Das iranische Nuklearprogramm

Sicherheitspolitische Auswirkungen auf die Staaten des Golfkooperationsrates


Masterarbeit, 2007

69 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Forschungsfragen
1.2 Methodische Vorgehensweise und Aufbau
1.3 Theoretischer Hintergrund

2. Der Streit um das iranische Nuklearprogramm
2.1 Die Geschichte des iranischen Nuklearprogramms
2.2 Die iranische Nuklearinfrastruktur
2.3 Der Atomstreit seit 2002
2.4 Handlungsoptionen
2.5 Einfluss innenpolitischer Dynamiken auf die Außenpolitik Irans

3. Grundzüge der Beziehungen zwischen den Staaten des
Golfkooperationsrates und der Islamischen Republik Iran
3.1 Historischer Abriss
3.2 Die Islamische Revolution (1979) und der Iran-Irakkrieg (1980-1988)
3.3 Die irakische Invasion in Kuwait (1990-1991)
3.4 Ahmadinejads Präsidentschaft seit 2005

4. Die Reaktionen der Staaten des Golfkooperationsrates auf das iranische
Nuklearprogramm
4.1 Die Staaten des Golfkooperationsrates
4.2 Neue Bedrohungen für die Staaten des Golfkooperationsrates durch veränderte
Machtbalance am Golf
4.3 Nationalstaatliche Reaktionen der Staaten des Golfkooperationsrates
4.4 Umgang mit einem nuklear bewaffneten Iran

5. Das iranische Nuklearprogramm und der Golfkooperationsrat: Reaktionen,
Dilemmata und Auswirkungen
5.1 Geschichte und Struktur des Golfkooperationsrates
5.2 Probleme gemeinsamer Außenpolitik: Die Reaktionen des Golfkooperationsrates
auf das iranische Nuklearprogramm
5.3 Die Auswirkung des iranischen Nuklearprogramms auf die Sicherheitskooperation ...
5.4 Stabilität durch eine neue Sicherheitsarchitektur

Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

Übersichtskarte: Persischer Golf

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Marschall (2003)

1. Einleitung

Der Streit um das iranische Nuklearprogramm ist ein zurzeit viel diskutiertes Thema, mit dem sich die Medien, insbesondere seit dem Amtsantritt des ultrakonservativen Staatspräsidenten Mahmoud Ahmadinejad im Jahre 2005, häufig auseinandersetzen.

Es liegen zwar keine Beweise für die Existenz eines iranischen Kernwaffenprogramms vor, jedoch hat Iran Verpflichtungen aus dem Safeguards-Abkommen verletzt und unangemeldete nukleare Aktivitäten betrieben. Außerdem weigert sich Iran, wichtige Fragen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) umfassend zu beantworten. Die nukleare Infrastruktur Irans umfasst Anlagen, Technologien und Materialien, die sowohl für die friedliche Nutzung der Kernenergie als auch für die Entwicklung eines Kernwaffenprogramms bedeutend sind. Diese „Dual-Use-Beschaffenheit“ der entsprechenden Technologien und Anlagen erschwert die Aufklärungsarbeit der IAEO. Die Organisation ist daher nicht in der Lage, zweifelsfrei festzustellen, ob Iran ein Kernwaffenprogramm betreibt oder nicht.

Vor allem die USA und Israel beschuldigen Iran unter dem Deckmantel der zivilen Nutzung, ein heimliches Kernwaffenprogramm anzustreben. Als Mitgliedstaat des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NVV) steht der Islamischen Republik das Recht auf friedliche Nutzung der Kernenergie zu. Iran betont, dass es kein Kernwaffenprogramm entwickeln wolle und erklärt sich deshalb nicht bereit, auf die Urananreicherung zu verzichten.

Die immense Militärpräsenz der USA in unmittelbarer Umgebung und die Atomwaffen Israels sind aus iranischer Sicht permanente Sicherheitsbedrohungen. Mittels eines eigenen Kernwaffenprogramms könnte Iran seinen Hegemonialanspruch in der Region festigen und längerfristig ein „Gleichgewicht des Schreckens“ herstellen, um so auf die atomare Bedrohung Israels zu reagieren.

Ein nuklear bewaffneter Iran würde die gesamte Sicherheitsstruktur des Nahen und Mittleren Ostens erschüttern. In diesem Zusammenhang werden sowohl auf politischer als auch auf wissenschaftlicher Ebene häufig die Bedrohungsperzeptionen Israels und der USA thematisiert. Die unmittelbaren arabischen Nachbarstaaten Irans werden dagegen nur sehr selten erwähnt und ihr Verhalten im Atomstreit wenig diskutiert und analysiert. Dabei sollte jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass die nuklearen Ambitionen Irans und ihre möglichen Folgen die Sicherheitsstrukturen vor allem dieser Staaten erheblich beeinflussen.

Es besteht kein Zweifel, dass ein nuklear bewaffneter Iran eine massive Bedrohung für die regionale Sicherheit darstellen würde. Die Regierungen der arabischen Golfstaaten nehmen die potentielle Gefahr des iranischen Nuklearprogramms schon jetzt bewusst wahr. Daher wäre es nur logisch zu schlussfolgern, dass sie als unmittelbare Nachbarn Irans eine klare Position im Atomstreit beziehen und eine aktive Rolle in diesem politischen Disput übernehmen.

Die einzige Institution in der Golfregion, die versucht durch Kooperation nach Formen gemeinsamer Sicherheit zu suchen, ist der Golfkooperationsrat (GKR), zu dem sich 1981 Bahrain, Saudi-Arabien, Kuwait, Katar, Oman und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) zusammenschlossen. Das iranische Nuklearprogramm stellt nicht nur auf nationalstaatlicher Ebene, sondern auch für die institutionalisierte Sicherheitskooperation der sechs Golfstaaten eine erhebliche sicherheitspolitische Herausforderung dar. Bisher gibt es allerdings kaum umfassende Erkenntnisse darüber, wie die GKR-Staaten vor allem in Hinblick auf die vielschichtige Konfliktkonstellation im gesamten Nahen und Mittleren Ostens mit dieser Herausforderung umgehen.

Die vorliegende Masterarbeit widmet sich dieser komplexen und noch nicht ausreichend erforschten Thematik und versucht, Antworten auf folgende Forschungsfragen zu finden.

