Liberalisierung natürlicher Monopole am Beispiel des Deutschen Strommarkts


Seminararbeit, 2007

35 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

II. Abkürzungsverzeichnis

III. Abbildungsverzeichnis

IV. Formelverzeichnis

V. Die Liberalisierung von natürlichen Monopolen am Beispiel des deutschen Strommarktes

1. Einleitung

2. Hauptteil
2.1 Theoretische Grundlagen
2.1.1 Was ist ein natürliches Monopol?
2.1.2 Natürliche Monopole im Strommarkt
2.1.2.1 Branchenbesonderheiten
2.1.2.2 Segmente des Strommarktes
2.1.3 Was bedeutet Liberalisierung?
2.2 Die Liberalisierung des deutschen Strommarktes
2.2.1 Die Situation vor Beginn der Liberalisierung
2.2.1.1 Ordnungs- und wettbewerbspolitische Rahmenbedingungen
2.2.1.2 Bilaterale und multilaterale Steuerungsmuster in der Stromwirtschaft
2.2.1.3 Marktbedingungen- und Strukturen vor der Liberalisierung
2.2.2 (Institutionen-)ökonomische Analyse des Liberalisierungsprozesses
2.2.2.1 Probleme der Monopolregulierung
2.2.2.2 Institutionelle Veränderungen auf europäischer und nationaler Ebene
2.2.2.3 Veränderungen der Marktstrukturen und Interaktionsmuster
2.3 Bewertung der Liberalisierung des deutschen Strommarktes
2.3.1 Bewertung auf Basis des Status Quo
2.3.2 Vergleich mit anderen europäischen Ländern

3. Ausblick
3.1 Entwurf zur Novellierung des Kartellrechts durch die Bundesregierung
3.2 Entwürfe für eine Anreizregulierung nach §21a EnWG
3.3 Vorschläge der Europäischen Wettbewerbskommission
3.4 Handlungsempfehlungen für die deutsche Politik

VI. Literaturverzeichnis

VII. Anhang

II. Abkürzungsverzeichnis:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

III. Abbildungsverzeichnis

Abb.1: Subadditive Kostenfunktion

Abb.2: Strompreis für Haushalte vor der Liberalisierung

Abb.3: Bruttostromerzeugungskapazitäten vor der Liberalisierung

Abb.4: Investitionen der Stromversorger in Deutschland

Abb.5: Beschäftigte im Energiesektor

Abb.6: Konsolidierung der Verbundnetzbetreiber und größten Stromerzeuger- Versorger in Deutschland

Abb.7: Bestandteile des Stroms für Haushaltskunden

Abb.8: Konzentration nationaler Strommärkte

Abb.9: Marktanteile und Anzahl der Unternehmen nach Versorgungsstufe

Abb.10: Strompreise im europäischen Vergleich

Abb.11: Marktstrukturen im europäischen Vergleich

IV. Formelverzeichnis

Formel 1 - Berechnung des Herfindahl-Hirschman Index

Formel 2 - Berechnung des Lerner Index Lerner Index: (P-MC)/P [P = Preis; MC = Grenzkosten]

Formel 3 - Berechnung des PCMU PCMU: (P-MC)/MC [P = Preis; MC = Grenzkosten]

Formel 4 - Subadditive Kostenfunktion

V. Die Liberalisierung von natürlichen Monopolen am Beispiel des deutschen Strommarktes

1. Einleitung

Im Rahmen dieser Seminararbeit wird das Thema „Liberalisierung von natürlichen Monopolen am Beispiel des Strommarktes in Deutschland“ bearbeitet. Es weist mehrfachen aktuellen Bezug auf, u.a. zu Klimawandel und Nachhaltigkeit der Energieversorgung bzw. Strompreise für Verbraucher und gewerbliche Kunden.

Aufgrund zuletzt genanntem und vor allem der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedeutung als auch den Branchenbesonderheiten erscheint mir der deutsche Strommarkt als adäquater Untersuchungsgegenstand in Bezug auf die Themenstellung «natürliche Monopole».

