Kinderarbeit in der Industrialisierung und heute


Unterrichtsentwurf, 2017

32 Seiten, Note: 1,7

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Bedingungsanalyse
1.1. Bedingungen der Lerngruppe
1.2. Besonderheiten einzelner Schüler
1.3. Schulische Bedingungen

2. Sachanalyse
2.1. Kinderarbeit während der Industrialisierung
2.2. Die aktuelle Situation von Kinderarbeit in Deutschland und weltweit

3. Didaktische Analyse
3.1. Einordnung der Unterrichtsstunde in die Einheit
3.2. Legitimation
3.3. Didaktische Reduktion
3.4. Gegenwartsbedeutung
3.5. Zukunftsbedeutung
3.6. Exemplarische Bedeutung
3.7. Didaktische Struktur

4. Lernzielformulierung

5. Methodische Analyse

6. Tabellarischer Verlaufsplan

8. Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Bedingungsanalyse

1.1. Bedingungen der Lerngruppe

Die Schülerinnen und Schüler, fortan SuS, der Klasse 9 lernen in einer Schule in XY. Bei der Klasse 9 handelt es sich ein eine Regionalschulklasse. Sie besteht insgesamt aus 22 Schülern, wovon 12 Jungen und 10 Mädchen sind. Der Geschichtsunterricht findet in Klasse 9 an der Schule erstmalig als wöchentliche Einzelstunde statt. In den vorhergehenden Schuljahren wird Geschichte in einem vernetzten Unterricht mit Geographie, Sozialkunde und Biologie angeboten. Mir selbst ist Klasse erst seit diesem Schuljahr bekannt. Krankheitsbedingt und durch ein mehrwöchiges Schülerpraktikum stellt die hier beschriebene Unterrichtsstunde erst die 5. gemeinsam verbrachte Stunde dar. Die Lehrer-Schüler-Beziehung ist daher noch gering ausgeprägt.

Eine Umfrage bei den SuS zu Beginn des Schuljahres ergab, dass die SuS besonders Partner- und Gruppenarbeit bevorzugen. Auch Vorträge wurden gewünscht. Die SuS sind es gewohnt auch in anderen Fächern in kooperativen Sozialformen zu arbeiten, sich auszutauschen und Ergebnisse zu präsentieren. Insgesamt handelt es sich jedoch bei der 9 um eine weniger leistungsstarke Klasse, da es viele SuS mit sprachlichen oder emotionalen-sozialen Problemen gibt, die sich auch auf den Unterricht auswirken. Weitere Ausführungen zu diesem Thema sind im nächsten Kapitel zu finden.

Durch den vernetzten Unterricht der vorangegangen Schuljahre sind den SuS interdisziplinäre Herangehensweisen an ein Thema bekannt. Sie können geschichtswissenschaftliche Themen mit gesellschaftlichen, politischen oder naturwissenschaftlichen Themen verknüpfen. Leider existiert ein massiver Rückschritt innerhalb des Lehrplanes in der 9, da man hier nach Rahmenplan ein Jahr zurück liegt. Unterrichtsinhalte müssen dadurch stark gestrafft werden oder nur vereinzelte Aspekte eines Themas behandelt werden.

Da es sich um eine Regionalschulklasse handelt, findet man bei den SuS in der Klasse 9 bereits ein größeres Interesse an Berufsorientierung vor. In diesem Zuge leisteten die SuS beispielsweise drei Wochen zuvor ein dreiwöchiges Schulpraktikum ab.