1.1 Forschungsfragen

Auf dem Hintergrund der sicherheitspolitisch höchst fragilen Situation im Nahen und Mittleren Osten und des historisch gewachsenen komplizierten arabisch-iranischen Beziehungsgeflechts beschäftigt sich die vorliegende Arbeit mit dem Einfluss des iranischen Nuklearprogramms auf die arabischen Nachbarstaaten Irans, genauer auf die sechs Staaten des GKR. Die Analyse offizieller Statements der Golfregierungen sowohl auf nationalstaatlicher Ebene als auch im Rahmen des Kooperationsrates soll auf die Frage nach den Motiven, die hinter den jeweiligen Reaktionen stecken, antworten. Weitere wichtige Fragestellungen beschäftigen sich damit, wie effektiv die institutionalisierte Sicherheitskooperation der sechs Golfstaaten gemeinsame Sicherheit gewährleisten kann und, ob sich die Bedrohung, die von einem nach Kernkraft strebenden Iran ausgeht, eher stärkend oder schwächend auf diese Sicherheitskooperation auswirkt. Schließlich versucht die Masterarbeit, die Frage zu beantworten, wie eine regionale Sicherheitsarchitektur gestaltet werden könnte und welche Maßnahmen ergriffen werden müssten, um das Ziel einer stabilen Ordnung in der Region zu erreichen.

1.2 Methodische Vorgehensweise und Aufbau

Das Forschungsmaterial setzt sich aus Büchern, Zeitschriften, Aufsätzen, Interviews und Zeitungsartikeln zusammen. Letztere werden vor allem aufgrund der Aktualität des Themas häufig verwendet. Als Methoden dienen die Auseinandersetzung mit der bestehenden Literatur und die Analyse verschiedener Dokumente.

Der Streit um das iranische Nuklearprogramm ist sehr komplex und nur mittels einer umfassenden Betrachtung der verschiedenen Aspekte nachzuvollziehen. Daher befasst sich das zweite Kapitel dieser Arbeit mit historischen, technischen und politischen Faktoren, die erst in gegenseitiger Ergänzung den Konflikt begreifbar machen.

Die Frage nach dem Einfluss des iranischen Nuklearprogramms auf die GKR-Staaten kann ohne einen Blick auf die Besonderheiten der Beziehungen zwischen den Golfstaaten und Iran nicht befriedigend beantwortet werden. Das dritte Kapitel zeigt auf, welche Geschichte diese Staaten miteinander verbindet, welche historischen Begebenheiten die jetzige sicherheitspolitische Lage mitbestimmen und welche Konflikte die Beziehungen belasten.

Im vierten Kapitel stehen die Staaten des GKR, ihre Reaktionen auf das iranische Nuklearprogramm und ihre Haltung im Atomstreit im Mittelpunkt des Interesses. Um diese Reaktionen richtig interpretieren zu können, ist eine Analyse der Bedrohungswahrnehmungen der Staaten unbedingt notwendig. Eingebettet in die Betrachtung der seit dem Irakkrieg 2003 veränderten Machtverhältnisse, werden diese Bedrohungsperzeptionen untersucht.

Das letzte Kapitel setzt sich mit der Institution des GKR auseinander. Nach einer kurzen Darstellung der Geschichte und Struktur des Kooperationsrates stehen vor allem die Dilemmata der außen- und sicherheitspolitischen, hier speziell der militärischen Kooperation, im Vordergrund. Im außenpolitischen Kontext werden die Reaktionen des GKR auf das iranische Nuklearprogramm untersucht und interpretiert. In den letzten zwei Unterpunkten des fünften Kapitels wird versucht, die aus der Arbeit gewonnenen Erkenntnisse miteinander zu verknüpfen, um die Frage nach der Auswirkung des iranischen Nuklearprogramms auf die Sicherheitskooperation beantworten zu können und um die Möglichkeit einer alternativen Sicherheitsordnung für die Golfregion aufzuzeigen.

1.3 Theoretischer Hintergrund

Der GKR wurde ins Leben gerufen, um durch „coordination, integration and inter-connection between Member States in all fields“ (GCC, The Charter) die innere und äußere Sicherheit der Mitgliedsstaaten zu garantieren.

In dieser Masterarbeit steht häufig die Kooperation im sicherheitspolitischen Bereich der sechs GKR-Staaten, vor allem im Hinblick auf ihre Effektivität, im Vordergrund. Auch beim Versuch, eine alternative Sicherheitsstruktur für die Golfregion zu entwerfen, befasst sich die Arbeit mit Kooperationen auf sicherheitspolitischer Ebene. Daher beinhaltet der theoretische Teil sowohl eine kurze Darstellung der Funktionen von Sicherheitskooperationen als auch Erklärungs- und Analyseansätze verschiedener Theorien internationaler Beziehungen.[1]

Sicherheitspolitische Kooperationen beinhalten politikfeldspezifische Regelungsformen, die der Konfliktbearbeitung und der Handlungskoordination von Staaten dienen. Ihr Ziel ist es, greifbare Risiken, wie beispielsweise gewaltsame Auseinandersetzungen, Rüstungswettläufe und die Wirkungspotenziale von Massenvernichtungswaffen zu mindern, wenn nicht zu beseitigen. Zur Erreichung dieses Ziels müssen bestimmte Verhaltensregeln und Maßnahmen aufgestellt werden, wie z.B. Begrenzungen für Waffensysteme, Beschränkungen für militärische Aktivitäten, das absolute Verbot für bestimmte Rüstungsanstrengungen (wie etwa Forschung, Entwicklung, Produktion, Stationierung und Einsatz von ABC-Waffen), wechselseitiger Informationsaustausch und Transparenz.

Der Realismus, ebenso wie der Neo-Realismus, geht davon aus, dass die Staaten in einem Zustand von Anarchie nur durch Selbsthilfe Sicherheit verlässlich gewährleisten können. Institutionen, die wiederum Kooperation ermöglichen, spielen laut dieser Theorie bei der Herstellung von Sicherheit nur eine untergeordnete Rolle.

Der Institutionalismus beinhaltet verglichen mit dem Realismus befriedigendere Erklärungen für das Phänomen der sicherheitspolitischen Kooperation. Er geht zwar auch von einer anarchischen Struktur der Staatenwelt aus, sieht aber in der Etablierung von Institutionen einen Versuch der Staaten, ihre Interessen zu koordinieren, ihr Zusammenleben zu organisieren und zum Erreichen ihrer Grundziele (z.B. Stabilität, Sicherheit, Verlässlichkeit von Vereinbarungen) zu kooperieren. Der Institutionalismus erklärt zudem, dass Staaten auch bei wechselnden Rahmenbedingungen sich häufig um das Fortbestehen der sicherheitspolitischen Kooperationen bemühen, da sie für die Zusammenarbeit Informationen bereitstellen, Planungen offen legen und durch andere verschiedene Maßnahmen Vertrauen und Transparenz schaffen.

