Erzählsituation, Erinnerung und Redewiedergabe in "El invierno en Lisboa" von Antonio Muñoz Molina


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

22 Seiten, Note: 2,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

I. Kurze Inhaltsangabe von Muñoz Molinas’ El invierno en Lisboa

II. Über den Autor Antonio Muñoz Molina

III. Die Instanz der erzählerischen Vermittlung: Die Unterscheidung zwischen „qui voit“, „qui parle“

IV.1 Erzählinstanz
IV.2 Perspektive/ Fokalisierung

V. Erzählsituationen (nach Stanzel)

VI. Der Erzähler in El invierno en Lisboa
VI.1 Periphere Ich-Erzählsituation in El invierno en Lisboa
VI.1.1 Verhältnis des Ich- Erzählers zum Protagonisten Biralbo
VI.2 Erinnerung
VI.2.1 Modelle der Erinnerung (nach Cohn)
VI.2.2 Form der Erinnerungserzählung
VI.3 Redewiedergabe

VII. Status der Erinnerung

VIII. Schlusswort

IX. Bibliographie
IX.1 Primärliteratur
IX.2 Sekundärliteratur

Einleitung

Thema meiner Hausarbeit ist „Erzählsituation, Erinnerung und Redewiedergabe in Antonio Muñoz Molinas’ El invierno en Lisboa. Die Arbeit ist wie folgt gegliedert.

Unter I. werde ich eine kurze Inhaltsangabe von Muñoz Molinas’ El invierno en Lisboa vornehmen. Unter II. werde ich wichtige Informationen über den Autor darlegen.

Im Hauptteil (III.-VII.) zeige ih zuerst die Instanzen der erzählerischen Vermittlung, die Unterscheidung zwischen „qui voit“ und „qui parle“ unter III., auf. Unter IV. geht es um die Erzählperspektive; dieser Punkt ist in IV.1 Erzählinstanz und IV.2 Perspektive / Fokalisierung untergliedert. Bei V. werde ich auf die Erzählsituationen nach Stanzel eingehen. Unter VI. wird der Erzähler in El invierno en Lisboa genauer beleuchtet; diesem Punkt sind die Unterpunkte VI.1- VI.3 untergeordnet. Unter VI.1 werde ich aufzeigen, dass es sich um eine periphere Ich-Erzählsituation in El invierno en Lisboa handelt; unter VI.1.1 wird das Verhältnis des Ich- Erzählers zum Protagonisten Santiago Biralbo untersucht. In VI.2 geht es um Erinnerung; diesem Punkt sind die Unterpunkte VI.2.1 Modelle der Erinnerung nach Dorrit Cohn[1]; VI.2.2 die Form der Erinnerungserzählung sowie VI.3 Redewiedergabe, untergeordnet. Unter VII. werde ich den Status der Erinnerung behandeln. Unter VIII. folgt das Schlusswort und unter IX. die Bibliographie.

I. Kurze Inhaltsangabe von Muñoz Molinas’ El invierno en Lisboa

Zwischen Lissabon, Madrid und San Sebastián entwickelt sich in der Jazzszene eine Liebesgeschichte. Der Pianist Santiago Biralbo verliebt sich in Lucrecia. Die beiden werden von ihrem Ex-Mann, Bruce Malcolm, verfolgt. Biralbo erschießt Malcolm und flieht vor dessen Komplizen, Toussaints Morton, und der Polizei. In Madrid taucht er unter und schafft sich eine neue Identität. Er tritt unter dem Namen Giacomo Dolphin in einer zwielichtigen Bar, dem Lady Bird auf. Dort trifft er den anonymen Ich-Erzähler und erzählt ihm in Gesprächen in langen, alkoholdurchtränkten Nächten in Jazzkellern nach und nach seine abenteuerliche Geschichte. Dass es sich bei diesem Roman um eine Liebesgeschichte handelt, lässt auch schon das Zitat von Flaubert am Anfang erkennen:

Existe un momento en las separaciones en el que la persona amada ya no está con nosotros.