1.2. Besonderheiten einzelner Schüler

Seit kurzem besuchen X und Y die Klasse 9. Es handelt sich bei ihnen um Geschwister aus Syrien. Beide weisen noch große Sprachprobleme auf, was einerseits das Zuhören bei Lehrervorträgen, Aufgabenstellungen und Medienbeiträgen betrifft, anderseits auch das Lesen. Da der Geschichtsunterricht oft auf dem Lesen, Untersuchen und Bewerten von Quellen und Darstellungen beruht, schränkt dies beide in ihrem Leistungsvermögen ein, da sie viele schwierige Wörter nicht verstehen. Daher muss bei längeren Texten hier differenziert werden. Hilfe im Unterricht erhalten sie zudem auch von Mitschülern, wodurch sich bei den beiden oft Partnerarbeit zur Erschließung von Texten anbietet. In Bezug auf das Thema Kinderarbeit muss zudem auch X und Y Hintergrund beachtet werden, da diese eigene Erfahrungen zum Thema Kinderarbeit mitbringen könnten. Ebenfalls besitzt Z, einen Migrationshintergrund. Die Klassenlehrerin vermutet, dass Z bevor er in die Klasse kam, erst drei oder vier Jahre in seinem Heimatland zur Schule gegangen ist. So scheint auch Z sprachlich oft überfordert.

Zudem besitzen A, B, C, D und E Schwierigkeiten im Lesen und/oder Schreiben. A und B weisen einen Förderschwerpunkt im Lesen auf, C, D und E haben eine diagnostizierte Leserechtschreibschwäche (LRS). Eine emotionale und soziale Entwicklungsstörung besitzen C und D, E leidet zudem unter Depressionen und hat häusliche Schwierigkeiten. Besonders E Verhalten im Unterricht ist davon stark geprägt. Er verlässt oft den Unterricht, um auf die Toilette zu gehen und kommt erst nach einiger Zeit wieder. Es fällt ihm oft schwer sich auf Unterrichtsinhalte einzulassen. F ist dieses Schuljahr von einer anderen Schule gewechselt und ist so selbst für die Klassenlehrerin noch nicht ganz einschätzbar.

Zum oberen Leistungsdrittel der Klasse gehören G, H, I und J. Diese SuS bestreiten zudem den größten Teil der Mitarbeit im Unterricht und sind auch bei Präsentationen stark, was für die Sicherungsphase der beschriebenen Stunde entscheidend sein könnte. K Stärke liegt oft in Fleißarbeiten, weshalb sie auch zum oberen Leistungsdrittel gezählt werden kann. Jedoch weist sie im Anforderungsbereich III Probleme auf. Auch L zeigt sich phasenweise stark und kann so in den meisten Unterrichtssequenzen zu diesem Drittel gezählt werden. Tendenziell schwächer im Vergleich zum großen Leistungsmittelfeld der Klasse sind Z, E und M.

1.3. Schulische Bedingungen

Der Geschichtsunterricht findet im Klassenraum der Klasse 9 statt. Dieser ist mit einer Kreidetafel ausgestattet. Sie besteht aus zwei Teilen und lässt sich nach unten oder oben schieben. Etwas verdeckt an die Tafel zu schreiben ist in Anwesenheit der SuS daher nicht möglich, sodass dies in den Unterricht integriert werden muss. Zur Ausstattung des Raumes gehört zudem ein Beamer, der am Lehrertisch mit einem Laptop verbunden werden kann. Den Umgang mit diesem sind die SuS gewohnt. Die große Fensterfront kann durch Jalousien verdunkelt werden, dies ist zur Sichtbarkeit des Beamers jedoch nicht notwendig.

An den frontal ausgerichteten Tischen sitzen jeweils meist vier oder drei SuS. Es handelt sich um Einzeltische, die zusammengeschoben wurden. In der Mitte des Raumes befindet sich ein Gang durch die Tischreihen, der die Reihen in zwei Gruppen teilt. Dies ist nutzbar für die spätere Gruppeneinteilung der beschriebenen Stunde.

Jedem Schüler steht ein eigenes Fach im Klassenraum zur Verfügung, in dem Bücher und Arbeitshefte aufbewahrt werden. Die Materialien des Geschichtsunterrichts, Geschichtsbuch und Arbeitsheft, stehen den SuS so stets zur Verfügung.

