Selbstwirksamkeitserwartung und die Zufriedenheit mit dem eigenen Leben


Bachelorarbeit, 2020

72 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Ziele der Arbeit
1.3 Vorgehensweise

2 Theoretische Grundlagen
2.1 Selbstwirksamkeitserwartung
2.1.1 Quellen der Selbstwirksamkeitserwartung
2.1.2 Selbstwirksamkeit und Lebenszufriedenheit
2.2 Attributionstheorie
2.2.1 Misserfolgsvermeider
2.2.2 Erfolgssucher
2.2.3 Attribution und Selbstwirksamkeit
2.3 Theorie der erlernten Hilflosigkeit
2.3.1 Erlernte Hilflosigkeit und Attribution
2.3.2 Prokrastination und Lebenszufriedenheit
2.4 Sportliche Aktivitat
2.5 Selbstkonkordanz
2.6 Lebenszufriedenheit und Wohlbefinden
2.7 Persönlichkeitsdimensionen
2.8 Aktuelle Forschungsstande relevanter Themengebiete
2.9 Hypothesenableitung

3 Methodik
3.1 Forschungsmethode und Untersuchungsdesign
3.2 Versuchsplan
3.3 Operationalisierung der Variablen
3.3.1 Extraversion und Offenheit
3.3.2 Selbstwirksamkeit
3.3.3 Sport- und bewegungsbezogene Selbstkonkordanz
3.3.4 Sportbezogene Selbstwirksamkeitserwartung
3.3.5 Drive for Muscularity
3.3.6 Interne und externe Kontrollüberzeugung
3.3.7 Lebenszufriedenheit
3.3.8 Prokrastination
3.4 Gütekriterien
3.5 Mögliche Störvariablen
3.6 Aufbau der Datenerhebung und Durchführung
3.6.1 Gestaltung der Forschung und Ablauf der Umfrage
3.6.2 Akquise der Umfrageteilnehmer
3.7 Pretest

4 Ergebnisse
4.1 Datensatz
4.2 Deskriptiva
4.3 Skalenreliabilitat
4.4 Hypothesenprüfung
4.4.1 Analyseverfahren
4.5 Weitere Ergebnisse

5 Diskussion
5.1 Beantwortung der Forschungsfragen
5.2 Kritische Reflexion der Ergebnisse
5.3 Fazit

Anhang A: Fragebogen

Abbildungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

Zusammenfassung

Welche Eigenschaften tragen zur Lebenszufriedenheit bei? Um zu einer Antwort auf diese Frage zu gelangen, wurde eine quantitative Datenerhebung durch ein Onlineinterview im Fragebogenformat mit 229 Teilnehmern durchgeführt. Neben der Suche nach den Zusammenhangen von Selbstwirksamkeitserwartung und Lebenszufriedenheit, wurde der Einfluss sportlicher Aktivitat auf genannte Konstrukte untersucht. Weitere Aufmerksamkeit wurde der Prokrastination sowie der Kontrollüberzeugung und den Persönlichkeitsdimensionen Extraversion und Offenheit für Erfahrungen geschenkt. Die Ergebnisse förderten einen stark signifikanten positiven Zusammenhang von Aktivitat, Selbstwirksamkeit und Lebenszufriedenheit zutage. Auch der negative Einfluss der Prokrastination auf die Lebenszufriedenheit konnte verifiziert werden. Weitere Befunde weisen auf einen überraschend groBen Einfluss der Persönlichkeitsdimension Extraversion auf die Zufriedenheit mit dem eigenen Leben hin. Den Ergebnissen zufolge wirkt sportliche Aktivitat fördernd auf die Selbstwirksamkeit. Dies hat wiederum einen positiven Einfluss auf die Lebenszufriedenheit. Eine Tendenz zur Prokrastination hingegen wirkt sich mindernd auf die Lebenszufriedenheit aus. Es sind weitere Untersuchungen notwendig, um den Langzeiteffekt sowie Wechselwirkungen der Selbstwirksamkeit mit der Lebenszufriedenheit zu untersuchen.

Abstract

Which abilities contribute to life satisfaction? In order to find an answer to this question, a quantitative data collection was carried out through an online interview in questionnaire format with 229 participants. In addition to the search for correlations between self-efficacy expectations and life satisfaction, the influence of physical activity and sports training on the above-mentioned constructs was investigated. Further attention was paid to procrastination as well as the control conviction and the personality dimensions of extraversion and openness to experience. The results revealed a highly significant positive correlation between physical activity, self-efficacy and life satisfaction. The negative influence of procrastination on life satisfaction was also verified. Further findings point to a surprisingly large influence of the personality dimension of extraversion on satisfaction with one's own life. According to the results, physical activity and sports training have a positive effect on self-efficacy. This in turn has a positive influence on life satisfaction. A tendency towards procrastination, on the other hand, has a reducing effect on life satisfaction. Further investigations are necessary to investigate the long-term effect and the interactions of self-efficacy on life satisfaction.

1 Einleitung

Zufriedenheit mit dem eigenen Leben und subjektives Wohlbefinden sind ausschlaggebende Kriterien für ein glückliches Leben. Die Überzeugung, schwierige Situationen und Aufgaben aufgrund der eigenen Kompetenzen und Fahigkeiten bewaltigen zu können, wird Selbstwirksamkeit genannt. Nach Salas et al. (2017) ist Selbstwirksamkeit ein Pradiktor für Lebenszufriedenheit und laut Headey, Kelley und Wearing (1993) können Menschen, die mit ihrem Leben zufrieden sind, nicht depressiv sein. Im Gegenteil, sie empfinden Freude an Entwicklung, wachsen an ihren Herausforderungen und sehen in schwierigen Situationen die Chance, ihre Fahigkeiten und Kompetenzen auf die Probe zu stellen. Das Leben als formbares Konstrukt zu betrachten und die Überzeugung, Hindernisse aus eigener Kraft bewaltigen zu können, sind Aspekte einer gesunden Psychohygiene (Schauenburg, 2020). Ebenso wie eine selbstwertdienliche Ursachenzuschreibung, das Setzen und Verfolgen von Zielen für die Zukunft und die Erwartung positiver Konsequenzen nach Handlungen. Als weitere EinflussgröBe auf die Zufriedenheit mit dem eigenen Leben ist ein aktiver Lebensstil zu nennen (Zullig & White, 2011).

