Die Schweiz als Idealbild von Rousseaus Gesellschaftsvertrag?

Die Prinzipien des Staatsrechts im Vergleich mit dem politischen System der Schweiz


Hausarbeit, 2008

20 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Jean-Jacques Rousseau - Leben und Werk

2. Der Gesellschaftsvertrag
2.1 Vom Naturzustand zum Gesellschaftswesen
2.2 Das Volk als Souverän
2.2.1 Der Gemeinwille oder Volonté générale
2.2.2 Die Eigenschaften des Souveräns
2.3 Gesetze und Gesetzgeber
2.3.1 Die Gesetze
2.3.2 Der Gesetzgeber oder Législateur

3. Verfassung der Schweiz im Vergleich zum Gesellschaftsvertrag
3.1 Ursprung im Naturzustand?
3.2 Das Volk als Souverän?
3.3 Das Parlament
3.4 Gesetze und Gesetzgeber
3.5 Regierung und Gewaltenteilung

Fazit

Bibliographie

Einleitung

Wenn man die Verfassung der Schweiz und Jean-Jacques Rousseaus politisches Werk Vom Gesellschaftsvertrag oder Prinzipien des Staatsrechts liest, werden unwillkürlich Parallelen deutlich. Auch in Sekundärliteratur zu beiden Themen, werden häufig Vergleiche zwischen dem schweizerischen Regierungssystem auf der einen, und Rousseaus Vorstellungen vom idealen Staat auf der anderen Seite gezogen. So findet man beispielsweise Bemerkungen wie:

„Als ein Staatssystem, welches dem Ideal einer Rousseauschen Republik nahe kommt, kann die Schweiz genannt werden.“ (Archivsystem ask23)

oder

„Die Konkordanzdemokratie stellt somit einen - recht erfolgreichen - Versuch dar, die Idee des Genfer Philosophen Jean Jacques Rousseau von der volonté générale praktisch umzusetzen.“ (www.demokratie.geschichte-schweiz.ch).

Inwieweit treffen solche Darstellungen wirklich zu? Welche Gemeinsamkeiten und/oder Differenzen gibt es? Dies soll in dieser Arbeit geklärt werden. Die zentrale Fragestellung ist dabei: Sind Jean-Jacques Rousseaus Idealvorstellungen eines Staates in der Schweiz realisiert?

Nachdem in einem kurzen Portrait Rousseau selbst vorgestellt wird, soll der Gesellschaftsvertrag erläutert werden. Hierzu werden die wichtigsten Punkte, der Übergang vom Naturzustand zum Staat, der Souverän, die Gesetzgebung und die Regierung erklärt. Im nächsten Abschnitt wird das Regierungssystem der Schweiz in den wichtigsten, und mit dem Gesellschaftsvertrag vergleichbaren, Punkten vorgestellt. Gleichzeitig sollen dabei Übereinstimmungen und Differenzen herausgearbeitet und gegenübergestellt werden.

1. Jean-Jacques Rousseau - Leben und Werk

Jean-Jacques Rousseau wurde am 28. Juni 1712 in Genf geboren. Seine Mutter starb wenige Tage nach seiner Geburt. Da sein Vater 1722 aus der Heimatstadt flüchtete, lebte Rousseau zunächst bei verschiedenen Personen, bevor er schließlich in die Lehre ging. 1728 zog er zu der 12 Jahre älteren Madame de Warens, welche zunächst eine mütterliche Freundin, später aber seine Geliebte war. Rousseau ging häufig auf Wanderschaft, weshalb er an verschiedenen Orten, unter anderem in der Schweiz, in Frankreich, Italien und England, den unterschiedlichsten Tätigkeiten nachging. So arbeitete er zum Beispiel als Schriftsteller, Lehrer, Sekretär oder Komponist. In Paris lernte er 1745 Thérèse Levaisseur kennen, welche er nach der Geburt von fünf Kindern, die allerdings alle ins Findelhaus gegeben wurden, schließlich 1768 heiratete. Auch verfasste er seine größten Werke in Paris. Im Frühjahr 1778 zog er zusammen mit Thérèse nach Ermenonville. Hier starb er am 2. Juli 1778 (Blum 1997, 153; von Hentig 2003, 20-29). Rousseaus Leben war nicht das eines Gelehrten, sondern das eines Künstlers, geprägt von Skandalen und Abenteuern (Kersting 2002, 11).

Bereits zu Lebzeiten umstritten und entweder geliebt oder gehasst (von Hentig 2003, 20), gehen bis heute die Meinungen über Rousseau und seine Werke auseinander. Über wenige Autoren wurde und wird so viel diskutiert und gestritten wie über ihn (Fetscher 1988, 14).

Rousseaus Werke behandeln eine Vielzahl von Themen, weshalb er heute nicht nur als Philosoph, sondern auch als Schriftsteller, Pädagoge und Komponist gilt. Neben dem Briefroman Die neue Héloise, dem pädagogischen Roman Emile oder über die Erziehung und drei autobiographischen Werken, komponierte Rousseau eine Oper, verfasste weitere Schriften zu Problemen der Musik und mehrere kurze Abhandlungen. Einen weiteren wichtigen Teil von Rousseaus Werk nehmen seine staatsphilosophischen Texte ein. Darunter der Entwurf einer Verfassung für Korsika, die Abhandlung über die Politische Ökonomie und der Gesellschaftsvertrag (Blum 1997, 156-157). Letzterer wird im folgenden Punkt näher erläutert.