(Flaubert, La educación sentimental)

II. Über den Autor Antonio Muñoz Molina

Antonio Muñoz Molina wurde 1956 als Sohn eines Gärtners in Ubeda, Andalusien geboren. Er studierte Journalismus und Kunstgeschichte in Madrid, und schloss sein Studium in Kunstgeschichte in Granada ab, wo er seit 1974 lebte. Heute lebt Muñoz Molina in Madrid. Er arbeitete als Verwaltungsbeamter und Journalist und veröffentlichte zwei Sammelbände seiner Artikel, El Robinson urbano (1984) und Diario del Nautilus (1985). Im Jahre 1988 veröffentlichte er die Kurzgeschichten Las otras vidas und den Essay Córdoba de los Omeyas. Sein erster Roman, Beatus Ille, der 1986 erschien, wurde mit dem „Premio Ícaro“ ausgezeichnet. Sein zweiter Roman El invierno en Lisboa, der 1987 erschien, ist eine Mischung aus Krimi und Liebesgeschichte. Das Werk wurde 1988 mit dem „Premio de la Crítica“ und mit dem „Premio Nacional de la Literatura“ ausgezeichnet und mit dem Trompetenspieler Dizzy Gillespie verfilmt. 1989 erschien sein dritter Roman, Beltenebros, der den gleichnamigen Film, in dem Pilar Miró Regie führte, inspirierte. Mit El jinete polaco gewann er 1991 den „Premio Planeta“ und erneut den „Premio Nacional de Literatura“ im Jahre 1992. Außerdem veröffentlichte er die Werke Los misterios de Madrid im Jahre 1992 sowie El dueño del secreto, Ardor guererro y Plenilunio. Er wurde zu einem der bedeutendsten und meistgelesenen Autor der neuen spanischen Schriftstellergeneration nach 1975. Mit nur 39 Jahren wurde er in die „Real Academia de Letras Españoles“ aufgenommen. Seine Werke wurden in viele verschiedene Sprachen übersetzt. Derzeit verfolgt er wieder seine Karriere als Journalist und schreibt Beiträge für die spanische Zeitung „El País“.

III. Die Instanz der erzählerischen Vermittlung: Die Unterscheidung zwischen „qui voit“, „qui parle“

Die Erzählsituation betrifft die zentrale Frage der perspektivischen Vermittlung der erzählten Geschichte. Nach Genette[2] sind bei der Modellierung der Erzählperspektive zwei Instanzen beteiligt, die folglich unterschieden werden müssen: die Instanz des Sehens bzw. Wahrnehmens, „qui voit“, und die Instanz des Erzählens, „qui parle“. Diese Unterscheidung erweist sich als notwendig, da die Position des Erzählers nicht mit der eingenommenen Wahrnehmungsposition identisch sein muss. Nach Stanzel[3] kann neben die Erzählfigur eine sehende Reflektorfigur, d.h. Wahrnehmungsfigur treten.

IV.1 Erzählinstanz

Befindet sich die Erzählinstanz außerhalb der Fiktion, spricht Genette von heterodiegetischer Erzählung bzw. „récit hétérodiégétique“. Wenn sich die Erzählinstanz innerhalb der Fiktion befindet, spricht Genette von homodiegetischer Erzählung bzw. „récit homodiégétique“.

Stanzel unterscheidet zwischen Nicht-Identität bzw. Er-Bezug und Identität der Seinsbereiche bzw. Ich-Bezug von Erzähler und Figuren der erzählten Welt. Wenn der Ich-Erzähler als Hauptfigur mitten in der fiktionalen Welt steht, die der Roman darstellt, ist die Identität der Seinsbereiche des Erzählers und der übrigen Charaktere gegeben. Dies ist in El invierno en Lisboa der Fall, da der anonyme Ich-Erzähler in der fiktionalen Welt steht, die der Roman darstellt, wenn er auch eher eine Randfigur des Geschehens ist. Es handelt sich also um eine homodiegetische Erzählung.

IV.2 Perspektive/ Fokalisierung

Der Begriff der Fokalisierung von Genette bezieht sich auf die Frage, inwieweit der eingenommene Standpunkt eine Einschränkung der Perspektive bzw. der aus dieser Perspektive zugänglichen Informationen impliziert. Fokalisiertes Erzählen gibt es überall dort, wo das Dargestellte auf einen Wahrnehmungsprozess bezogen wird, der innerhalb der histoire stattfindet; deshalb zieht Fokalisierung ein Mehr an Strukturierung in den Text ein. Fokalisierung integriert eine weitere Dimension in das Erzählen, indem zwei Ebenen korrelieren. Zum einen lässt sich das Erzählte auf einen Erlebnis- oder Wahrnehmungsvorgang beziehen, zum anderen bildet das Dargestellte den Inhalt eines Wahrnehmungs- oder Erlebnisprozesses. Die Frage wer sieht/ nimmt wahr/ weiß, was der Erzähler erzählt? Bezieht sich auf den Modus der Fokalisierung. Beim Modus der Fokalisierung findet eine qualitative Modulation der narrativen Information statt. Beim Aspekt der Distanz findet eine quantitative Modulation der narrativen Information statt (showing vs. telling).