Vorangegangene Studien haben unter Beweis stellen können, welchen Einfluss ein positives Selbstkonzept, Selbstwirksamkeit und interne Widerstandsressourcen auf die Lebenszufriedenheit haben (Martinez-Marti & Ruch, 2017). Auch die Effekte von Aktivitat und sportlichem Training auf die Selbstwirksamkeit und Selbstregulation sind hinreichend belegt (Olsen & McAuley, 2015). Sofern Menschen sich diese Erkenntnisse zunutze machen, sind sie nicht mehr Opfer ihrer Umstande, sondern Schöpfer der eigenen Realitat. Die Selbstwirksamkeit beleuchtet dabei einen entscheidenden Aspekt. Denn „wenn die Selbstwirksamkeit fehlt, neigen die Menschen dazu, sich ineffektiv zu verhalten, obwohl sie wissen, was zu tun ist“ (Bandura, 1982).

1.1 Problemstellung

Im Jahr 2018 lag die Anzahl der an depressiven Symptomen erkrankten Menschen allein in Deutschland bei über fünf Millionen. Psychische Probleme, allen voran Depressionen, stellen die drittwichtigste Ursache für Arbeitsunfahigkeit dar. Der Ausfall der Bruttowertschöpfung in der Bundesrepublik durch Krankschreibungen dieser Art lag im Jahr 2017 bei 20 Milliarden Euro (Kuhn & Brettner, 2019). Die Krankenkassen verzeichneten im Jahr 2019 Ausgaben in Höhe von 752 Millionen Euro für Antidepressiva (Herbe, 2018; Radtke, 2019). Einen starken Pradiktor für depressive Symptome stellt Prokrastination dar (Beutel et al., 2016). Statt Aufgaben sofort zu erledigen, werden sie aufgeschoben und Handlungen zur Kompensation ausgeführt, was bei den Betroffenen meist mit enormem Stresserleben verbunden ist. Balkis und Duru (2016) sehen den Auslöser dafür in fehlender Handlungskontrolle und einem Mangel an Selbstregulation. Die Unfahigkeit, Prozesse aktiv zu steuern, wird als Kontrollverlust erlebt. Obwohl Bewusstsein darüber herrscht, eingreifen zu können, werden Handlungen zur Veranderung unterlassen. Auf Basis dieser Referenzereignisse bilden sich Gedankenschleifen, welche die Überzeugung bekraftigen, diesen Zustand nicht beeinflussen zu können. Hiroto und Seligman (1975) nennen diesen selbst herbeigeführten Zustand erlernte Hilflosigkeit. Klein und Seligman (1976) bestatigen den Einfluss erlernter Hilflosigkeit auf Depressionen. Oftmals werden die Symptome nicht nur auf psychischer, sondern auch auf physischer Ebene wahrgenommen. Irrationale Gedanken, auch dysfunktionale Kognitionen genannt, wirken sich erheblich auf den Körper aus. Wenn Störungen der Psyche auf den Körper übergreifen, wird von Psychosomatik gesprochen. Organe wie das Herz-Kreislauf-System, die Verdauung, die Muskulatur oder das hormonelle System können davon betroffen sein (Krannich et al., 2013). Die Kombination psychischer und physischer Störungsbilder hat eine Minderung der Lebensqualitat zur Folge und reduziert die Zufriedenheit mit dem eigenen Leben.

1.2 Ziele der Arbeit

Diese Forschungsarbeit verfolgt das Ziel, die Interaktionseffekte zwischen der Selbstwirksamkeit, sportlicher Aktivitat und Prokrastination aufzuzeigen, sowie die Zusammenhange der genannten Konstrukte mit der Lebenszufriedenheit zu beleuchten. Durch Abfrage von Meinungen und Einstellungen mithilfe eines Onlineinterviews in Form eines Fragebogens sollen diese Forschungsziele realisiert werden.

Auf Grundlage der Erkenntnisse früherer Forschungen und der Absicht, die Zusammenhange aufzuzeigen, welche die Lebenszufriedenheit beeinflussen, wurden folgende Forschungsfragen formuliert:

1. Wie wirkt sich sportliche Aktivitat auf die Selbstwirksamkeit aus?
2. Welchen Einfluss nimmt die Tendenz zur Prokrastination auf die Zufriedenheit mit dem eigenen Leben?

1.3 Vorgehensweise

Um eine Antwort auf die aufgeworfenen Forschungsfragen zu finden, wird in Kapitel 2 die theoretische Grundlage hergestellt. Von substanzieller Bedeutung sind dabei die Konstrukte Selbstwirksamkeitserwartung, Ursachenzuschreibung, sportliche Aktivitat sowie Prokrastination und Lebenszufriedenheit. Zusatzlich werden aktuelle Studien aufgezeigt, die den Wert der Selbstwirksamkeitserwartung und der Lebenszufriedenheit für eine gesunde Psyche verstandlich machen. Auf Basis dieser Konstrukte erfolgt im spateren Teil die Ableitung der Hypothesen. In Kapitel 3 werden die methodischen Vorgange der quantitativen Datenerhebung erlautert, auf deren Fundament diese Arbeit aufgebaut ist. Im Anschluss an die Methodik werden in Kapitel 4 die Ergebnisse vorgestellt, die mittels statistischer Rechnungen gewonnen werden konnten. AbschlieBend erfolgt die Diskussion der Ergebnisse mit Bezug auf die Forschungsfragen. Implikationen und Empfehlungen werden im Kapitel 5 in Aussicht gestellt.

2 Theoretische Grundlagen

In diesem Kapitel wird eine Übersicht über die Literatur geschaffen, die als theoretische Grundlage zum Verstandnis der Inhalte dieser Arbeit dient. Es erfolgen zunachst die Definition der Begriffe und eine Erlauterung der Konstrukte, um diese anschlieBend in einem Gesamtzusammenhang zu betrachten. Zuletzt wird ein Überblick über den aktuellen Forschungsstand geschaffen, woraufhin die Ableitung der Hypothesen erfolgt.