Neben der realistischen und der institutionalistischen Theorie finden auch liberale Ansätze Eingang in die Erklärungsversuche für Institutionen und Kooperationen. So geht der dem Liberalismus zuzuordnende Funktionalismus davon aus, dass bestimmte Probleme grenzüberschreitend geregelt werden sollten und sich daraus automatisch Kooperationen entwickeln, die in Integrationsprozessen münden können. Der Sinn solcher Prozesse besteht darin, bestimmte Aufgaben gemeinsam pragmatisch zu bewältigen. Daran anknüpfend sieht der Neofunktionalismus Möglichkeiten für „spill over“-Mechanismen. Gemeint ist damit, dass eine Kooperation in einem spezifischen Bereich zu Kooperationen in weiteren Bereichen führen kann. Dieser Ansatz besagt, dass regionale Kooperationsformen aufgrund konvergierender Interessen der Mitgliedsstaaten besser in der Lage sind, ihre Ziele zu realisieren. Allerdings laufen sie auch Gefahr, konfliktsteigernd zu wirken, da sie bei ausgeschlossenen Staaten oder Regionen Misstrauen hervorrufen können. Ein weiteres wichtiges Element von Kooperationen betont der Transaktionismus, der ebenfalls im Liberalismus wurzelt. Er betont die Bedeutung von Kommunikationsstrukturen, die einen Austausch von Informationen auf subnationaler, nationaler und internationaler Ebene ermöglichen. Diesem Ansatz zufolge führt zwischenstaatliche Kommunikation zu einem sozialpsychologischen Lernprozess bei den Bevölkerungen und politischen Eliten, der eine Annäherung zwischen den Völkern und Nationen bewirken kann. Je intensiver diese Kommunikation zwischen Staaten stattfindet, desto enger wachsen diese zusammen und desto weniger neigen sie zur gewaltsamen Konfliktaustragung. Dieser Prozess kann zur Bildung von Sicherheitsgemeinschaften führen, die sich zu politischen Fusionen oder Unionen weiterentwickeln können.

2. Der Streit um das iranische Nuklearprogramm

Zu Beginn dieses Kapitels steht die Geschichte des iranischen Nuklearprogramms im Mittelpunkt des Interesses. Darauf folgt eine Darstellung der nuklearen Infrastruktur, über die Iran zurzeit verfügt. Das dritte Unterkapitel beschäftigt sich mit dem Atomkonflikt. Im Vordergrund stehen dabei die ungeklärten Tatbestände, die den Verdacht auf mögliche nuklearwaffenrelevante Aktivitäten erhärten. Außerdem wird die Entwicklung der verschiedenen Verhandlungsbemühungen unterschiedlicher Akteure kurz beleuchtet. Wie zukünftig im Atomstreit verfahren werden könnte und welche technischen Kompromisslösungen den bisherigen Verhandlungsrahmen erweitern würden, zeigt das vierte Unterkapitel auf. Zum Schluss wird bei einem Blick auf das politische System Irans vor allem die Frage erörtert, über wie viel Macht der iranische Präsident Ahmadinejad verfügt und welche innenpolitischen Dynamiken sein außenpolitisches Verhalten bestimmen. Schließlich werden historische, geostrategische und politische Motive benannt, die aus iranischer Sicht die Notwendigkeit eines Nuklearwaffenprogramms begründen würden.

2.1 Die Geschichte des iranischen Nuklearprogramms

Iran begann den Aufbau eines zivilen Nuklearprogramms in der Schah-Ära. 1957 wurde ein Nuklearabkommen zwischen den USA und Iran geschlossen. Zehn Jahre später erwarb die Islamische Republik ihren ersten, von den USA gelieferten Fünf-Megawatt (MW)-Forschungsreaktor, welcher immer noch im Teheran Nuclear Research Center (TNRC) in Betrieb ist (vgl. Chubin 2006: 298).

Als einer der ersten Staaten unterschrieb Iran 1968 den NVV, ratifizierte das Abkommen im Jahr 1970 und schloss das Safeguards-Abkommen mit der IAEO 1974 ab. In den folgenden Jahren wurde mit amerikanischer und europäischer Hilfe das Nuklearprogramm weiterentwickelt und Iran plante den Bau von 20 Leichtwasserreaktoren. Sowohl die Förderung von Uran als auch die Wiederaufbereitung sollten auf iranischem Boden stattfinden. 1974 schloss Iran mit den USA und zwei Jahre später mit Frankreich und Deutschland Verträge über den Import von Brennstoffe ab.

Die Entwicklung des Nuklearprogramms wurde bis auf Forschungstätigkeiten durch die Islamische Revolution 1979 unter Khomeini zum Stillstand gebracht.. Der Revolutionsführer fror die von der deutschen Kraftwerksunion noch nicht vollendete Errichtung eines Leichtwasserreaktors in Bushehr ein und verwies viele Wissenschaftler und Ingenieure des Landes (vgl. Chubin 2006: 298).

Im Iran-Irakkrieg 1980-88 wurde der Bushehr-Reaktor durch insgesamt sechs Angriffe stark beschädigt (vgl. Howard 2004: 94).

Ende der 1980er Jahre nahm Iran seine Pläne zur Produktion von Kernenergie wieder auf. Er schloss 1995 mit Russland einen Vertrag zur Fertigstellung dieses Kernkraftwerkes über 800 Mio. US-Dollar, da sich Deutschland weigerte, den Reaktor wieder instand zu setzen (vgl. Neuneck 2006: 15). Nicht nur Russland beteiligte sich am Aufbau des iranischen Nuklearprogramms, sondern auch China war zwischen 1991 und 1995 eine enorm wichtige Bezugsquelle für nukleares Equipment (vgl. Nuclear Threat Initiative 2005).

Iran verwendet zur Urananreicherung mindestens zwei verschiedene Methoden: Anreicherung durch Gaszentrifugen und Laser-Anreicherung (vgl. Chubin 2006: 299). Letztere wurde in der Zeit des Schahs entwickelt, während die Anreicherung durch Gaszentrifugen erst 1985 eingesetzt wurde. Seit 1987 erhielt Iran durch Pakistan, vor allem durch das Netzwerk Abdul Qadeer Khans, „Vater der pakistanischen Atombombe“, Zugang zu Zentrifugenteilen und -technologie. Seit 1979 bezieht Iran Nuklearhilfe zusätzlich, in sehr unterschiedlicher Form und in unterschiedlichem Umfang, aus Nordkorea, Argentinien, Südafrika, Ukraine, Kasachstan, Indien, Österreich und Georgien (vgl. Nuclear Threat Initiative 2005).

