Möglichkeiten der Einbeziehung des Flugverkehrs in das europäische Emissionshandelssystem


Diplomarbeit, 2007

101 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Ökonomische Grundlagen
2.1 Marktgleichgewicht und der 1. Satz der Wohlfahrtstheorie
2.2 Marktversagen und externe Effekte
2.2.1 Klassifizierung von Gütern: Das öffentliche Gut
2.2.2 Luft, ein öffentliches Gut?
2.2.3 Externe Effekte
2.3 Internalisierung von externen Effekten durch Umweltinstrumente
2.3.1 Übersicht der umweltpolitischen Instrumente
2.3.2 Kriterien zur Bewertung umweltpolitischer Instrumente
2.3.2.1 Statisch ökonomische Effizienz
2.3.2.2 Ökologische Treffsicherheit
2.3.2.3 Dynamisch ökonomische Effizienz
2.3.2.4 Administrative Effizienz
2.4 Zertifikate als Instrument der Umweltpolitik
2.4.1 Allgemeine Bedingungen und Voraussetzungen für den Handel mit Zertifikaten
2.4.2 Erstausgabemechanismen
2.4.2.1 Grandfathering
2.4.2.2 Benchmarking
2.4.2.3 Versteigerung
2.4.3 Bewertung des umweltpolitischen Instruments Zertifikate
2.4.3.1 Statisch ökonomische Effizienz
2.4.3.2 Ökologische Treffsicherheit
2.4.3.3 Dynamisch ökonomische Effizienz
2.4.3.4 Administrative Effizienz
2.5 Auktionsformen im Rahmen von Emissionshandel
2.5.1 Unterscheidung von Auktionen nach der Bietregel
2.5.2 Unterscheidung von Auktionen nach der Art des Gutes
2.5.3 Das Erlös-Äquivalenz-Theorem
2.5.4 Auktionen unter veränderten Bedingungen

3. Flugverkehr
3.1 Grundlagen zur Klimaproblematik im Flugverkehr und ökonomische Notwendigkeiten
3.2 Klimarelevante Emissionen des Luftverkehrs und ihre Auswirkungen
3.3 Besonderheiten der Fluggesellschaften in Hinblick auf Kosten, Marktstrukturen und die Wettbewerbssituation
3.3.1 Linienfluggesellschaften
3.3.2 Billigfluggesellschaften
3.3.3 Charterfluggesellschaften
3.3.4 Wettbewerbssituation der unterschiedlichen Marktformen im Flugverkehr

4. Europäischer Emissionshandel
4.1 Emissionshandel in Deutschland und Europa unter Berücksichtigung von Ergebnissen und bisherigen Erfahrungen
4.1.1 Aktueller Stand des Emissionshandels in Europa
4.1.2 Aktueller Stand des Emissionshandels in Deutschland
4.1.3 Erfahrungen und Probleme mit dem Emissionshandel in Deutschland und Europa
4.2 Bestimmungen und Voraussetzungen zur Einbindung des Flugverkehrs in das EU-ETS
4.3 Zentrale Optionen der Gestaltung der Einbindung des Flugverkehrs in das EU-ETS
4.3.1 Klimawirksamkeit der Maßnahmen
4.3.2 Geografischer Anwendungsbereich
4.3.3 Zuteilung und Verteilung von Zertifikaten
4.3.4 Zusammenspiel mit dem Kyoto-Protokoll
4.3.5 Kontrollmethoden und Auswahl von drei politischen Handlungsoptionen
4.4 Die Handlungsoptionen, ihre ökonomischen und ökologischen Auswirkungen und ihre Gegenüberstellung und Bewertung durch die EU
4.4.1 Ökologische Auswirkungen
4.4.2 Ökonomische Auswirkungen
4.4.3 Gegenüberstellung und Bewertung der Optionen durch die EU
4.5 Der Vorschlag der EU-Kommission zur Einbindung des Flugverkehrs in das EU-ETS
4.5.1 Reaktionen auf die Richtlinien und Gesetze zur Einführung des Flugverkehrs in das EU-ETS
4.5.2 Aktuelle Entwicklungen

5. Einbeziehung des Flugverkehrs in das EU-ETS unter besonderer Berücksichtigung der Allokation durch Versteigerungen
5.1 Theoretische Analyse einer Primärallokation von Zertifikaten anhand von Versteigerungen
5.2 Preiselastizitäten und Preisdiskriminierung im Flugverkehr
5.3 Wahl der Versteigerungsform im Mehrgüterfall
5.4 Ermittlung von Zahlungsbereitschaften der Fluggesellschaften
5.5 Wahl der Auktionsform und Praktikabilität von Auktionen in den Marktsegmenten der Billig- und Linienfluggesellschaften

6. Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Klassifikation von Gütern

Abb. 2: Systematisierung externer Effekte (s. Anlage)

Abb. 3: Umweltpolitische Instrumente

Abb. 4: Einzelwirtschaftliche Effizienz

Abb. 5: Gesamtwirtschaftliche Kostenminimierung

Abb. 6: Standardauktionen

Abb. 7: Entwicklung der THG-Emissionen der EU-25 aus dem internationalen Flugverkehr

Abb. 8: Energieverbrauch und Umweltbelastung durch eine Reise im Vergleich (s. Anlage)

Abb. 9: Relativer Treibhauseffekt in Abhängigkeit der Flughöhe

Abb. 10: Wirkungsweisen des Flugverkehrs auf den Strahlungsantrieb in der Atmosphäre (s. Anlage)

Abb. 11: Kundensegmente und kaufentscheidende Faktoren

Abb. 12: Anteil des LCC-Verkehrs am Gesamtverkehr

Abb. 13: Vergleich CO2-Emissionen 2005/2006

Abb. 14: Überblick der drei Handlungsoptionen für die Einbeziehung des Flugverkehrs in das EU-ETS (s. Anhang)

Abb. 15: Absolute CO2-Emissionen und -Reduktionen unter den drei Handlungsoptionen 2012 im Vergleich zum BaU-Szenario 2012 (s. Anhang)

Abb. 16: Auswirkungen auf Ticketpreise (in € pro Hin- und Rückflug) (s. Anhang)

1. Einleitung

Seit der Industrialisierung und den stetig wachsenden Bedürfnissen der Menschen, sind die natürlichen Ressourcen der Erde durch Übernutzung und Missbrauch gefährdet. Klimawandel und Erderwärmung sind mittlerweile in aller Munde. Die Menschen auf der ganzen Welt bekom-men die Folgen des Klimawandels zu spüren. Spätestens die breite Berichterstattung der letzten Jahre über Umweltkatastrophen, wie Hochwasser, Trockenheit, Stürme und Waldbrände, haben die Sensibilität der Menschen für dieses Thema geweckt. Als Hauptursache der steigenden Temperaturen und dem damit einhergehenden Klimawandel, entdeckten die Klimaforscher einen Anstieg verschiedener Treibhausgase in der Atmosphäre, der auf den Menschen zurückzuführen ist. Aufgrund ihres Erwärmungspotentials, könnten diese Gase einen Temperaturanstieg von bis zu 5°C innerhalb der nächsten 100 Jahre auslösen. Dies hätte nicht nur weitreichende Folgen für Umwelt und Menschen, sondern würde auch bezifferbare ökonomische Probleme mit sich bringen. Aufgrund der hohen Bedeutsamkeit des Themas, wurde 1988 der Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) gegründet, der sich mit der neutralen und objektiven Auswertung und Verbreitung der naturwissenschaftlichen Daten befasst. Ziel war und ist es, der breiten Masse das Thema Klimaveränderungen näher zu bringen. Im Jahr 1992 setzte sich dann die internationale Weltgemeinschaft in der Klimarahmenkonvention von Rio de Janeiro zum Ziel, „[…] die Stabilisierung der Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre auf einem Niveau zu erreichen, auf dem eine gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems verhindert wird. Ein solches Ziel sollte innerhalb eines Zeitraums erreicht werden, der ausreicht, damit sich die Ökosysteme auf natürliche Weise den Klimaänderungen anpassen können, die Nahrungsmittelerzeugung nicht bedroht wird und die wirtschaftliche Entwicklung auf nachhaltige Weise fortgeführt werden kann“ [Vereinte Nationen (1992, Art. 2)]. Seitdem hat es viele weitere Vertragsstaatenkonferenzen gegeben, die sich alle die Verminderung der klimaschädlichen Auswirkungen zum Ziel gesetzt haben. Der größte Meilenstein war jedoch der Klimagipfel 1997 in Kyoto. Mit der Annahme des so genannten Kyoto-Protokolls kamen die Industrienationen ihrer Verpflichtung nach, verbindliche Reduktionsziele für die wichtigsten Treibhausgase festzulegen. Das Protokoll musste durch mindestens 55 Staaten, mit einem Verur-sacherpotential von über 55 % des CO2-Ausstosses ratifiziert werden um Gültigkeit zu erlangen. Mit der Unterschrift Russlands im Jahre 2004 wurde das Protokoll letztendlich verbindlich. Die Vertragsstaaten verpflichteten sich damit, die festgelegten Treibhausgase[1] zwischen 2008 bis 2012 um durchschnittlich 5,2 % zum Basisjahr 1990 zu senken [vgl. Levin (2005, S. 38)]. Das Kyoto-Protokoll bietet den Mitgliedsstaaten verschiedene flexible Mechanismen zur Erfüllung dieser Ziele. Von diesen Mechanismen ist der internationale Emissionsrechtehandel das Instrument, welches für diese Arbeit grundlegend ist.

Der Handel mit Emissionsrechten startete bereits im Jahr 2005 in der EU. Bis zum Beginn der ersten Handelsperiode im Jahr 2008, konnten in einer Art Testphase, wichtige Erfahrungen im Umgang mit dem umweltökonomischen Instrument gesammelt werden. Eine dieser Erfahrungen ist, dass zum nachhaltigen Erreichen der einzelnen Ziele aus den Reduktionsverpflichtungen des Kyoto-Protokolls heraus, zurzeit ausgenommene Wirtschaftssektoren auch in die Verpflich-tungen mit einbezogen werden sollten. Einer dieser Sektoren ist der ständig anwachsende Flugverkehr, mit dem sich diese Arbeit befasst. Der Passagier- und Frachtluftverkehr ist für die europäische Wirtschaft und das Wohlergehen der Bürger wichtig. Auf der anderen Seite trägt der Luftverkehr aber auch zur Klimaänderung durch Freisetzung von Treibhausgasen bei. Bei einem transatlantischen Flug wird beispielsweise pro Person etwa die gleiche Menge an Emissionen freigesetzt, wie das Heizen eines Hauses einer einzelnen Person in einem ganzen Jahr. Außerdem steigen die Emissionen aus dem Luftverkehr in der EU rascher als in allen anderen Sektoren, was die Fortschritte der EU bei der Senkung der Treibhausgasemissionen insgesamt zu gefährden droht. Unter anderem aus diesen Überlegungen heraus, wurde seit Jahren die Einbindung des Flugverkehrs in das europäische Emissionshandelssystem (EU-ETS) diskutiert.