2.1 Selbstwirksamkeitserwartung

Aus dem sportlichen, wirtschaftlichen und klinischen Kontext ist eine optimistische Grundhaltung zur positiven Veranderung einer Situation nicht mehr wegzudenken (Bandura, 1977a; Schwarzer & Luszczynska, 2006; Salanova, Bakker & Llorens, 2006). Der Glaube an das Machbare wird in der Fachsprache Selbstwirksamkeit genannt. Der kanadische Psychologe Albert Bandura hat den deutschen Begriff der Selbstwirksamkeit in den 1960er-Jahren durch seine Studien zu den self-efficacy beliefs entscheidend gepragt. Bandura (1977a, 1997) definiert den Begriff der Selbstwirksamkeit als die Überzeugung einer Person, Handlungen aufgrund der eigenen Kompetenzen erfolgreich ausführen zu können.

Von besonderer Bedeutung für die Überzeugung, ob eine Handlung möglich ist oder nicht, sind die Interpretation der Umstande und die damit in einem direkten Zusammenhang stehende Zuschreibung der Ursache (Heckhausen, 1978; Weiner, 1985). Wenn eine Leistung nicht den eigenen Fahigkeiten zugeschrieben wird, sondern externen Umstanden, hat sie keinen Einfluss auf die Selbstwirksamkeitserwartung. Wird die Leistung jedoch den eigenen Fahigkeiten und Ressourcen zugeschrieben, beeinflusst sie die Selbstwirksamkeitserwartung in bedeutsamer Weise.

Hierbei gilt es, das psychologische Konzept der Selbstwirksamkeitserwartung von Modellen der Selbstachtung, des Selbstwertes, und des Selbstkonzeptes abzugrenzen, da Selbstachtung eine Beurteilung des Selbstwertes darstellt. Wobei anzumerken ist, dass die Modelle der Selbstachtung und des Selbstwertes, sich laut Altmeyer (2000), ebenfalls auf das Erreichen von Zielen oder die Erbringung von Leistungen (Covington, 1992) beziehen. Allerdings kann Selbstwirksamkeitserwartung als eigenstandiger Teil eines positiven Selbstkonzeptes im Rahmen der intrapersonellen Ressourcen gesehen werden (Martschinke, 2011; Schwarzer & Jerusalem, 2002; Epel, Bandura & Zimbardo, 1999). In der Sozialkognitiven Lerntheorie erklart Bandura (1977a, 1992, 2001), dass subjektive Überzeugungen von kognitiven, emotionalen und aktionalen Prozessen geleitet sind. Insbesondere durch die Handlungs-Ergebnis-Erwartungen bzw. Konsequenzerwartung, im Englischen outcome expectancy und die Selbstwirksamkeitserwartung bzw. Kompetenzüberzeugung, im Englischen perceived self-efficacy.

Setzt sich jemand das Ziel, einen aktiven Lebensstil zu pflegen, besteht der Inhalt der Handlungs-Ergebnis-Erwartung aus dem Abschatzen der Wahrscheinlichkeit, ob sich dafür die Kenntnisse und Fahigkeiten erlernen lassen.

Konsequenzerwartungen stehen also im Zusammenhang mit den erforderlichen Handlungen, die für das Erreichen des gewünschten Ergebnisses zu erbringen sind. Konsequenzerwartungen bestehen typischerweise aus Wenn-dann-Formulierungen und stehen in einem umfassenden Zusammenhang zwischen der Handlung und dem Ergebnis. Dabei ist es nicht von Interesse, ob der Mensch sich dazu generell in der Lage sieht.

Dies wiederum sind Aspekte der Selbstwirksamkeitserwartung und Kompetenzüberzeugung. Beide Komponenten stellen den Bezug zur Personenabhangigkeit der Handlung her. Eine typische Aussage im Rahmen von Selbstwirksamkeitserwartungen und Kompetenzüberzeugungen könnte in dem Fall lauten: „Ich schaffe das!“, diese haben grundsatzlich einen Selbstbezug.

Nach Bandura (1993, 1997) gehören zu den Erwartungen und Überzeugungen noch kognitive, affektive, motivationale und Selektionsprozesse, die ebenfalls einen Einfluss auf die individuelle Selbstwirksamkeit ausüben. Im Kontext von Substanzabhangigkeiten führte er die Dimensionen action self-efficacy, coping self­efficacy und recovery self-efficacy ein. Der Bedeutungsinhalt von action self-efficacy wird als praintentional, also der Handlung vorgelagert, beschrieben, wohingegen coping self-efficacy als postintentional, also der Handlung nachgelagert, verstanden wird. Dazu gliedert sich recovery self-efficacy, welche sich auf die Erholung nach einem Misserfolg bezieht (Luszczynska et al., 2007). In Abhangigkeit vom Kontext werden weitere Formen der Selbstwirksamkeit unterschieden. So sprechen Cicerone und Azulay (2007) von kognitiver Selbstwirksamkeit oder Wilhelm und Büsch (2006) von motorischer Selbstwirksamkeit. Unabhangig vom Hintergrund, beruhen laut Bandura (1977b, 1993,1997) Selbstwirksamkeitserwartungen auf vier Quellen, die nachfolgend betrachtet werden.

2.1.1 Quellen der Selbstwirksamkeitserwartung

Die Quellen, die jeweils zum Tragen kommen, beeinflussen das Verhalten in unterschiedlicher Art und Intensitat. Nach Bandura (1977a, 1986) ist es ebenfalls möglich, mehrere Quellen in der gleichen Situation in unterschiedlichem AusmaB zu nutzen.

