Demokratiereform durch Föderalisierung?


Essay, 2007

12 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Arthur Benz möchte in seinem Artikel, „Demokratiereform durch Föderalisierung“, die Zusammenhänge untersuchen, die zwischen demokratietheoretischen Leitlinien und der Struktur und Wirkungsweise bundesstaatlicher Systeme bestehen. Im Blickfeld hat er dabei den Demokratisierungsprozess in bisher autoritär regierten Staaten und die dabei positive Wirkung des Föderalismus. Dabei wird nicht außer Acht gelassen, dass auch schon bewährte föderale Systeme Demokratiedefizite aufweisen können, welche mit Hilfe bestimmter Strategien behandelt werden könnten. Der Autor schafft dafür ein Analyseschema, welches zunächst bestimmte Aspekte der Demokratie als abhängige Variable und des Föderalismus als unabhängige Variable beleuchtet, um sie danach an den Bundesstaaten Deutschlands, der U.S.A., Kanadas und der Schweiz zu untersuchen. In seinem Fazit kommt er dann zu einem Urteil, welches mit Handlungsvorgaben für mehr Demokratie in föderalen Systemen verknüpft ist. Über die Schwierigkeiten der Vereinbarkeit von Demokratie und Föderalismus werde auch ich mich dann noch weiter befassen.

Zunächst greift der Autor die häufig geäußerte These auf, dass Föderalismus in seiner rudimentärsten Auslegung, eine allgemein anerkannte Theorie über diese Form der Demokratie existiert ohnehin nicht[1] [2], einige Aspekte aufweist, welche auf den ersten Blick durchaus als demokratiefördernd gelten könnten. Damit meint er die Freiheitsförderung durch stärkere Gewaltenteilung, die erhöhten Wahlmöglichkeiten durch den Bürger, die bessere Selbstbestimmung der Gemeinden durch Subsidiarität und der Schutz regionaler Minderheiten, wobei er richtig feststellt, dass diese Argumente bei genauerer Betrachtung nicht standhalten würden[3]. Gewaltenteilung könne nämlich auch Verflechtungsstrukturen erzeugen, die Machtkonzentration ermöglicht, erhöhte Wahlmöglichkeit auf regionaler Ebene erzeugt auch irrationale Protestwahlen, Subsidiarität kann Eliten auf kommunaler Ebene verfestigen und schließlich kann Minderheitenschutz auch zu noch stärkeren Konflikten führen. Mit diesem zunächst ernüchternden Urteil über die Demokratiefähigkeit des Föderalismus geht er jedoch dazu über, beide Konstrukte voneinander zu trennen, da sie seiner Meinung nach, in einem politischen System schwer miteinander vereinbar seien[4]. Das Konzept des Föderalismus sei hauptsächlich mit strukturellen Aufgaben bedacht, wohingegen das der Demokratie vor allem das Verhältnis zwischen den Regierenden und Regierten ordnet. Er schlägt deswegen ein Analyseschema vor, welches sich nicht mit der normativen Theorie befasst, sondern mit dem schon zuvor erwähnten Vergleich der Regierungssysteme verschiedener föderalistischer Staaten.

Was sind jedoch die wichtigsten Eigenschaften einer Demokratie, welche sich idealerweise bei föderalen Systemen vergleichen lassen? Er führt vor allem die Herrschaftsverteilung in einer Gesellschaft als maßgebliche Komponente auf, um dies zu untersuchen. So zum Beispiel sollte das Individuum stets gegen eine zu hohe Machtkonzentration der Herrschaftsinhaber geschützt werden, in föderalen Systemen meistens gegeben durch einen hohen Grad an Gewaltenverschränkung und -teilung. Zweitens müsste jeder Bürger die selbe Chance haben, seine Interessen und seinen Willen einbringen zu können. Das dritte wichtige Kriterium ist für den Autor, dass die Entscheidungsträger die Interessen so koordinieren, dass sich der größte Teil der Gesellschaft nicht benachteiligt sieht und dadurch die vertretenen Interessen akzeptiert. Gerade dieser Punkt stellt durch das Kollektivgut- und das Informationsproblem großer und moderner Gesellschaften, die Schwachstelle der meisten Demokratien dar. Daher gibt es für ihn noch einen vierten wichtigen Aspekt, welcher das Funktionieren einer Demokratie gewährleistet, nämlich die Lernfähigkeit eines Systems. Nur wenn es möglich ist, dass sich sowohl Entscheidungsträger als auch Bürger gemeinsam und vor allem gleichberechtigt an der Verbesserung der Entscheidungsfindung einbringen können, ist die Stabilität und Effektivität eines demokratischen Systems auf Dauer gesichert.