Ziel dieser Arbeit ist es, die Möglichkeiten einer Einbindung des Flugverkehrs in das EU-ETS darzustellen und zu überprüfen. Im Speziellen soll untersucht werden, inwiefern unterschiedliche Auktionsformen Einfluss auf die Preisbildung im Zertifikatemarkt haben und ob eine Primärallokation durch Versteigerung ein praktikables Modell ist. Zuallererst wird hierfür in Kapitel 2 ein Überblick über die ökonomischen Grundlagen gegeben. Beginnend mit Markt-gleichgewichten und -versagen sowie externen Effekten, wird darauf aufbauend die allgemeine Internalisierung von Effekten und Kriterien zur Beurteilung von umweltpolitischen Instrumenten erläutert. In Hinblick auf die Relevanz des Emissionshandels, erfolgt im weiteren Verlauf eine Erklärung der Zertifikate und ihre Beurteilung im Rahmen der definierten Effizienzkriterien. Zum Abschluss des Kapitels werden die Grundlagen für eine nähere Betrachtung von Auktions-formen zur Verteilung von Zertifikaten gelegt. Im dritten Teil dieser Arbeit folgt eine Erläuterung des Flugverkehrs im Allgemeinen. Nach einer Einführung in die ökonomischen Notwendigkeiten und klimarelevanten Emissionen des Flugverkehrs, werden die Markstrukturen im Flugsektor definiert und abgegrenzt. Aufbauend auf diesen Grundlagen, wird zum Ende des Abschnitts die Wettbewerbssituation der Linien-, Billig- und Charterfluggesellschaften betrachtet. In Kapitel 4 erhält der Leser zunächst einen Überblick über das bereits bestehende EU-ETS, insbesondere über den Handel in Europa und Deutschland. Um das Ziel dieser Arbeit, die Möglichkeiten der Allokation von Zertifikaten anhand von Versteigerungen zu prüfen, verfolgen zu können, werden daran anschließend die aktuellen Vorschläge und Ergebnisse zur Einführung des Flugverkehrs in das EU-ETS, vorgestellt. Ein besonderer Fokus liegt hierbei auf der Darstellung der vorgeschlagenen Handlungsoptionen und ihrer jeweiligen Auswirkungen für Ökonomie und Ökologie. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird der konkrete Vorschlag der EU beschrieben und die darauf erfolgten Reaktionen sowie die aktuelle Entwicklung erläutert. Kapitel 5 enthält eine Fokussierung auf das Thema Auktionen. Neben Preisdiskriminierung und Preiselastizitäten, werden auch die verschiedenen, in Frage kommenden Auktionsformen, sowie die Zahlungsbereitschaften der einzelnen Segmente im Flugverkehr definiert und erläutert. Am Ende des Kapitels soll untersucht werden, inwiefern die vorgestellten Auktionsformen für die Einführung des Zertifikatehandels im Flugverkehr praktikabel sind. Abschließend erfolgen im letzten Kapitel Fazit und ein kurzer Ausblick über mögliche künftige Entwicklungen.

2. Ökonomische Grundlagen

Um die angestrebte Einbeziehung des Flugverkehrs in das europäische Emissionshandelssystem nachvollziehen und bewerten zu können, sind im Vorfeld die theoretischen Grundlagen darzustellen. Aus diesem Grunde werden in diesem Kapitel die wichtigsten im Zusammenhang mit dem Thema stehenden ökonomischen und ökologischen Begriffe erklärt.

2.1 Marktgleichgewicht und der 1. Satz der Wohlfahrtstheorie

Seit Adam Smith ist eine der grundlegenden Aussagen der Ökonomik die, dass Marktmecha-nismen wie durch eine „unsichtbare Hand“ zu einem gesellschaftlich optimalen Ergebnis führen [vgl. Smith, 1776]. Der erste Wohlfahrtssatz der neoklassischen Ökonomik liefert für diese Eigenschaft des Marktes den formalen Beweis: Unter gewissen Bedingungen führt ein Marktgleichgewicht zu einem Pareto-Optimum. Dies ist ein gesellschaftlicher Zustand in dem es nicht möglich ist, durch Reallokation von Konsumgütern und Produktionsfaktoren den Nutzen eines Individuums zu erhöhen, ohne gleichzeitig den Nutzen eines anderen Individuums zu vermindern [vgl. z.B. Varian (2004, S. 555 ff.)]. Ein Zustand kann als sozial optimal gesehen werden, wenn die Differenz zwischen den über alle Gesellschaftsmitglieder aggregierten Nutzen und Kosten maximiert wird. Die gesellschaftliche Wohlfahrt, also der Nutzen aller Gesellschafts-mitglieder, ist an diesem Punkt maximal. Offensichtlich ist das Optimalitätskriterium dort erfüllt, wo Grenzkosten[2] und Grenznutzen einander gleich sind, also im Schnittpunkt von Angebots- und Nachfragekurve. Dies bewirkt, dass Produktionsfaktoren und Güter dort zum Einsatz kommen, wo sie am meisten geschätzt werden. Als Knappheitsindikator fungiert hierbei der Preis, der im Marktgleichgewicht zu Markträumung führt. Überträgt man das Ergebnis der Gültigkeit des ersten Hauptsatzes der Wohlfahrtstheorie auf Umweltgüter, bedeutet dies, dass mit Dienst-leistungen der Natur effizient und pareto-optimal umgegangen würde [vgl. Ahlheim/Stephan (1996, S. 47)]. Alle Grenzraten der Substitution der Haushalte sind im Pareto-Optimum gleich und entsprechen den Grenzraten der Transformation der Unternehmen.

Damit ein Marktgleichgewicht zu einer effizienten Allokation, also einem Pareto-Optimum führen kann, muss man annehmen, dass vollständige Konkurrenz herrscht. Wichtige Bedin-gungen für diese Annahme sind u.a., dass der Mensch als rationaler, egoistischer Nutzen-maximierer (Homo Oeconomicus) am Markt agiert, die Präferenzen der Individuen unabhängig voneinander und Konsumenten sowie Produzenten Preisnehmer sind, also keine Marktmacht besitzen. Der erste Satz der Wohlfahrtstheorie geht weiter davon aus, dass jeder Einzelne mit vollständigen Informationen ausgestattet ist und dass weder externe Effekte noch öffentliche Güter oder Unteilbarkeiten auftreten. Auch Kuppelproduktionen sind ausgeschlossen. Aufgrund der sehr starren Bedingungen an einen pareto-optimalen Zustand ist leicht zu erkennen, dass dieses theoretische Szenario in der Realität selten vorkommt. Es kann also zu Marktversagen kommen, dies muss aber nicht der Fall sein. Da der Schwerpunkt dieser Arbeit auf der Behandlung von Instrumenten zur Internalisierung von externen Effekten liegt, wird im folgenden Kapitel das Thema Marktversagen und externe Effekte näher beleuchtet.

2.2 Marktversagen und externe Effekte

Das ökonomische Modell einer pareto-optimalen Allokation stellt eine starke Vereinfachung der in der Realität herrschenden Verhältnisse dar. Es ist für unmittelbare wirtschafts- bzw. umwelt-politische Anwendungen zu grob strukturiert. Ist der Markt nicht in der Lage, einen pareto-optimalen Zustand zu erreichen oder sind die einzelnen Bedingungen für ein optimales Marktgleichgewicht nicht gegeben oder nicht vollständig eingehalten, dann ist der erste Satz der Wohlfahrtstheorie verletzt. Man spricht in diesem Fall von Marktversagen. Explizit geht es dabei im Bereich der Umweltökonomie um externe Effekte und die Bereitstellung von öffentlichen Gütern. Umweltprobleme könnten so ökonomisch erklärt werden. Um herauszufinden, warum externe Effekte und öffentliche Güter zu Marktversagen führen können, werden diese Begriffe tiefer hinterfragt.

2.2.1 Klassifizierung von Gütern: Das öffentliche Gut

In der Ökonomik werden Güter und Dienstleistungen in verschiedene Kategorien eingeteilt. Hierzu wurden zwei Kriterien herausgearbeitet, die eine Abgrenzung der Güter erlauben – Ausschließbarkeit und Rivalität im Konsum. Unter Ausschließbarkeit versteht man die Eigen-schaft eines Gutes, die vorliegt, wenn potenzielle Nutzer eines Gutes vom Konsum ausge-schlossen, also Eigentumsrechte durchgesetzt werden können. Der Anbieter eines Gutes kann diejenigen vom Konsum ausschließen, welche nicht bereit sind, den dafür geforderten Preis zu bezahlen. Im Gegensatz dazu bedeutet Nicht-Ausschliessbarkeit, dass Individuen nicht oder nur unter extrem hohen Kosten vom Verbrauch ausgeschlossen werden können. Rivalität im Konsum bedeutet, dass der Konsum eines Gutes durch einen Verbraucher die anderen Konsu-menten im Konsum desselben Gutes beeinträchtigt. Beeinflusst ein zusätzlicher Konsument die Möglichkeiten der Nutzung eines Gutes nicht, d.h. die Grenzkosten für den zusätzlichen Verbraucher sind null, so spricht man von Nichtrivalität [vgl. Ahlheim/Lehr (2002, Folie 7.1)]. Grundsätzlich kann man Güter nach den vorgenannten Kriterien unterteilen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Klassifikation von Gütern