Die Faktoren, welche die Selbstwirksamkeitserwartung einer Person beeinflussen können, setzen sich zusammen aus:

1. eigenen Erfahrungen: Selbst erlebte Referenzereignisse aus der Vergangenheit sind die verlasslichste Quelle für Selbstwirksamkeit. Sie werden als authentische Beweise gespeichert. In der Sozialkognitiven Lerntheorie (Bandura, 1977b) als performance accomplishment bezeichnet, wird im Deutschen von der erreichten Leistung gesprochen. In der heutigen Wissenschaft hat sich der Begriff der mastery experience (Bandura, 1995) durchgesetzt. Inhalt der eigenen Erfahrungen ist das positive Erlebnis aus der Vergangenheit, was zur Folge hat, dass zukünftige Aufgaben oder Herausforderungen, als bewaltigbar eingestuft werden.
2. stellvertretenden Erfahrungen: Diese beziehen sich auf das Beobachtungslernen durch den Erfolg anderer Menschen, im Englischen auch vicarious experience (Bandura, 1977b; Bandura, Freeman & Lightsey, 1999) genannt. Wenn beobachtet werden kann, wie eine andere Person eine Situation meistert, ohne selbst emotionalen oder physischen Schaden zu nehmen, wird die Herausforderung als bewaltigbar wahrgenommen. Selbst wenn die Fahigkeiten dazu noch nicht ausreichen, wird sich die Leistung durch die Beobachtung bereits verbessern.
3. verbaler Ermutigung: Im Englischen spricht man von verbal persuasion (Bandura, 1977b; Bandura, Freeman & Lightsey, 1999), wenn Menschen, die sich die bevorstehende Aufgabe nicht zutrauen, durch ermutigende Suggestionen in ihrem Vorhaben bestarkt werden. Als wichtiger Bestandteil gilt der Realitatsbezug. Die Ermutigungen müssen der Situation und der Person angepasst sein und dürfen nicht überzogen wirken. Sollte die Person erneut scheitern, würde die Kombination aus Scheitern und überzogener Suggestion die Entmutigung verstarken. Verbale Ermutigungen sind eher von kurzer Dauer und verlieren ihre Bedeutung bei Erfahrungen, die nicht übereinstimmend mit dem Überzeugungsversuch sind.
4. emotionaler Erregung: Gemeint sind physiologische Reaktionen, die als Antwort auf Spannungszustande gezeigt werden. Bandura (1977b) sowie Bandura, Freeman und Lightsey (1999) nennen diesen Zustand emotional arousal. Das Problem liegt in der kognitiven Beurteilung physiologischer Erregungen

(Lazarus & Folkman, 1984). Körperliches Empfinden hat einen erheblichen Einfluss auf die Leistung in bedrohlich wirkenden Situationen (Yerkes & Dodson, 1908). Ist die wahrgenommene Erregung zu hoch, wird sie als aversiv erlebt und geht mit Kontrollverlust einher, was letztendlich zu einer Minderung der Leistung führt (Bandura, 1977b). Menschen stützen sich bei der Bewertung ihrer Angste auf körperliche Empfindungen. Oft werden diese falsch interpretiert und so im Gedachtnis gespeichert. Dies führt zu einer Kopplung von emotionaler Erregung und Angst und ebenfalls zu einer Zuschreibung einer bestimmten Situation, die diese Angst hervorruft. Steht die beangstigende Situation dann unmittelbar bevor, werden automatisch die abgespeicherten Emotionen aufgerufen und durchlebt (Schneider & Margraf, 2009). Eine Fehleinschatzung der emotionalen Erregung kann durch eine kognitive Neubewertung behoben werden, damit körperliche Empfindungen nicht mehr als aversiv und bedrohlich erlebt werden (Borkovec & Glasgow, 1973; Bandura, 1977b).

2.1.2 Selbstwirksamkeit und Lebenszufriedenheit

Im Folgenden sollen die Auswirkungen einer positiven Aussicht auf Erfolg auf die allgemeine Lebenszufriedenheit dargestellt werden.

O'Sullivan (2011) untersuchte, welche Auswirkungen die Verbindung zwischen Eustress, Hoffnung und Selbstwirksamkeit auf die Lebenszufriedenheit von Studierenden hat und konnte genannten Konstrukten Zusammenhange nachweisen. Auch für eine umgekehrte Betrachtung gibt es hinreichende Belege. Park und Hah (2007) erkannten in einer niedrigen Selbstwirksamkeit einen Pradiktor für depressive Symptome und niedrige Lebenszufriedenheit. Durch ausgepragte Selbstwirksamkeitserwartung werden Heilungsprozesse optimiert, Stresserleben verringert und das subjektive Wohlbefinden gesteigert. Selbstwirksamkeit schafft Bewusstsein über die eigenen Fahigkeiten (Cicerone & Azulay, 2007; Qakar, 2012; Burger & Samuel, 2017; Cikrikci & Odaci, 2016). Laut Martinez-Marti und Ruch (2017) verfügen Menschen mit hoher Selbstwirksamkeit über starkere Charaktereigenschaften, sind widerstandsfahiger, hilfsbereiter, zuversichtlicher und generell zufriedener mit dem eigenen Leben.

2.2 Attributionstheorie

Im folgenden Kapitel wird ein Überblick über die Forschungen zur Attributionstheorie geschaffen, um die Bedeutung der Ursachenzuschreibung auf die Selbstwirksamkeit zu betonen.

Franz Heider (1958) legte die Grundlage für Attributionstheorien. Seiner Meinung nach versuchen Menschen, das Verhalten anderer Menschen durch naive Alltagspsychologie zu erklaren. Er differenzierte als Erster zwischen internen und externen Attributionen. Die Unterscheidung zwischen internen und externen Ursachenzuschreibungen wird Kausalattribution genannt (Kelley, 1973). Ereignissen wird eine Bedeutung beigemessen und eine sinngebende Ursache zugeordnet. Interne Zuschreibungen der Ursache werden auf Eigenschaften des Charakters, Kompetenzen, Fahigkeiten und Überzeugungen zurückgeführt. Externe Zuschreibungen hingegen beziehen sich auf die Umstande und die Situation, sodass der Grund für den Erfolg oder Misserfolg auBerhalb des Einflusses der Person gesehen wird.

Hierbei ist entscheidend, dass die Zuschreibungen sich auf Ereignisse aus der Vergangenheit beziehen. Heider (1958) gibt an, dass der Mensch aufgrund dieser Referenzerfahrungen sogenannte Heuristiken bildet. Mit Heuristiken sind Wahrscheinlichkeiten gemeint, welche dazu dienen, eine unkomplizierte Erklarung für ein Problem zu finden. Heuristiken werden automatisch abgerufen und erleichtern die Entscheidungsfindung auf der Suche nach einheitlichen Informationen (Gilovich, Griffin & Kahneman, 2002; Fleeson & Noftle, 2008). Wenn Heuristiken auf fehlerhaften Informationen beruhen, unterliegen die Zuschreibungen einer kognitiven Verzerrung, in der englischen Fachliteratur auch cognitive bias genannt oder fundamentaler Attributionsfehler (Ross, 1977). Dadurch werden aufgenommene Informationen verzerrt, wodurch das Handeln der Person beeinflusst wird. Als Resultat von Ursachenzuschreibungen ergeben sich Erwartungen bezüglich zukünftiger Aufgaben und Gelegenheiten, beispielsweise die Handlungs-Ergebnis-Erwartung, die im Kapitel der Selbstwirksamkeit schon naher betrachtet wurde.