Die 6. Stunde der Klasse 9 findet um 12.30 Uhr bis 13.15 Uhr statt. Den SuS steht vor der Stunde eine kurze Pause zur Verfügung, in der sie die Möglichkeit zur Vorbereitung des Arbeitsplatzes erhalten. Die Stunde wird nicht durch ein Klingeln begonnen, sondern durch ein Signal des Lehrers. Zum Ritual eines Stundenbeginns gehören an der Schule das gemeinsame Aufstehen aller SuS und eine Begrüßung des Lehrers.

2. Sachanalyse

2.1. Kinderarbeit während der Industrialisierung

Mit dem Beginn der Industrialisierung im 19. Jahrhundert und der damit zusammenhängenden massenhaften Gründung von Fabriken wurden Kinder vermehrt als Arbeitskräfte eingesetzt. Dabei sei zunächst zu beachten, dass es auch vor der Industrialisierung in Deutschland Formen von Kinderarbeit gab. Diese Arbeiten fanden weitgehend im agrarischen oder handwerklich produzierenden Sektor innerhalb familiärer Hauswirtschaft und Produktion und unter Anleitung der Eltern statt. Mit dem aufsteigendem Kapitalismus änderte sich diese Art der Arbeit allerdings. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts konnte die Arbeitskraft der Kinder durch die sich entwickelnde Arbeitsteilung und dem Einsatz von Maschinen in der Industrie massenhaft genutzt werden. Es war keine langwierige Ausbildung, wie noch im 17. und 18. Jahrhundert, mehr nötig, um die sich wiederholenden Teilvorgänge der Produktion von Manufakturen auszuführen, die sich nun hin zu Fabriken wandelten. Viele Kinder arbeiteten dabei schon ab dem 6. Lebensjahr, ihre Arbeitszeit konnte zehn bis zwölf Stunden oder länger betragen. Dies beeinträchtigte zudem jegliche Form von Erziehung und Bildungsmöglichkeiten der Kinder. Betrachtet man den Anteil von Kindern unter Fabrikarbeitern, wird einem der Stellenwert von Kinderarbeit zur damaligen Zeit vor Augen gehalten. So waren 1849 unter den circa 500.000 Fabrikarbeitern in Preußen ungefähr 32 000 Kinder im Alter von neun bis vierzehn Jahren, was einen Anteil von 6,4% ausmacht.1

Für die hohe Bedeutung der Kinderarbeit während der Industrialisierung gab es mehrere Gründe. So war eine Begründung der Unternehmer, dass „.die kleinen Kinderhände [...] die Maschinen besser bedienen [könnten] als die groben Hände der Erwachsenen“.2 Oft war es jedoch der Fall, dass auch Kinder schwerer körperlicher Arbeit nachgehen mussten. Ein weiterer Grund war zudem die finanzielle Notlage vieler Familien. Durch den vermehrten Einsatz von Maschinen in der Industrie verbilligte sich die Arbeitskraft, sodass viele Männer ihre Familien allein nicht mehr ernähren konnten. So waren die restlichen Familienmitglieder gezwungen zum Einkommen beizutragen.3 Dabei erhielten Kinder nur den Bruchteil des Lohns eines Erwachsenen, was Kinderarbeit für Fabrikbesitzer lukrativ machte. Gleichzeitig drückte der vermehrte Einsatz von Kinderlohnarbeit den Lohn Erwachsener durch das vergrößerte Arbeitskraftangebot - ein Teufelskreis.4