Quelle: vgl. Ahlheim/Lehr (2002, Folie 7.1), abgeändert und ergänzt

Wie man der Abbildung 1 entnehmen kann, handelt es sich um private Güter, wenn andere Nutzer vom Konsum ausgeschlossen werden können wurden und Rivalität vorherrscht. Öffentliche Güter verfügen über die Eigenschaft der Nicht-Ausschließbarkeit, d.h. die unzureichende Zuweisung oder Durchsetzbarkeit von Eigentumsrechten an dem Gut, wofür es verschiedene Gründe (ökonomische, technologische, institutionelle, normative, etc.) geben kann. Beispielsweise wäre es nicht möglich, jemanden vom Konsum des Gutes „saubere Umwelt“ auszuschließen. Öffentliche Güter (Kollektivgüter) sind nicht-rival, d.h. dass das Gut zur gleichen Zeit von verschiedenen Individuen konsumiert werden kann. Öffentliche Güter können also vollständig von n Wirtschaftssubjekten konsumiert werden und die Erhöhung von n hat keine Auswirkungen auf das Konsumniveau des Einzelnen [vgl. Feess (2007, S. 38)]. In der Realität gibt es nur wenige Güter, die diese Eigenschaften erfüllen, Sonnenschein und nationale Sicherheit sind hier klassische Beispiele. Die Problematik dieser Güter besteht darin, dass der Einzelne kostenlos mitkonsumieren kann. Es besteht also ein Anreiz, das Einkommen ausschließlich für private Güter auszugeben und bei öffentlichen Gütern als sogenannter Trittbrettfahrer aufzutreten. Dies ist ein zentrales Problem dieser Güterart. Allmendegüter können ohne Entgelt von jedem genutzt werden, es besteht aber im gewissen Maße Rivalität in der Nutzung. Als typisches Beispiel kann man hierbei Fischbestände in öffentlichen Gewässern ansehen. Die Rivalität besteht darin, dass die Fangmenge jedes Fischers das Fangergebnis der anderen beeinflusst. Es kommt zu einer Übernutzung der Fischbestände, da alle Fischer einen größtmöglichen Nutzen erlangen möchten. Dieses als Tragödie der Allmende bekannte Phänomen ist eine negative Externalität und besteht darin, dass kein zusätzlicher Ertrag mehr aus dem Allmendegut gezogen werden kann [vgl. Fritsch/Wein/Ewers (2005, S. 101 f.)]. Man kann also feststellen, dass Allmendegüter, die sehr häufig Güter der Natur kennzeichnen, zu externen Effekten bei den Nutzern führen. Dies wiederum führt zur Abweichung vom pareto-optimalen Zustand und kann zu Marktversagen führen. In den nachfolgenden Abschnitten wird auf diesen wichtigen Punkt der externen Effekte sowie deren Internalisierung näher eingegangen.[3]

2.2.2 Luft, ein öffentliches Gut?

Nach der Klassifizierung von öffentlichen Gütern stellt sich im Hinblick auf die Klimaproblematik die Frage, ob die Luft die wir atmen, bzw. die Atmosphäre, als öffentliches Gut anzusehen ist.

Wie bereits im vorangegangen Abschnitt erläutert, lassen sich Güter nach den Kriterien Ausschlussprinzip und Rivalität im Konsum einordnen. Damit das Ausschlussprinzip gilt, müssen klare Eigentumsrechte abgegrenzt werden. In der Vergangenheit sind jedoch kaum Eigentumsrechte an den Gütern der Natur definiert und verteilt worden. Ein Gut ist öffentlich, wenn der Konsument nicht ausgeschlossen werden kann. Im Falle von Luft kann man also durchaus von Nicht-Ausschliessbarkeit sprechen. Zurzeit ist es immer noch nicht möglich, die Treibhausgas-Emissionen (THG-Emissionen) der Wirtschaftssubjekte in die Erdatmosphäre zu beschränken. Nicht einmal die damit verbundenen volkswirtschaftlichen Kosten des Klimawandels schrecken im gewollten Maße ab. Hauptproblem ist hierbei eine fehlende Definition von Eigentumsrechten an der Atmosphäre, sowie ihrer Möglichkeiten zur Um- und Durchsetzung. Die Industrieländer haben versucht, durch umfangreiche, umweltpolitische Instrumente die Probleme lokal wirkender Luftschadstoffe zu lösen. Da sich THG jedoch in der |kompletten Atmosphäre ausbreitet und somit den globalen Charakter eines anthropogenen[4] Treibhauseffektes hat, ist nicht davon auszugehen, dass die Industrienationen Alleingänge wagen. Hierbei handelt es sich um eine klassische Gefangenendilemmastruktur. Unter einem Gefangenendilemma wird in der Spieltheorie vereinfacht eine Situation bezeichnet, in der das rationale Verhalten der Beteiligten dazu führt, dass sich ein Ergebnis einstellt, das nicht das bestmögliche ist. D.h. die Wahl dominanter Strategien durch die Teilnehmer führt dazu, dass die Resultate vom Standpunkt aller Beteiligten aus nicht zufriedenstellend sind [vgl. Feess (2007, S. 13 ff.)]. Grundsätzlich besteht bei allen Nationen ein allgemeiner Konsens darüber, dass zumindest das Vorsichtsprinzip[5] dafür spricht, dem Klimawandel durch Reduktion von THG-Emissionen entgegenzuwirken. Für einen einzelnen Staat wäre es rational, keine eigene Vermeidungsstrategie zu verfolgen. Für ihn besteht der Anreiz, sich als Trittbrettfahrer (Free Riding) zu verhalten und einem Abkommen zur Klimaverbesserung gar nicht erst beizutreten oder es nach Beitritt nicht oder nur unzureichend einzuhalten. Gründe hierfür wären, dass einerseits der eigene Reduktionsbeitrag sehr gering und für das Aufhalten der globalen Erderwärmung nicht ausreichend wäre. Auf der anderen Seite würden alle anderen Nationen von dem Beitrag zur Verhinderung der Klimakatastrophe profitieren, obwohl nicht sie, sondern ein anderer Staat die Kosten trüge. Da das rationale Verhalten aller Staaten wäre, die THG-Emissionen nicht zu beschränken, käme es zu kollektiver Irrationalität, also dem Fortschreiten des Klimawandels. Ein Verlassen dieser Gefangenendilemmasituation wäre nur durch entsprechende Anreize oder Kooperationen möglich [vgl. Endres (2007, S. 212 f.)].

Betrachtet man das zweite Kriterium eines öffentlichen Gutes, die Nicht-Rivalität im Konsum, kann man feststellen, dass dieses nur unzureichend gegeben ist. Die Aufnahme- und Abbaukapazitäten der Atmosphäre für Schadstoffe sind begrenzt. Somit erfüllt die Atmosphäre die Kriterien für das Vorliegen eines öffentlichen Gutes nur im weiteren Sinne. Diese Güter werden Allmendegüter genannt (Common Pools). Es kommt hierbei zu einer gesellschaftlich irrationalen aber individuell rationalen Übernutzung der Atmosphäre. Dieses Problem ist als Tragödie der Allmende (Tragedy of the Commons) bekannt, da jeder einzelne versucht seinen Nutzen zu maximieren, auch wenn die Gesamtnutzung schon zu hoch ist. Die (teilweise zukünftigen) Kosten zur Beseitigung der Schäden müssen dann von allen gemeinsam getragen werden. Die Ressource Natur bzw. in diesem Fall die Atmosphäre kann so übernutzt oder sogar zerstört werden. Allmendegüter sind also dadurch gekennzeichnet, dass es bei mehreren Nutzern zu negativen externen Effekten kommt, die nicht preislich abgegolten werden [vgl. z.B. Ahlheim/Stephan (1996, S. 57 ff.)]. Auf die Besonderheiten von externen Effekten wird im weiteren Verlauf näher eingegangen. Zusammenfassend kann man sagen, dass Luft bzw. Atmosphäre kein reines öffentliches Gut, sondern ein Allmendegut ist. Die Reduktion von THG-Emissionen hingegen kann als öffentliches Gut betrachtet werden. Werden die Reduktions-maßnahmen nicht umweltpolitisch reguliert, tragen die Durchführenden die Kosten allein, obwohl alle Anderen davon mitprofitieren. Im Falle der THG-Reduktion liegt weder Rivalität im Konsum noch Ausschließbarkeit vor.

2.2.3 Externe Effekte

Wie man sehen konnte, sind die Bedingungen eines pareto-optimalen Zustands nur unter gewissen Voraussetzungen gegeben. Eine dieser Bedingungen ist der Ausschluss von externen Effekten. In einer sehr einfachen Definition nach Weimann (1994, S. 29 f.) werden externe Effekte als Einflüsse charakterisiert, die auf den Nutzen eines Konsumenten oder die Produktion eines Unternehmen wirken, ohne dass der Betroffene steuernd eingreifen kann. Diese Darstellung ist unvollständig, da es klar ist, dass zwischen den Marktteilnehmern in gewisser Weise immer eine Form der Interaktion herrscht. Solange der Preismechanismus die interdependenten Handlungen koordiniert und kompensiert, muss es nicht zwangsläufig zu Allokationsproblemen kommen. Eine treffendere Umschreibung wäre, dass externe Effekte Beeinflussungen sind, die am Preissystem vorbei den direkten Nutzen[6] betreffen und deshalb nicht durch den Preismechanismus koordiniert werden können. Der Nutzen eines Individuums ist nicht mehr unabhängig von den Aktivitäten der anderen. Der Begriff „extern“ bezieht sich nicht auf den einzelnen Konsumenten oder Produzenten, sondern auf das Preissystem, das auf einige Effekte nicht oder nur unzureichend reagiert. Externe Effekte gelten in der ökonomischen Theorie als Hauptursache für Marktversagen und das Aufkommen von Umweltproblemen. Dadurch, dass keine Kompensation über Preise erfolgt, wird gleichzeitig das Verursacherprinzip[7] verletzt. Es gibt verschiedene Formen von Externalitäten, die sowohl von Produktions- wie auch von Konsumaktivitäten ausgelöst werden bzw. sich auf beide Formen auswirken [vgl. Ahlheim/ Stephan (1996, S. 59 ff.)]. Dabei bezeichnet man die Beeinflussung von Nutzenfunktionen durch die Konsum- oder Produktionsentscheidungen anderer Wirtschaftssubjekte als Konsum-externalitäten, die man aber auch über ihre Entstehung im Konsum definieren kann. Analog nennt man die Beeinflussung d||er Produktionsfunktionen bzw. die Auswirkungen auf die Produktion, Produktionsexternalitäten, d.h. die Produktionsmöglichkeiten von Unternehmen hängen von den Kosum- oder Produktionsentscheidungen anderer ab.