Harold Kelley (1967, 1973) dehnte Heiders Attributionstheorie auf die Dimensionen Konsistenz, Konsensus und Distinktheit aus. Damit integrierte er die zeitliche, personelle und die Verhaltensvariable in sein Konzept. Es ist wichtig zu verstehen, dass grundsatzlich zwischen Attributionstheorien (Kelley & Michela, 1980) und attributionalen Theorien (Weiner, 1985) unterschieden wird. Wahrend Attributionstheorien sich mit dem Entstehen von Kausalattributionen befassen, legen attributionale Theorien den Fokus auf das Ergebnis von Kausalattributionen.

Nach Rotter (1966) bestimmt die Intensitat der Überzeugung einer Person, ob der Grund für das Auftreten einer Situation innerhalb des Einflusses einer Person liegt (internal locus of control!) oder ohne Einwirkung (external locus of control!) der Person geschieht. In der deutschsprachigen Literatur hat sich inzwischen der Begriff Kontrollüberzeugung etabliert.

Seligman (1975) erganzte das Modell der internalen und externalen Attribution von Heider (1958) um die Dimensionen stabil, variabel, generell und spezifisch. Auf der Suche nach dem Grund für die Entstehung von Depressionen war er der Meinung, der entscheidende Faktor wird durch die Ursachenzuschreibung gebildet. Die Wahrscheinlichkeit, an einer Depression zu erkranken, ist hoch, wenn die Person sich selbst für die Umstande verantwortlich macht (internal), die Veranderung dieser Umstande nicht in Ihrer Hand liegen (stabil) und die Umstande als überdauernd wahrgenommen werden (generell). Ein Scheitern externen Gründen zuzuschreiben, sie als variabel zu betrachten und dahinter einen spezifischen Grund zu vermuten, deutet auf ausgepragte internale Ressourcen hin (Seligman et al., 1979).

Weiner (1972, 1985, 1995) führte Kontrollierbarkeit als weitere Variable ein. Er untersuchte die Hintergründe für das Erreichen oder Verfehlen von Zielen im leistungsbezogenen Kontext. Im Bezug auf eine interne oder externe Zuschreibung von Ursachen spricht er von Lokation oder Lokus. Wie Seligman (1975) nennt er ebenfalls die Dimension stabil und variabel. Weiner (1972, 1985, 1995) teilte den Emotionen eine bedeutsame Rolle zu. Er gibt an, dass Gefühle bei der Wahrnehmung von Ereignissen, der Verarbeitung und der darauffolgenden Aktion einen entscheidenden Beitrag leisten. Menschen empfinden nach einem Erfolgserlebnis Stolz und schamen sich, wenn sie gescheitert sind. Aufgrund dieser Gefühlslagen schreiben sie den Empfindungen eine Ursache zu.

Heckhausen und Rheinberg (1980) erganzten weitere Dimensionen. Zur wahrgenommenen Situation kommt die Handlung. Dazu gliedert sich das Ergebnis der Handlung sowie die Folgen, welche das Ergebnis mit sich bringt. Im erweiterten Modell der Motivation unterscheidet Heckhausen (1989) drei verschiedene Erwartungstypen. Zum einen die Situations-Ergebnis-Erwartung, in der abgewogen wird, ob eine Situation auch ohne eigenes Handeln eintrifft. Zum anderen die Handlungs-Ergebnis- Erwartung, in der darüber nachgedacht wird, ob ein eigener Einfluss auf die Situation möglich ist. Zudem die Ergebnis-Folge-Erwartung, in der die Instrumentalitat eingeschatzt wird, die das Eintreffen eines bestimmten Ergebnisses mit sich bringt.

Wenn eine Person Erfolge auf eigene Fahigkeiten zurückführt, Situationen als variabel und veranderbar betrachtet und zukünftige Herausforderungen als kontrollierbar wahrnimmt, wirkt dieses Verhalten aufbauend auf ihre Motivation und Leistung (Weiner, 1972, 1985, 1995; Heckhausen, 1978, 1989).

Nachfolgend werden zwei grundsatzliche Arten der Attribution unterschieden, um deren Wirken auf die Selbstwirksamkeitserwartung herauszustellen.

2.2.1 Misserfolgsvermeider

Mehrere Studien stützen die These, dass Menschen immer darauf bedacht sind, ihren Selbstwert zu schützen. Atkinson (1957) hat in seinem Risiko-Wahl-Modell nach Menschen unterschieden, die Erfolge suchen, und solchen, die darauf bedacht sind, Misserfolge zu vermeiden.

Menschen, die dazu neigen, Misserfolge zu vermeiden, haben den Hang, sich nach einem negativen Ereignis zu schamen. Sie meiden Situationen, die ihren Selbstwert gefahrden, gehen weniger Risiken ein und haben Angst, sich Leistungssituationen auszusetzen. Das mit dem Scheitern verbundene Schamgefühl wird bereits vor der Situation durchlebt (Heckhausen & Heckhausen, 2006). Sie wahlen Aufgaben, die entweder deutlich unter ihren Fahigkeiten oder deutlich darüber liegen. Bei zu leichten Aufgaben hat dies den Zweck, die Wahrscheinlichkeit zu scheitern so gering wie möglich zu halten. Fallt die Wahl auf zu schwierige Aufgaben, soll damit ebenfalls der Selbstwert geschützt werden: Wenn die Aufgabenschwierigkeit ohnehin deutlich über dem Niveau der Person liegt, kann die Beurteilung der Niederlage nicht auf diese zurückfallen (Heckhausen, 1978). Die Gedanken von Menschen mit der Tendenz, zukünftige Misserfolge zu vermeiden, drehen sich dauerhaft darum, Schamgefühle zu umgehen und bevorstehenden Leistungssituationen zu entkommen. Eine Dauerschleife aus Angst vor Situationen und Bekraftigung eigener Unfahigkeit entsteht. Merton (1948) nennt diese Schleife eine self-fulfilling prophecy. Die Erwartungen sind auf das Scheitern ausgerichtet, dadurch wird eine niedrige Leistung abgerufen, mit der Konsequenz eines Misserfolgs. Die Person unterliegt einer kognitiven Verzerrung bezüglich eigener Fahigkeiten (Wason, 1968).