In diesem Sinne soll diese Seminararbeit einen wissenschaftlichen Beitrag zum Verständnis der (Wettbewerbs-)Situation auf dem deutschen und europäischen Strommarkt leisten, und aus der Analyse und Bewertung der Liberalisierung konkrete Handlungsempfehlungen für die Politik, vor dem Hintergrund sich wandelnder Energiepolitik abgeleitet werden. Im ersten Teil werde ich zunächst die zentralen Begriffe „natürliches Monopol“ und „Liberalisierung“ definieren und den deutschen Strommarkt in diesen theoretischen Zusammenhang einordnen. Um zu verdeutlichen, ob und in welchen Segmenten ein natürliches Monopol vorliegt und in welchem Maße ordnungspolitische Eingriffe aufgrund des Vorliegens von u.a. spezifischen Investitionen und Informationsasymmetrien gerechtfertigt erscheinen, werden entsprechende ökonomische Modelle verwendet. Im zweiten Teil sollen dann die grundlegende Situation vor der Liberalisierung dargestellt, sowie der Liberalisierungsprozess in Deutschland in Bezug auf institutionelle Veränderungen und Marktstrukturen analysiert werden.

Eine abschließende Bewertung der Liberalisierung auf Basis des Status Quo und ein Vergleich mit anderen europäischen Ländern soll die Beobachtungen komplettieren. Im Ausblick werden aktuelle Entwürfe der deutschen und europäischen Politik vorgestellt, und versucht realistische Handlungsempfehlungen für eine Verbesserung des institutionellen und wettbewerblichen Rahmens zu formulieren.

2. Hauptteil

2.1 Theoretische Grundlagen

2.1.1 Was ist ein Natürliches Monopol?

Gemäß der klassischen, technologisch orientierten Definition liegt ein natürliches Monopol vor, wenn die relevante Outputmenge durch einen Anbieter kostengünstiger als durch mehrere produziert werden kann, also formal eine subadditive Kostenfunktion vorliegt1. Als hinreichende Bedingung dafür können sinkende Durchschnittskosten bis zur relevanten Outputmenge aufgrund von Skaleneffekten genannt werden. Jedoch sind auch Konstellationen denkbar, in denen selbst im Bereich steigender Durchschnittskosten (GK > DK) Subadditivität vorherrscht (Abb1)2. Folglich ist der Schnittpunkt von globaler Nachfrage und Angebot in einem produktionstechnisch subadditiv günstigeren Bereich notwendige Bedingung für die potentielle Existenz eines natürlichen Monopols3. Neben den zuvor erwähnten Größenvorteilen können des Weiteren Verbund- und Dichtevorteile(economies of scope) und Unteilbarkeiten, z.B. bei sprungfixen Kosten als wichtige Ursachen für subadditive Kostenfunktionen gelten, welche besonders in Netzindustrien von zentraler Bedeutung sind4.

Die statische Betrachtung muss jedoch um den dynamischen Aspekt der Bestreitbarkeit ergänzt werden, um das tatsächliche Vorliegen natürlicher Monopole besser erklären zu können. Denn im Falle marktspezifischer Irreversibilitäten, z.B. in Form von versunkenen Kosten oder spezifischem Kapitaleinsatz, stellt dieser Teil der Fixkosten für den Monopolisten sowohl eine Marktaustrittsbarriere als auch strategische Kostenkomponente dar5, um potentielle Newcomer am Marktzutritt zu hindern bzw. ex-ante davon abzuschrecken. Die Kombination dieser versunkenen Kosten mit Verbund- und Dichtevorteilen trägt wesentlich zur Entstehung von sogenannten monopolistischen Engpässen bzw. wesentlichen Einrichtungen im Bereich der Netze bei. Da eine parallele Infrastruktur nicht ohne Weiteres aufgebaut werden darf und Wettbewerber auf die des Monopolisten angewiesen sind, können derartige Monopole eine Hohe Resistenz aufweisen.

2.1.2 Natürliche Monopole im Strommarkt

2.1.2.1 Branchenbesonderheiten

Die Nichtspeicherbarkeit, Leitungsgebundenheit und die hohe Kapitalintensität der Stromversorgung werden im Wesentlichen als die Besonderheiten der Stromwirtschaft bezeichnet6. Unklar ist meiner Meinung jedoch, ob diese historisch gewachsene Betrachtung heute noch gültig ist und ob sie einen ordnungspolitischen Ausnahmetatbestand rechtfertigt. Sowohl in Bezug auf die Nichtspeicherbarkeit als auch die Leitungsgebundenheit liegt weiterhin eine Branchenbesonderheit vor, da Strom parallel zum Verbrauch erzeugt und über ein 3-stufiges Leitungsnetz zum Endkunden transportiert wird.