Allgemein sind nach Fritsch/Wein/Ewers (2005, S. 88) externe Effekte dann vorhanden, wenn in der Nutzen- oder Gewinnfunktion eines Akteurs A (UA) außer dessen eigenen Aktions-parametern (X1A, X2A,…, XiA) mindestens eine Variable (Y) enthalten ist, die nicht nur von A, sondern von einem oder mehreren anderen Akteuren kontrolliert wird. Es gilt in diesem Fall: UA = (X1A, X2A,…, XiA, Y). Externe Effekte können positiv oder negativ sein. Man spricht von negativen Effekten, wenn die Auswirkungen ökonomischer Aktivitäten das Nutzenniveau anderer Wirtschaftssubjekte reduziert. Bei positiven externen Effekten geht es um das Gegenteil, also eine Erhöhung des Nutzenniveaus. Seit der ökonomischen Interpretation von Umweltverschmutzung haben externe Effekte eine besondere Bedeutung erhalten. In Produktionsprozessen entstehen Umweltbelastungen die das Nutzenniveau der Individuen negativ beeinflussen und für eine ineffiziente Allokation von Ressourcen sorgen. Sie sind oft sowohl Produktions- als auch Konsumexternalitäten. Betrachtet man z.B. Gewässer-verschmutzung, so werden zum einen die Produktionsbedingungen des Fischereigewerbes negativ beeinflusst, zum anderen kann es zu negativen Konsumexternalitäten kommen, da der Blick auf verunreinigtes Wasser beim Spaziergang die Freude trübt. Ebenso können wirtschaftliche Effekte gleichzeitig negative und positive Externalitäten haben, wobei im Umweltbereich die negativen Effekte überwiegen [vgl. Feess (2007, S. 42)].

Man kann also sagen, dass es vier Varianten für externe Effekte gibt, die in Abbildung 2 zusammengefasst werden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Systematisierung externer Effekte (s. Anlage)

Quelle: vgl. Feess (2007, S. 43)

In Abbildung 2 bezeichnet y das öffentliche Gut, U den Nutzen der einzelnen Individuen i und die Produktionskosten K. Vereinfachend kann man sagen, dass eine negative Konsumexternalität vorliegt, wenn der Grenznutzen des öffentlichen Gutes kleiner als Null ist, also der Nutzen der letzten verbrauchten Einheit des Gutes negativ ist. Analog spricht man von negativer Produktionsexternalität, wenn die Grenzkosten für das öffentliche Gut größer Null sind, d.h. die Kosten der letzten produzierten Einheit des Gutes positiv sind. Da die Arbeit sich mit dem Problem von Umweltbelastungen befasst, werden im weiteren Verlauf nur noch negative externe Effekte betrachtet. In der Literatur gibt es vielfältige andere Systematisierungen der Effekte (z.B. nach technologischen, pekuniären und psychologischen Externalitäten), auf die hier aber nicht näher eingegangen wird.

2.3 Internalisierung von externen Effekten durch Umweltinstrumente

Ein wichtiges Ziel der Ökonomie stellt die Erreichung eines pareto-optimalen Zustands dar. Zu diesem Zweck, müssen die externen Effekte internalisiert werden. Mit der Internalisierung will man zuwege bringen, dass die durch externe Effekte verursachten Zusatzkosten bzw. Zusatz-nutzen in die privaten (internen) Kalküle der Akteure mit einbezogen werden [vgl. Fritsch/ Wein/Ewers (2005, S. 109)]. In der Marktlösung führt ein negativer externer Effekt bekanntlich dazu, dass die für den externen Effekt verantwortliche Aktivität auf zu hohem Niveau durchgeführt wird und der Preis zu gering ausfällt. Als klassische klimarelevante Beispiele seien hier THG-Emissionen im Auto- und Flugverkehr genannt. Die Internalisierung externer Effekte stellt die konsequente Anwendung ökonomischer Prinzipien zur Wiederherstellung der Optimalität des Marktmechanismus dar. Dem Verursacher der vom Markt nicht erfassten negativen Handlungsfolgen werden die externen Grenzkosten finanziell angelastet (Verursacherprinzip) [vgl. Endres (2007, S. 22 ff.)].

2.3.1 Übersicht der umweltpolitischen Instrumente

In der Wirtschaftspolitik stehen eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Verfügung, um gegen die unerwünschten Folgen der Externalitäten vorzugehen. Die bekanntesten umweltpolitischen Instrumente sollen hier genannt werden, wobei aber eine genaue Darstellung nur zum Thema Umweltzertifikate folgt, da diese für die vorliegende Arbeit ausschlaggebend sind. In der folgenden Abbildung 3 werden die wichtigsten Instrumente dargestellt, unterteilt nach ihrem Einfluss auf die öffentlichen Einnahmen und Ausgaben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Umweltpolitische Instrumente

Quelle: eigene Darstellung

Unter nichtfiskalisch versteht man in diesem Zusammenhang Instrumente, die nicht mit öffentlichen Einnahmen oder Ausgaben in Verbindung stehen. Diese Instrumente stehen jedoch unterschiedlich stark unter Staatseinfluss. So wird beispielsweise bei den Auflagen von einem relativ hohen Einfluss ausgegangen, während bei den Kooperationslösungen kein direkter Staatseinfluss auf die umweltbezogene Handlungsweise der Wirtschaftssubjekte genommen wird [vgl. Wicke (1993, S. 195)]. Als fiskalische Instrumente werden die Möglichkeiten der Umweltpolitik bezeichnet, die die vorgegebenen Ziele mit öffentlichen Ausgaben und Einnahmen anstreben. Auch die im weiteren Verlauf der Arbeit zu behandelnden Zertifikate gehören zu dieser Kategorie der Umweltinstrumente. Zu den bekanntesten umweltpolitischen Instrumenten zählen neben der Pigou-Steuer, der Preis-Standard-Ansatz von Baumol und Oates, das Verhandlungstheorem nach Coase und der Handel mit Zertifikaten. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit werden zunächst die allgemeinen Kriterien für die Bewertung von umweltpolitischen Instrumenten festgelegt, um danach eine detaillierte Erläuterung von Umweltzertifikaten anzuschließen.

2.3.2 Kriterien zur Bewertung umweltpolitischer Instrumente

Die im vorangegangenen Kapitel dargestellten Instrumente der Wirtschaftspolitik dienen dazu, externe Effekte zu internalisieren. Ziel sollte hierbei sein, die richtige Menge an Externalitäten möglichst effizient durch ein geeignetes Instrument zu induzieren. Durch die folgenden vier Kriterien lassen sich diese allgemeinen Anforderungen konkretisieren. Mittels der dargestellten Eigenschaften ist es möglich, die unterschiedlichen umweltpolitischen Instrumente zu bewerten und zu beurteilen.[8]

2.3.2.1 Statisch ökonomische Effizienz

Die statisch ökonomische Effizienz, auch als Kosteneffizienz bekannt, erfüllt dann ihren Zweck, wenn es kein anderes Instrument gibt, das die gleiche Umweltqualität mit niedrigeren Kosten und Aufwand erlangt. Wenn ein vorgegebenes Emissionsziel – der Umweltstandard – mit minimalen kosten erreicht wird, sind klimapolitische Instrumente statisch effizient. Mit Kosten sind dabei die gesamten volkswirtschaftlichen Kosten zum Erreichen der gewünschten Umweltqualität gemeint. Die statische Effizienz stellt darauf ab, inwieweit ein bestimmtes Verfahren zu einem statischen Optimum führt [vgl. Fritsch/Wein/Ewers (2005, S. 109)].

Anders formuliert kann man unter der Effizienz eines Instruments seine Eignung verstehen, die Verursacher von Emissionen zur Einhaltung eines Emissionszielwertes mit geringstmöglichen Vermeidungskosten zu veranlassen. Der Anreiz zu kostenminimaler Emissionsvermeidung ist das zentrale Kriterium. Werden unnötig viele Ressourcen im Umweltschutz verbraucht, entstehen Wohlfahrtseinbußen, da der verschwendete Anteil ohne Not von anderen Verwendungen abgezogen werden muss. Ein effizientes Instrumentarium verbessert bei geschickter Verteilung des Effiziensgewinns auf die von der Regulierung betroffenen Wirtschaftssubjekte die Aussichten, ökologische Ziele zu erreichen [vgl. Endres (2007, S. 122)]. Bei diesem Kriterium geht man davon aus, dass die Vermeidungskostenfunktionen[9] bekannt sind. Es werden Instrumente gefordert die bewirken, dass so lange Emissionsminderungs-maßnahmen durchgeführt werden, bis sich die Grenzvermeidungskosten (GVK) aller Unternehmen angeglichen haben, also GVK1 = GVK2 = … = GVKj bei angenommenen j Firmen. Am Beispiel der global wirkenden Treibhausgase (THG) bedeutet dies, THG dort zu vermeiden, wo es am kostengünstigsten möglich ist.

2.3.2.2 Ökologische Treffsicherheit

Die zentrale Frage der ökologischen Treffsicherheit ist, inwieweit Instrumente bzw. Maßnahmen zur Umsetzung ökologischer Ziele grundsätzlich geeignet sind. Diese Prüfung beinhaltet die Frage der richtigen Richtung, der erforderlichen Stärke und der notwendigen Geschwindigkeit einer Wirkung. Nach Fritsch/Wein/Ewers (2005, S. 110) geht es unter dem Aspekt Treffsicherheit darum, „[…] ob ein bestimmtes politisch vorgegebenes oder das gesamtwirtschaftlich optimale Niveau der Externalität (z.B. ein bestimmter politisch vorgege-bener Umweltstandard) in der Realität erreicht, also weder über- noch unterschritten wird […]“. Die ökologische Treffsicherheit ist beispielsweise durch die Wahrscheinlichkeitsverteilung der wirklichen Umweltqualität um die angestrebte Umweltqualität zu konkretisieren [vgl. Feess (2007, S. 49)]. Anhand der Eigenschaften Schnelligkeit und Genauigkeit lässt sich dieses Kriterium beschreiben und tiefer durchleuchten.

Will man erreichen, dass die Allokation natürlicher Ressourcen pareto-effizient ist, so sind ökonomische und ökologische Effizienz die konsequente Umsetzung dieser Forderung. Eine statische Betrachtung der Nutzung der Natur reicht aber nicht aus, um langfristig eine pareto-optimale Allokation sicherzustellen. Es geht in der Umweltpolitik eher darum, durch entsprechende Anreize Strukturen zu schaffen, die eine optimale Verteilung von Gütern, Dienstleistungen und natürlichen Gütern gewährleistet [Ahlheim/Stephan (1996, S. 86)].