Misserfolgsvermeidende Menschen halten ihr Selbstbild für unveranderbar und statisch. Dies entspricht der Fixed-Mindset Theory von Dweck (2000).

2.2.2 Erfolgssucher

Laut Atkinson (1957) bilden Erfolgssucher das Gegenteil von Misserfolgsvermeidern. Sie besitzen ein ausgepragtes Leistungsmotiv. Erfolgsmotivierte gehen für Erfolge Risiken ein. Sie streben nach Wachstum und stetiger Verbesserung eigener Kompetenzen und Fahigkeiten. Erfolgssucher nutzen die positiven Emotionen bei Erfolgen um neuen Herausforderungen zuversichtlich zu begegnen. Die Erfolgshistorie der Person ist ein entscheidender Faktor für die Bewaltigung zukünftiger Herausforderungen. Die Wahl fallt dabei auf Aufgaben, deren Schwierigkeit mittlerem bis leicht erhöhtem Niveau entspricht mit der Absicht, eigene Leistungen zu verbessern und das Wachstumspotenzial auszuschöpfen. Weiner (1974) sowie Heckhausen und Heckhausen (2006) sind der Meinung, dass Menschen mit einem Erfolgsmotiv eher davon überzeugt sind, Aufgaben schaffen zu können. Sollten sie dennoch scheitern, schreiben sie die Ursache nicht mangelnden Fahigkeiten zu, sondern mangelnder Anstrengung. Sie gehen davon aus, sich bei der nachsten Aufgabe mehr anstrengen zu müssen, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Erfolge werden höher bewertet als Misserfolge. Ereignisse werden den Ursachen zugeschrieben, die für den Selbstwert aufbauend sind. So kommt es vor, dass Personen mit Erfolgsmotiven ebenfalls einer kognitiven Verzerrung unterliegen- nicht jedoch einer selbstwertschwachenden, sondern einer selbstwertdienlichen. Miller und Ross (1975) sprechen in dem Fall von einer self-serving bias. Auch hier greift das Konzept von Merton (1948) und Wason (1968). Denn eine Person, die an ihren Erfolg glaubt und von den eigenen Fahigkeiten überzeugt ist, wird zwangslaufig bessere Ergebnisse erzielen als eine Person, die an ihrem Selbstkonzept zweifelt. Erfolgssucher sind im Allgemeinen zuversichtlicher, sehen optimistischer in die Zukunft und wenden diese Eigenschaften in der Vorbereitung auf künftige Herausforderungen an. Nach Dweck (2000) entspricht das dem Konstrukt des growth mindset. Im Deutschen ist damit ein veranderbares, dynamisches Selbstbild gemeint. Erfolgssucher nutzen die Überzeugung, an Herausforderungen wachsen zu können, um dadurch besser zu werden.

2.2.3 Attribution und Selbstwirksamkeit

Ziele, die in der Vergangenheit erreicht wurden, werden als positive Referenzerlebnisse gespeichert. Wenn diese Erfolge den eigenen Fahigkeiten zugeschrieben werden, bestarken sie das Selbstkonzept. Zu dieser Ansicht kamen auch De Boer, Janssen und van Driel (2016) als Sie die Instrumentalitat der Attribution untersucht haben, um die Selbstwirksamkeit von Lehramtsstudenten zu steigern. Sie gelangten zu dem Ergebnis, dass angehende Lehrer, die sich selbst nach dem Unterricht benoteten und gleichzeitig ein positives Zeugnis ausstellten, deutlich bessere Leistungen erzielten. Des Weiteren ist die Selbstbenotung eine gute Möglichkeit, um Entwicklungspotenziale aufzuzeigen und die Unterrichtsqualitat zu verbessern. Erfolg produziert Erfolg. Das bestatigt das Resultat von Salanova, Martinez und Llorenz (2012). Studenten die ihre Leistungen bei bestandenen Prüfungen externen Umstanden zuschrieben, wie etwa einem leichten Schwierigkeitsgrad oder einem wohlwollenden Prüfer, beeinflussten ihre zukünftigen Ergebnisse negativ. Wurde das Bestehen einer Prüfung jedoch der erbrachten Anstrengung zugeschrieben, so hatte dies positiven Einfluss auf die bevorstehende Leistung.

Chase (2001) testete, wie die Zuschreibung der Ursache bei Kindern im Falle eines Scheiterns bei einer sportlichen Herausforderung verlauft. Auch hier bestatigte sich die Vermutung, dass Kinder, deren Selbstwirksamkeit gering ausgepragt ist, sich selbst für das Scheitern verantwortlich machen. Kinder mit hoch ausgepragter Selbstwirksamkeit hingegen schreiben die Ursache ihrer mangelnden Anstrengung zu. Es zeigte sich sogar, dass das Selbstkonzept und der Rückschluss auf Fahigkeiten die Leistungen in Prüfungssituationen entscheidend beeinflussen können (Bandalos, Yates & Thorndike-Christ, 1995). Dieser Ausgangspunkt findet auch Bestatigung in der Verarbeitung von Leistungsfeedback. Menschen, die selbstwertdienliche Attributionen durchführen, nutzen die Rückmeldungen, um sich zu verbessern, und sehen sich in der Lage, zukünftige Situationen mit mehr Anstrengung anzugehen (Silver, Mitchell & Gist, 1995).

In zahlreichen Studien konnte nachgewiesen werden, welchen maBgeblichen Einfluss die Art und Weise der Ursachenzuschreibung auf den Erfolg oder Misserfolg haben kann. Um zu einem vollstandigen Überblick der Perspektiven zu gelangen, widmet sich das nachste Kapitel der Kehrseite der Selbstwirksamkeitserwartung: der Theorie der erlernten Hilflosigkeit.