Bis 1839 schränkte kein Gesetz die Ausbeutung von Kindern ein. Die oft monotone Arbeit wirkte sich negativ auf die geistige und körperliche Entwicklung von Kindern aus. Es kam zu Krankheiten, Wachstumsschäden und Verkrüppelungen. Viele wirkten apathisch und stumpfsinnig. Durch die schlechten Bedingungen stieg die Kindersterblichkeit, gleichzeitig sank die Lebenserwartung auf 35 Jahre. Die Debatte zur Arbeitszeitbeschränkung wurde schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts geführt, vehement wehrten sich jedoch die Unternehmer. Begründung war hierbei die Angst vor der Konkurrenz aus dem Ausland. Letztendlich erließ der preußische Staat aufgrund mangelnder Militärtauglichkeit der körperlich und seelisch verwahrlosten Heranwachsenden ein Kinderschutzgesetz. Dieses Gesetz von 1839 sollte nun die Arbeit von Kindern zwischen neun und sechzehn Jahren einschränken (z.B. Verbot der Nachtarbeit), in der Praxis fehlte es jedoch gänzlich an Kontrollen, wodurch bestehende Verhältnisse unverändert blieben. Weitere Gesetze folgten, doch blieben auch sie meist folgenlos. Erst nach der Reichsgründung veränderte sich die Lage der Kinderarbeiter zunehmend. So wurde 1891 die Reichsgewerbeverordnung verabschiedet, welche die Beschäftigung von Kindern unter 13 Jahren in Fabriken vollständig verbot. Auch diese Verordnung konnte allerdings unter bestimmten Bedingungen umgangen werden. Erst später wurde dies schließlich auch auf Landwirtschaft, Heimgewerbe und Privathaushalte ausgeweitet. Zu einer großen Veränderung der Verhältnisse trug zudem auch die Durchsetzung der Schulpflicht bei.5

2.2. Die aktuelle Situation von Kinderarbeit in Deutschland und weltweit

Kinderarbeit ist nicht nur ein Phänomen der industriellen Revolution, sondern auch in unserer Zeit ein aktuelles Thema. In Deutschland ist zwar die Beschäftigung von Kindern unter 15 Jahren gemäß §5 des Jugendarbeitsschutzgesetzes heute verboten, jedoch gibt es in großen Teilen Asiens, Afrikas und Südamerika viele Fälle von praktizierter Kinderarbeit. Auch in Deutschland gibt es Ausnahmen, wie z.B. Musik- oder Schauspielaufführungen, diese dürfen jedoch nicht die Schulbildung, die Entwicklung und die Gesundheit des Kindes bzw. des Jugendlichen gefährden.6 Weltweit jedoch müssen nach Zahlen der Internationaler Arbeitsorganisation (ILO) immer noch rund 152 Millionen Kinder Kinderarbeit leisten. Die ILO definiert Kinderarbeit, mitunter in seiner schwersten Form, dabei nach folgenden Kriterien: häufig bereits im Alter von sechs oder sieben Jahren; Arbeitszeiten von 12 bis 16 Stunden pro Tag; Arbeit unter körperlicher wie psychischer Überanstrengungen oder Überforderung; monotone Arbeiten, welche seelische und soziale Entwicklung behindern; Arbeit auf der Straße unter ungesunden und gefährlichen Bedingungen; Arbeiten unter unfreien, menschenrechtsverletzenden Bedingungen, wie Schuldknechtschaft, Sklaverei oder sexuellen Missbrauch.7 Den größten Anteil von Kinderlohnarbeit macht die Landwirtschaft mit 60% aus, gefolgt von 26% im Dienstleistungsbereich und 7% in der Industrie. Mädchen sind dabei überwiegend im Dienstleistungssektor beschäftigt, während die Jungen die Mehrheit in der industriellen Produktion stellen. Obwohl die ILO mehrere Übereinkommen zum Verbot von Kinderarbeit oder zumindest der Verbesserung der Arbeitsbedingungen erlassen hat, die inzwischen von den meisten Mitgliedsstaaten ratifiziert wurden, ist es immer noch nicht gelungen in allen Staaten ein Bewusstsein für die Gefahren von Kinderarbeit hervorzurufen. In vielen Ländern ist Kinderarbeit, beispielsweise bei Mädchen als Haushaltshilfen, sozial akzeptiert und gilt als sinnvolle Beschäftigung für Kinder. So ergreifen viele Staaten keine oder wenige Maßnahmen gegen Kinderarbeit.