2.3.2.3 Dynamisch ökonomische Effizienz

Welche Auswirkungen eine umweltpolitische Maßnahme für den umweltbezogenen technischen Fortschritt hat, untersucht das Kriterium der dynamischen Effizienz. Hierbei spielen die Anreize zur Weiterentwicklung bekannter und Erfindung neuer kostengünstigerer Reproduktions-techniken eine entscheidende Rolle. Durch die dynamische Anreizwirkung soll die Innovationstätigkeit einer Wirtschaft und damit die Veränderung der Vermeidungskosten einzelner Emissionsminderungsmaßnahmen im Zeitablauf gefördert werden. Anders formuliert stellt sich die Frage, inwieweit eine Methode Anstrengungen stimuliert, negative Externalitäten zu vermeiden, sowie Fertigungsverfahren zu entwickeln und einzusetzen, die mit einem geringeren Ausmaß an externen Effekten verbunden sind oder mit denen sie sich kostengünstiger vermeiden lassen. Es sollten Anreize bestehen, nach Verfahren zu suchen, mittels derer die sinnvoll zu erzeugenden positiven Externalitäten (im Falle externer Zusatznutzen) möglichst kostengünstig bereitgestellt werden können [vgl. Fritsch/Wein/Ewers (2005, S. 110)]. Es liegt umwelttechnischer Fortschritt vor, wenn es gelingt, mit gleichem Aufwand höhere Emissionsreduktionen oder aber mit geringerem Aufwand die gleichen Reduktionen zu erreichen. Im Gegensatz zu der statisch ausgerichteten Kosteneffizienz, ist dieses Kriterium schwerer zu überprüfen.

2.3.2.4 Administrative Effizienz

Wenn man von administrativer Effizienz spricht, ist damit eine Art von Kontrollinstanz zu verstehen. Es soll eine Aussage darüber getroffen werden, inwiefern ein umweltökonomisches Instrument in seinem Erfolg bzw. Misserfolg überprüft und gemessen werden kann. Ziel ist unter anderem, die Transaktionskosten (Informationsbeschaffungs-, Verhandlungs-, Überwachungs- und Durchsetzungskosten) der einzelnen Instrumente herauszufinden, da diese sehr unter-schiedlich sind. Des Weiteren wird unter administrativer Effizienz die politische und gesell-schaftliche Durchsetzbarkeit einer Maßnahme zusammengefasst, die nicht nur von rationalen sondern auch von emotionalen Eigenschaften abhängt [vgl. Feess (2007, S. 50)]. Hierbei müssen sämtliche Interessengruppen (z.B. Gebietskörperschaften, Unternehmen) beachtet werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist zu beurteilen, inwieweit sich die Instrumente in den umwelt-rechtlichen und den sonstigen rechtlichen Rahmen der bestehenden Rechtsordnung einfügen und ob die Ziele ohne Probleme verwirklicht werden können [vgl. Wicke (1993, S. 441 f.)].

Die Literatur kennt noch weitere Kriterien zur Bewertung von umweltökonomischen Instrumen-ten, die hier aber nicht näher betrachtet werden sollen. So sollen die Zertifikate und ihre unterschiedlichen Ausstattungsmöglichkeiten im weiteren Verlauf der Arbeit anhand dieser vier Attribute untersucht werden.

2.4 Zertifikate als Instrument der Umweltpolitik

Wie bereits erläutert, sind Umweltzertifikate (auch: Emissionszertifikate, Berechtigungen oder Zertifikate) ein Instrument der Umweltpolitik zur Internalisierung von externen Effekten. Zertifikate zählen zu den fiskalischen Instrumenten. Man versteht darunter eine Maßnahme, mit welcher der Staat durch den Verkauf oder eine unentgeltliche Ausgabe von Umwelt-verschmutzungsrechten seine umweltpolitischen Ziele durchsetzen will. Das Hauptziel ist, einen vorgegebenen, politisch fixierten Umweltstandard – etwa die Höhe einer bestimmten Imissionsbelastung – mit minimalen volkswirtschaftlichen Kosten zu erreichen [vgl. Wicke (1993, S. 383)]. Detaillierter definieren Ahlheim/Stephan (1996, S. 95) Umweltzertifikate als verbriefte und übertragbare Rechte, einen bestimmten Schadstoff in einer vorgegebenen Menge in einer bestimmten Region während einer festgelegten Periode in die Umwelt zu entlassen. Im Folgenden werden die Faktoren zur Durchführung eines Emissionsrechtehandel (ERH) kurz erläutert.

2.4.1 Allgemeine Bedingungen und Voraussetzungen für den Handel mit Zertifikaten

Grundlegende Idee für das Konzept der Umweltzertifikate ist, Märkte für Umweltgüter zu schaffen, da diese beim Vorhandensein von externen Effekten unvollständig sind. Diese Märkte entstehen nicht spontan, da eine klare Definition von Eigentumsrechten fehlt (s. Kapitel 2.2.1). Eigentumsrechte an Umweltgütern zu schaffen gestaltet sich schwierig, deshalb versucht man bei den Emissionen anzusetzen.

Ein Zertifikat ist also eine Genehmigung für eine bestimmte Menge an Umweltbelastung. Man nennt sie daher auch Mengenlösung.[10] Es wird die insgesamt zulässige Menge (Cap) festgelegt und unter den Verschmutzern aufgeteilt. Die Zertifikate können unter den Emittenten gehandelt (Trade) werden. Verbraucht ein Verschmutzer beispielsweise nicht alle Zertifikate, kann er sie Anderen zum Verkauf anbieten. Andersherum kann man bei Fehlen von Berechtigungen versuchen, zusätzliche Zertifikate zu erstehen. Der Emissionshandel verbindet auf diese Weise Ökonomie und Ökologie, indem er zu Reduktionen verpflichtet, gleichzeitig den Unternehmen jedoch Anreize bietet in klimafreundlichere Technologien zu investieren und damit langfristig Gewinne durch den Verkauf von Berechtigungen erzielen zu können. Der Preis für die Umweltzertifikate bildet sich endogen auf einem separaten Markt. Die beteiligten Unternehmen stehen also vor der Entscheidung, ob sie Schadstoffe vermeiden oder lieber Zertifikate kaufen sollen. Wenn beispielweise der Preis für eine Tonne Emission des Schadstoffs CO2 fünf Euro beträgt und die Grenzkosten der Schadstoffvermeidung zunehmen (also mit zunehmender Vermeidung steigen), dann kauft jedes Unternehmen noch so lange Zertifikate, wie die GVK über dem Zertifikatspreis von fünf Euro liegen. Geht man von vollständiger Konkurrenz auf dem Markt für Zertifikate aus, entsprechen im Gewinnmaximum die Grenzkosten der Vermeidung dem auf dem Markt entstandenen Preis [vgl. Feess (2007, S. 123)].[11] Anders gesagt wird das Unternehmen Zertifikate verkaufen, wenn der Preis für diese höher ist, als die Grenzkosten der Vermeidung von Schadstoffen. Es werden solange Zertifikate veräußert, bis ein Emissionsniveau erreicht ist, bei dem der Zertifikatspreis gleich den GVK ist. Hierbei steigt die Angebotsmenge und der Preis fällt. Das langfristige Gleichgewicht ist erreicht, wenn sich die Grenzkosten aller Emittenten angeglichen haben und dem Gleichgewichtspreis entsprechen. Die Gesamtmenge der Emissionen bleibt dabei gleich, wird aber zu minimalen Gesamtkosten realisiert [vgl. Weimann (1994, S. 226 f.)]. Für den Umweltschutz durch Zertifikate gilt also zusammenfassend eine Reihe von allgemeinen Voraussetzungen:

1. Es muss festgelegt werden, wie viel einer bestimmten Emission eine Region über einen gewissen Zeitraum verkraften kann, zur langfristigen Einhaltung der gewünschten Umweltqualität. Hierzu werden Kenntnisse u.a. zu ökologischen Kreisläufen und Entsorgungskapazitäten benötigt.
2. Die Rechte müssen in Form von Berechtigungsscheinen verteilt und die Einhaltung überwacht werden.
3. Aufbau eines neuen Marktes, auf dem die Zertifikate gehandelt werden können [vgl. Ahlheim/Stephan (1996, S. 95 f.)].

Die Verteilung der Umweltzertifikate sowie deren Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten ist Gegenstand des nächsten Abschnittes.

2.4.2 Erstausgabemechanismen

Damit die betroffenen Unternehmen Emissionen ausstoßen und mit den Berechtigungen handeln dürfen, muss die ausgebende Stelle nach der Ermittlung des Bedarfs die jeweiligen Zertifikate verteilen. Die Zuteilung der Zertifikategesamtmenge auf die Gesamtheit der teilnehmenden Unternehmen nennt man Primärallokation. Den Ausgleich der individuellen Grenzvermeidungs-kosten ermöglicht die Handelbarkeit der Rechte, so dass es zu einer kosteneffizienten Allokation der Verschmutzungsrechte kommt (Sekundärallokation). Im weiteren Verlauf wird gezeigt, dass unabhängig von der Primärallokation auf einem funktionierenden Markt ein effizientes Ergebnis bei der Verteilung der Zertifikate erzielt wird [vgl. Brockmann (1999, S. 57)]. Eine formale Dar-stellung dieses Sachverhaltes erfolgt in Kapitel 5.1 exemplarisch für Versteigerungen. Es gibt mehrere Verfahren der Primärallokation, von denen aber hier nur Grandfathering, Benchmarking und Versteigerung von Umweltzertifikaten betrachtet werden sollen. Vor allem die Ausgestaltung sowie die Vor- und Nachteile der verschiedenen Verfahren sollen hierbei im Vordergrund stehen. Auf die Darstellung von hybriden Systemen (ein Mix aus den genannten Verfahren) wird hier verzichtet.