Die hohe Kapitalintensität wird zwar auf Basis von Investitionsquoten der Stromwirtschaft(1991-1995) von über 12% bestätigt7, jedoch fällt diese u.a. im Jahr 2004 bei 5,7%, im Vergleich zu z.B. Bergbau mit 9,0%8, wesentlich geringer aus. Interessant in diesem Zusammenhang ist allerdings, dass auf allen Produktionsstufen ein hoher Anteil fixer Kosten von ca. 70% vorliegt, von denen ein bedeutender Teil irreversibel ist und zudem überdurchschnittlich lange Planungs- und Bauzeiten, vor allem für Kraftwerke, die Unternehmensflexibilität gegenüber anderen Branchen einschränken9. Entscheidendes Kriterium stellt folglich nicht die Kapitalintensität, sondern der hohe Anteil irreversibler Kosten in der Stromerzeugung und besonders den Übertragungs- und Verteilungsnetzen dar. Diese charakteristische Dreiteilung ist darüber hinaus bei der Stromerzeugung in Form der Grund-, Mittel- und Spitzenlast, im Netzsystem der Hoch-, Mittel- und Niederspannungsnetze und übergeordnet bei den sektoralen Eigentumsverhältnissen zu beobachten10. Parallel sind bedeutende bi- und multilaterale Steuerungsmuster bzw. klientelistische Netzwerke entstanden, welche in Verbindung mit Spezifität und Langfristigkeit von Investitionen und Koordination von Stromerzeugung, Verteilung und Verbrauch stehen. So kann prinzipiell auf die Existenz von hohen Transaktionskosten und Informationsasymmetrien im Strommarkt geschlossen werden, welche grundsätzlich zu marktspezifischen Ineffizienzen bzw. Governanceformen führen können, aber auch in Summe mit den Branchenbesonderheiten noch keine notwendige Bedingung für ein natürliches Monopol des Gesamtmarkts darstellen11.

2.1.2.2 Segmente des Strommarkts

Natürliche Monopole erscheinen nicht für alle vertikalen Stufen der Elektrizitätswirtschaft relevant zu sein. So war die Stromerzeugung in der Aufbauphase zwar von enormen Kostendegressionen gekennzeichnet, jedoch verliert dieses Argument in der weiteren Entwicklung an Bedeutung, da einerseits moderne kleinere Einheiten ebenfalls konkurrenzfähige Strompreise erzielen können und andererseits die Leistung eines Kraftwerks in Relation zur Gesamtnachfrage vernachlässigbar ist12. Auch der Stromhandel, welcher z.B. über Börsen abgewickelt werden kann, wird als Bereich angesehen, in dem Wettbewerb stattfinden kann13.

Lediglich der Bereich der Netze, d.h. der Übertragung und Verteilung lässt sich als klassisches natürliches Monopol charakterisieren14.

Skalenerträge und Unteilbarkeiten können mit einem an der Spitzenlast ausgerichteten Netzsystem begründet werden, da ein physisches Parallelnetz bei identischer Gesamtabnahme höhere Kosten bei geringeren Umsätzen je Netzbetreiber verursachen würde15. Besonders ein von der Auslastung abhängiger Fixkostenanteil von 60-80% beim Netzbetrieb verdeutlicht die Bündelungs- und Verdichtungsvorteile vor allem regionaler Versorger. Die Elektrizitätsversorgung als Netzinfrastruktur impliziert darüber hinaus einerseits Netzwerkexternalitäten, insofern dass mit steigender Anzahl von konsumierenden Endabnehmern theoretisch die Auslastung steigen und somit die Kosten des Netzbetriebs sinken sollten, und andererseits Pfadabhängigkeiten in dem Sinne, dass bei vorliegenden Netzwerkeffekten und Größe des Netzwerks ein Wechsel auf ein alternatives, effektiveres Versorgungssystem aufgrund einer unbekannten kritischen Startmasse schwer möglich ist16. Folglich ist ein Wettbewerb in Bau und Betrieb von Netzwerken unrentabel, welche versunkene Kosten beinhalten, da sie nur zur Übertragung und Verteilung von Strom genutzt werden können, also keine alternative Verwendung plausibel erscheint.

