Die catilinarische Verschwörung – wie gefährlich war sie wirklich?


Hausarbeit, 2007

17 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Aufbau

2. Forschungsstand

3. Die Verschwörung des Catilina und ihre Behandlung in den historischen Quellen und der heutigen Forschung

4. Schluß

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Verschwörung des Lucius Sergius Catilina fällt in eine Zeit, die man zu Recht als das „Sterbejahrhundert“ der römischen Republik bezeichnen kann. Die Ermordung der Gracchen knapp drei Jahrzehnte vor der Jahrhundertwende könnte man als Beginn einer neuen Form der Politik ausmachen: Einer Politik, die mit Gewalt den Willen des Stärkeren durchzusetzen vermochte. Der Bürgerkrieg zwischen Marius und Sulla, die folgenden Proskriptionen, der Sklavenaufstand des Spartakus, von Gewalt begleitete Wahlkämpfe, die nicht selten auch Tote forderten, und schlußendlich Cäsars Staatsstreich, der die alte Ordnung mit Waffengewalt niederrang und eine neue an ihre Stelle setzte: Das Kaiserreich.

Neben all diesen Ereignissen erscheint der Umsturzversuch Catilinas, zumal gescheitert, vielleicht viel geringer anzusehen als beispielsweise die Übertretung der Stadtgrenze Roms durch Sulla mit seinen Soldaten, ein absolutes Tabu, oder die Überschreitung des Rubikon durch Cäsar mit seinen Legionen und die anschließenden Diktaturen. Sicherlich stellt auch das geplante Vorhaben Catilinas eine enorme Bluttat dar, doch war dies wirklich so staatsgefährdend, wie Cicero es in seinen Reden darstellte? War Catilina, nachdem er de facto von Cäsar und Pompejus fallen gelassen worden war, tatsächlich eine so große Bedrohung oder hat Cicero hier, um seiner selbst Willen, das Ganze tragischer dargestellt als es sich in der Realität ereignete?

Der Inhalt seiner vier Reden gegen Catilina jedenfalls bezeugt hier eines ganz deutlich: Catilina und seine Mitverschwörer waren Staatsfeinde und Cicero der Retter des Vaterlandes, der gemäß seinen Befugnissen schnell, entschlossen und korrekt gehandelt hat. Oder hat der damalige Konsul überreagiert? Waren die Reden, die diese Männer in die Verbannung und anschließend in den Tod trieben, zu aufgebauscht? War der Plan Catilinas die Äußerung einer benachteiligten Bevölkerungsschicht, die sich nicht anders Gehör verschaffen konnte?

All dies sind natürlich weitreichende Zusammenhänge, die an dieser Stelle nicht tief genug behandelt werden können. Die Geschichte hat sich Catilina, je nach vorherrschender Meinung, mal als den schlimmsten nur denkbaren Verbrecher ausgemalt, mal aber auch als den revolutionären Anführer der chancenlosen Jugend. Aber aus den Worten Marcus Tullius Ciceros in seinen vier Reden gegen die Catilinarier kann man viel erfahren, was sowohl den Konsul zu seinem Handeln getrieben hat, als auch, was die - nach Ciceros Meinung - Beweggründe der Verschwörer waren. Doch wie gerechtfertigt die Taten Ciceros auf der Basis seiner Reden - und diese sollen als Leitbild dienen, denn nur sie standen dem Senat und dem Volk Roms als Referenz in jener Zeit zur Verfügung - nun tatsächlich waren, soll auf den folgenden Seiten zu klären versucht werden.

1.1Problemstellung

In dieser Hausarbeit soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit das historische Bild des Verschwörers Lucius Sergius Catilina korrekt bzw. korrekturbedürftig ist. Dazu sollen die erste Catilinarier Ciceros sowie Sallusts Werk und andere historische Texte der Epoche als Referenz dienen. Man kann diese Texte jedoch nicht vor dem Hintergrund der bereits in der Einleitung erwähnten Ereignisse lesen, so daß man Ciceros Reaktion immer wieder in den historischen Kontext stellen muß und nicht als singuläre Tatsache stehen lassen darf.

Es soll einmal mehr die Frage gestellt werden, ob Cicero wohl nur übertrieben hat, was die wahre Gefährlichkeit Catilinas betrifft, denn gerade dieser Verdacht drängt sich auf, wenn man zum einen die Zusammensetzung dessen Anhängerschaft betrachtet (Sklaven, gescheiterte Existenzen, ehemalige Sullaner) und sich vor Augen hält, daß Cicero nachdem dieser Coup d'Etat scheiterte, keine Gelegenheit ausließ, sich nachträglich im Glanze der Niederschlagung sonnte.

1.2Aufbau

Zunächst wird ein Überblick über die Quellenlage und den Forschungsstand gegeben. Anschließend soll die Bearbeitung der Frage anstehen, ob Catilina in der Tat der Gefahr gerecht wurde, mit welcher er von Seiten Ciceros und anderer antiker Geschichtsschreiber belegt wurde. Eine kritische Analyse der ersten Rede Ciceros gegen Catilina im Senat sowie Sallusts Überlieferung sollen dabei als hauptsächliche Anhaltspunkte in Frage kommen. Doch genauso wird die heutige Forschung mit Berücksichtigung finden.