2.4.2.1 Grandfathering

Grandfathering im Bereich von Emissionszertifikaten bedeutet das Verschenken auf Basis eines historischen Levels der Emissionen. Die Zertifikate werden also kostenlos vergeben. Es ist eine Methode, bei der Unternehmen oder anderen juristischen Personen Emissionskredite auf Grundlage des Niveaus ihrer Emissionen zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit (z.B. 1990), für den verlässliche Daten vorliegen, zugeteilt werden [vgl. Stowell (2005, S. 88)]. Somit bleibt das Emissionsrecht vorerst uneingeschränkt erhalten und an der Umweltsituation ändert sich nichts. Erst durch eine Verknappung der Zertifikate kann der politisch vorgegebene Umweltstandard erreicht werden. Im Wesentlichen kommt es hierbei auf die Wahl des Basisjahres an, damit nicht die Unternehmen bestraft werden, die schon im Vorfeld Tag-Emissionen reduziert haben. Unternehmen, die ihre Emissionen seit diesem Bezugsjahr (z.B. 1990) gesenkt haben (z.B. durch Effizienzsteigerung oder Einstellung gewisser betrieblicher Vorgänge), könnten möglicherweise mittels dieses Verfahrens belohnt werden. Unternehmen, die nach dem Baseline-Datum gegründet wurden (und daher zu dem festgelegten Zeitpunkt keine Emissionen aufweisen) erhielten, wenn die Zuteilung allein nach dieser Methode erfolgen würde, keinerlei Emissionsgutschriften [vgl. CO2-Handel.de (B)].

Ein Preissignal entsteht nicht unmittelbar bei der Allokation, sondern erst dann, wenn bei einzelnen Akteuren die zugeteilten Mengen nicht mehr mit dem aktuellen Bedarf überein-stimmen und sie Zertifikate kaufen oder verkaufen (Sekundärallokation). Ein Preissignal ist aber ausschlaggebend für Investitionsentscheidungen und beeinflusst stark das Verhalten der Teilnehmer. Ein fehlendes Signal steigert die Unsicherheit von Projekten [vgl. Butzengeiger/ Betz/Bode (2001, Kapitel 3.5)]. Da jedoch in der Regel zur Erreichung des Minderungsziels weniger Emissionsrechte zugeteilt als gegenwärtig gebraucht werden, müsste bald ein Handel mit Emissionsrechten entstehen. Unternehmen mit günstigen Grenzvermeidungskosten werden Minderungsmaßnahmen vornehmen und überzählige Emissionsrechte anbieten.

Im politischen Alltag ist dieses Verfahren leichter durchzusetzen als die Versteigerung von Zertifikaten. Die Einführung einer solchen Maßnahme ist deshalb relativ einfach. Das liegt unter anderem daran, dass die Unternehmen nicht plötzlich neuen Situationen ausgesetzt werden, indem sie für einen bislang kostenlosen Produktionsfaktor bezahlen müssen. Alte Unternehmen werden sozusagen geschützt. Für neue Firmen wird aber dadurch der Eintritt in den Markt erschwert. Der Staat erhält beim Grandfathering keine zusätzlichen Einnahmen, die er für den Umweltschutz einsetzen könnte. Negativ zu betrachten ist, dass Anlagen mit einer umweltfreundlichen Technologie benachteiligt werden und weniger Zertifikate erhalten. Sie werden quasi für ihre frühzeitigen Forschungs- und Entwicklungsbemühungen bestraft. Ist die Benutzung dieser Allokationsart bekannt, können die Unternehmen im Vorfeld mehr emittieren (negativer Ankündigungseffekt), um auch dann mehr Zertifikate zugeteilt zu bekommen und diese gewinnträchtig zu verkaufen. Feess (2007, S. 124 f.) rät aufgrund der Nachteile von einem reinem Grandfathering ab.

Nach Artikel 10 der Emissionshandelsrichtlinie sollen in der ersten Handelsperiode des EU-ETS mindestens 95 % der Zertifikate verschenkt werden. In der zweiten Periode teilen die Mitgliedstaaten immer noch mindestens 90 % kostenlos zu [vgl. EU (2003, S. 5)].

2.4.2.2 Benchmarking

Ein Benchmark oder das Benchmarking ist eine vergleichende Analyse mit einem festgelegten Referenzwert. Benchmarking wird in vielen verschiedenen Gebieten mit unterschiedlichen Methoden und Zielen angewendet. Ebenso wie beim Grandfathering werden auch beim Benchmarking die Emissionsrechte kostenlos, allerdings auf der Grundlage der Referenzwerte, zugeteilt. Benchmarks sind Werte bezogen auf eine typische Outputgröße eines Sektors. Anders ausgedrückt ist ein Benchmark ein für eine Anlagenkategorie spezifischer Emissionswert, welcher in Form von Emissionen pro Output angegeben wird und sich entweder an einem Durchschnitt oder am Stand der Technik der jeweiligen Kategorie orientiert [vgl. CO2-Handel.de (C)]. Alle zur gleichen Kategorie gehörenden Anlagen, erhalten bei diesem Verfahren so viele Zertifikate, wie es dem Anlagen-Output multipliziert mit dem spezifischen Emissionswert (CO2/Output) der zugehörigen Anlage entspricht. Der spezifische Emissionswert entspricht dabei dem Stand der Technik, z.B. dem Branchendurchschnitt. Dabei bekommen aber auch Unterneh-men, die über diesem Durchschnitt liegen, mehr zugeteilt als sie benötigen und umgekehrt. Eine Zuteilung nach dem Stand der Technik ist sehr kompliziert, da dieser nicht objektiv nachprüfbar und überall gleich ist. Für jedes Unternehmen müssten dann die Berechtigungen einzeln geprüft werden, was aber sehr aufwendig und kostenintensiv ist [vgl. Levin (2005, S. 75)].

Die weiteren Vor- und Nachteile dieser Methode gleichen in großen Teilen denen des Grandfathering und werden aus diesem Grunde nicht getrennt aufgeführt.

2.4.2.3 Versteigerung

Versteigerungen (auch: Auktionen) als Methode zur Primärallokation zu nutzen, wurde bereits sehr früh von Dales (1968, S. 93 ff.) vorgeschlagen. Hierbei versteigert die ausgebende Stelle die gesamte Menge an Zertifikaten an potentielle Emittenten. Es erhalten diejenigen Emittenten Verschmutzungsrechte, die am meisten dafür bieten. Bei diesem Konzept findet bereits zum Zeitpunkt der Primärallokation ein Handel statt. Der Vorteil ist, dass bei richtiger Durchführung der passenden Auktionsform, die Unternehmen Zertifikate erhalten, bei denen sie den höchsten Nutzen stiften. Es findet also eine effiziente Allokation statt. Die zusätzlichen Kosten könnten jedoch dazu führen, dass bisher konkurrenzfähige Teilnehmer im Wettbewerb nicht mehr bestehen können [vgl. Feess (2007, S. 125)].

Neben der Effizienz ist ein Vorteil der Auktion von Zertifikaten, dass der Staat einen positiven Gewinn erzielt und somit die Möglichkeit zur doppelten Dividende[12] besteht. Für etablierte und auch neue Unternehmen bestehen die gleichen Voraussetzungen, der Markteintritt wird nicht behindert. Negativ zu betrachten ist der politische Widerstand, vor allem von Seiten der Emittenten, sowie die ungewisse Preisbildung der Zertifikate. Etablierte Unternehmen mit alten Technologien könnten bei dieser Allokationsart hohe Kosten haben und dadurch, wie schon bereits erwähnt, Wettbewerbsfähigkeit einbüßen. Nachteilig ist auch, dass der verfassungs-rechtliche Grundsatz des Bestandsschutzes verletzt zu werden droht.

Auktionen verfügen über positive ökologische- und ökonomische Effizienzeigenschaften, stoßen aber in der praktischen Umsetzung auf großen Widerstand. Trotz der vorhandenen Nachteile soll im weiteren Verlauf dieser Arbeit die Möglichkeit von Auktionen als Primärallokation näher betrachtet und geprüft werden.

2.4.3 Bewertung des umweltpolitischen Instruments Zertifikate

In Kapitel 2.3.2 wurden die Kriterien zur Beurteilung der Wirksamkeit von umweltpolitischen Instrumenten dargestellt. Im Folgenden sollen das im Vorfeld dargestellte Instrument Emissionshandel anhand dieser Eigenschaften geprüft werden.

2.4.3.1 Statisch ökonomische Effizienz

Nach Rudolph (2005, S. 34) zeichnet sich eine effiziente Umweltpolitik durch Erreichen eines Qualitätsziels mit minimalem volkswirtschaftlichen Aufwand aus. Die Aufteilung auf die Emittenten der Emissionsminderungsmaßnahmen zur Erreichung des globalen Umweltziels ist effizient, wenn die Summe der Vermeidungskosten aller Emittenten minimal ist. Wie bereits demonstriert, wird der Einzelne eine Emissionsmenge wählen, bei der die Grenzvermeidungs-kosten GVK gleich dem Zertifikatspreis P sind. Die nachfolgende Abbildung 4 zeigt ein kostenminimierendes Unternehmen, das einen Schadstoff E emittiert. E1 und E2 sind alternative Emissionsmenge zum Optimum Eopt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Einzelwirtschaftliche Effizienz

Quelle: vgl. Rudolph (2005, S. 35)

Wenn der Preis für Zertifikate P höher ist als die Vermeidungskosten einer weiteren Einheit E, wie das bei der Emission E2 der Fall ist, so vermeidet das Unternehmen weiter Emissionen. Umgekehrt wird es bei E1 eher Zertifikate kaufen, als Emissionen zu vermeiden. Beide Mechanismen geschehen so lange, bis GVK = P gilt, also die Kosten der letzten vermiedenen Emissionseinheit gleich dem Zertifikatspreis sind. Eopt ist hierbei die optimale Menge für das einzelne Unternehmen. Auch gesamtwirtschaftlich ist das plausibel. Emittenten mit hohen Vermeidungskosten kaufen bei vorgegebenem Cap vermehrt Lizenzen, vermeiden aber weniger Emissionen. Bei Emittenten mit niedrigen Vermeidungskosten ist das genau umgekehrt. Die Vermeidungsmaßnahmen finden also dort statt, wo sie am kostengünstigsten durchführbar sind. Formal betrachtet ist die Summe der Vermeidungskosten genau dann minimal, wenn die GVK, also die Kosten der Reduktion einer zusätzlichen Emissionseinheit, aller Emittenten gleich sind: GVK1 = GVK2 = GVKj = P (bei j Emittenten).