Darüber hinaus werden Stromnetze für lange Laufzeiten errichtet und die Wertschöpfung auf Basis von Netzwerkeffekten erzielt, wobei der Liquidationswert des eigentlichen physischen Kapitals in Form von z.B. Strommasten und Transformatoren nur ein Bruchteil des Wertes des Netzwerkes beträgt. Somit stellen die versunkenen Kosten für den Betreiber keine Opportunitätskosten und ein glaubhaftes Drohpotential gegenüber potentiellen Wettbewerbern dar, da diese zunächst mit hohen Risiken verbunden eine ähnliche Infrastruktur aufbauen müssten. Somit besitzen die Stromnetze den Charakter von monopolistischen Engpässen. Denn einerseits sind kein aktives Substitut aufgrund der Bündelungsvorteile und kein potentielles Substitut aufgrund der versunkenen Kosten vorhanden. Und andererseits können sie als wesentliche Einrichtungen eingestuft werden, weil sie notwendig für die Durchleitung zu den Endabnehmern und den Verbund zum Ausland sind17.

Monopolistische Engpässe werden mit großer Marktmacht auf vor- und nachgelagerten Märkten bzw. mit klassischen Monopolproblematiken wie überhöhten Preisen, verknapptem Angebot etc. assoziiert und erlangen sowohl enormes öffentliches Interesse als auch zentrale Bedeutung in der Wettbewerbs- und Regulierungspolitik18.

2.1.3 Was bedeutet Liberalisierung?

Im Allgemeinen werden mit Liberalisierung Maßnahmen bezeichnet, die zur Schaffung von gesteigertem Wettbewerb bzw. Marktbedingungen führen, u.a. durch die Öffnung von Märkten für neue private Wettbewerber und Re-/Deregulierung von bisherigen staatlichen Monopolen bzw. ordnungs- und wettbewerbspolitischen Ausnahmebereichen19. Das wichtigste Element der Liberalisierung ist dabei die Wettbewerbsintensität, da bei deren Anstieg größere allokative und dynamische Effizienz (Innovationsanreize bzw. -druck) erzielt werden. Traditionell ist der Liberalisierungsprozess von Privatisierungen begleitet, da einerseits staatliche Monopolbereiche an private Anbieter veräußert werden um den Wettbewerb zu fördern, und andererseits vor allem kommunale Betriebe im Marktumfeld nicht mehr konkurrenzfähig sind. Bei der Gestaltung der Liberalisierung, im Sinne eines «best-practice»20 Regulierungsrahmens, stehen drei Optionen zur Verfügung: Wettbewerb im Markt oder um den Markt bzw. deren Kombination21.

Bei der Liberalisierung des deutschen Strommarktes wurden u.a. folgende Ziele formuliert: Eine freie Anbieterwahl, Aufhebung der Gebietsmonopole, Durchleitungspflicht, geregelter Netzzugang, eine sofortige Marktöffnung für Industrie und private Haushalte sowie der Einsatz erneuerbarer Energien und vor allem langfristig niedrigere Strompreise als Gesamteffekt22. Somit sind Liberalisierung und die mit ihr verbundenen Ziele im konkreten Fall zwar abhängig von der Definition durch ihren Träger, den Staat, beruhen im Allgemeinen jedoch auf den positiven, mit Wettbewerb assoziierten Effekten.

