Problemlösungsfähigkeit von Verhandlungssystemen


Hausarbeit, 2008

16 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung – Problemaufriss

2. Zur Theorie von Verhandlungssystemen
2.1 Der Maßstab
2.2 Forschungsstand und Schlussfolgerungen
2.3 Zentrale Hypothesen

3. Fallbeispiele
3.1 Das Fallbeispiel Gesundheitswesen
3.1.2 Zwischenfazit Gesundheitswesen
3.2 Das Fallbeispiel Verbundforschung
3.2.2 Zwischenfazit Verbundforschung

4. Schlussbemerkung

5. Literatur

1. Einleitung - Problemaufriss

Nach dem Versagen des Steuerungsstaates und dem Erkennen des Steuerungsproblems des Staates in den 70er Jahren setzte sich in Theorie und Praxis das Konzept des kooperativen Staates durch. Hierbei handelt es sich um ein von Verhandlungen geprägtes System, in dem politische Entscheidungen nicht alleine parlamentarisch, d.h. hierarchisch, getroffen werden, sondern auch innerhalb von Verhandlungen, wobei nicht-staatliche Akteure miteinbezogen werden. Der Staat tritt in Kooperation und delegiert, um seine Handlungs- und Steuerungsfähigkeit zurückzuerlangen. Bereits in den 70er Jahren beobachteten Scharpf (1978, zit. nach Rabe 2000: 18) und andere Autoren eine zunehmende horizontale Interaktion zwischen privaten nicht-staatlichen Akteuren auf der einen, sowie eine zunehmende vertikale Interaktion zwischen verschiedenen Regierungsebenen auf der anderen Seite.

Bei dieser Thematik drängen sich unterschiedlichste Fragen auf. Wenn im modernen demokratischen Staat verbindliche politische Entscheidungen immer häufiger im Rahmen von Verhandlungen getroffen werden, bei denen sowohl private als auch staatliche Akteure beteiligt sind, ist die Frage nach der Problemlösungsfähigkeit von Verhandlungssystemen höchst interessant und wichtig, in erster Linie um es möglich zu machen, Rahmenbedingungen zu schaffen, unter denen eine problemadäquate Lösung mittels Verhandlungen realisierbar wird. Ist es überhaupt möglich, in Verhandlungssystemen – im konsensuellen Modus – genauso system- und gemeinwohlorientierte Lösungen hoher Qualität zu erzielen, die eine ideale zentrale hierarchische Instanz anstreben würde? Wenn dies der Fall ist, bleibt die Frage, welche Bedingungen gegeben sein müssen, um genau dies zu erreichen. In der Literatur wird in diesem Zusammenhang häufig die Gefahr von Minimallösungen, also die Gefahr von suboptimalen Kompromisslösungen (eine Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner der an der Verhandlung beteiligten Akteure) angesprochen (Mayntz 2004: 73; Benz 2000: 106; Eberlein/Grande 2003: 196). Hierauf möchte ich mich im Folgenden konzentrieren. Genauer auf die Frage: unter welchen Umständen führen Verhandlungen zu suboptimalen Kompromisslösungen?

Zuallererst erörtere ich dabei einen Maßstab, an dem ich die Qualität eines Verhandlungsergebnis messen werde (2.1 Der Maßstab), lege dann den aktuellen Forschungsstand zum Thema dar und stelle anhand diesem eigene Überlegungen an (2.2 Forschungsstand und Schlussfolgerungen), kristallisiere dabei die zentralen Hypothesen heraus (2.3 Zentrale Hypothesen) und wende diese exemplarisch und vergleichend an zwei Fallbeispielen an (3. Fallbeispiele), um die aufgeführten Hypothesen empirisch zu testen. Bei diesem Schritt erscheint es mir zunächst als wichtig, die anfänglichen Interessen, Motivationen, Handlungsorientierungen und Ziele der einzelnen Akteure zu erkennen und zu benennen, um daraufhin zu beurteilen, ob und inwieweit sich diese Akteure zu Gunsten einer systemrationalen, also einer gemeinwohl- und problemorientierten Lösung von ihren ursprünglichen Zielen entfernen oder ob sie lediglich darauf bedacht sind, ihren eigenen Nutzen zu maximieren. Schlussendlich werde ich meine Ergebnisse in einer Schlussbemerkung (4. Schlussbemerkung) zusammenfassen.

2. Zur Theorie von Verhandlungssystemen

2.1 Der Maßstab

Um meine eingangs gestellte Frage nach den Umständen, unter denen es in Verhandlungen zu suboptimalen Kompromisslösungen kommt zu beantworten, ist es zunächst von großer Bedeutung, einen Maßstab zu definieren, an dem man die Qualität von Politikergebnissen messen kann, um zu erkennen, wann überhaupt von einer suboptimalen Lösung zu sprechen ist. Hierfür bietet sich das Kaldor-Kriterium (Kaldor 1939, zit. nach Scharpf 1992a: 15) an, nach dem alle Vorhaben akzeptabel sind, bei denen der aufsummierte Netto-Nutzen aller beteiligten Akteure gegenüber dem Nichteinigungspunkt, also dem Status quo, erhöht wird. Genauer bedeutet dies, dass der Vorteil der einen ausreichen muss, den Nachteil der anderen Seite auszugleichen, wodurch Ausgleichszahlungen möglich werden (Scharpf 1992b: 57). Das ebenfalls in der Literatur diskutierte Pareto-Kriterium, nach dem alle Vorhaben akzeptabel sind, bei denen keiner der Beteiligten gegenüber dem Status quo schlechter gestellt wird, mindestens einer jedoch besser (Scharpf 1992b: 57), ist an dieser Stelle weniger sinnvoll, da seine Erfüllung lediglich Aussage über den Vorteil (wenigstens) eines Akteurs trifft, was in seiner Aussagekraft jedoch weit entfernt ist von einem insgesamt positiven Politikergebnis.