Die nachfolgende Abbildung 5 stellt den Sachverhalt exemplarisch für zwei Unternehmen (mit den jeweiligen GVK) dar. Hierbei sind E1* und E2* die Emissionsmengen ohne Vermeidungsmaßnahmen. Ziel ist die Halbierung der Emissionsmenge. Eine Halbierung der Emissionsmenge bei jedem einzelnen Unternehmen (E1*/2 bzw. E2*/2) ist nicht kostenminimal, da die GVK verschieden sind. Bei der Zertifikatelösung wird für die Gesamtheit der Unternehmen ein Ziel vorgegeben (hier: Eges*/2). Am Markt wird jedes einzelne Unternehmen so viele Zertifikate nachfragen, bis die GVK dem Preis für Zertifikate entsprechen (GVKj = P). Die Grenzvermeidungskosten sind dann für beide Unternehmen gleich [vgl. Rudolph (2005, S. 36 ff.)].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Gesamtwirtschaftliche Kostenminimierung

Quelle: vgl. Rudolph (2005, S. 37)

Wie bereits erläutert, stellt sich bei der Auktionierung von Zertifikaten bereits bei der Primärallokation eine kostenminimale Aufteilung der Vermeidungsanstrengungen ein. Beim Grandfathering hingegen werden die Emissionsrechte erst im Zeitablauf auf dem sich bildenden sekundären Zertifikatemarkt volkswirtschaftlich effizient alloziert. Beide Verfahren sind also kosteneffiziente Allokationen [vgl. Gerhard (2000, S. 90)]. Betrachtet man die ökonomische Effizienz im Sinne einer Kosteneffizienz[13], so kann man sagen, dass dieses Kriterium vom Zertifikatehandel erfüllt wird.

2.4.3.2 Ökologische Treffsicherheit

Inwieweit ein umweltpolitisches Instrument in der Lage ist, ein politisch festgelegtes Umweltziel zu erreichen, beschreibt das Kriterium der ökologischen Treffsicherheit. Im Rahmen des Emissionshandels ist das ökologische Ziel durch die Festlegung der Emissionsgesamtmenge bekannt. Eine Umweltverschmutzung über diese Menge hinaus kann also (legal) nicht stattfinden. Der Staat legt diese Menge fest und überwacht im weiteren Verlauf die Einhaltung der Anforderungen. Weder braucht er dazu die Vermeidungskostenkurven der Unternehmen zu kennen, noch beeinträchtigen wirtschaftliche Geschehen, wie Inflation oder Anlagen-schließungen, die exakte Erreichung des vorgegebenen Ziels. Lediglich der Preis für Zertifikate kann in der Sekundärallokation auf solche Widrigkeiten reagieren.

Der Staat kann das vorgegebene Ziel jederzeit den Bedürfnissen anpassen, indem er die Ausgabemenge befristeter Lizenzen zu Beginn der neuen Handelsperiode nach oben oder unten korrigiert. Eine solche Verringerung (Erhöhung) der Emissionsmenge bedeutet eine Verbesserung (Verschlechterung) der Umweltqualität und eine Verknappung (Entknappung) des Produktionsfaktors Zertifikate mit der Folge steigender (sinkender) Preise. Handelt es sich um unbefristete Zertifikate, kann der Staat als Nachfrager auf dem Markt auftreten und so die frei verfügbare Menge beeinflussen. Des Weiteren können diese Lizenzen auch abgewertet werden. Der zeitliche Rahmen zur Erreichung eines bestimmten Umweltziels kann bei der Lizenzlösung frei bestimmt und den wirtschaftlichen Gegebenheiten angepasst werden. Bei der Auktion von Zertifikaten wird das gewünschte Ziel sehr schnell erreicht, da sich der Knappheitspreis für Emissionsrechte automatisch am primären und sekundären Markt bildet. Durch Verknappung der ursprünglich ausgeteilten Menge führt auch das Grandfathering zur Realisation einer gewünschten Norm, jedoch mit Zeitverzögerungen. Diese Zeitverzögerungen können auftreten, da der Staat versucht, Zielkonflikte mit anderen wirtschaftspolitischen Zielen zu vermeiden [vgl. Gerhard (2000, S. 87)].

Man kann zusammenfassend sagen, dass der Emissionshandel unabhängig vom Zuteilungs-verfahren sehr akkurat und schnell das ökologische Ziel zu erreichen vermag. Das Kriterium ist somit durch die Zertifikatelösung erfüllt.

2.4.3.3 Dynamisch ökonomische Effizienz

Dieses Kriterium beschäftigt sich damit, in welchem Ausmaß ein Instrument Innovationsanreize für die Unternehmen bietet, umwelttechnologischen Fortschritt anzuregen und die Einführung und Entwicklung neuer Technologien zur Vermeidung von Umweltbelastungen zu beschleu-nigen. Es liegt Fortschritt vor, wenn es möglich ist, mit gleichem Aufwand höhere bzw. mit geringerem Aufwand gleiche Emissionsreduktionen zu erzielen. Die Zertifikatelösung fördert diese Innovationen, da durch jede Verbesserung in der Umwelttechnologie Zertifikats- und Vermeidungskosten eingespart werden können. Grundsätzlich kann man sagen, dass die Gewinnsteigerung, die durch die Einführung neuer Technologien erzielt wird, als Indikator für den Anreiz zur Einführung neuer Technologien gesehen wird. Die innovative Schubkraft des Instruments ist umso höher, je größer der Gewinnunterschied ist.

Problematisch ist, wenn die Gesamtmenge der Zertifikate auf Dauer konstant gehalten wird. Emissionen werden reduziert, die Nachfrage sinkt und somit auch der Preis der Zertifikate. Hieraus folgt, dass sich auch der Innovationsanreiz verringert. Eine regelmäßige Verknappung der Lizenzen kann diesem Phänomen entgegenwirken. Bei gleicher Nachfrage wird die Menge verkleinert, also steigen die Preise. Durch diese Erhöhung der Kosten für die Unternehmen steigt der Innovationsanreiz [vgl. Rudolph (2005, S. 47 ff.)]. Das Kriterium der dynamisch ökonomischen Effizienz ist somit für den Emissionshandel erfüllt.

2.4.3.4 Administrative Effizienz

Die administrative Praktikabilität des Emissionshandels sollte die Aspekte Messbarkeit der Emissionen, internationale Überprüfbarkeit der Daten und Durchsetzbarkeit der Minderungs-verpflichtungen beinhalten. Es muss effizient, d.h. genau und ohne großen Aufwand kontrolliert werden können, wie hoch der tatsächliche Emissionsausstoß ist. Die angewandten Verfahren zur Emissionsschätzung müssen international überprüfbar und einheitlich sein. Durchsetzbarkeit setzt voraus, dass es Sanktionsmechanismen gibt, die gewährleisten, dass die teilnehmenden Unternehmen die nationalen Reduktionsziele einhalten [vgl. Bader (2000, S. 155)].

Obwohl die Zertifikatelösung niedrige Transaktionskosten mit sich bringt, entstehen für die ausgebenden und durchführenden Stellen des Emissionshandels sehr hohe Einführungs-, Überwachungs- und Durchführungskosten. Neben einer engmaschigen Überwachung des Einhaltens der Emissionsverpflichtungen, muss der Handel auf den Märkten organisiert und kontrolliert werden [vgl. Ahlheim/Stephan (1996, S. 101 f.)]. Problematisch ist hierbei auch die Art und Genauigkeit der Kontrolle, da eine geeignete Form der Stichprobe gefunden werden muss, was in der Praxis meist schwer ist.

Wie man den Ausführungen entnehmen kann, ist das Kriterium der administrativen Effizienz eher nicht erfüllt. Da die anderen Kriterien aber durchaus zu positiven Ergebnissen führen, kann man beim Emissionshandel von einem effektiven und effizienten umweltpolitischen Instrument sprechen. Im nächsten Abschnitt werden verschiedene Auktionsformen dargestellt, um eine Grundlage für die weitere Bearbeitung des Themas zu ermöglichen.

2.5 Auktionsformen im Rahmen von Emissionshandel

Im vorangegangenen Kapitel konnte man sehen, dass es verschiedene Distributions-möglichkeiten für Umweltzertifikate gibt. Im Hinblick auf die weitere Vorgehensweise bei der Einführung des Flugverkehrs in das EU-ETS und der Ausrichtung der Arbeit, wird die theoretische Grundlage für eine Ersteinführung der Zertifikate anhand von Auktionen gelegt.

Auktionen können als eine Art Markträumungsmechanismus verstanden werden [vgl. Menezes/Monteiro (2005, S. 9)], mit dem Angebot und Nachfrage zum Ausgleich gebracht werden. Sie kommen meist dort zum Einsatz, wo Marktpreise weitestgehend unbekannt oder nur äußerst schwer zu ermitteln sind. Jede Auktion folgt Regeln, die im Vorfeld allen Teilnehmern der Auktion bekannt und gänzlich akzeptiert sein müssen. Der Mechanismus der Preisfindung ist also explizit vorgegeben. Durch die Höhe der abgegebenen Gebote signalisieren die Bieter ihre Wertschätzung für das angebotene Gut und geben somit implizit ihre Zahlungsbereitschaft preis. Aus der Sicht des Verkäufers ist das Ziel einer Auktion, das von ihm angebotene Gut zu einem möglichst hohen Preis zu verkaufen. Die Gesamtheit der Bieter ist daran interessiert, das Gut zu einem möglichst geringen Preis zu erwerben. Dabei erhält i. d. R. derjenige das Gut, der ihm den höchsten Wert beimisst und entsprechend bereit ist, den höchsten Preis dafür zu bezahlen [vgl. Krishna (2002, S. 5)]. Anders ausgedrückt ist eine Auktion eine „Marktveranstaltung [...], die im Wege des öffentlichen Aufrufes durch einen Auktionator [meist ein Anbieter] an bestimmten Orten zu bestimmten Zeiten stattfindet und bei der nicht fungible […] Waren an den Meistbietenden [viele Nachfrager] verkauft werden“ [vgl. Schneck (1994, S. 59)].

Eine „Ur-Form“ der Versteigerung ist der „walrasianische Auktionator“ (nach Leon Walras), der versucht die Entstehung eines spontanen Marktgleichgewichtes zu erklären. Dieser fiktive Auktionator ruft versuchsweise einen Preis aus und fragt die Akteure auf beiden Marktseiten, welche Mengen sie zu diesem Preis anzubieten bzw. nachzufragen bereit sind. Stimmen die aufaddierten Mengen der beiden Marktseiten überein, dann ist der Gleichgewichtspreis gefun-den, zu dem nun gehandelt werden kann. Stimmen sie nicht überein, passt der Auktionator die Preise in Schritten an. Er erhöht die Preise derjenigen Güter, für die es einen Nachfrageüber-schuss gibt und reduziert sie, wenn es ein Überangebot gibt. Der Prozess wird solange fortgesetzt, bis es keinen Überschuss an Angebot und Nachfrage mehr gibt und die endgültige Bewertung zu Gleichgewichtspreisen erfolgt ist [vgl. Kirstein (2006, S. 4 f.)]. Auf realen Märkten ist diese Form der Auktion jedoch nicht anzutreffen.

