlichkeit auf den durch den Menschen verursachten Anstieg der Treibhausgaskonzentrationen zurückzuführen.[14] So verdeutlicht es der vierte und letzte Teil des Sachstandsberichtes der IPCC, welcher seit Februar 2007 schrittweise veröffentlicht wurde. Rund 2500 Wissenschaftler aus mehr als 100 Ländern haben an diesem Bericht mitgearbeitet.[15] Die wissenschaftlichen Erkenntnisse des IPCC, welches unter dem Dach der Vereinten Nationen arbeitet, sind eine entscheidende Grundlage für die notwendige, ehrgeizige, internationale Klimapolitik der Europäischen Union. Nur wenn die Empfehlungen des IPCC konsequent und schnell umgesetzt werden, kann eine Reduzierung des Klimawandels und der aus ihm entstehenden Folgen auf ein für die Gesellschaft beherrschbares Maß erreicht werden.[16]

2.3 Ursachen und Folgen des Klimawandels

„Hauptursachen für den anthropogenen Treibhauseffekt sind … die Verbrennung fossiler Energieträger zur Strom- und Wärmeerzeugung, der starke Anstieg des motorisierten Verkehrs, besonders auch des Flugverkehrs, sowie Industrie, Landwirtschaft und Haushalte“[17], so fasst der Expertentext der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) jahrelange Studien prägnant zusammen.

Sehr genau beschreibt der vierte Sachstandsbericht des IPCC die Auswirkungen des Klimawandels: Zunahme von Hochwasser und Überschwemmungen durch den erhöhten Abfluss bei zahlreichen von Gletschern und Schnee gespeisten Flüssen; frühzeitiger Eintritt von Frühlingsereignissen, wie z.B. Vogelzug; erhöhte Waldbrandgefahr und ein Rückgang des Ernteertrags durch steigende Temperaturen. Europa wird folgende Effekte zu spüren bekommen: Die Gletscher und Schneedecken werden sich zurückziehen, was zu einem erheblichen Verlust des Wintertourismus führt. Flutartige Überschwemmungen im Landesinneren sowie Dürren und Wassermangel werden zunehmen, was zu einem Rückgang des Sommertourismus in Südeuropa führen wird. Weiter wird das Gesundheitsrisiko durch Hitzewellen und Wassermangel steigen.[18]

Bei einem weiteren Anstieg der Treibhausgaskonzentrationen sieht der Klimarat auf lange Sicht vier zentrale Gefahren. Erstens werden weitere Tierarten aussterben. Zweitens nehmen extreme Wetterereignisse zu. Drittens schafft der Klimawandel neue Verliererregionen und viertens nimmt das Risiko für das Abrutschen großer Eismassen[19] in der Arktis oder der Abriss des Golfstroms[20] zu.[21]

2.4 Ursachen der ökologischen Krise

Der nicht mehr zu leugnende Klimawandel ist sichtbarer Ausdruck einer weit umfassenderen ökologischen Krise. Der Theologe Wilhelm Ernst spricht von einer vierfachen Krise: „Erstens von der Umweltkrise, die darin besteht, daß der Mensch den eigenen Lebensraum wie den Lebensraum künftiger Geschlechter mit den Abfallprodukten seines Konsums überhäuft und Elemente verdirbt, aus denen sein Leben und seine Zukunft wachsen. – Zweitens von der Energiekrise, die dadurch aufgebrochen ist, daß der Mensch mehr Energie braucht, als er ohne Schädigung seines Lebensraum zur Verfügung hat. (…) – Drittens von der Rohstoffkrise, die daraus erwächst, daß durch die Erschöpfung nicht mehr vermehrbarer Ressourcen die Chancen des Überlebens der Menschheit verringert wird. – Viertens schließlich von der Schöpfungskrise, die darin besteht, daß der Mensch, der »... die Welt als sein Haus, das er sich zu seinem Nutzen und Gewinn errichtet«, versteht, Gefahr läuft, »mit diesem Haus so umzugehen, daß es über ihm zusammenbricht und er hilflos und wehrlos allein steht.«“[22] „Alle diese miteinander verflochtenen Krisen bilden eine umgreifende Krise ganz neuer Art: eine Krise …, die mehr und mehr zu einer Überlebenskrise der Menschheit zu werden droht. … (Jedoch) ist davon nicht nur eine begrenzte Zahl von Menschen und ein bestimmtes Gebiet der Erde betroffen, sondern die ganze Menschheit und die ganze Erde.“[23]