Die Frage Wer spricht ? betrifft die Frage des Erzählers bzw. der Stimme. Beim metadiegetischen Erzähler ist die Narration Bestandteil der Erzählung. Beim intradiegetischen Erzähler berichtet eine Figur der Geschichte. Der extradiegetische Erzähler ist nicht der Geschichte zugehörig.

Bei der Unfokalisierten Erzählung bzw. Nullfokalisierung herrscht uneingeschränkter Informationsfluss, es gibt keine Einschränkung der Sicht und es handelt sich meist um einen auktorialen bzw. allwissenden Erzähler. Der Erzähler weiß mehr als die Figur, oder genauer, er sagt mehr, als irgendeine Figur weiß (Erzähler > Figur).

Bei der Internen Fokalisierung herrscht eingeschränkter Informationsfluss, die Sicht ist auf die Position einer Figur eingeschränkt (Innenperspektive). Der Erzähler sagt nicht mehr, als die Figur weiß, es handelt sich um eine Erzählung mit „beschränktem“ Sichtfeld (Erzähler = Figur). Hier gibt es drei Typen. Zum einen gibt es die feste interne Fokalisierung, wobei aus dem Blickwinkel einer einzigen Figur erzählt wird. Dann gibt es die variable interne Fokalisierung, wobei es einen Wechsel der fokalen Figuren gibt. Als dritten und letzten Typ gibt es die multiple interne Fokalisierung. Hierbei gibt es einen Wechsel der fokalen Figuren bei Betrachtung der gleichen Ereignisse.

Bei der Externen Fokalisierung, die auch camera eye oder Kameraperspektive genannt wird, herrscht eine Einschränkung auf die Sicht eines anonymen Zeugen, es gibt keine Introspektion, kein Einblick in die Gedanken- und Gefühlswelt der Figuren oder lediglich Vermutungen. Die Erzählung ist heterodiegetisch. Hier sagt der Erzähler weniger, als die Figur weiß; es handelt sich um eine „objektive“ oder „behavioristische“ Erzählung (Erzähler < Figur).

Stanzel unterscheidet zwischen Außenperspektive, d.h. Standpunkt außerhalb der fiktiven Welt, und Innenperspektive, d.h. Standpunkt innerhalb der fiktiven Welt. Den Typ externe Fokalisierung von Genette stuft Stanzel als Übergangsphänomen ein und gibt ihn daher auf.

V. Erzählsituationen (nach Stanzel)

Die Erzählsituationen ergeben sich aus unterschiedlichen Kombinationen des Erzähl- und Wahrnehmungsstandpunkts. Es geht bei der Erzählsituation also um das Verhältnis von Erzählerinformation und Figurenwissen. Stanzel unterscheidet im Wesentlichen drei Erzählsituationen: die auktoriale Erzählsituation, die Ich-Erzählsituation und die personale Erzählsituation. Erstens gibt es die auktoriale Erzählsituation. Bei der auktorialen Erzählsituation tritt ein:

„persönlicher, sich in Einmengung und Kommentaren zum Erzählten kundgebendenErzähler“[4]

auf. Hierbei weiß der Erzähler mehr als die handelnden Personen und sagt mehr als diese wissen. Die Außenperspektive dominiert. Die auktoriale Erzählsituation kennzeichnet das Auftreten eines allwissenden Erzählers, der die Umwelt seiner Figuren nicht durch deren Augen wahrnimmt. Stanzel formuliert es folgendermaßen:

[...]


[1] Cohn, Dorrit: Transparent Minds. Narrative Modes for presenting Consciousness in Fiction. Princeton, 1978

[2] Genette, Gérard: „Discours du récit“, in Figures III, Paris 1972, S. 65-282

[3] Stanzel, Franz K.: Theorie des Erzählens. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1995.

[4] Stanzel, Franz K.: Theorie des Erzählens. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1995, S. 16 ff

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Erzählsituation, Erinnerung und Redewiedergabe in "El invierno en Lisboa" von Antonio Muñoz Molina
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen  (Romanisches Seminar)
Veranstaltung
Der spanische Gegenwartsroman
Note
2,5
Autor
Jahr
2005
Seiten
22
Katalognummer
V92120
ISBN (eBook)
9783638058698
ISBN (Buch)
9783640139231
Dateigröße
614 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Erzählsituation, Erinnerung, Redewiedergabe, Lisboa, Antonio, Muñoz, Molina, Gegenwartsroman
Arbeit zitieren
Sofie Renner (Autor:in), 2005, Erzählsituation, Erinnerung und Redewiedergabe in "El invierno en Lisboa" von Antonio Muñoz Molina, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92120

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