In der Auktionstheorie wurden verschiedene Arten von Versteigerungen entwickelt, die jeweils unterschiedliche Eigenschaften aufweisen, das Spektrum der Ausgestaltung von Auktionen ist groß. Grundlegend sind vier verschiedene Auktionstypen, die im Folgenden näher beschrieben werden sollen.

2.5.1 Unterscheidung von Auktionen nach der Bietregel

Seit der bahnbrechenden Arbeit von Vickrey (1961, S. 14 ff.) werden in der Literatur meist vier Arten von Auktionen unterschieden. Diese Formen werden meist angewendet, wenn es nur ein Gut gibt.[14] Die bekannteste Auktionsform ist die Englische Auktion (ascending-price). Der Auktionator startet mit einem Mindestpreis, zu dem der Besitzer zum Verkauf bereit ist. Es folgt ein offenes, aufsteigendes Bieten, d.h. jeder Bieter sieht sofort, was die Anderen geboten haben. Die Gebote werden solange erhöht, bis zum Schluss nur noch ein Bieter, nämlich der mit der höchsten Zahlungsbereitschaft, übrig bleibt. Dieser erhält den Zuschlag und muss den Kaufpreis bezahlen. Ebenfalls zu den offenen (open-bid) Versteigerungen zählt die Holländische Auktion (descending-price). Auf einer von Allen beobachtbaren Anzeigentafel wird ein hoher Preis vor-gegeben, von dem vermutet wird, dass er über der höchsten Zahlungsbereitschaft der Bieter liegt. Der Auktionator senkt den Preis so lange, bis der erste Bieter diese Offerte annimmt und die Versteigerung endet. Dieser Bieter erhält das Objekt zu dem Preis, bei dem er sich gemeldet hat [vgl. Cassady (1967, S. 193 ff.)]. Beide Formen der Versteigerung erlauben eine Beobachtung der Reaktionen der Bieter. Bei den weiteren zwei Formen erfolgt die Gebotsabgabe einmalig und verdeckt (sealed-bid). Die Bieter wissen also nicht, was ihre Konkurrenten geboten haben. Alle Gebote werden gesammelt und zur gleichen Zeit geöffnet. Der Meistbietende erhält in beiden Fällen den Zuschlag für das Objekt. In der Erstpreis-Auktion (first-price sealed-bid) muss der Gewinner sein höchstes Gebot zahlen, während er in der Zweitpreis- oder Vickrey-Auktion (second-price sealed-bid) nur das zweithöchste Gebot zahlen muss [vgl. Pérez (2004, S. 40)].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6: Standardauktionen

Quelle: vgl. Wolfstetter (1999, S. 185) - abgeändert

In der Abbildung 6 werden die beschriebenen vier Auktionsformen kurz zusammengefasst. Um zu prüfen, welche Formen für die Versteigerung von Zertifikaten in Frage kommen, müssen die Auktionsformen noch spezifiziert werden. Gibt es unter den Bietern unabhängige und gleich-verteilte Wertschätzungen, so stellen die Holländische und die first-price sealed-bid Auktion strategische Äquivalente dar [vgl. Krischna (2002, S. 13)]. In beiden Formen haben die Bieter über ihr Gebot zu entscheiden, ohne durch den Auktionsverlauf irgendwelche relevanten Informationen zu erhalten. Der Bieter, der das höchste Gebot abgibt, erhält den Zuschlag und hat als Preis sein Gebot zu zahlen. Ebenso ist die Englische äquivalent zur Vickrey-Auktion.[15] In der Englischen besitzt jeder Spieler die dominante Strategie, aus der Auktion auszusteigen, wenn der Auktionspreis seine Zahlungsbereitschaft erreicht. Der Bieter mit der höchsten Wertschätzung erhält den Zuschlag und zahlt als Preis (im Durchschnitt) die zweithöchste Wertschätzung. In der Vickrey-Auktion gibt der Bieter ebenfalls als ein Gebot in Höhe seiner Wertschätzung abzugeben. Das Ergebnis ist das gleiche wie zuvor [vgl. Ehrhart (2003, S. 6 f.)]. Formal können die Gebote der vier Auktionsformen durch ein einfaches Modell abgebildet werden. Wenn die Anzahl der Bieter der Auktion n mit n > 1, bi das Gebot des Bieters i für i = 1,2,..n, ci die persönliche Kosteneinschätzung des Bieters und vi der Wert des zu versteigernden Gutes für Bieter i darstellt, dann gilt für das optimale Gebot b* eines Bieters [vgl. Wolfstetter (1999, S. 183 ff)]: Für second-price sealed-bid bzw. Englische Auktion ist das optimale Gebot b*(ci) = ci und für first-price sealed-bid bzw. Holländische Auktion b*(ci) = (1+ 1/n) * ci.

Es gibt die unterschiedlichsten Ausgestaltungsformen von Auktionen. Interessant für die Einführung von Zertifikaten sind solche, für mehrere gleichartige Güter (Zertifikate). Eine Darstellung dieser speziellen Auktionsformen, sowie der entsprechenden Zahlungsbereitschaften und Zertifikatspreise wird in Kapitel 5 vorgenommen.

[...]


[1] CO2, CH4, N2O, HFC, PFC, SF6.

[2] Die Grenzkosten (GK) des Faktoreinsatzes bezeichnen die zusätzlichen Kosten, die für den Einsatz jeweils einer zusätzlichen Faktoreinheit entstehen oder anders ausgedrückt: sie bezeichnen die Kosten der jeweils "letzten" Faktoreinheit [vgl. Uni Hohenheim, o.S.].

[3] Die vierte Kategorie sind Klubgüter wie z.B. Pay-TV, diese spielen aber für Umweltprobleme keine Rolle.

[4] Der Begriff anthropogen (griechisch: anthropos = Mensch; genese = Erzeugung/Erschaffung) bezeichnet alles vom Menschen Beeinflusste, Verursachte oder Hergestellte [vgl. Ökoradar (2007, anthropogen)].

[5] Umweltschutz soll vorausschauend und zukunftsorientiert sein. Die Natur soll so genutzt werden, dass keine Schäden entstehen. Beim Vorsorgeprinzip (auch: Vorsichtsprinzip) werden Gefahren für Menschen und Belastungen der Umwelt vermieden bzw. abgewehrt [vgl. Pätzold (o.J, Kapitel 3.3)].

[6] Direkte und indirekte Nutzenfunktionen werden voneinander abgegrenzt. Die indirekte Nutzenfunktion beschreibt den maximal erreichbaren Nutzen als Funktion von Preisen und Einkommen. In der direkten Nutzenfunktion spielen Preise und Einkommen keine Rolle. Interdependenzen, die sich auf relative Preise beziehen, wirken sich also nur in der indirekten Nutzenfunktion aus [vgl. Weimann (1994, S. 30)].

[7] Kosten zur Vermeidung, Beseitigung und Ausgleich von Umweltbeeinträchtigungen werden dem Verursacher zugerechnet. Kann der einzelne Verursacher nicht festgestellt werden oder die Anwendung führt zu schweren wirtschaftlichen Störungen, muss die Allgemeinheit die Kosten ausnahmsweise tragen [vgl. Pätzold (Kapitel 3.1)].

[8] Formale Darstellung der Effizienzbedingungen bei externen Effekten s. z. B. Feess (2007, S. 51 ff.).

[9] Die bei der Vermeidung einer zusätzlichen Tonne von Treibhausgasen bezogen auf das aktuelle Niveau entstehenden Kosten sind die Grenzvermeidungskosten [vgl. CO2-Handel.de (A)]. Die Vermeidungskostenfunktion ordnet jedem Emissionsniveau E die minimalen Vermeidungskosten zu, mit denen dieses Niveau erreicht werden kann.

[10] Im Gegensatz dazu stehen die Preislösungen – z.B. Abgaben und Steuern – die aber hier nicht näher betrachtet werden. Es wird ein Schadstoffpreis festgelegt und es bleibt den UN überlassen ob und wie viel sie von dem „Schadstoff“ zu diesem Preis nachfragen wollen [vgl. Feess (2007, S. 123)].

[11] Dasselbe Ergebnis erhält man z.B. bei der Abgabenlösung: hier gleichen sich Grenzkosten der Vermeidung und vorgegebener Abgabensatz. Dieses spiegelbildliche Ergebnis von Preis- und Mengenlösungen ist selbstverständlich, da auf einer Nachfragefunktion jedem Preis eindeutig eine Menge zugeordnet ist und umgekehrt [vgl. ebenda].

[12] Unter doppelter Dividende versteht man einerseits die erwünschte Entlastung der Umwelt (ökologische Dividende) und andererseits durch die Einnahmenerzielung aus einem umweltpolitischen Instrument positive Wachstums- und Beschäftigungseffekte zu erreichen (ökonomische Dividende) [vgl. Pätzold (Kapitel 4.3.2.3)].

[13] Hierbei spielen noch viele weitere Kostenarten, wie z.B. betriebliche Kostenbelastung, administrativer Aufwand usw. eine Rolle, die aber aufgrund der fehlenden Relevanz nicht näher betrachtet werden.

[14] Der Fall der Mehrgüterauktionen wird in Kapitel 5 erläutert.

[15] Was allerdings nur gilt, solange man das Private-Value-Modell (Kapitel 2.5.2) zugrunde legt.

Ende der Leseprobe aus 101 Seiten

Details

Titel
Möglichkeiten der Einbeziehung des Flugverkehrs in das europäische Emissionshandelssystem
Hochschule
Universität Hohenheim
Note
1,7
Autor
Jahr
2007
Seiten
101
Katalognummer
V91610
ISBN (eBook)
9783638055543
ISBN (Buch)
9783640863297
Dateigröße
1494 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Möglichkeiten, Einbeziehung, Flugverkehrs, Emissionshandelssystem
Arbeit zitieren
Dipl. oek. Sabine Schanz (Autor:in), 2007, Möglichkeiten der Einbeziehung des Flugverkehrs in das europäische Emissionshandelssystem, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91610

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