2.2 Forschungsstand und Schlussfolgerungen

Nachdem ich nun im vorherigen Abschnitt einen Maßstab aufgezeigt habe, an dem ich die Qualität von Verhandlungsergebnissen messen möchte, lege ich nun den aktuellen Forschungsstand zum Thema – mit Blick auf die übergeordnete Fragestellung - dar. Zu Beginn habe ich bereits erwähnt, dass Verhandlungssysteme in modernen Demokratien im Zusammenhang mit der Erzeugung von Politikergebnissen stark an Bedeutung gewonnen haben, wobei Politik oft in einem eine Vielzahl von öffentlichen und auch privaten Akteuren einbindenden Prozess entsteht (Mayntz 1993: 241). Die Gründe hierfür sind für diese Arbeit eher zweitrangig, weswegen ich auf eine Erläuterung an dieser Stelle verzichte.

Zunächst ist festzuhalten, dass es Unterschiede zwischen Verhandlungssystemen entsprechend der Freiwilligkeit (oder Unfreiwilligkeit) der Verhandlungen, der Handlungsorientierungen der Akteure, der Art der Konflikte und der Verhandlungsmodi gibt, welche deren Problemlösungsfähigkeit bedingen (Gülker 1998, zit. nach Vetterlein 2000: 12) und dass es in Verhandlungen einige Aufgaben zu bewältigen gilt, um eine problemadäquate Lösung herbeizuführen. Dennoch ist es nach dem Coase-Theorem zumindest theoretisch möglich, alle Wohlfahrtsgewinne, die durch ideale hierarchische Maßnahmen erreicht werden können, auch mittels Verhandlungen zu erreichen, mit der Einschränkung, dass Transaktionskosten[1] vernachlässigt werden (Coase 1690, zit. nach Scharpf 1993b: 60). Dies gilt auch, wenn man hierbei die Annahme von egoistisch-rational handelnden Akteuren zu Grunde legt. Nun gilt es, genau diese Unterschiede und deren Auswirkungen auf den Verlauf von Verhandlungen und ihre Ergebnisse aufzuzeigen.

Zu allererst muss zwischen freiwilligen und unfreiwilligen Verhandlungen (Zwangsverhandlungen) unterschieden werden: während bei Zwangsverhandlungen alle Akteure auf eine Lösung angewiesen sind und daher eher zu einem Kompromiss bereit sind, können bei freiwilligen Verhandlungen die Ziele der jeweiligen Akteure auch in Eigenregie umgesetzt werden (Vetterlein 2000: 12). Hier liegt der Schluss nahe, dass freiwillige Verhandlungen weitaus stärker die Überordnung einer systemrationalen Lösung über Eigeninteressen der Akteure fordert, wenn es zu einer problemadäquaten Lösung im Sinne eines gesamtwohlmaximierenden Ergebnisses kommen soll, als dies bei Zwangsverhandlungen der Fall ist. Schneider und Janning (2006: 147) heben hierzu hervor, dass Akteure in freiwilligen Verhandlungen bestenfalls zu einer pareto-effizienten Lösung gelangen können.

Weiter wird in der Literatur nach der Art des Konfliktes unterschieden, wobei das Konzept der Spieltheorie zugrunde gelegt wird. Unterschieden wird in Koordinationsspiele, Kooperationsspiele und Konfliktspiele (Raabe 2000: 45f). Ein Koordinationsspiel liegt vor, wenn die Interessen der Akteure übereinstimmen, es also nur noch um eine Abstimmung des Verhaltens geht, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Das Kooperationspiel ist gegeben, wenn abgestimmtes Handeln der Betroffenen zwar für alle vorteilhaft wäre, jedoch ein Konflikt über die Verteilung der Gewinne, die aus dem kooperativen Handeln entstehen, besteht (Raabe 2000: 45f).[2]

[...]


[1] Unter Transaktionskosten verstehe ich beispielsweise Kosten, die aus Warnstreiks entstehen.

[2] Das gängigste Beispiel für diese Situation ist das „Battle Of Sexes“. Die Situation ist folgende: zwei Ehepartner möchten den Abend miteinander verbringen. Er möchte ins Stadion zu einem Fußballspiel; sie möchte einen Boxkampf ansehen. Zwar hätte weder sie noch er Gefallen an dem Vorschlag des jeweils anderen. Dennoch wäre eine Abendgestaltung ohne den Ehepartner für beide die denkbar schlechteste Lösung (Raabe 2000:45f).

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Details

Titel
Problemlösungsfähigkeit von Verhandlungssystemen
Hochschule
Technische Universität Darmstadt
Veranstaltung
Einführung in die Politikwissenschaft
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
16
Katalognummer
V91587
ISBN (eBook)
9783638050470
Dateigröße
534 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Problemlösungsfähigkeit, Verhandlungssystemen, Einführung, Politikwissenschaft
Arbeit zitieren
Antonio Arcudi (Autor:in), 2008, Problemlösungsfähigkeit von Verhandlungssystemen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91587

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