2. Forschungsstand

Was die Quellenlage anbetrifft, so ist die catilinarische Verschwörung, für das Zeitalter der ausgehenden Republik, ein ziemlich gut dokumentiertes Ereignis. Cicero selbst war es natürlich als erster, der sich in seinen Reden und anderen Texten und Briefen dieses Themas immer wieder annahm, um seine Rolle als Retter Roms herauszustellen. Aber auch der römische Literat und Historiker Sallust hat rund dreißig Jahre nach dem Vorfall ein Werk dazu verfaßt. Die griechischen Geschichtsschreiber Plutarch, Appian und Cassius Dio behandelten ebenfalls die coniuratio in ihren Schriften. Allerdings bedeutet das Vorhandensein reichlich antiker Quellen nicht, daß es sich hierbei nun um ein herausragendes Ereignis handeln mußte, wie schon Martin Jehne1 oder auch Manfred Fuhrmann2 schreiben.

Zum eigentlichen Scheitern der Verschwörung sei ein guter Beitrag von Zvi Yavetz genannt: „The failure of Catiline's Conspiracy“, erschienen 1963 in der Zeitschrift Historia, zwar schon über vier Jahrzehnte alt, aber immer noch aktuell, wie die zahlreichen Verweise darauf auch heute noch belegen.

Eine eingehendere Untersuchung der Sprachkunst Ciceros finden wir bei Adolf Primmer: „Historisches und Oratorisches zur ersten Catilinaria“, veröffentlicht 1977.

Eine kritische Quellenanalyse über die Beschreibung der Vorgänge des Jahres 63 v.Chr. bei Sallust finden wir in Gabriele Ledworuskis Buch „Historiographische Widersprüche in der Monografie Sallusts zur Catilinarischen Verschwörung“ von 1994. Aber auch Matthias Gelzers „Cicero“ darf noch immer als Referenz dienen sowie (eingeschränkt) wie Karl Christs „Krise und Untergang der römischen Republik“, das aber ein Überblickswerk darstellt.

Generell darf man für die neuere Forschungsliteratur (ab circa 1950) konstatieren, daß die Sicht auf Catilinas Person doch etwas ausgewogener wird. Er wird nicht mehr als der verschlagenste Typus überhaupt dargestellt, obwohl an seiner Schuld für einen Anschlag auf den Senat und Cicero kein Zweifel besteht, sondern balancierter auch mit Rücksicht auf jene Epoche gesehen. Sicherlich ist dies auch einer kritischen Forschung angemessen, denn viele Aspekte der Zeit müssen hierbei mit einfließen, wenn ein vollständiges Bild über diesen facettenreichen Mann entstehen soll.

3. Die Verschwörung des Catilina und ihre Behandlung in den historischen Quellen und der heutigen Forschung

Die erste Catilinarier stellt wohl die rhetorisch beste von allen vier dar; gelang es Cicero doch damit, seinen Feind aus der Stadt zu jagen. Dieser Tag stellte quasi einen der vielen Höhepunkte in der gesamten Angelegenheit dar: Der bereits zuvor verdächtigte Catilina betrat den Senat, als sei er unschuldig und sich keines Verbrechens bewußt. Dann folgte diese oratio, die ihn de facto in die Verbannung trieb. Dennoch muß man immer bedenken, daß Cicero diese Rede (vermutlich) erst drei Jahre später schriftlich niedergelegt hat, wo doch vieles verändert werden konnte, insbesondere, da der Konsul aus dem Stehgreif sprach. Deshalb soll dieser ersten Catilinarier auch besondere Aufmerksamkeit zuteil werden.

Wie stolz Cicero auf sein Handeln gewesen sein muß, zeigt sich in vielen seiner nachfolgenden Reden, so zum Beispiel auch in seiner oratio gegen Piso3 und bei anderen Anlässen und Briefen, z.B. an Atticus, wo er es sich nicht nehmen ließ, bei jeder Gelegenheit daran zu erinnern. Dieser Umstand, daß Catilina bis zu jenem Zeitpunkt eigentlich noch gar nichts Konkretes unternommen hatte, was sein Vorhaben irgendwie hätte beweisen können, stellt juristisch sicher eine wichtige Tatsache dar. Ciceros Nachweise stützten sich nur auf die lancierten Informationen einer Dritten, nämlich der Fulvia, der Geliebten des Quintus Curius.4 Dennoch wußten er und ganz Rom, mit welchem Mann sie es zu tun hatten, denn schon im Jahre 65 v.Chr. hatten er und einige seiner Anhänger ein Attentat auf die gewählten Konsuln verübt, das allerdings mißlang; gerichtlich wurde er jedoch deswegen nicht belangt; weshalb nicht, ist unklar. Auch blieb die Verwirklichung anderer Drohungen aus. So ließ Catilina schon bei der Wahl 63. v.Chr. durchblicken, daß er zur Gewalt greifen werde, falls er nicht die Stimmenmehrheit erhielte. Dennoch, trotz seiner Niederlage blieb alles ruhig. Aber waren diese Drohungen ehrlich gemeint? Könnten sie nicht einfach im Kontext der Zeit betrachtet nur eine verbale Verschlimmerung des Kampfes um das höchste Staatsamt gewesen sein? Erst die gegen Crassus und andere hochrangige Persönlichkeiten gerichteten Briefe mit Morddrohungen und die schwebende Gefahr eines Aufstandes in Etrurien, den Catilina angezettelt haben soll, ließen den Senat einlenken. Als dann auch noch ein Attentat auf Cicero selbst mißglückte, war der Konsul sich eines energischen Handeln jetzt auch des Senats sicher.5 Doch wie überrascht muß dieser gewesen sein, als sein Erzfeind die heilige Halle betrat, ohne ein Anzeichen von Schuld. Diese erste Rede, aufgrund der gerade geschilderten Sachlage größtenteils improvisiert, muß deshalb in ihrer Schlagkraft ganz besonders gewürdigt werden.