Für die Analyse kommt nun erschwerend hinzu, dass sich die Ausprägungen von Föderalismus ebenfalls an verschiedenen Punkten wesentlich voneinander unterscheiden, und bei den ausgewählte Fällen, gibt es im Vergleich zwischen den Regierungssystemen höchstens zwei von drei möglichen Übereinstimmungen. Der Autor führt bei der Typisierung drei Dichotomien von Idealtypen auf. In der Struktur der Willensbildung unterscheidet er zunächst zwischen Wettbewerbsdemokratien mit parlamentarischen Regierungen wie die Kanadas und Deutschlands und Verhandlungsdemokratien wie die der Schweiz und die der U.S.A. Des Weiteren gibt er die oft angewandte und zunehmend fragwürdigere Aufteilung zwischen dualen und kooperativen Föderalismen, für eine eher die Funktionslogiken betreffende Unterteilung auf. Das heißt, dass der Auslöser der Bundesstaatenbildung und -erhaltung in den Fokus genommen wird, wie beispielsweise aus Gründen von Vereinigungsbestrebungen und Machtbalance, wie in den U.S.A. und Deutschland. In der Schweiz und Kanada sind die Beweggründe in erster Linie die Bewältigung der regionalen Unterschiede und sozialen cleavages. Zu guter letzt spielt für den Autor die Unterscheidung zwischen einer institutionellen oder einer eher formalisierten Verknüpfung zwischen dem Bundesstaat und seinen Gliedstaaten eine Rolle. In den U.S.A. und in Kanada ist dieser eher gering, und in Deutschland und der Schweiz eher hoch, was jedoch später noch ausführlicher geschildert werden soll. All diese Unterscheidungsmerkmale lassen sich jedoch teilweise auf wesentliche, für die Effektivität und Wirkung der Demokratie wichtige Aspekte, subsumieren. Für Arthur Benz sind das zum Einen die Funktionslogik eines Systems, welche sich in ihren unterschiedlichen Ausprägungen beträchtlich auf die Effektivität der Entscheidungsfindung auswirken kann und zum Anderen ist es die enge, beziehungsweise lose Kopplung zwischen dem Bund und seinen Staaten, was letztendes über die Wirkung und den Entwicklungsspielraum eines Systems entscheidet. Im folgenden Ländervergleich geht er dann genauer auf seine bis hierhin gesammelten Hypothesen ein.

Der Fall des deutschen Föderalismus vereint an sich beide Formen der ersten Kategorie in seinem Regierungssystem. Der Parteienpluralismus und der Parlamentarismus verknüpfen eine Wettbewerbsdemokratie mit den vorhandenen verhandlungsdemokratischen Aspekten der starken Verbindung zwischen den Ländern und dem Bund in der Legislative. Dadurch ist zugleich eine relativ starke institutionalisierte Politikverflechtung gegeben, welche die verschiedenen Ebenen stärker miteinander verkoppelt. Diese Widersprüchlichkeit in der Verfassungstheorie löst sich jedoch durch das, ebenfalls an den Föderalismus angepasste, aber zentralisierte Parteiensystem, wieder auf, weil dadurch auch Wettbewerb auf den unteren Ebenen stattfindet und nicht losgelöst von ihnen. Die Geschichte und die relative Homogenität der deutschen Gesellschaft zeigen auf, dass es sich bei dem heutigen, aber auch bei den früheren Formen des deutschen Föderalismus, um einen Vereinigungsföderalismus handelt, in dem die Gliedstaaten in der Regel kooperieren und nicht konkurrieren. Bestätigt wird dies durch die Tatsache, dass Interessenkonflikte zwischen den Ländern, aber auch zwischen dem Bund und den Ländern, schon vorher innerparteilich geklärt werden und selten zum Gegenstand der Tagespolitik werden.

[...]


[1] Beyme, K. (2007): Föderalismus und regionales Bewusstsein. S. 209.

[2] Benz A. (2002): Lehren aus entwicklungsgeschichtlichen und vergleichenden Analysen. S. 400.

[3] Benz (2003): Demokratiereform durch Föderalisierung? S. 170

[4] ebd. S.170.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Demokratiereform durch Föderalisierung?
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für Sozialwissenschaften)
Veranstaltung
Das politische System der BRD im Vergleich
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
12
Katalognummer
V91591
ISBN (eBook)
9783638050494
ISBN (Buch)
9783656207887
Dateigröße
365 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Demokratiereform, Föderalisierung, System, Vergleich
Arbeit zitieren
BA Christian Wenske (Autor:in), 2007, Demokratiereform durch Föderalisierung?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91591

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