Laut ILO reicht es nicht bloße Verbote zur Beseitigung von Kinderarbeit zu erteilen, da Kinder meist aus sozialem Elend der Familie gezwungen sind einer Arbeit nachzugehen. So muss besonders die Verringerung der Armut von Familien angestrebt werden. Ein Vorschlag ist beispielsweise die Bereitstellung eines sozialen Basisschutzes, damit der Verelendung von Familien entgegen gewirkt werden kann. Zudem tragen Bildungsangebote zum Abbau der Kinderarbeit bei. So haben die o Bestrebungen der ILO bereits zu einem Rückgang schwerer Kinderarbeit geführt.8 Eine andere Möglichkeit ist der Erwerb von Fairtradeprodukten, beispielsweise Produkte mit dem TransFair-Siegel. Bei Produkten dieser Art kann bei der Produktion bzw. dem Anbau davon ausgegangen werden, dass hier die Förderung gewerkschaftlicher Gemeinschaften zum Mitbestimmungsrecht der Arbeiter geboten wird und es geregelte Arbeitszeiten und eine stabile Lohnsituation gibt. Diese Faktoren wirken zum Abbau von Kinderlohnarbeit bei.9

3. Didaktische Analyse

3.1. Einordnung der Unterrichtsstunde in die Einheit

Die Unterrichtseinheit „Industrialisierung - Fluch oder Segen?“ erstreckt sich über 5 Stunden.

1. Stunde: Einführung Industrielle Revolution - Warum 45 min 18.10.18. begann die Industrialisierung in England?
2. Stunde: Ausbeutung ohne Rücksicht - Kinderarbeit 45 min 25.10.18 damals und heute
3. Stunde: Die Industrialisierung in Deutschland
4. Stunde: Soziale Probleme und Lösungsversuche
5. Industrielle Revolution - Fluch oder Segen?

Die Unterrichtseinheit zur Industrialisierung befasst sich mit der übergeordneten Leitfrage „Fluch oder Segen?“. Innerhalb der Einheit werden positive sowie negative Aspekte der Industrialisierung für verschiedene Schichten und Gruppen in Deutschland und Europa untersucht und anschließend beurteilt, ob Industrialisierung für die Menschen der damaligen Zeit Fluch oder Segen war. Die Untersuchung der Auswirkung der Industrialisierung auf die Lebensverhältnisse von Kindern stellt einen Schritt zur Beantwortung der Leitfrage dar.

3.2. Legitimation

Der Themenbereich „Industrialisierung und Soziale Frage“ verortet der Rahmenplan des Landes MV für die Regionale Schule des Unterrichtsfaches Geschichte im 8. Schuljahr. Durch den Rückschritt der beschriebenen Klasse muss dieses Thema, hinsichtlich seiner Relevanz, im Unterricht aufgeholt werden.

Nach dem Rahmenplan resultiert die Bedeutung der Behandlung des Themenbereiches daraus, dass „die Industrialisierung die sozialen Verhältnisse in Deutschland tiefgreifend verändert hat “.10 So wirkt sich der wirtschaftliche Wandel hin zur modernen Industriegesellschaft beispielsweise massiv auf die Lebensverhältnisse in einer neu entstandenen Klassengesellschaft im Kaiserreich bis hin zur Weimarer Republik aus.11 Daher ist das Thema wichtig für das Verständnis aufkommender sozialer Fragen und der Betrachtung des politischen Wandels in den nachfolgenden Themenbereichen.