Cicero benutzt all dieses Hintergrundwissen, um gegen Catilina zu agitieren. Seine Beweisführung stützt sich ausschließlich darauf, daß die Machenschaften des Angeklagten ihm bekannt seinen (obwohl er weder Zeugen vorlädt noch schriftliche Beweise der Schuld vorlegen kann), seine früheren Verfehlungen (die ja in diesem konkreten Fall nichts wirklich zu suchen haben) ebenfalls scheiterten und daß auch all seine zukünftigen Pläne deshalb zum Untergang verdammt sein müssen.6 Trotzdem, liest man unvoreingenommen Ciceros Bericht, wird man ihm zweifellos Glauben schenken und Catilina als gefährlichen Feind fürchten müssen.

Cicero gelingt es auf geschickte Art und Weise, Catilina als eine zwielichtige und durchtriebene Person darzustellen. Die Verweise auf sein ausschweifendes Leben, die Ermordung seiner ersten Ehefrau oder sein drohender finanzieller Ruin zeichnen wirklich nicht das Bild eines vertrauenswürdigen Mannes sondern eher das eines gewissenlosen Desperados.7 Dennoch bleibt die Frage offen, weshalb Cicero nicht die sofortige Verhaftung Catilinas angeordnet hat, denn dazu wäre er befugt gewesen. Stattdessen wünschte er den Abzug des Beschuldigten aus Rom, um damit auch dessen Anhänger aus der Stadt zu entfernen.8 War es nicht vielmehr so, daß Cicero bis dato noch keine greifbare Handhabe hatte? Mußte er warten, bis sich Catilina zu Manlius in Etrurien begab, um damit sein staatsgefährdendes Tun unter Beweis zu stellen? War diese erste Rede also eher eine List Ciceros, ein verwegener Versuch, die bis dahin im Untergund durchgeführten Umtriebe Catilinas somit in aller Öffentlichkeit stattfinden zu lassen, auf das ganz Rom Kenntniss davon nehmen konnte? Dazu ist zu bemerken, daß Cicero von der Unterlegenheit des Heeres von Manlius Kenntniss gehabt haben muß, denn ansonsten hätte er wohl kaum die Gefahr gewagt, Catilina zu ihm stoßen zu lassen. Ergo schien ihm ein Waffengang gegen diese Truppe kaum eine besondere Herausforderung zu sein, er wußte sehr wohl von der allfälligen Übertreibung, die er da vollzog.

Darüber hinaus konnte Cicero auch kaum seine einzige Quelle, Fulvia, preisgeben. Doch andererseits standen ihm ja immer noch die Drohbriefe gegen Crassus und andere Männer zur Verfügung, die auf eine Beteiligung Catilinas schließen ließen.

[...]


1 Vgl. Martin Jehne: Die römische Republik. Von der Gründung bis Caesar, München 2006, S. 109.

2 Vgl. Manfred Fuhrmann: Cicero und die römische Republik, München 1991, S. 99.

3 Vgl. Cicero: Rede gegen Piso, 2,5.

4 Vgl. Sallust: Cat. 23.

5 Vgl. Matthias Gelzer: Cicero. Ein biographischer Versuch, Wiesbaden 1969, S. 81-87.

6 Vgl. Cicero: Cat. I, 7-10.

7 Vgl. Cicero: Cat. I, 13-20.

8 Vgl. Cicero: Cat. I, 12.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Die catilinarische Verschwörung – wie gefährlich war sie wirklich?
Hochschule
Technische Universität Chemnitz
Note
1,7
Autor
Jahr
2007
Seiten
17
Katalognummer
V91554
ISBN (eBook)
9783638071000
ISBN (Buch)
9783638955959
Dateigröße
484 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Verschwörung, Catilina, Cicero, Rom
Arbeit zitieren
Daniel Müller (Autor:in), 2007, Die catilinarische Verschwörung – wie gefährlich war sie wirklich?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91554

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