2.2 Die iranische Nuklearinfrastruktur

Im Februar 2003 kündigte der damalige iranische Präsident Khatami ein ziviles Nuklearprogramm an, mit dem er das Ziel von einem eigenen geschlossenen nuklearen Brennstoffkreislauf anstrebte. Dieses Ziel wird immer noch vom jetzigen iranischen Regime verfolgt, indem es seine nukleare Infrastruktur ausbaut.[2] Diese umfasst neben dem zuvor genannten Leichtwasserreaktor in Bushehr eine Uranmine in Saghand und eine weitere in Gchine, wo auch eine Uranmühle betrieben wird. In Esfahan und Teheran befinden sich zwei Forschungszentren, in denen je ein Forschungsreaktor in Betrieb ist. Das Teheran Nuclear Research Center (TNRC), die am besten ausgestattete nukleare Forschungseinrichtung in Iran, umfasst mehrere Laboratorien, eine Produktionsanlage für Radioisotope[3], eine Atommüllanlage und den oben bereits erwähnten Fünf-MW-Reaktor aus den USA, der mit Brennelementen aus Argentinien betrieben wird (vgl. Neuneck 2006: 20f.). Außerdem befand sich in Teheran die Kalaye Electric Company, in der importiertes gasförmiges Uranhexafluorid (UF6) in Gaszentrifugen getestet wurde.

Die größte nukleare Forschungsanlage Irans ist das Esfahan Nuclear Technology Center (ENTC), in der etwa 3000 Wissenschaftler arbeiten (vgl. GlobalSecurity 2007a). Dort sind kleinere Forschungsreaktoren und ein Labor zur Brennstoffherstellung in Betrieb und seit 2004 befinden sich dort eine größere Brennelementefabrik und eine Uran-Konversionsanlage im Aufbau. Diese Anlage ist im Testbetrieb und produziert Uranhexafluorid (UF6), das im gasförmigen Zustand in die geplante Urananreicherungsanlage in Natanz eingespeist werden soll (vgl. Neuneck 2006: 20). Die sowohl über- als auch unterirdisch angelegte, 100.000 qm² große Industrieanlage in Natanz besteht aus einer Piloturananreicherungsanlage mit ca. 358 Zentrifugen und einer kommerziellen Urananreicherungsanlage, in der 1312 von den geplanten 3000 Zentrifugen bereits installiert und in Betrieb sind. In dieser Anlage ist allerdings Platz für etwa 50.000 Zentrifugen (vgl. Kerr 2007). Durch das Gaszentrifugensystem kann sowohl niedrig angereichertes Uran (LEU)[4], das zur Energiegewinnung in Reaktoren benötigt wird, als auch hochangereichertes Uran (HEU)[5], welches sich zum Bau nuklearer Waffen eignet, erzeugt werden. In der Pilotanlage soll nach iranischen Angaben zwischen November 2006 und Februar 2007 66kg Uranhexafluorid (UF6) eingespeist und bis maximal 5% 235U angereichert worden sein. Die Proben der IAEO ergaben einen Anreicherungsgrad von 4,2% 235U (vgl. IAEA 2007).

Auf dem Areal in Arak befinden sich sowohl eine Schwerwasserproduktionsanlage als auch ein 40-MW-Schwerwasserreaktor für industrielle Zwecke im Aufbau. Letzterer soll 2014 in Betrieb genommen werden (vgl. Chubin 2006: 302). Iran plant weitere Nuklearanlagen, darunter eine 360-MW-Nuklearanlage, einen 1000-MW-Leichtwasserreaktor und einen weiteren 1600-MW-Reaktor in der Nähe von Bushehr (vgl. Kerr 2007).

Für den Bau einer Atomwaffe ist hochangereichertes Uran keine Voraussetzung, denn auch Plutonium eignet sich als Ausgangsmaterial für Kernwaffen. Dieses chemische Element lässt sich entweder in Schwerwasserreaktoren relativ leicht produzieren oder entsteht bei der Wiederaufbereitung von abgebrannten Brennelementen. Das Uranerz muss erst zu Yellowcake[6] verarbeitet werden, bevor es in einer Konversionsanlage in Uranhexafluorid (UF6) umgewandelt wird, um danach in eine Anreicherungsanlage eingespeist zu werden. Dort kann es, z.B. durch das Gaszentrifugenverfahren, im Prinzip so hoch angereichert werden, dass es sich zum Bau von Atomwaffen eignet. Folglich sind zum einen der sich im Bau befindliche Schwerwasserreaktor in Arak und zum anderen die Piloturananreicherungsanlage in Natanz zwei Schlüsselelemente, die es Iran auf lange Sicht ermöglichen würden, waffenfähiges Material zu produzieren. Die Islamische Republik wäre nach Angaben des Generalsekretärs der IAEO El Baradei frühestens in drei bis acht Jahren technisch in der Lage, eine Nuklearwaffe zu bauen (vgl. Tran 2007).

Eine weitere Voraussetzung für ein komplettes Kernwaffenprogramm, sofern Iran ein solches überhaupt anstrebt, wären passende Trägersysteme. Die Islamische Republik besitzt die eigenständig hergestellte Mittelstreckenrakete Shahab-3, die über eine Reichweite von 1300 km eine Nutzlast von 500 kg transportieren kann. Sie wurde im Juli 2000 erfolgreich getestet und soll nach iranischen Angaben schon stationiert sein. Eine Rakete vom Typ Shahab-4 mit 2000 km Reichweite und 1500 kg Nutzlast wird zurzeit entwickelt und getestet. Für ein geheimes Nuklearwaffenprogramm müsste Iran einen Sprengkopf entwickeln, der auf die ihm zur Verfügung stehenden Trägersysteme passt (vgl. Neuneck 2006: 26).

2.3 Der Atomstreit seit 2002

Nach Artikel IV des NVV steht Iran das „unveräußerliche Recht“ zu, „(…) die Erforschung, Erzeugung und Verwendung der Kernenergie für friedliche Zwecke zu entwickeln“ (Text des NVV, 1968. Zitiert nach: Auswärtiges Amt). Allerdings kann Iran auch nur dann von diesem Recht Gebrauch machen, wenn er der Verpflichtung, keine Kernwaffen herzustellen oder zu erwerben, nachkommt.[7]

Bisher fand die IAEO keine Beweise dafür, dass Iran kernwaffenfähiges Material produziert oder entwendet. Folglich hat die Islamische Republik nicht gegen den NVV verstoßen, jedoch mehrfach und in schwerwiegender Form das Safeguards-Abkommen verletzt. Die zweite Schlüsselfrage, ob Iran ein militärisches Nuklearprogramm hat bzw. hatte, bleibt unbeantwortet.

