Die Heraklidensage – eine kollektive griechische Erinnerung an die Dorische Wanderung?


Seminararbeit, 2004

13 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung und Analyse der Quellenlage

2 Das Volk der Dorier

3 Die Dorische Wanderung: Verlauf und Datierung

4 Die Heraklidensage als Quelle spartanischer Frühgeschichte

5 Zusammenfassung

6 Literaturverzeichnis

1 Einleitung und Analyse der Quellenlage

Wer sich mit der Frühgeschichte Spartas beschäftigt, sieht sich mit dem Problem einer äußerst dürftigen Quellenlage konfrontiert. Nicht umsonst werden die ersten Jahrhunderte nach dem Untergang der mykenischen Hochkultur allgemein als ‚Dark Ages‘ bezeichnet.

Die einzigen umfassenden Darstellungen der Geschichte Spartas stammen von Pausanias und aus der ‚Vita des Lykurg‘ von Plutarch. Beide Autoren lebten im 2. Jahrhundert nach Christus, waren also weit länger als ein halbes Jahrtausend von den Ereignissen der spartanischen Frühgeschichte entfernt. Daß eine solche Quelle mit Vorsicht genossen werden muß, versteht sich von selbst, und es zeigt sich, daß Pausanias aufgrund offenkundiger Irrtümer und romantischer Ausschmückungen wenig glaubwürdig ist.[1]

Plutarch hingegen scheint sich größtenteils auf Aristoteles bezogen zu haben, der mit Ephoros, Platon, Thukydides und anderen eine Gruppe von Autoren aus dem vierten und fünften Jahrhundert bildet, die ebenfalls über die Geschichte Spartas berichten. Alle diese Schriftsteller kennen Sparta nur als (gefallene) Großmacht und schreiben außerdem von einem athenischen Standpunkt aus,[2] was ihre Objektivität aufgrund des athenisch-spartanischen Antagonismus‘ zweifelhaft macht. Dazu kommt, daß diese Autoren in einer Zeit lebten, in der die Tendenz vorherrschte, äußere Motive an die Geschichtsschreibung heranzutragen. Man versuchte, in der Stabilität der spartanischen Gesellschaft ein Ideal zu finden oder ordnete und strukturierte die Vergangenheit in vernünftige und rationale Zusammenhänge, um Schlüsse für die Gegenwart ziehen zu können.[3] Ein Beispiel dafür sind die genauen Datierungen aus der klassischen Zeit durch die Verwendung genealogischer Chronologie nach größtenteils konstruierten Stammbäumen.

Die wertvollste Quelle zur Frühgeschichte Spartas stellt Herodot dar. Er verfaßte seine Schriften vor den Rationalisierungsversuchen der klassischen Zeit und verzichtete auf künstliche Genauigkeit. Dazu kommt seine gute Kenntnis Spartas vor dem Peloponnesischen Krieg und den damit verbundenen ideologischen Verzerrungen. Außerdem sprach er mit Zeitzeugen des 6. Jahrhunderts und der Perserkriege.

Seine Darstellungen der griechischen Geschichte scheinen bis in diese Zeit der Perserkriege keine größeren Fehler zu enthalten.[4] Allerdings liegen die Ereignisse der Dorischen Wanderung, von der diese Arbeit handeln soll, noch weit vor den Perserkriegen.

Die einzigen literarischen Zeugnisse aus der Zeit davor sind Fragmente der Dichtungen von Terpandros, Tyrtaios und Alkman. Diese sind äußerst nützlich für die Rekonstruktion der Geschichte des 7. Jahrhunderts, beispielsweise für die Datierung der Messenischen Kriege; bis in die Zeit der Dorischen Wanderung reichen aber auch sie nicht zurück.

Bleibt also noch die Archäologie, um der spartanischen Frühgeschichte auf den Grund zu gehen. Aber auch archäologisch ist die Dorische Wanderung nur schwer festzumachen, da die Dorier dazu tendierten, die Kultur der von ihnen eroberten Länder zu übernehmen.[5] Wie auch die barbarischen Wandervölker der Wanderungen des 13. Jahrhunderts haben sie mit dem Verlassen ihrer Heimat einen Teil ihrer kulturellen Identität zurückgelassen und waren gewillt, sich das „kulturelle Gewand“[6] ihrer neuen Heimat überzustreifen. Das erklärt die Weiterführung der lokalen Grabformen, Bestattungsriten und der Keramik, was eine Datierung des Zeitpunkts der Einwanderung erschwert. Nichtsdestotrotz bietet die Archäologie aber einige Ergebnisse, die ein wenig Licht in die Dunkelheit der ‚Dark Ages‘ zu werfen vermögen. Insbesondere die Analyse des Keramikstils der gefundenen Tonscherben in Lakonien hilft hier weiter und soll auch im Folgenden berücksichtigt werden.

Grundlage dieser Arbeit soll aber eine dritte Quellensorte sein: der Sagenschatz, der zumeist mündlich tradiert wurde, bis griechische Autoren ihn irgendwann einmal schriftlich fixierten. Es gilt zu klären, ob solche Legendentraditionen tatsächlich kollektive Erinnerungen an historische Ereignisse darstellen. In Bezug auf diese Arbeit muß die Frage also lauten: Ist die Sage von der Rückkehr der Herakliden eine Reminiszenz der Dorier an ihre Einwanderung in die Peloponnes? Nach einer kurzen Betrachtung des Stammes der Dorier und ihrer Wanderung durch Griechenland wird im Folgenden versucht werden, diese Frage zu beantworten.