Tiefste Ursache dieser Krise ist die Geisteshaltung des Menschen. Die Bemühungen des Menschen um die Welt waren lange auf Zweckhaftigkeit, Nutzbarkeit und Brauchbarkeit beschränkt. „Dies hat dazu geführt, daß der Mensch sich als erkennendes und handelndes Subjekt von der ihn tragenden Lebenswelt distanziert (… und) aus der Natur ein Objekt willkürlicher und schrankenloser Ausbeutung gemacht (hat)“[24], so der Moraltheologe Alfons Auer. Gesteigert wird diese Ausbeutung durch die rasanten Entwicklungen in Technik, Industrie und Ökonomie. Diese haben zwar die Lebensbedingungen einiger Menschen verbessert und ihnen mehr Entfaltungsmöglichkeiten gegeben, gleichzeitig ist mit ihnen aber auch „die Gefahr gewachsen, Leben zu zerstören, der Umwelt Schaden zuzufügen und die Energiequellen zu erschöpfen, so daß bei einem ungehemmten und unkontrollierten Wachstum die Möglichkeit einer Vernichtung der Lebensgrundlage und des Lebens selbst nicht auszuschließen ist.“[25] Dramatisch ist auch die Geschwindigkeit, mit der die Umweltzerstörung zunimmt. Der amerikanische Historiker Paul Kennedy meint dazu: „Die Geschwindigkeit… des menschlichen Angriffs auf die Natur hat sich stark erhöht: Ganze Länder mögen in wenigen Jahrzehnten entwaldet sein, ein Großteil des Mutterbodens einer Region kann innerhalb einer Generation verschwinden; und eine kritische Ozonminderung mag sich in einer so kurzen Zeit wie zwanzig Jahren abspielen.“[26] Die Verantwortung für Umweltverschmutzung wird heute meist der Industrie zugeschrieben, diese ist aber nicht allein für den Klimawandel verantwortlich. Jeder Mensch muss sein Handeln selbst verantworten, denn auch die Auswirkungen des Klimawandels trägt nicht allein die Industrie, sondern tragen wir alle.[27] Der Amerikanische Umweltschützer Georg Perkins Marsh beschreibt die Auswirklungen unseres Handelns passend: „Der Mensch (kann) die Grundordnung seiner Lebenswelt nicht ungestraft in den Dienst der eigenen Willkür stellen…. Man mag sich gegen die mythologische Formel von der Rache der Natur sperren, sie bringt doch die fundamentale Wahrheit zum Ausdruck, daß das menschliche Verhalten seine Sanktion in sich selbst hat. (…) Die Verwüstungen, die der Mensch angerichtet hat, bringen die Naturbeziehungen durcheinander und zerstören das von der Natur eingerichtete Gleichgewicht…; und nun rächt sie sich selbst an dem Störenfried, indem sie ihren destruktiven Energien freien Lauf lässt…. Die Erde ist nahe daran, für ihren vornehmsten Bewohner unbewohnbar zu werden.“[28]

3 Theologische Grundlagen

Alle Menschen sind dazu aufgefordert, einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Doch insbesondere Christen sind aufgrund der biblischen Quellen und des Schöpfungsauftrags dazu verpflichtet, sich für die Erhaltung unserer Erde einzusetzen. Lange Zeit führte die Auslegung des Schöpfungsauftrags zu Missverständnissen und Fehldeutungen. Daher ist es wichtig, diese zu benennen und auszuräumen.

3.1 Missverständnisse und Fehldeutungen

In der Vergangenheit äußerten Kritiker gegenüber der Kirche viele Vorwürfe bezüglich des kirchlichen Verständnisses über den Schöpfungsauftrag. So wurde dem Christentum vorgeworfen, „dass der christliche Glaube in der Tradition des »domium terrae«, des Imperativs[29] aus Gen 1,28 (… macht euch die Erde untertan!) zu den Mitverursachern der ökologischen Krise gehöre.“[30]