Innerhalb der Einheit betont der Rahmenplan für die Regionale Schule zudem, dass „wirtschaftliche, politische und soziale Auswirkungen der Industrialisierung exemplarisch“12 untersucht werden sollten. Die Untersuchung zur Kinderarbeit in der Zeit der Industrialisierung reiht sich in dieses Ziel ein, da hier am Beispiel der Gruppe der Kinder durch veränderte wirtschaftliche Verhältnisse neue soziale und daraus resultierende politische Probleme entstehen. Zu einem der fachdidaktischen Prinzipien des Geschichtsunterrichts gehört weiterhin der Transfer bzw. die Aktualisierung. So benennt der Rahmenplan das Ziel, dass die Verbindung mit Aktuellem und auch der fächerverbindende Unterricht anzustreben ist.13 In der beschriebenen Stunde findet daher auch der Vergleich mit der aktuellen Situation von Kinderarbeit in Deutschland und weltweit seinen zentralen Platz. Der Themenbereich der Industrialisierung bietet den Schülern einer Regionalen Schule, bei der der Geschichtsunterricht in einen berufsorientierten Bildungsgang eingebettet sein sollte, weiterhin die Möglichkeit zum Überblick über die Berufswelt heute und damals zu erlangen. So spielt hier die „Entwicklung der Technik, [...] der Unternehmer und Industrie“ eine Rolle, die durch den Gegenwartsbezug der beschriebenen Stunde auch auf die Arbeitsverhältnisse von Kindern und Jugendliche in der heutigen Zeit ausgeweitet werden kann.

3.3. Didaktische Reduktion

Beim allgemeinen Begriff „Kinderarbeit“ wurde auf die Definition von Unicef zurückgegriffen, welche abstrakt genug erscheint und ohne genaue Eingrenzung durch Beispiele auskommt, wodurch die Definition der ILO beispielsweise (siehe Kapitel 2.2.) ungeeigneter für den Unterricht scheint. Nach notwendiger Kürzung findet daher folgende Definition ihren Platz im Unterricht:

„Kinderarbeit sind [...] Arbeiten, für die Kinder zu jung sind oder die gefährlich oder ausbeuterisch sind, die körperliche oder seelische Entwicklung schädigen oder die Kinder vom Schulbesuch abhalten. “14

Innerhalb der Textarbeit des Unterrichtsthemas „Kinderarbeit damals und heute“ wird in Bezug auf die zeitliche Einordung und komplexe wirtschaftliche und rechtliche Zusammenhänge didaktisch reduziert, damit der Leseanteil der beschriebenen Stunde nicht zu überfrachten droht und weitere Ausführungen zur Beantwortung der gestellten Leitfrage nicht notwendig sind. So finden die Verhältnisse von Kindern vor der Zeit der Industrialisierung keine Erwähnung. Kinderarbeit nach der Zeit der Reichsgründung wird zudem nur gestreift, um die spezielle Situation der Kinderlohnarbeit in der Zeit der Frühindustrialisierung bis hin zum Anfang der Hochindustrialisierung zu betonen, da Kinderlohnarbeit hier von Gesetzen gar nicht bis kaum eingeschränkt wurde. Nicht alle Kinderschutzgesetze werden genannt und wenn nur in ihren Grobzügen thematisiert. So werden nur die zwei preußischen Kinderschutzgesetze von 1839 und 1891 erwähnt. Für das Gesetz 1839 wurde sich aufgrund seiner Relevanz als erstes Kinderschutzgesetz in Deutschland entschieden. Beim Kinderschutzgesetz um 1891 kam es zu umfangreichen Kontrollen, wodurch zunehmend die Durchsetzung der Gesetze erfolgreicher wurde.

Bei der Nennung des aktuellen Jugendarbeitsschutzgesetzes von Deutschland wird lediglich das Mindestalter von 15 Jahren mit dem Durchschnittsalter anderer Staaten verglichen. Sollte Interesse auf weitere Einzelheit des Gesetzes bestehen, wird hierbei auf dieses verwiesen. Innerhalb der Untersuchung der aktuellen Situation von Kinderarbeit weltweit wird auf allgemeine Statistiken und Tendenzen und nicht auf spezielle regionale Unterschiede hinsichtlich Kinderarbeit und politischen und wirtschaftlichen Systemen eingegangen.

