Jugendsprache in Deutschland


Hausarbeit, 2004

23 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Was ist Jugend und welcher Personenkreis zählt dazu?

3. Merkmale der Jugendsprache

4. Ein Überblick über zwei verschiedenen Forschungsansätze
4.1 Forschungsansätze Helmut Hennes um
4.2 Forschungsansätze von Schlobinski, Kohl und Ludwig um

5. Der Einfluss von Medien auf den Sprachgebrauch von Jugendlichen

6. Jugendsprache als Gruppensprache
6.1 Das Bricolage-Prinzip als zentra les Merkmal von Jugendlicher Gruppenkommunikation
6.2 Parallelen des Bricolage-Kommunikationsstils zu anderen Phänomenen der „Jugendkultur“
6.2.1 Stilbastelei in der HipHop Musik

7. Regionale Unterschiede im Jugendlichen Sprachgebrauch

8. Schlussbemerkungen

Literatur:

1. Einleitung

Das Interesse an der Jugend, an ihrer Sprache und ihrer Kommunikation seitens der Gesellschaft ist hoch. In vielerlei Bereichen unseres alltäglichen Lebens begegnen uns die sog. „jugendsprachlichen Ausdrücke“, im Fernsehen, im Radio, in der Schule, auf der Straße. Immer wieder wird dabei von „einer Jugendsprache“ oder „der Sprache der Jugend“ gesprochen. Doch kann man wirklich von „einer Jugendsprache Sprechen? Und wer spricht eigentlich diese Sprache? Nur die Jugendlichen? Sprechen Jugendliche denn tatsächlich eine andere Sprache als die Erwachsenen? Und wenn ja, woher kommt diese Sprache? Ist sie eine Erfindung der Jugendlichen oder wird sie ihnen durch die Medien in den Mund gelegt. Wollen sich Jugendliche tatsächlich nur von den Erwachsenen durch ihre Sprache abheben oder gibt es dafür vielleicht noch andere Gründe? Und auf welchem Stand steht die Forschung hinsichtlich der Jugendsprache? Mit diesen Fragen und auch einem gewissen Interesse an der eigenen Jugendsprache sind wir an das Thema herangegangen und wollen nun im weiteren Verlauf versuchen, die uns gestellten Fragen weitgehend auf dem Hintergrund der vorhandenen Forschungsergebnisse zu beantworten.

Im ersten Teil der Arbeit geht es darum einen Überblick zu schaffen, was man überhaupt unter dem Begriff Jugend versteht Als nächstes wird versucht zwei als typische jugendsprachlich angesehene Merkmale zu untersuchen. Des Weiteren werden wir die Forschungsmethoden und Ergebnisse Helmut Hennes (1986) und Schlobinski, Kohl und Ludwig (1993) betrachten. Um dann die Frage zu klären, ob den Jugendlichen ihrer Sprache durch die Medien in den Mund gelegt wird, betrachten wir den Aspekt der „Jugendsprache und Medien“. Ebenso richten wir ein Merkmal auf die regionalen Unterschiede am Beispiel der Ost – West Jugend sowie die auf gruppenspezifischen Aspekte der Jugendsprache

2. Was ist Jugend und welcher Personenkreis zählt dazu?

In der westeuropäischen Kultur versteht man unter Jugend, die Zeit zwischen der Kindheit und dem Erwachsensein, also etwa zwischen dem 10. und 20. Lebensjahr. Je nach Definition beginnt die Lebensphase erst mit 12 Jahren (ab 13 ist man Teenager) und endet mit 18 Jahren (Volljährigkeit) oder auch mit dem Ende der Ausbildung (finanzielle Selbständigkeit). Zum Teil wird sogar die Kategorie junge Erwachsene bis 26 Jahre im Begriff eingeschlossen.

„Jugendlicher ist also, wer die biologische Reife, erlangt hat, aber noch nicht die soziale Reife. (zit. nach Henne 1989, Vgl. Neidhardt 1970, 14) Innerhalb dieser Phase des Nicht-Mehr, also des Nicht-Mehr-Kind-Seins, und des Noch-Nicht, also des Noch-Nicht-Erwachsen-Seins, versucht der einzelne, eine Ich-Identität auszubilden, die normalerweise über Identitätskrisen führt. ‚Ich’ sagen zu können heißt, eine unverwechselbare Person zu sein, die als solche von anderen akzeptiert ist.“(Vgl. Erikson 1976, 277; Erikson 1970, 132f. zit. nach Henne 1986)