Das iranische Regime betont vehement, dass die Urananreicherung nur der Energiegewinnung diene. Diese Aussage bewerten viele Skeptiker, vor allem in den USA, als unglaubwürdig, da Iran zurzeit nicht auf ein Nuklearprogramm zur Energiegewinnung angewiesen ist[8] und kein ziviles Kernenergieprogramm mit betriebenen Kernkraftwerken besitzt, für welches das angereicherte Uran als Brennstoff gebraucht würde. Viele sehen im iranischen Regime ein sehr radikales Mullah-System, das Gruppen, wie beispielsweise Hamas oder Hisbollah, unterstützt, hegemoniale Ambitionen pflegt und seine Verachtung Israels in provokanter Form zum Ausdruck bringt (vgl. Text of Mahmoud Ahmadinejad's Speech, The New York Times, 30. Oktober 2005).

Diese Faktoren verstärken den Verdacht, Iran strebte bzw. strebe ein Atomprogramm mit militärischer Komponente an und untermauern die Grundhaltung, man könne einem solchen Regime die Urananreicherung nicht überlassen. Daraus resultiert eine weitere wichtige, umstrittene Frage: Soll die internationale Gemeinschaft das Recht Irans auf einen kompletten nuklearen Brennstoffzyklus anerkennen und ihm somit auch zugestehen, diesen zu beherrschen?

Vor allem seit der Enthüllung zweier unbekannter Anlagen in Natanz und Arak durch Satellitenaufnahmen der iranischen Oppositionsgruppe „Iranischer Nationaler Widerstand“ am 14. August 2002 wird Iran trotz fehlender Beweise unterstellt, heimlich unter dem Deckmantel der zivilen Nutzung ein militärisches Programm entwickeln zu wollen. Iran bestreitet diesen Vorwurf und betont immer wieder die rein friedlichen Zwecke seines Nuklearprogramms.

Die IAEO wirft Iran vor, wichtige Verpflichtungen aus dem Safeguards-Abkommen verletzt zu haben.[9] Vor allem sind das Ausmaß der Anlagen, die der IAEO bis 2002 nicht bekannt waren, die Menge und die erhebliche Dauer der Verstöße auffällig.

Iran hat die notwendigen Deklarationen nachgeholt, stellte der IAEO Inventarlisten, Materialbilanzen, detaillierte Dokumente über Importe und Design-Informationen der Anlagen zur Verfügung und gewährte den Inspektoren zur Verifikation Zugang zu seinen Anlagen (vgl. Kalinowski 2006). Trotz Aufklärung und verbesserter Zusammenarbeit konnte sich die IAEO aufgrund fehlender Informationen und Kooperation weder über das damalige noch über das gegenwärtige iranische Nuklearprogramm einen vollständigen Überblick verschaffen.

Der Verdacht, Iran hätte in der Kayale Electric Company bei Teheran HEU produziert und damit gegen den NVV verstoßen, wurde im August 2005 widerlegt, indem ein internationales Expertenteam der IAEO feststellte, dass die in 2003 gefundenen Uranspuren aus Pakistan stammten (vgl. Kalinowski 2006).

Ungeklärt bleiben vor allem Tatbestände, die den Verdacht auf mögliche nuklearwaffenrelevante Aktivitäten erhärten und auf die auch der Bericht des IAEO- Generalsekretärs vom 27. Februar 2006 aufmerksam machte (vgl. IAEA, 2006a).

Zu diesen Aktivitäten gehören die von Iran durchgeführten Experimente mit Polonium-210, einem Radioisotop, welches sowohl in Radioisotopengeneratoren[10] zur Energiegewinnung als auch im Gemisch mit Beryllium zum Start der Kettenreaktion in einer Nuklearwaffe eingesetzt werden kann (vgl. Arms Control Association 2006). Die Verstrickung des Militärs in das Nuklearprogramm untergräbt zusätzlich die Glaubwürdigkeit Irans, auch wenn dieser behauptet, dass das iranische Militär ebenso an anderen kommerziellen Industriebetrieben beteiligt sei.

Die Ermittlungen der IAEO bezüglich der Beschaffung von Zentrifugen werden durch mangelnde Kooperation von Seiten Irans erschwert. Der IAEO fehlen immer noch genaue Daten über den Erwerb von P1-Zentrifugenteilen Mitte der 1990er Jahre. Ferner betrachtet die IAEO die Aussagen Irans, es habe zwischen 1995 und 2002 kein P2-Zentrifugen-Programm stattgefunden, mit Skepsis. Iran erhielt im Zuge der Zentrifugenlieferungen des Khan-Netzwerkes verschiedene Dokumente, die sowohl Pläne eines Nuklearwaffendesigns als auch Informationen über Uranmetallgewinnung und die Herstellung von Hohlkugeln enthalten. Diese Kugeln dienen rein militärischen Zwecken, nämlich der Entwicklung von Sprengstoffkernen für Kernwaffen (vgl. Goldschmidt/ Perkovich 2007). Iran weigert sich, zu diesen Sachverhalten Stellung zu nehmen, und weist sie als ungerechtfertigt zurück, schränkt aber gleichzeitig Rechte der IAEO-Inspektoren in Iran ein (vgl. Brzoska/Neuneck/Meier 2006: 3).

Aus dieser exemplarischen Aufzählung der militärischen Indikatoren[11] wird sehr deutlich, dass die zivil-militärische Dual-Use-Beschaffenheit der jeweiligen Nuklearmaterialien, -technologien und -anlagen der Grund dafür ist, warum bisher nicht vollständig aufgeklärt werden konnte, ob Iran ein Kernwaffenprogramm heimlich entwickelt oder nicht. Solange dieser Sachverhalt nicht geklärt ist, fordert die internationale Gemeinschaft die Islamische Republik auf, alle sowohl zur Urananreicherung als auch zu den Schwerwasserprojekten gehörenden Aktivitäten einzufrieren (vgl. Goldschmidt/Perkovich 2007).