3.4. Gegenwartsbedeutung

Gegenwartsbedeutung erhält das Thema „Kinderarbeit zur der Zeit der Industriellen Revolution“ durch den Vergleich der Situation von „Kinderarbeit im 21. Jahrhundert“. Einerseits befinden sich die SuS in einer Zeit der zunehmenden beruflichen Orientierung. Einige SuS der regionalen Klasse 9 werden in diesem Schuljahr die Berufsreife erwerben und eine Ausbildung ergreifen, für andere ist dies nächstes Jahr mit dem Erreichen der Mittleren Reife der Fall. Zudem leisten meist viele SuS in diesem Alter bereits jetzt Ferienarbeit. So sind arbeitsrechtliche Themen für die SuS schon relevant, zu denen auch das heutige Jugendarbeitsschutzgesetz gehört. Den SuS wird durch den Vergleich bewusst, aus welchem Hintergrund dieses Gesetz entstanden ist und welche Schritte auf dem Weg dahin nötig waren. Anderseits sind die SuS zudem auch Verbraucher, die möglicherweise auch Artikel des täglichen Lebens erwerben, die in Zusammenhang mit Kinderarbeit stehen. So berührt das Thema auch den Alltag der SuS, indem sie als Verbraucher indirekt an Kinderarbeit beteiligt sind.

3.5. Zukunftsbedeutung

Bei dem bald folgenden Einstieg in das Berufsleben sind sich die SuS über das Bestehen eines Jugendarbeitsschutzgesetzes bewusst, welches je nach Alter des Schülers und Arbeitsfeld eventuell sogar greift. Sie sind durch ihr Wissen darum zukünftig in der Lage sich weiter zu informieren und eigene Rechte einzufordern. Zudem trägt das Thema zum bewussteren Verbrauch bei. Das Aufzeigen der eigenen Rolle beim Thema Kinderarbeit kann zukünftig das Bewusstsein der SuS für die Herkunft und Entstehung von Konsumartikeln fördern und Konsumverhalten positiv beeinflussen. In der beschrieben Stunde werden zwei Handlungsmöglichkeiten thematisiert, beispielsweise der Erwerb von Waren mit dem „TransFair-Siegel“, bei denen die SuS durch bewussteren Verbrauch die Lage von Familien und Kindern, die von starker Armut betroffen sind, verändern können. Die SuS begreifen sich daher zukünftig nicht mehr nur als Beobachter und Außenstehender einer prekären Situation, sondern auch als Mensch in einer globalisierten Welt mit Möglichkeiten der Veränderung.

3.6. Exemplarische Bedeutung

Alternativ wäre es möglich die Auswirkungen der Industrialisierung auch auf andere Gruppen und Schichten der Gesellschaft auszuweiten und diese gar zu vergleichen. Es wurde sich allerdings entschieden dies exemplarisch am Beispiel der Kinder aufzuzeigen, da dies, wie im Kapitel 3.2. beschrieben, viele soziale, wirtschaftliche und politische Problematiken der Zeit streift und Gegenwartsbedeutung besitzt. So verweist das Thema „Kinderarbeit zur Zeit der Industriellen Revolution“ einerseits auf die wirtschaftlichen Veränderungen der Industrialisierung hin, wie die Entwicklung des Spinnrades oder des Webstuhls. Darauf reagierend wird die Veränderung der Arbeitswelt thematisiert, da durch den Einsatz von Maschinen sich die Arbeitsteilung veränderte und ungelernte billige Kräfte wie Frauen und Kindern angeworben werden konnten. Dies wirkte sich massiv auf die soziale Lage der Familien aus, da der Einsatz billiger Arbeitskräfte auch den Lohn männlicher Erwachsener drückte, die darum gezwungen waren ihre Kinder arbeiten zu schicken. Auf die psychische und körperliche Problematik reagierte wiederrum die Politik, die mit Gesetzen dieser Entwicklung entgegen wirken wollte. So können alle drei Bereiche exemplarisch am Thema „Kinderarbeit zur Zeit der Industriellen Revolution“ untersucht werden Durch den Vergleich mit der Situation von „Kinderarbeit im 21. Jahrhundert“ werden den SuS zudem exemplarisch eigene Handlungsmöglichkeiten in einer globalisierten Welt bewusst gemacht. Anhand dieses Beispiels wächst das Bewusstsein der SuS für die Macht der eigenen Rolle in der Weltwirtschaft und ihren sozialen Problematiken.