2.3 Theorie der erlernten Hilflosigkeit

Ursprünglich nur an Tieren getestet, konnte der Effekt der erlernten Hilflosigkeit von Seligman gemeinsam mit Hiroto (Hiroto, 1974, Seligman, 1975, Hiroto & Seligman, 1975) auch beim Menschen nachgewiesen werden. Ihrer Ansicht nach ist erlernte Hilflosigkeit selbst indiziert. Es wird davon ausgegangen, dass die Wahrnehmung von Ereignissen und die Zuschreibung der Ursache der Grund für dysfunktionale Verhaltensweisen von Menschen sind. Ein Ereignis ist demnach kontrollierbar, wenn das Eintreten einer Situation aktiv beeinflusst werden kann, und unkontrollierbar, wenn die Person vom Gegenteil überzeugt ist (Seligman, 1975). Darüber entscheiden letztendlich die erlernten Denkmuster der Person und nicht die logische Schlussfolgerung. Diese Denkmuster werden auf verzerrte Erinnerungen gestützt und falsche Schlüsse gezogen (Klein, Fencil-Morse & Seligman, 1976).

Aus der Überzeugung, machtlos zu sein, wird die Erwartung gebildet, in folgenden Situationen auch keinen Einfluss ausüben zu können (Abramson, Seligman & Teasdale, 1978). Solche Denkmuster oder auch Glaubenssatze sind die Grundlage für Zweifel. Neue Informationen, die für die erfolgreiche Bewaltigung sprechen, dringen nicht mehr durch, weshalb zukünftige Ereignisse grundlos als bedrohlich eingestuft werden (Seligman, 1975; Seligman et al., 1979). Erlernte Hilflosigkeit bewirkt, dass die Person, die Aufgaben schon vorher als nicht zu bewaltigen einschatzt, und diese Einschatzung auf die Zukunft projiziert. Die Person nimmt sich selbst als Opfer der Umstande wahr und akzeptiert sich in der Position der Hilflosigkeit (Peterson & Seligman, 1983).

2.3.1 Erlernte Hilflosigkeit und Attribution

Es finden sich hinreichende Belege in der Literatur, die den negativen Einfluss der erlernten Hilflosigkeit auf die Ursachenzuschreibung sichtbar machen. So konnten Hu, Zhang und Yang (2015) in einer Meta-Analyse mit 86 Studien nachweisen, dass eine starke Korrelation zwischen Ursachenzuschreibungen und Depressionen existiert. Bereits bei Kindern finden sich Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Attribution und depressiven Symptomen (Fincham, Diener & Hokoda, 1987). Destruktive Glaubenssatze und selbstwertschadliche Ursachenzuschreibung behindern den Verlauf von Heilungsprozessen und erhöhen die Rückfallquote bei Substanzabhangigkeit (Shaghaghy et al., 2011). Gegenteiliges berichtet Miserandino (1998), denn Sportler, die schlechte Leistung auf einen Mangel an Anstrengung zurückführten, konnten die Leistung zukünftig deutlich verbessern. Erlernte Hilflosigkeit basiert auf einem belasteten Selbstkonzept und erlernten dysfunktionalen Glaubenssatzen, die als Wahrheit betrachtet werden. Dieses Konstrukt stellt einen Pradiktor für Depressionen dar (Seligman, 1975; Hiroto & Seligman, 1975). McKean (1991) konnte den Zusammenhang zwischen erlernter Hilflosigkeit und Prokrastination nachweisen. Das letztgenannte Konstrukt wird im weiteren Verlauf erlautert.

2.3.2 Prokrastination und Lebenszufriedenheit

Der dem Lateinischen entlehnte Terminus Prokrastination beschreibt das Verhalten, Aufgaben, die aufgrund der Fahigkeiten und Möglichkeiten im Grunde sofort erledigt werden können, trotz besseren Wissens erst spater zu erledigen. Stattdessen werden Kompensationshandlungen ausgeführt, um die tatsachliche Aufgabe zu umgehen. Goldratt (1997) pragte in dem Kontext den Begriff Studentenkrankheit, da sich Prokrastination in überwiegender Mehrheit auf Menschen bezieht, die eigenverantwortlich arbeiten, wie Studenten oder Selbststandige. Oftmals ist Prokrastination mit einem hohen Leidensdruck verbunden, da die Betroffenen nicht mehr ihren taglichen Verpflichtungen nachkommen. Nach Höcker, Engberding und Rist (2013) handelt es sich dabei nicht um Tragheit oder Unlust, sondern um eine ernstzunehmende Störung der Selbstkontrolle. Prokrastination übt schadlichen Einfluss auf die Affektregulation, die Selbstwirksamkeitserwartung und das subjektive Wohlbefinden aus (Balkis & Duru, 2016; Beutel et al., 2016). Menschen mit einer ausgepragten Tendenz zur Prokrastination leiden unter extremem Stress, haben Angstzustande und oftmals depressive Symptome. Bisher ist Prokrastination allerdings weder in DSM-5 noch in ICD 10 aufgenommen worden. Eher versuchen Therapeuten durch kognitive Verhaltenstherapie die Gewohnheiten der Betroffenen zu andern. Ein Aspekt der in diesem Kontext erwahnenswert ist, bezieht sich auf eine Studie von Akbarnejhad und Ghahari (2017). Sie untersuchten den Zusammenhang zwischen Spiritualitat und Prokrastination mit dem Ergebnis, dass ein spiritueller Lebensstil mit geringer Tendenz zur Prokrastination einhergeht. Spiritualitat wiederum hat eine positive Auswirkung auf die Lebensqualitat (Doolittle, Courtney & Jasien, 2015). Jeong und Cho (2017) fanden zusatzlich signifikante positive Korrelationen zwischen Prokrastination, erlernter Hilflosigkeit und dem Stresserleben.

2.4 Sportliche Aktivitat

Um den Zusammenhang zwischen Selbstwirksamkeit, Lebenszufriedenheit und sportlicher Aktivitat aufzudecken, werden im weiteren Verlauf die Begrifflichkeiten körperliche Aktivitat und sportliches Training definiert. AnschlieBend werden die positiven Auswirkungen sportlicher Aktivitat auf die Physis und die Psyche des Menschen aufgezeigt.