Die IAEO versucht mittels zahlreicher Inspektionen, Berichten, Resolutionen und Treffen mit iranischen Vertretern, Unklarheiten aufzuklären und verbotene Aktivitäten festzustellen, um die Frage nach Umfang und Natur des iranischen Nuklearprogramms klar und endgültig beantworten zu können.[12]

Am 10. November 2003 stellte El Baradei in seinem Bericht für den Gouverneursrat fest, dass Iran einen kompletten nuklearen „front end“- Brennstoffzyklus[13] aufbaue (vgl. IAEA 2003a). In einem folgenden Statement vom 20. November 2003 erklärte er, dass Iran über einen langen Zeitraum hinweg seine Nuklearanlagen, Aktivitäten und sein Nuklearmaterial der IAEO vorenthalten und damit gegen das Safeguards-Abkommen verstoßen habe (vgl. IAEA 2003b). Im Bericht vom 08. Juni 2006 beanstandete der Generaldirektor die unzureichende Transparenz und bedauerte, dass die IAEO nicht feststellen kann, ob Iran ein Kernwaffenprogramm anstrebe oder nicht (vgl. IAEA 2006b).

Außer der IAEO führten auch die EU-3 (Großbritannien, Frankreich und Deutschland) zwischen 2003 und 2005 sowie ab 2004 der Hohe Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU, Javier Solana, Verhandlungen mit Iran. Im Teheraner Abkommen vom Oktober 2003 verpflichtete sich Iran zur vollen Kooperation und willigte ein, alle Aktivitäten der Urananreicherung und der Wiederaufbereitung für die Dauer der Verhandlungen zu suspendieren. Dieses Abkommen brach die Islamische Republik allerdings im Juni 2004, indem sie wieder begann, Gasultrazentrifugen und Uranhexafluorid (UF6) zu produzieren (vgl. Neuneck 2006: 17). Im November 2004 einigten sich die EU-3 und die iranischen Vertreter darauf, dass Iran alle zum Brennstoffzyklus gehörenden Tätigkeiten aussetzt, das Zusatzprotokoll ratifiziert und alle Materialien, Aktivitäten und Anlagen deklariert und von den IAEO-Inspektoren verifizieren lässt. Im Gegenzug wurde Iran eine Kooperation auf sicherheitspolitischer, ökonomischer und technischer Ebene zugesagt. Die EU-3 legten Iran im August 2005 ein umfassendes Angebot vor, welches kurze Zeit später von iranischer Seite abgelehnt wurde. Einige Tage vor Unterbreitung dieses Angebots entfernte Iran die IAEO-Siegel und begann im November 2005 wieder mit der Produktion von Uranhexafluorid (UF6) und mit den Arbeiten zur Konversion (vgl. Kalinowski 2006).

Am 6. Juni 2006 übergab Javier Solana der iranischen Führung ein Paket von Vorschlägen aller fünf ständigen Mitglieder des VN-Sicherheitsrates sowie Deutschlands (P5+1), welches im Falle eines Abbruchs aller Anreicherungsaktivitäten technische, wirtschaftliche und politische Anreize für Iran beinhaltete und konkrete Bedingungen für eine mögliche Zulassung von Urananreicherung in Iran formulierte. Es sah aber auch für den Fall einer Kooperationsverweigerung seitens Irans eine Liste von Sanktionen vor.

Mit diesem internationalen Angebot kam Bewegung in den Atomstreit, denn die USA erklärten sich zum ersten Mal bereit, direkt mit Iran über eine Lösung zu verhandeln, wenn dieser zustimme, alle Urananreicherungs- und Wiederaufbereitungsaktivitäten überprüfbar einzufrieren. Am 22. August 2006 lehnte Iran das Kompromissangebot ab und besteht weiterhin auf einer Fortsetzung seiner Urananreicherung.

Nachdem die Verhandlungsbemühungen der EU-3 zwischen 2003 und 2005 Iran nicht zum Einfrieren der Urananreicherung bewegen konnten, übergab der IAEO-Gouverneursrat die Iran-Akte im März 2006 an den VN-Sicherheitsrat, welcher seitdem drei Resolutionen verabschiedete.[14] In der am 24. März 2007 einstimmig angenommenen jüngsten Resolution 1747[15] stellte der VN-Sicherheitsrat unter Verweis auf den Bericht von El Baradei vom 22. Februar 2007 fest, dass Iran die Urananreicherung und alle damit verbundenen Aktivitäten nicht eingestellt und damit die Resolutionen 1696 und 1737 nicht erfüllt hat (vgl. IAEA 2007). Diese Resolution enthält schärfere und vertiefende diplomatische und wirtschaftliche Sanktionen und setzt Iran zur Aussetzung aller Anreicherungs- und Wiederaufbereitungstätigkeiten sowie der Arbeiten an allen Schwerwasserprojekten eine Frist von 60 Tagen (vgl. VN, 27. Dezember 2006). Diese Frist ist mittlerweile abgelaufen, ohne dass Iran den Forderungen nachgekommen ist. Führende Mitglieder des VN-Sicherheitsrates befürworten eine Verschärfung der Sanktionen.

Am 31. Mai 2007 trafen sich der EU-Außenbeauftragte Javier Solana, der die fünf ständigen Mitglieder des VN-Sicherheitsrates sowie die deutsche EU-Ratspräsidentschaft repräsentierte, und der iranische Atom-Chefunterhändler Ali Larijani in Madrid und beschlossen, weitere Verhandlungen in intensiverer Form fortzusetzen. Vor dem Gespräch machte Larijani deutlich, dass Iran alle Vorbedingungen für Verhandlungen ablehne. Es blieb unklar, ob bei diesem Treffen Fortschritte erzielt wurden.

2.4 Handlungsoptionen

Aus dem jüngsten, vertraulichen Bericht[16], den El Baradei am 23. Mai 2007 an den Gouverneursrat der IAEO und den VN-Sicherheitsrat übergab, geht klar hervor, dass Iran der Forderung des VN-Sicherheitsrates nach einem Stopp der Urananreicherung nicht nachgekommen ist, sondern seine nuklearen Aktivitäten intensiviert und die Anzahl der Zentrifugen erhöht hat. Außerdem weist er auf einen Rückgang der Kooperation und auf eine Verschlechterung der Kontrollmöglichkeiten im Rahmen der IAEO-Inspektionen hin (vgl. Philipp 2007). In einem Interview erklärte El Baradei, dass Iran das technische Wissen über die Urananreicherung besitze und es nur eine Frage der Zeit sei, bis Iran sein Wissen perfektioniert habe (vgl. Reynolds 2007). Ein Drängen auf Suspendierung der Anreicherungsaktivitäten hindere Iran folglich nicht am Erwerb umfangreicheren Wissens.