Wie man leicht erkennen kann ist es schwierig genau zu definieren, was Jugend überhaupt ist und auch in der Jugendpsychologie herrscht darüber keineswegs Klarheit. „ Jede Definition von ‚Jugend’ durch Abgrenzung einer festen Altersklasse gegenüber der Kindheit auf der einen Seite und dem Erwachsensein auf der anderen Seite scheitert. Sowohl biologische Erklärungen (mit Beginn der Geschlechtsreife bis wann?) als auch juristische Abgrenzungen (von der Religionsmündigkeit bis zur Volljährigkeit?) sind raschem Wandel unterworfen“ (Pörksen/Weber 1984:65 zit. nach Henne 1986)

Zur Entwicklung der modernen Jugendkultur sagte Henne in einem Radio Interview:

„Moderne Jugend bedeutet, dass die Jugendlichen verzögert in die Erwachsenenrolle eingegliedert werden. Und diese Verzögerung, weil sie eben viel lernen müssen, bedeutet, dass sie sich auf sich selbst konzentrieren, an sich selbst ausrichten, dass die Gruppen, Cliquen bilden und daher eine eigene Jugendkultur entwickeln“ (Henne 1986)

3. Merkmale der Jugendsprache

Ist das, was als Jugendsprache angesehen wird auch tatsächlich Jugendsprache? Schlobinski untersucht diese Frage an zwei gemeinhin als typisch jugendsprachlich eingestuften Merkmalen: 1. den Anglizismen und 2. den Lautwörtern. Wobei die Anglizismen bei Henne z.B. nur im Zusammenhang mit der Musikszene auftauchen.(Henne 1986, S. 54). Die Lautwörter spielen bei Henne dagegen eine wichtige Rolle. Schlobinski jedoch nimmt die Anglizismen genauer unter die Lupe (Schlobinski 1993, S. 27). Viele Entlehnungen aus dem Englischen sind in der deutschen Sprache allgemein bekannt: Wellness, Pool, Power oder cool. Doch deshalb gehören diese noch lange nicht in den Bereich der Jugendsprache. „Offensichtlich ist viel entscheidender, aus welchen Bereichen entlehnt wird und welche Semantik die Wörter haben. Englische Wörter werden ohne Schwierigkeiten in das deutsche Grammatiksystem integriert. Verben werden meist gebildet, indem man das Infinitivsuffix anhängt ( move -n ). Diese können dann auch durch Affixe erweitert werden ( rein- move- n ). Adjektive können von englischen Entsprechungen auf –y oder von Nomina abgeleitet sein (speedig oder poppig). Bei der Pluralbildung wählt man ein deutsches Paradigma (Punk –er); doch ebenso wird auch das englische Plural (Punk-s) benutzt. Genauso kann man etwas auch als ‚eine coole Sache’ bezeichnen, d.h. man gleicht das eingedeutschte Adjektiv ‚cool’ an sein Bezugsnomen an. Ebenso geht die Partizipialbildung (abgefuckter Club).“ (vgl. Schlobinski 1993)

„Als 1958 der Rock’n’roll von Amerika nach Deutschland überschwappte und zur Sprache der Jugendlichen in Deutschland wurde, fanden auch mehr und mehr die Anglizismen Einzug in die Deutsche Sprache. Denn der Rock nährt sich hauptsächlich von einem englischen Wortschatz, was man auch allein an der Bezeichnung der Musikinstrumente sehen kann (Drums, Percussion, Keyboard, Snare-Drum).“ (vgl. Henne 1986) Für deutsche Hip Hop Künstler ist es heutzutage gängig Anglizismen in ihre Texte einzubauen. So heißt ein Album des deutschen Künstlers Afrob „ Made in Germany“ und so heißt es in einem Lied z.B. „deine crew fängt an zu schwitzen“. Auch die deutsche Hip Hop Gruppe „Massive Töne“ nannte ihren Hit ‚Cruisen’[1]. Darin heißt es z.B. ‚ wir sind die coolsten, wenn wir cruisen, wenn wir durch die city düsen’. Auch wenn man sich die heutigen Jugendzeitschriften wie Bravo, Girl oder Young Miss anschaut findet man durchweg Wörter wie: Fashion, Boy, Girl, Look, Styling, Crazy, Fun, und Feeling. Aber auch in den Werbeanzeigen spielen Anglizismen eine wichtige Rolle. So heißt die neue Mc Donald Werbung z.B. ‚ I’m loving it’ oder auch der TV Sender Pro 7 wirbt mit dem Spruch ‚ we love to entertain you’. Am liebsten würde jeder Jugendliche auch bei dem ‚ Big Event’ von ‚ Star Search’ dabei sein. Ich glaube diese Liste könnte man noch lange weiterführen und würde am Ende zu dem Schluss kommen, dass die Deutsche Sprache sich immer mehr (vor allem in Musik und Werbung) dem Englischen bedient.