[...]


1 Vgl. Von der Haar, H. (1981). Kinderarbeit in Deutschland - Dokumentation und Analyse. Berlin: Kulturmaschinenverlag. S. 10-11.

2 Brakelmann, G. (1981). Die soziale Frage des 19. Jahrhunderts. Bielefeld: Luther-Verlag. S. 27.

3 Flecken, M. (1988). Arbeiterkinder im 19. Jahrhundert. Eine Sozialgeschichtliche Untersuchung ihrer Lebenswelt. Weinheim & Basel: Beltz. S. 16f.

4 Vgl. Kirchhöfer, D. (2009). Kinderarbeit? - Ein pädagogisches Fragezeichen. Frankfurt am Main: Peter Lang GmbH. S. 28.

5 Vgl. Von der Haar, 2010, S. 13ff.

6 Vgl. JArbSchG (2003). §§ 5 und 6 II. Arbeitsgesetze . Zugriff am 15.10.18, von https://www.gesetze-im- internet.de/jarbschg/. S.406f.

7 Vgl. ILO-Berlin. Zugriff am 15.10.18, von https://www.ilo.org/berlin/lang--de/index.htm.

8 Vgl. Liebert, N. (2012). Der Kampf der ILO gegen Kinderarbeit: Eine Bestandsaufnahme. Zugriff am 15.10.18, von http://www.bpb.de/apuz/146097/der-kampf-der-ilo-gegen-kinderarbeit?p=all.

9 VGl. TransFair - Verein zur Förderung des Fairen Handels in der Einen Welt. Zugriff am 15.10.18, von https://www.fairtrade-deutschland.de/was-ist-fairtrade.html

10 Rahmenplan Geschichte Regionale Schule 7-10 (o.J.). Zugriff am 16.010.18, von https://www.bildung- mv.de/downloads/unterricht/Rahmenplaene/Rahmenplaene_allgemeinbildende_Schulen/Geschichte/rp- geschichte-7-10-reg.pdf. S. 27

11 Vgl. Kruse, W. (2012). Industrialisierung und moderne Gesellschaft. Zugriff an 16.10.18, von https://www.bpb.de/geschichte/deutsche-geschichte/kaiserreich/139649/industrialisierung-und-moderne- gesellschaft

12 Rahmenplan Geschichte Regionale Schule 7-10, o.J., S. 27.

13 Vgl. Ebenda. S. 15

14 Charbonneau, N. (2018). Kinderarbeit weltweit. Zugriff am 18.10.18, von https://www.unicef.de/informieren/aktuelles/blog/kinderarbeit-fragen-und-antworten/166982.

Ende der Leseprobe aus 32 Seiten

Details

Titel
Kinderarbeit in der Industrialisierung und heute
Hochschule
Universität Rostock
Note
1,7
Jahr
2017
Seiten
32
Katalognummer
V920501
ISBN (eBook)
9783346241474
ISBN (Buch)
9783346241481
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Referendariat, Geschichte, Industrialisierung, Klasse 9, Klasse 8, Kinderarbeit, Didaktische Analyse, Arbeitsblätter, Langentwurf, Unterrichtsentwurf, Stundenplanung, Sozialkunde, Fairtrade, Präsentation, Regionale Schule, Beruf, Lohn, Geld
Arbeit zitieren
Anonym, 2017, Kinderarbeit in der Industrialisierung und heute, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/920501

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