Die Fronten sind verhärtet und eine Lösung des Konflikts scheint nicht in greifbarer Nähe zu sein. In der Debatte über einen effektiven Umgang mit dem Atomkonflikt gehen die Meinungen weit auseinander. Im Folgenden sollen einige Handlungsoptionen diskutiert werden.

Erweiterung des Verhandlungsrahmens

Im Rahmen von Verhandlungen mit Iran könnten verschiedene Varianten von technischen Kompromisslösungen angestrebt werden. Eine davon wäre der Vorschlag, Iran unter strikter Kontrolle der IAEO seine Urananreicherung betreiben zu lassen. Das P5+1 Angebotspaket sieht eine solche mögliche Tolerierung auch unter bestimmten Voraussetzungen vor. Allerdings müsste Iran in größerem Umfang Informationen preisgeben, das Zusatzprotokoll ratifizieren und die Kooperation mit der IAEO verbessern, um so die internationale Gemeinschaft vom friedlichen Charakter seines Nuklearprogramms zu überzeugen.

Eine weitere Alternative wäre die von Russland und Iran bereits diskutierte Option, die Urananreicherung im Rahmen eines Gemeinschaftskonzerns auf russischem Boden durchzuführen. Streitpunkt bei dieser Option wäre der Zugang der iranischen Wissenschaftler zu sensiblen Nukleartechnologien und die hohen Kosten für Transport und Sicherheitsmaßnahmen. Eine andere Variante dieses Vorschlages, eingebracht von Wissenschaftlern des Massachusetts Institute of Technology (MIT), sieht eine multinationale Anreicherungsanlage auf iranischem Boden vor. Je nach Ausmaß der Beteiligung iranischer Wissenschaftler würde Iran seine Optionen verbessern können, spaltbares Material eigenständig herzustellen. Im Gegenzug könnten die ausländischen Betreiber Einblick in das Wissen und die technischen Fähigkeiten der Iraner gewinnen.

Des Weiteren besteht die Möglichkeit, eine multilaterale „nukleare Brennstoffbank“ (Brzoska/Neuneck/Meier 2006, S: 5) mit Beteiligung Irans unter IAEO-Kontrolle zu errichten, die die Brennmaterialversorgung für Iran sichern könnte.

Abgesehen von den zuvor genannten „technischen Zwischenlösungen“ (Neuneck 2006b) würden Sicherheitsgarantien der USA und stärkere wirtschaftliche und politische Anreize für Teheran eventuell eine Basis bieten, auf der Iran mit sich verhandeln ließe. Die Idee von der Schaffung einer nuklearwaffenfreien Zone im Nahen und Mittleren Osten könnte zusätzlich wieder ernsthaft diskutiert werden. Dazu müsste in einem ersten Schritt vor allem die Problematik israelischer Nuklearwaffenarsenale von der internationalen Gemeinschaft artikuliert werden und Iran seine Haltung gegenüber Israel überdenken.

Für jede Variante der Verhandlungsoptionen ist zunächst die Schaffung einer politischen Vertrauensbasis zwischen den Verhandlungsparteien ein immens wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer Kompromisslösung. Diese kann jedoch nur aufgebaut werden, wenn der Wille zu einer friedlichen Lösung auf beiden Seiten besteht und sachlich über Differenzen diskutiert werden kann.

Militärische Optionen

Trotz diplomatischer Bemühungen wird, vor allem in den USA und in Israel, ein Militärschlag gegen Iran nicht gänzlich ausgeschlossen. Die Szenarien reichen von einer gezielten Zerstörung der Nuklearanlagen bis hin zu einem Einmarsch und einer militärischen Besetzung Irans.

Neben den bekannten Nukleareinrichtungen könnten noch versteckte Fabriken existieren, so dass eine umfassende Zerstörung aller Anlagen nicht garantiert werden könnte. Ein militärischer Luftschlag würde wahrscheinlich eher die Entwicklung eines geheimen iranischen Nuklearprogramms vorantreiben als das Wissen über sensible Nukleartechniken auslöschen. Eine politische Schwächung des iranischen Regimes wäre auf diese Art der Auseinandersetzung auch schwer zu erreichen, da sich im Falle eines Luftschlags das Volk eher hinter das Regime stellen würde. Der Einsatz militärischer Gewalt könnte außerdem dazu führen, dass Iran aus dem NVV austritt und somit seine Nuklearanlagen nicht mehr unter internationale Kontrolle stellen müsste.

Solange Iran keine militärischen Absichten seines Nuklearprogramms nachgewiesen werden kann, wäre eine militärische Aktion zudem völkerrechtswidrig (Brzoska/Neuneck/ Meier 2006: 13).

Regime Change

Es gibt viele Stimmen in den USA, aber auch in anderen Staaten, die einen Regimewechsel in Iran für die einzige effektive Strategie im Atomstreit halten (vgl. Muravchik 2006). Die USA stellen Mittel zur Destabilisierung der iranischen Regierung zur Verfügung, indem sie beispielsweise Oppositionsgruppen finanzieren. Sie sind der Ansicht, dass ein moderates Nachfolgeregime eher auf die Urananreicherung verzichten würde (vgl. Perkovich 2006: 23). Allerdings führt eine solche Politik zu noch mehr staatlicher Repression in Iran, die sich vor allem in zahlreichen Verhaftungen von Journalisten, Frauenrechtlerinnen, politischen Aktivisten und Wissenschaftlern äußert (vgl. Aslan 2007).

Die katastrophale Situation in Irak, in dem ein gewaltsamer Regimewechsel aufgrund des Verdachts der Existenz von Massenvernichtungswaffen vollzogen wurde, zeigt, dass ein solches Vorgehen neue Sicherheitsrisiken schaffen kann.

Sanktionen

Seit Mai 2007 sprechen sich die USA und die EU im Rahmen einer vierten Resolution durch den VN-Sicherheitsrat für eine Verschärfung der Sanktionen aus. Auch diese Strategie verspricht keinen konstruktiven Umgang mit dem Konflikt. Schärfere Sanktionen könnten vielleicht die Entwicklung des iranischen Nuklearprogramms verlangsamen, jedoch nicht beenden. Auf innenpolitischer Ebene würde durch neue Sanktionen ein gegenteiliger Effekt erreicht, da noch massiverer Druck von außen zur Stärkung radikaler Kräfte in Iran führen würde (vgl. Brzoska/Neuneck/Meier 2006: 11).