2 Das Volk der Dorier

In der Schilderung der Herrschergeschlechter der Peloponnes während der Ära der mykenischen Hochkultur durch den Schiffskatalog der homerischen Ilias werden die Dorier nicht erwähnt. Am Kampf gegen Troja nehmen sie nicht teil. Diese Beschreibungen der griechischen Heldengeschlechter lassen darauf schließen, daß in der Zeit des trojanischen Krieges keine Dorier in der Peloponnes angesiedelt waren. Bestätigt wird dies durch Texte aus mykenischen Palästen der Argolis und Messeniens, die beweisen, daß in der Peloponnes ein griechischer Dialekt gesprochen wurde, der nicht dem Dorischen entsprach.[7] Sie müssen demnach erst später dort eingewandert sein.

Es stellt sich also die Frage, woher die Dorier stammen und wer sie überhaupt waren, da ihnen in den homerischen Epen keine Bedeutung beigemessen wird. Diese Fragen zu beantworten, fällt schwer, da die Archäologie hier nur wenig helfen kann. Die Eisenwaffen und andere Beilagen, die in den Gräbern bestatteter Dorier auf Kreta gefunden wurden, lassen auf einen kriegerischen Stamm schließen.[8] Diese kriegerische Ausrichtung bestätigt sich auch in der Art der Landnahme in der Peloponnes und in einigen Gebräuchen der Spartaner, die sich aus der Zeit der Wanderungen erhalten haben. Ein Beispiel dafür ist die Krypteia, der Initiationsritus junger Spartiaten. Das Überleben in der Wildnis und das Töten von Heloten, der vordorischen Bewohner Lakoniens, weisen auf die Anknüpfung an das Brauchtum kriegerischer Hirtenstämme hin.[9] Für diese Hirtentradition spricht auch der Kult des Apollon Karneios, der in allen dorischen Gebieten verbreitet ist und der sich auch in dem dorischen Monatsnamen Karnaios wiederfindet. Die Beziehung des Gottes Apollon als Widdergestalt zu einem Volk von Hirtenkriegern mit Schafsherden ist offensichtlich.[10] Weiterhin findet sich bei den Doriern die Verehrung des Apollon Lykeios, des „Wolfsappollon“,[11] der die Herden beschützt.

Diese gemeinsamen Kulte sowie die speziellen Monatsnamen, die sich in allen dorischen Gebieten finden, weisen auf ein gesamtdorisches Erbe aus der Zeit vor den Wanderungen hin. Zu diesem Erbe gehört auch die Einteilung in die drei Phylen der Hylleis, Dymanes und der Pamphyloi, die neben Lakonien auch in der Argolis, der Korinthia, der Megaris und auf den dorischen Inseln der Ägäis zu finden ist.[12] Der Name der letzten Phyle deutet auf die Integration eines heterogenen Völkergemischs hin, während es sich bei den Hylleern wohl um einen ehemals eigenständigen, illyrischen Stamm handelt.[13]

[...]


[1] Starr, Chester G.: The Credibility of Early Spartan History (1965), in: Whitby, Michael (Hrsg.): Sparta. New York 2002, S. 26-42; S. 29. (Starr 1965).

[2] Starr 1965, S. 30.

[3] Starr 1965, S. 30f.

[4] Starr 1965, S. 33.

[5] Schachermeyer, Fritz: Griechenland im Zeitalter der Wanderungen – Vom Ende der mykenischen Zeit bis auf die Dorier, (Reihe: Die Ägäische Frühzeit – Die Ausgrabungen und ihre Ergebnisse für unser Geschichtsbild, 4. Band). Wien 1980, S. 407. (Schachermeyr 1980).

[6] Schachermeyr 1980, S. 59.

[7] Stichwort „Dorische Wanderung“ in Cancik, Hubert (Hrsg.): Der neue Pauly – Enzyklopädie der Antike, Band 11. Stuttgart 2001, S. 787-791, S. 787.

[8] Schachermeyr 1980, S. 347, eine nachmykenische Bildung des Dorischen wird hier ausgeschlossen, folglich muß das Dorische bereits zur mykenischen Zeit irgendwo außerhalb der Peloponnes gesprochen worden sein.

[9] Eder, Birgitta: Argolis, Lakonien, Messenien – Vom Ende der Mykenischen Palastzeit bis zur Einwanderung der Dorier. Wien 1998, S. 120f. (Eder, 1998).

[10] Eder 1998, S. 123.

[11] Eder 1998, S. 124.

[12] Eder 1998, S. 16.

[13] Kiechle, Franz: Lakonien und Sparta – Untersuchungen zur ethnischen Struktur und zur politischen Entwicklung Lakoniens und Spartas bis zum Ende der archäischen Zeit. München, Berlin 1963, S. 116ff. (Kiechle 1963).

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Details

Titel
Die Heraklidensage – eine kollektive griechische Erinnerung an die Dorische Wanderung?
Hochschule
Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig  (Historisches Seminar)
Veranstaltung
Proseminar: Sparta
Note
1,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
13
Katalognummer
V92096
ISBN (eBook)
9783638057547
ISBN (Buch)
9783656095149
Dateigröße
387 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Heraklidensage, Erinnerung, Dorische, Wanderung, Proseminar, Sparta
Arbeit zitieren
Johannes Kaufmann (Autor:in), 2004, Die Heraklidensage – eine kollektive griechische Erinnerung an die Dorische Wanderung? , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92096

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