Der deutsche Schriftsteller und Umweltaktivist Carl Amery erblickt im »domium terrae« den Aufruf zu einer totalen Unterwerfung der Natur. Seine Folgerung aus dem Genesis-Text lautet: „Es ist der ausdrückliche Auftrag zur totalen Herrschaft. Der Mensch wird gerufen, diese Erde zu erfüllen, sie sich untertan zu machen. Magische Auflagen sind damit nicht verbunden, das heißt, es ist ihm völlig frei gestellt, wie er diesen Auftrag vollzieht. Sonne und Mond sind Beleuchtungskörper, sonst nichts; Rohstoffe, Flora, Fauna sind ein Arsenal, über das er frei verfügt, sind Jagdterrain und Ernteacker.“[31] Auch der amerikanische Anthropologe Leslie White und der amerikanische, methodistische[32] Theologe John B. Cobb sehen die in den Schöpfungserzählungen des Alten Testamentes begründete Anthropozentrik[33] als Ursache für die hemmungslose Naturausbeutung.[34] Weiter wurde dem Christentum ein starker Dualismus[35] zwischen Mensch und Natur sowie ein Beruhen auf der eschatologischen Verheißung des neuen Äons,[36] welche die Sorge um diese Welt angeblich überflüssig macht, vorgeworfen. W. Ernst fasst die von mehreren Seiten geäußerten Vorwürfe gegen das Christentum wie folgt zusammen: „Sowohl die Interpretation der biblischen Schöpfungserzählung wie auch der biblisch-eschatologischen Verheißungen sind ursächlich an der modernen Umweltzerstörung mitschuldig. Hinter dem biblischen Schöpfungsauftrag, die Erde zu beherrschen, stehen ein einseitiger Anthropozentrismus und ein scharfer Dualismus zwischen Mensch und Natur. Dem Menschen wird beinahe göttliche Herrschergewalt zugesprochen (Gottebenbildlichkeit), während die Natur aller Göttlichkeit und Heiligkeit beraubt wird (Entsakralisierung) und nur noch als bloßes Material des wissenschaftlich-technischen und ökonomischen Fortschritts zu gelten hat. Ähnlich hat auch die eschatologische Verheißung des neuen Himmels und der neuen Erde dazu geführt, daß die Erde, deren Gestalt ja doch vergeht, zur Ausbeutung freigegeben worden ist.“[37] Diese Vorwürfe übersehen jedoch, dass der einseitige Anthropozentrismus und der Dualismus von Mensch und Natur zu einem Zeitpunkt aufkommen, in der sich der neuzeitliche Mensch immer mehr von Gott loslöst. Es kann aber auch nicht abgestritten werden, dass das Christentum über lange Zeit widerspruchslos zusah, als man biblische Zitate (wie z.B. „Sie sollen herrschen … über die ganze Erde“ (Gen 1,26)) aus ihrem Sinnkontext loslöste und somit als Legitimation für Naturausbeutung verwendete. Erst mit dem Heraufkommen der ökologischen Krise wurde von der Theologie wieder das Ganze der Schöpfung in den Blick genommen wurde.[38]

Anthropozentrismus, Dualismus und das Ausruhen auf den eschatologischen Verheißungen sind eine missverständliche Auslegung bzw. missbräuchliche Inanspruchnahme der biblischen Texte. Daher ist es wichtig, die biblischen Texte genau zu untersuchen und ihre Bedeutung für die heutige Zeit und unseren Schöpfungsauftrag aufzuzeigen.

3.2 Biblische Grundlagen

3.2.1 Alttestamentliche Quellen

Bezüglich des Umgangs des Menschen mit der Schöpfung kommt unter den alttestamentlichen Schriften dem Buch Genesis die größte Bedeutung zu. Sowohl Weltschöpfungserzählung (Gen 1,1 – 2,4a) als auch die Menschenschöpfungserzählung (Gen 2,4b – 3,24) erhalten einen Schöpfungsauftrag, der dem Menschen von Gott gegeben wurde. Auch der Dekalog[39] (Ex 20,8-11; Dtn 5,11-21) kann einer umweltethischen Rezension unterzogen werden.

[...]


[1] In der vorliegenden Arbeit, wird, um den Lesefluss zu vereinfachen, nur die männliche Form verwendet.

[2] Die deutschen Bischöfe (DBK) 29: Expertentext Klimawandel, 5.

[3] H. Grassl: Klimaveränderung, 392.

[4] Vgl. C. Schönwiese: Art. Klima, in: Lexikon der Geowissenschaften, Bd. 3, Heidelberg-Berlin, 2001, 117. zit. nach DBK: Expertentext Klimawandel. 18.

[5] Intergouvermental Panel on Climate Change (Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaänderungen).

[6] Allein im Jahr 2007 forderte der anthropogene Klimawandel über 150.000 Todesopfer. Vgl. DBK: Expertentext Klimawandel. 11-12.

[7] Vgl. W. Koydl: Klassenkampf gegen Klimakiller.