2.5 Einfluss innenpolitischer Dynamiken auf die Außenpolitik Irans

Auf internationaler Ebene wird häufig übersehen, dass die iranische Außenpolitik von sehr vielen verschiedenen Faktoren bestimmt wird. Der Hass auf die USA und auf Israel scheint als die bestimmende Einflussgröße für viele außenpolitische Manöver des iranischen Regimes zu fungieren. Vor allem die antiisraelische Rhetorik des ultrakonservativen iranischen Präsidenten Ahmadinejad, seine unnachgiebige Haltung im Konflikt um das Nuklearprogramm und seine pathetisch inszenierten Auftritte lassen den Eindruck entstehen, dass er über wesentliche Machtressourcen und damit über erhebliche politische Entscheidungsfreiheiten in der Republik verfügt. Innenpolitische Dynamiken, vor allem die Macht- und Kräfteverhältnisse im institutionellen Gefüge der Islamischen Republik, sind eng mit dem außenpolitischen Handeln verbunden und setzen den Entscheidungskompetenzen Ahmadinejads in allen politischen Bereichen erhebliche Schranken. Allein die Betrachtung des Verhältnisses zwischen Präsidenten und Revolutionsführer verdeutlicht diesen Zusammenhang.

Im iranischen politischen System bestimmen viele verschiedene staatliche sowie nicht-staatliche Machtzentren die Entscheidungsprozesse. Zentrale Schlüsselpositionen sind von schiitischen Geistlichen besetzt, die folglich das Machtmonopol innehaben. Die Verfassung dieses Systems beruht auf dem von Khomeini entwickelten Konzept der velayat-e faqih, der „Herrschaft des islamischen Rechtsgelehrten“. Nach diesem Konzept vertritt dieser islamische Rechtsgelehrte den verborgenen 12. Imam bis zu seiner Rückkehr sowohl auf politischer als auch auf religiöser Ebene.

Der Revolutionsführer, seit 1998 Ayatollah Khamenei, bekleidet das Amt des obersten Rechtsgelehrten und beruft sich auf seine Legitimation von Gott (vgl. Buchta 2004: 7). Als das wichtigste Machtzentrum in Iran bestimmt er die innen- und außenpolitischen Grundsätze der Republik, kann den Präsidenten absetzen und kontrolliert alle staatlichen und religiösen Institutionen, die gesamten politischen Vorgänge sowie die regulären und revolutionären Ordnungs-, Sicherheits- und Streitkräfte. Khamenei verfügt als politischer und religiöser Führer über das Gewaltmonopol und trägt daher auch die Verantwortung für die iranische Außenpolitik. Seine Machtkompetenzen übertreffen die des Staatspräsidenten, der sich laut Verfassung in bedeutungsvollen außenpolitischen Fragestellungen dem Revolutionsführer unterordnen muss. Ahmadinejads politische Handlungsspielräume sind demnach aufgrund der asymmetrischen Verteilung der Macht innerhalb des Staatssystems begrenzt (vgl. Buchta 2004: 34).

[...]


[1] Die folgenden Ausführungen stützen sich - soweit nicht anders erwähnt - auf Bellers/Häckel (1990): 287 ff., Krell (2004): S.56ff. und Müller (2002): 103ff.

[2] Eine vollständige Auflistung aller Nuklearanlagen s. Anhang, Tabelle 1: Iranische Nuklearanlagen.

[3] Radioisotope sind instabile Atome, die radioaktiv zerfallen.

[4] LEU, Low Enriched Uranium, enthält einen Anteil von 235U von weniger als 20%.

[5] HEU, High Enriched Uranium, enthält einen Anteil von 235U von mehr als 80%.

[6] Das in der Mine abgebaute Uranerz wird in Uranmühlen zu Yellowcake, der pulverförmigen Form des Urans , verarbeitet. Es kann in einem chemischen Prozess in das gasförmige Uranhexafluorid
(UF6) umgewandelt werden.

[7] „Jeder Nichtkernwaffenstaat, der Vertragspartei ist, verpflichtet sich, Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkörper oder die Verfügungsgewalt darüber von niemandem unmittelbar oder
mittelbar anzunehmen, Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkörper weder herzustellen noch
sonstwie zu erwerben und keine Unterstützung zur Herstellung von Kernwaffen oder sonstigen
Kernsprengkörpern zu suchen oder anzunehmen.“ (Art. II NVV)

[8] Iran verfügt über die drittgrößten Ölreserven und die zweitgrößten Naturgasreserven der Welt.

[9] Eine Aufstellung dieser Verletzungen s. Anhang, Tabelle 2: Verletzungen des Safeguards-Abkommens und des Zusatzprotokolls

[10] In einem Radioisotopengenerator wird auf dem spontanen Kernzerfalls eines Radioisotops elektrische Energie erzeugt. Der Unterschied zum Kernreaktor besteht darin, dass keine
Kernspaltungskettenreaktion stattfindet.

[11] Für eine komplette Auflistung offener Fragen und strittiger Punkte s. IAEA, 2006: Implementation of the NPT Safeguards Agreement in the Islamic Republic of Iran, GOV/2006/15, 27. Februar 2006,
http://www.iaea.org/Publications/Documents/Board/2006/gov2006-15.pdf, und GOV/2006/38,
8.Juni 2006, http://www.iaea.org/Publications/Documents/Board/2006/gov2006-38.pdf, 06.06.2007.

[12] Chronologie der IAEO Aktivitäten unter: www.iaea.org.

[13] Ein solcher Brennstoffzyklus beinhaltet alle notwendigen Schritte (Uranabbau, Herstellung von „Yellowcake“, Konversion, Anreicherung und Herstellung der Brennelemente), um Uran in einem
Reaktor zur Energiegewinnung einsetzen zu können.

[14] Resolution 1696 am 31. Juli 2006, Resolution 1737 am 23. Dezember 2006 und Resolution 1747 am 24. März 2007.

[15] Resolution 1747 (2007), 24. März 2007, online abrufbar unter:
http://www.un.org/Depts/german/sr/sr_07/sr1747.pdf, Stand 04.06.2007.

[16]Implementation of the NPT Safeguards Agreement and Relevant Provisions of Security Council Resolutions in the Islamic Republic of Iran“ (noch nicht veröffentlicht)

Ende der Leseprobe aus 69 Seiten

Details

Titel
Das iranische Nuklearprogramm
Untertitel
Sicherheitspolitische Auswirkungen auf die Staaten des Golfkooperationsrates
Hochschule
Universität Hamburg  (Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik)
Note
2,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
69
Katalognummer
V91474
ISBN (eBook)
9783638052139
ISBN (Buch)
9783638944939
Dateigröße
1561 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Nuklearprogramm
Arbeit zitieren
Samira Kheirallah (Autor:in), 2007, Das iranische Nuklearprogramm, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91474

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