Mit körperlicher Aktivitat sind samtliche Bewegungen gemeint, die eine Erhöhung der Kalorienbilanz über das Niveau des Grundumsatzes zur Folge haben (Thiel, Vogt & Banzer, 2011). Der Grundumsatz dient dem Erhalt der Vitalfunktionen wie Körperwarme, Atmung oder Herzschlag (Levine & Kotz, 2005). Körperliche Aktivitat umfasst alle Tatigkeiten, die über den Erhalt der Vitalfunktionen hinausgehen. Das können Betatigungen des Alltags sein, wie die Erledigung des Einkaufs, Treppensteigen oder berufliche Verpflichtungen. Die Kernaussage bezieht sich auf eine aktive Steuerung der Skelettmuskulatur abseits der Ruhefunktion (Wiemeyer & Hansel, 2017).

Sportliches Training fokussiert die Starkung gesundheitlicher Ressourcen. Oertel-Knöchel und Hansel (2015, S. 6) definieren sportliches Training als „die freiwilligen und systematischen Wiederholungen von Bewegungen, die planvoll definierte Ziele verfolgen, z. B. die Aufrechterhaltung oder Verbesserung der körperlichen Fitness, der Gesundheit oder der sportlichen Leistungsfahigkeit“. Erganzt wird diese Definition durch Banzer (2017) noch um den Aspekt der Lebensqualitat und der Wiederherstellung der Gesundheit nach einer Krankheit. Sportliches Training kann in drei Subkategorien unterteilt werden, die jeweils einen anderen Schwerpunkt haben. Nach Brehm et al. (2013) lasst sich sportliches Training in Fitnesssport, Gesundheitssport und Rehabilitationssport klassifizieren. Fitnesssport verfolgt den Zweck die Grundlagen-Fitness zu starken. Beim Gesundheitssport steht der Aufbau und Erhalt der Lebensqualitat im Fokus. Es sollen Ressourcen aufgebaut, Symptome der Belastung gesenkt und ein aktiver Lebensstil etabliert werden. Rehabilitationssport hat funktionellen Charakter und stellt den Wiederaufbau eines gesunden Systems nach einer Krankheit in den Vordergrund.

Cooney et al. (2013) bestatigten die Steigerung des Wohlbefindens durch Sport bei Menschen, die unter depressiven Symptomen leiden. Krogh et al. (2011) sehen ebenfalls einen Zusammenhang zwischen sportlichem Training und der Rückbildungsrate depressiver Symptome. Sollte im Rahmen einer Therapie der Einsatz von Antidepressiva notwendig sein, ist die Medikamentierung bei Patienten, die Sport treiben, auch mit geringeren Dosen als üblich erfolgreich (Blumenthal et al., 2007). Den positiven Effekt von Aktivitat und Sport auf die Therapie konnten auch Turner et al. (2008) bestatigen. Singh et al. (2005) testeten die Auswirkung von Krafttraining bei depressiven Patienten mit dem Ergebnis, dass Training eindeutig mit einer Verringerung depressiver Symptome einhergeht. Auch im Kontext von Suchterkrankungen konnten Hinweise auf Verbesserungen des Behandlungsverlaufs durch Sport gefunden werden (Giesen, Deimel & Bloch, 2015).

Sportliches Training regt die Neuroplastizitat, also den Wiederaufbau von Gehirngewebe, an. Es steigert die körperliche Anpassungsfahigkeit und erhalt kognitive Fahigkeiten (Heyn, Abreu & Ottenbacher, 2004; Honea et al., 2009). Die Effekte lassen nicht lange auf sich warten, nach Taubert et al. (2010) sind erste Veranderungen bereits nach einigen Wochen sichtbar. Der unmittelbare Zusammenhang von körperlicher Aktivitat und Lebensfreude konnte bereits mehrfach nachgewiesen werden (Knechtle, 2004; Elavsky et al., 2005). In dem Zusammenhang tragt Selbstwirksamkeitserwartung im Sport dazu bei, Anstrengungen aufrecht zu erhalten, um Ziele zu erreichen (Hanton & Connaughten, 2002; Stredova, 2013). Laut Feltz und Weiss (1982) ist Sport ein herausragender Indikator für Selbstwirksamkeit. RegelmaBiges sportliches Training führt zu gesteigerter Zufriedenheit und starkt das physische und psychische Wohlbefinden (Zullig & White, 2011).

Die Verbindung von Körper und Geist beeinflusst das subjektive Wohlbefinden und die Lebenszufriedenheit erheblich (Clark, Long & Schiffman, 1999). Bei erfolgreichen Menschen sind diese Interaktionen bekannt. Eine Forschung von Rommel et al. (2008) ergab, dass gut situierte Menschen regelmaBigen Sport in ihren Alltag integrieren, obwohl dafür wenig Zeit zu finden ist. Erfolgreiche Menschen treiben mehr Sport und sind motivierter, die sportliche Aktivitat beizubehalten (McAuley, Wraith & Duncan, 1991). Im weiteren Verlauf wird der Begriff sportliche Aktivitat durchgangig verwendet, um körperliche Aktivitat und sportliches Training synonym zusammenzufassen.

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Ende der Leseprobe aus 72 Seiten

Details

Titel
Selbstwirksamkeitserwartung und die Zufriedenheit mit dem eigenen Leben
Hochschule
Rheinische Fachhochschule Köln
Autor
Jahr
2020
Seiten
72
Katalognummer
V920987
ISBN (eBook)
9783346229021
ISBN (Buch)
9783346229038
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Kommentar des Prüfers: "Gut strukturiert und lesbar, hohe Wertschöpfung, als besondere Stärke ist das Literaturverzeichnis zu nennen."
Schlagworte
Selbstwirksamkeit, Attribution, Self-efficacy, Zufriedenheit, Prokrastination, Selbstkonkordanz, Depression, Lebenszufriedenheit, Wohlbefinden, Sport, Training, Big5, Persönlichkeitsdimensionen, Extraversion, Offenheit, Hilflosigkeit, Erlernte Hilflosigkeit, Kontrollüberzeugung, Drive for muscularity, Erfolgssucher, Misserfolgsvermeider
Arbeit zitieren
Tim Hartmann (Autor:in), 2020, Selbstwirksamkeitserwartung und die Zufriedenheit mit dem eigenen Leben, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/920987

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