2.2 Die Liberalisierung des deutschen Strommarktes

2.2.1 Die Situation vor Beginn der Liberalisierung

2.2.1.1 Ordnungs- und wettbewerbspolitische Rahmenbedingungen

Zentrale rechtliche Bausteine der wettbewerbs- und ordnungspolitischen Sonderstellung der Energieversorgung waren die EnWG und die GWB, welche aufgrund des intendierten monopolistischen Rahmens eine entsprechende Regulierung des Strommarktes vorsahen23. Die Energieaufsicht wurde durch die wesentlichen Bestimmungen des EnWG 1978, und zwar der Investitionskontrolle (§4), der Genehmigung zur Aufnahme der Energieversorgung (§5) und der Preisaufsicht (§7) geregelt, sodass das die Wirtschaftsministerien über weitreichende Möglichkeiten ordnungspolitischer und regulatorischer Eingriffe zur Steuerung der Erzeugungs- und Netzkapazitäten, Beschränkung von Marktzutritten bzw. Preisdifferenzierung bei den Endabnehmern verfügten24. Zudem waren im Rahmen des GWB bei der Kartellaufsicht u.a. die wettbewerbsrechtliche Freistellung der Demarkations- und Konzessionsverträge, die Fusionskontrolle zur Vermeidung horizontaler und vertikaler Marktmacht und Preiskontrollen von großer Bedeutung25.

Hierbei stellten die so genannten Demarkations- und Konzessionsverträge ein geeignetes Instrumentarium zur Absicherung der regionalen Versorgungsmonopole dar. Einerseits hatten die lukrativen Konzessionsverträge Laufzeiten von bis zu 20 Jahren, deren Vergabe in der Souveränität der Kommunen lag. Andererseits wurden durch Demarkationsverträge regionale Versorgungsgebiete klar abgrenzt um eine Doppelversorgung und Wettbewerb zu verhindern.

2.2.1.2 Bilaterale und multilaterale Steuerungsmuster in der Stromwirtschaft

Die deutsche Stromwirtschaft galt aufgrund ihrer mehrere Dekaden währenden Kontinuität als polit-ökonomisches Energiekartell, welches aufgrund des hohen verbandlichen Organisationsgrades und Verflechtungen mit staatlichen Institutionen eine starke Lobby für die eigenen stromwirtschaftlichen Interessen besaß26.

Auf bilateraler Ebene entstand durch horizontale und vertikale Integration sowie personelle und vertragliche Verflechtungen zwischen den EVU zum Einen eine große wirtschaftliche Konzentration und zum Anderen Governancestrukturen bzw. Interaktionsmuster, die eine transaktionskostensenkende Koordination der vernetzten Energieversorgung ermöglichten. An dieser Stelle muss die Effizienz der öffentlichen Kartellaufsicht erheblich in Frage gestellt werden, da deren Funktion u.a. die Vermeidung von Marktmacht war.

Eine Erklärung dafür liegt einerseits in der effektiven Verbandsstruktur der Stromwirtschaft27 mit dem einflussreichen Spitzverband VDEW, die nicht nur Planungsfunktionen zwischen den Subverbänden erfüllte, sondern prinzipiell auch ein Repräsentations- und Verhandlungsmonopol gegenüber dem BMWi und anderen Branchenverbänden innehatte. Andererseits existierten für Kommunal- und Länderbehörden Zielkonflikte, da sie häufig nicht nur selbst über Kapitalanteile an regionalen Verbundunternehmen und Versorgern verfügten, sondern auch durch strategische Personalpolitik von EVU wie RWE, E.ON, VIAG, etc. erfolgreich in deren Unternehmensinteressen eingebunden waren28. Darüber hinaus ist diesen Verflechtungen / klientelistisch-korporatistischen Netzwerken zwischen den EVU und dem politisch-administrativen Bereich, tendenziell die Gefahr nicht- kooperativen, opportunistischen Verhaltens und im äußersten Fall ein «capture» des Regulierers bzw. der Aufsichtsinstanz inhärent29.

Besonders bei der Beschaffung der Informationen für die Anwendung der Regelungen des EnWG (Preisaufsicht, Erzeugungskapazitäten) waren die Behörden auf die Stromverbände angewiesen, da eine eigene Datenerhebung nicht effizient bzw. möglich war. Somit waren die Regulierungsstrukturen von technisch-personellen Informationsasymmetrien geprägt.

2.2.1.3 Marktbedingungen- und Strukturen vor der Liberalisierung

Um einen Vergleichsmaßstab für die Veränderungen auf dem Strommarkt durch die Liberalisierung zu schaffen, möchte ich einige Kennzahlen erläutern bzw. für detaillierte Infographiken zu diesen auf das Abbildungsverzeichnis (Abbildungen 2-5) verweisen. Eine sehr stabile Entwicklung wiesen Strompreise, Stromerzeugung- und verbrauch sowie die verfügbaren Bruttoerzeugungskapazitäten auf, während Investitionen in Erzeugung erheblich von ca. 6 Mrd. € Mitte der 80er auf unter 3Mrd. € Mitte der 90er Jahre sanken (Abb.4) und die Anzahl der Beschäftigten (Abb.5), u.a. aufgrund technischen Fortschritts als auch fortschreitender Privatisierungen und Fusionen rückläufig waren.