[8] Vgl. UMW: Lebensmittelmärkte wieder in die Innenstädte holen.

[9] Vgl. M. Odwald: Klimawandel.

[10] Die heute 189 Vertragsstaaten zielen sowohl auf eine Minderung der anthropogenen Einflüsse auf das Klima als auch auf eine Verlangsamung der globalen Erwärmung und eine Milderung der Klimafolgen.

[11] Senkung der Treibhausgase im Zeitraum 2008 bis 2012 um 5,2%.

[12] Bei den Verhandlungen haben die USA erstmals Reduktionsziele für ihren CO2Ausstoß akzeptiert.

[13] Vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU): Internationale

Klimapolitik. 2007.

[14] Vgl. AP: Nobelpreisträger IPCC warnt vor "neuer Klima-Epoche". Heute.de

[15] C. Ehrenstein: Protokoll einer angekündigten Katastrophe.

[16] Vgl. BMU: Internationale Klimapolitik. 2007.

[17] DBK: Expertentext Klimawandel. 23.

[18] Vgl. IPCC 2007: Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger, 24-28.

[19] Das schmelzende Eis könnte der Atmosphäre sprunghaft mehr Methan zuführen und so zu einer zusätzlichen Aufheizung des „Treibhauses“ Erde beitragen. (Vgl. IPCC 2007: Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger, 7.)

[20] Käme es zu einem Stillstand, würde dies im Bereich des Nordatlantiks und der angrenzenden Landgebiete, darunter auch in Nord- und Nordwesteuropa, zu einer empfindlichen Abkühlung führen. (Vgl. DBK: Expertentext Klimawandel. 27.)

[21] Vgl. AP: Nobelpreisträger IPCC warnt vor "neuer Klima-Epoche", heute.de.

[22] W. Ernst: Bewahrung der Schöpfung, 323.

[23] W. Ernst: Bewahrung der Schöpfung, 323.

[24] A. Auer: Umweltethik, 19.

[25] W. Ernst: Bewahrung der Schöpfung, 322.

[26] P. Kennedy: In Vorbereitung auf das 21. Jahrhundert, zit. nach T. Stommel: Die ökologische Frage als Herausforderung, 292.

[27] Vgl. Auer: Umweltethik, 20.

[28] G.P Marsh. zit. nach: A. Auer: Umweltethik, 21.

[29] Dies meint die Handlungsaufforderung des Schöpfungsauftrages.

[30] F. Johannsen: Alttestamentliches Arbeitsbuch für Religionspädagogen, 78.

[31] C. Amery: Das Ende der Vorsehung, 16. zit. nach W. Ernst: Bewahrung der Schöpfung, 332.

[32] Die methodistischen Kirchen sind weltweit gesehen eine der größten evangelischen Konfessionen.

[33] Mittelpunkt ist der Mensch als Spitzengeschöpf. (Vgl. B. Irrgang: Anthropozentrik, In: LthK, 741).

[34] Vgl. L. White: Die historischen Ursachen unserer ökologischen Krise, In: M. Lohmann (Hrsg.): Gefährdete Zukunft. Prognosen angloamerikanischer Wissenschaftler, München 1973; J. B. Cobb: Der Preis des Forschritts. Umweltschutz als Problem der Sozialethik, München 1972; In: W. Ernst: Bewahrung der Schöpfung, 331-332.

[35] Lehre, welche auf zwei gegensätzlichen Prinzipien beruht (Vgl. Bertelsmann: Universallexikon, 216).

[36] Mit dem neuen Äon wird ein neues Zeitalter (teilweise auch eine neue Welt) beschrieben, in dem alle Gottlosigkeit beseitigt ist. AT und NT kennen die „Zwei-Äonen-Lehre“ (Vgl. R. Kampling: Äon, In: LthK, 798).

[37] W. Ernst: Bewahrung der Schöpfung, 332.

[38] Vgl. W. Ernst: Bewahrung der Schöpfung, 333.

[39] Dekalog ist der Fachausdruck für die 10 Gebote.

Ende der Leseprobe aus 43 Seiten

Details

Titel
Klimawandel - Eine Herausforderung für Kirche und Gesellschaft
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
43
Katalognummer
V92259
ISBN (eBook)
9783638056816
ISBN (Buch)
9783638947671
Dateigröße
613 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Klimawandel, Eine, Herausforderung, Kirche, Gesellschaft
Arbeit zitieren
Simon Becker (Autor:in), 2008, Klimawandel - Eine Herausforderung für Kirche und Gesellschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92259

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