„Doch wenn wir unterstellen, dass Anglizismen der jugendspezifischen Sprechweise angehören, dann wäre zu prüfen, welche Anglizismen wo und wie gebraucht werden und welchen kulturellen Zusammenhängen sie entstammen. Nicht die Tatsache, dass Anglizismen gebraucht werden, wäre jugendspezifisch, sondern – wenn überhaupt – ihr Gebrauchswert. Und: Im Korpus aus der vorliegenden Untersuchung (vgl. Schlobinski, Kohl, Ludwig 1993) sind Anglizismen kaum belegt.“ (Schlobinski, Kohl, Ludwig 1993)

Das zweite genannte Merkmal, die ‚Lautwörterkommunikation’ (Henne 1986) wurde von Henne in zwei Typen unterschieden: die lautnachahmenden und die lautcarakterisierenden Wörter. Er typologisiert die Lautwörter folgendermaßen:

- Sie werden als Verstärkungspartikel eingesetzt ( man möchte einer Äußerung Nachdruck verleihen) (whow, ej)
- Sie treten an die Stelle von Satzteilen und geben somit der Äußerung einen sinnlichen, aber auch primitiven Zug (lall, würg)
- Die Lautwörter treten an die Stelle der Äußerung (schnarrch)
- Sie stellen Begleitkommentare dar, die den lautlichen Aspekt der Handlung hervorheben und begleiten.

Doch woher kommen die Lautwörter in unsere Sprache? Und welche Funktion haben sie? Die Lautwörter sind durch die Erfindung der Comics in die Jugendsprache integriert worden. Sie dienen dazu die visuelle Welt der Comics lautlich zu beleben. Somit sind die Erfinder der ‚Lautwörter’ die Redakteure von ‚Mickey Maus’ und ‚Mad’, die in den 50er Jahren vor dem Problem standen die Englischen ‚sound words’ ins Deutsche zu übersetzen. (vgl. Henne 1986/ Schlobinski 1993)

Eine Untersuchung zum Gebrauch von Lautwörtern in der Comicsprache und somit der Vergleich zum Gebrauch von Lautwörtern bei Jugendlichen liegt jedoch noch aus. Da Henne seine Forschung nur auf die Auswertung eines Fragebogens stützte, geht Schlobinski davon aus, dass die Jugendlichen auf die gestellte Frage ‚Kennst du Lautwörter’, ganz einfach die Wörter wiedergaben, die sie aus den Comic kannten, dies jedoch nicht heißt, dass sie diese auch in ihrer Sprache benutzen. (vgl. Schlobinski, Kohl, Ludwig 1993)

4. Ein Überblick über zwei verschiedenen Forschungsansätze

Bei diesem Teil der Hausarbeit geht es darum einen Überblick über zwei Forschungsmethoden und ihre entsprechenden Ergebnisse zu geben. Dabei habe ich mir, zwei wissenschaftliche Arbeiten, die auf verschiedenen Forschungsgrundlagen beruhen herausgesucht: Helmut Henne’s um 1986, Schlobinski’s um 1993

4.1 Forschungsansätze Helmut Hennes um 1986

Helmut Henne versucht in seinem Buch ‚Jugend und ihre Sprache’, das 1986 erschienen ist, durch die Studentensprache des 18. Jahrhundert über die aufkommende Jugendbewegung Anfang des 19 Jahrhunderts (Wandervogel), bis hin zur Jugendsprache der 80er Jahre, die sehr stark durch das Aufkommen der Rock’n’roll Musik beeinflusst wurde, eine Hinführung zum Thema zu geben. So stammen Wörter, die wir heute noch zur ‚Jugendsprache’ zählen bereits aus der Zeit der ‚Pennälersprache’(abgebrannt, blechen, Spießer oder flott). Anhand der ‚Breslauer Schülersprache von 1906’( zit. nach Henne, Melzer, 1931) und der in Kluges (zit. nach Henne ,Kluge 1895) verzeichnetem ‚Wörterbuch der Studentensprache’ gelangt Henne zu der Erkenntnis:

„Der Wortschatz ist einerseits gruppenintern und andererseits institutionell orientiert. Der gruppenintern orientierte Wortschatz zeichnet sich dadurch aus, dass er zwischenmenschliche Verhaltensweisen, die gruppenspezifisch sind, umbenennt und zwar 1.1 indem er vergröbert und vergrößert z.B. pumpen für ‚leihen’; blechen für ‚bezahlen’; ausführen für ‚wegnehmen’; 1.2 indem er verbildlicht…“ (Henne 1986, S.10)

Der Wortschatz ist sehr institutionell orientiert, hyperbolisch und metaphorisch geprägt. So fällt man z.B. nicht durch sondern man ‚ plumpst ’ oder wenn man ‚lernt’ dann ‚büffelt’ man. Durch diesen Gruppenton stellen sich die Schüler und Studenten der Institution ‚Schule’ oder ‚Universität’ selbst dar.

Auch die Anfang des 20 Jahrhunderts aufkommende Jugendbewegung des Wandervogels verzeichnet ihre gruppeninterne und eigene Sprache. Ein ‚Wandervogel’ geht an den Wochenenden und in den Ferien auf Fahrt und trifft sich abends auf dem Nest. Der Wortschatz des Wandervogels versucht, z.B. die Verbildlichung der Wanderwelt speziell zu erfassen. So sprach man z.B. von Hordengut (Dinge die, die Gruppe braucht), der Fahrtenbesprechung (Vorbereitung zur Fahrt) oder der Regenhaut (Regenjacke). (vgl. Henne 1986 S. 20).

Für seine eigene Forschungsarbeit, entwickelte Henne einen umfangreichen Fragebogen, den er in 23 Klassen verschiedener Jahrgangstufen unter Aufsicht des Lehrers bearbeiten ließ. Der Fragebogen war so angelegt, dass er in 45 Minuten, also in einer Schulstunde beantwortet werden konnte. An persönlichen Daten wurde nur das Alter, Geschlecht und der Spitzname der Jugendlichen gefragt. Danach wurden Angaben zur lieblings Musik, Filme, Lektüre und Theaterstücke gefragt. Dann kamen fragen nach Ausdrücken für jugendliche Kleidungsstücke und der Bitte, einen Mauerspruch von drei Händen zu erklären. Zum Schluss wurden noch Fragen zum regionalen Gebrauch und der Einschätzung der eigenen Sprache gestellt.

Bei der Frage nach dem Spitznamen stellte Henne fest, dass es sich dabei meistens um ‚Verniedlichungen’ handelte oder der Spitzname ‚situationsbedingt’ zuerteilt wurde, wobei es sich meist um Eigenschaften und Gewohnheiten der Person handelte. Die Antworten zu den Grüßen enthielten gängige jugendsprachliche Partikel (Hallo, Holla, na hey), wobei auch viele fremdsprachliche Begrüßungen genannt wurden . Dabei wird meist noch eine für die Begrüßung typische Handbewegung vollzogen. Henne hat dabei 5 typische Merkmale des jugendlichen Grüßens herausgearbeitet:

- Die Welt der Medien ist in den Grüßen präsent (Comics wie Asterix)
- Die Monotonie der Erwachsenen Grüße wird aufgelockert, indem man Verkürzt.
- Das heimliche Pathos der Erwachsenengrüße wird zerstört
- Grüße werden durch Suffixe verniedlicht (Hallöle)
- Der Regionale Aspekt der Grüße gibt, den jugendlichen Grüßen etwas unernstes

Auf die Frage, wie man sein Freund oder seine Freundin nennen würde, antworteten viele Jungen mit ‚ meine Keule ’ oder ‚ meine Alte’ und die Mädchen meist mit ‚ Macker ’. Die ‚bildlichen Sprachformen’ wirken in diesem Fall verletzend, denn kein Mädchen wird wohl gerne ‚Keule’ oder ‚Alte’ genannt. Wobei man diese Bezeichnungen nicht verallgemeinern und auf eine ‚Jugendsprache’ zurückführen darf.

[...]


[1] Cruisen = ziellos herrumfahren

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Jugendsprache in Deutschland
Hochschule
Pädagogische Hochschule Freiburg im Breisgau  (Institut für deutsche Sprache und Literatur)
Veranstaltung
Deutschdidaktik Interkulturell
Note
1,5
Autoren
Jahr
2004
Seiten
23
Katalognummer
V91849
ISBN (eBook)
9783638056786
ISBN (Buch)
9783640392384
Dateigröße
458 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Jugendsprache, Deutschland, Deutschdidaktik, Interkulturell
Arbeit zitieren
Ines Haier (Autor:in)Hannes Haier (Autor:in), 2004, Jugendsprache in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91849

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