Im Vergleich zu anderen Industrienationen lagen jedoch die Strompreise (ca. 15 Cent/ KWh)

30 auf einem relativ hohen Niveau.

Die Investitionsquoten i.H.v. 11-13% (siehe Teil 2.1.2.1) lagen 1996 im Vergleich zu anderen Infrastrukturbranchen wie der Deutschen Bahn mit ca. 7% zwar deutlich höher31, jedoch gegenüber der Deutschen Telekom mit 22% erheblich niedriger32.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Neben diesen ennzahlen sind vor allem die Höhe der Marktanteile privater und öffentlicher EVU und das Ausmaß horizontaler und vertikaler Verflechtungen von außerordentlicher Relevanz, um Rückschlüsse auf die Wettbewerbsintensität machen zu können. Der Markt wird vor Beginn der Liberalisierung von acht Verbundunternehmen, die den Großteil der Stromerzeugung ausmachen und die Höchstspannungs- und Verbundnetze betreiben, insoweit beherrscht, dass fast alle Regionalversorger durch Kapitalbeteiligungen oder langfristige Bezugsverträge von diesen abhängig sind.

[...]


1 Vgl. Haucap/Uhde (2005, S.6-7). Siehe Formel 4 im Formelverzeichnis.

2 Vgl. Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern (2006, S.12-14).

3 Vgl. Ebenda, S.15-16.

4 Vgl. Knieps (2001, S. 25).

5 Vgl. DIW Berlin (2006, S.11-12).

6 Vgl. Bleicher (2006, S.11).

7 Vgl. Renz (2001, S.69).

8 Vgl. VDEW (2006, S. 3).

9 Vgl. Siepmann (2006, S.4).

10 Vgl. Renz (2001, S.65-66).

11 Vgl. Joskow (1996, S.347).

12 Vgl. Kumkar (2000, S. 13 f).

13 Vgl. Eßer (1994, S.98).

14 Vgl. Pfaffenberger (1993, S.54).

15 Vgl. Haslinger (2006, S.29).

16 Vgl. Pfaffenberger/Scheele (2005, S.14).

17 Vgl. Knieps (2004, S.9).

18 Vgl. Pfaffenberger/Scheele (2005, S.14).

19 http://privat.kelag.at/content/page_liberalisierung.jsp

20 Vgl. Staatssekretariat für Wirtschaft (2005, S.2).

21 Vgl. Kipp/Oppenkowski (2005, S.23-28).

22 Vgl. Richtlinie 96/92/EG (1996, S.1ff).

23 Vgl. Gröner/Smeets (1988, S.182-184) .

24 Vgl. Ebenda (S.146-147).

25 Vgl. Markert (1996, 282-283) .

26 Vgl. Deregulierungskommission (1991, S.71ff).

27 Vgl. Renz (2001, S.76).

28 Vgl. Mez (1997, S.20ff).

29 Vgl. Padgett (1990, S.165ff).

30 BMWi (2001, S.106).

31 Dt. Bahn / Eigene Berechnungen (1996, S.40ff).

32 Dt. Telekom / Eigene Berechnungen(1996, S. 37ff).

Ende der Leseprobe aus 35 Seiten

Details

Titel
Liberalisierung natürlicher Monopole am Beispiel des Deutschen Strommarkts
Hochschule
Universität Bayreuth
Veranstaltung
Leistungsfähigkeit der Institutionenökonomik
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
35
Katalognummer
V91742
ISBN (eBook)
9783638071543
Dateigröße
1432 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Liberalisierung, Monopole, Beispiel, Deutschen, Strommarkts, Leistungsfähigkeit, Institutionenökonomik, Anreizregulierung, Unbundling, natürliches Monopol, Netzmonopol
Arbeit zitieren
Christian Berninger (Autor:in), 2007, Liberalisierung natürlicher Monopole am Beispiel des Deutschen Strommarkts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91742

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