2. Der Gesellschaftsvertrag

Jean-Jacques Rousseaus staatspolitisches Hauptwerk Vom Gesellschaftsvertrag oder Prinzipien des Staatsrechts[1] erschien 1762 (Brandt, Herb 2000a, 1). Das Buch war zunächst nur wenig erfolgreich und wurde wegen dem geringen Leseinteresse in knapp 30 Jahren nur ein einziges Mal aufgelegt. Der eigentliche Erfolg des Gesellschaftsvertrags stellte sich erst mit der Französischen Revolution und den Sympathien der Revolutionäre für Rousseaus Theorien ein (Brandt, Herb 2000b, 3). Trotz der anfänglichen Schwierigkeiten wurde Rousseaus Abhandlung letztlich sehr erfolgreich. Kaum ein weiteres Politikphilosophisches Werk ist mit den Ideen und der Wirkung der Prinzipien des Staatsrechts vergleichbar (Brandt, Herb 2000b, 4). Deshalb zählt der Gesellschaftsvertrag bis heute zu „den Klassikern der Politischen Philosophie der Moderne“ (Brandt, Herb 2000a, 1) und Rousseau als ein entscheidender Mitbegründer der modernen Staatsphilosophie (Brandt, Herb 2000b, 6).

Ziel der Prinzipien des Staatsrechts sollte nicht sein, die beste Herrschaftsform aufzuzeigen, sondern vielmehr, nach der Legitimation von Herrschaft überhaupt zu fragen (Herb 2000, 26):

„Der Mensch ist frei geboren, und überall liegt er in Ketten. Einer hält sich für den Herrn der anderen und bleibt doch mehr Sklave als sie. Wie ist dieser Wandel zustande gekommen? Ich weiß es nicht. Was kann ihm Rechtmäßigkeit verleihen? Diese Frage glaube ich beantworten zu können.“ (Rousseau 2006, 5)

Die Frage ist also, wie und wann lässt es sich, in Anbetracht „des natürlichen Freiheitsrechts der Menschen“, rechtfertigen, „dass Menschen über Menschen herrschen?“ (Kersting 2002, 15) Laut Rousseau ist die Bedingung hierfür, dass,

„[…] eine Form des Zusammenschlusses [gefunden wird], die mit ihrer ganzen gemeinsamen Kraft die Person und das Vermögen jedes einzelnen Mitglieds verteidigt und schützt und durch die doch jeder, indem er sich mit allen vereinigt, nur sich selbst gehorcht und genauso frei bleibt wie zuvor.“ (Rousseau 2006, 17)

Diese „Form des Zusammenschlusses“, eine Verfassung legitimer Herrschaft, beschreibt Rousseau in seinem Gesellschaftsvertrag. Wie sie genau aussieht soll in den folgenden Punkten veranschaulicht werden.

2.1 Vom Naturzustand zum Gesellschaftswesen

Um einen Gesellschaftsvertrag an sich zu rechtfertigen, konstruiert Rousseau das Natur-zustandstheorem. Es soll beweisen, dass in einem Zustand, in dem jegliche Sicherheit und staatliche Ordnung fehlt und in dem jeder Einzelne nur seinen Interessen nachgeht, theoretisch ein Krieg eines jeden gegen jeden ausbrechen müsste, weshalb diese Situation für jeden unerträglich wäre (Kersting 2002, 17).

Obwohl der Gesellschaftsvertrag durch den konstruierten Naturzustand gerechtfertigt wird, erwähnt Rousseau diesen in den Prinzipien des Staatsrechts nur am Rande. Eine ausgearbeitete Naturzustandstheorie findet sich in seinem, früher geschriebenen, Diskurs über die Ungleichheit (Herb 2000, 28). Hier beschreibt Rousseau den Naturzustandsbewohner, als Menschen ohne Sprache, ohne Vernunft und ohne jegliche soziale und gesellschaftliche Bindung, der als Individuum eigenständig lebt und nur seinen Interessen folgt (Herb 2000, 33; Kersting 2002, 20). Der homme naturel unterscheidet sich vom Tier nur insofern, dass er frei wählen kann, während ein Tier ausschließlich nach Instinkt handelt (Fetscher 1988, 30). Da der Mensch unabhängig und isoliert von jeglicher Beziehung zu anderen lebt, ist er frei, glücklich und niemals der Feind eines anderen (Rousseau 2006, 12).

Wird der Naturzustand verlassen, tritt ein Vergesellschaftungsprozess ein. Die Menschen beginnen sich zu verändern, Konkurrenzverhalten und Konflikte entstehen (Kersting 2002, 20 & 23), da es letztendlich immer „nur Sklaven und einen Herrn“ gibt (Rousseau 2006, 15). Um diese Konflikte zu vermeiden bedarf es eines Zusammenschlusses aller, einer staatlichen Ordnung, eben eines Gesellschaftsvertrags (Rousseau 2006, 16f.).

Die erste und wichtigste Bestimmung des Vertrages ist, dass jedes Mitglied alle seine Rechte zugunsten des Gemeinwesens vollständig entäußert (Rousseau 2006, 17). Entscheidend hierbei ist, dass die Entäußerung gleichberechtigt und freiwillig geschieht, um die Bedingungen für alle gleich zu halten (von Hentig 2003, 38).

„Gemeinsam stellen wir alle, jeder von uns seine Person und seine ganze Kraft unter die oberste Richtschnur des Gemeinwillens; und wir nehmen, als Körper, jedes Glied als untrennbaren Teil des Ganzen auf.“ (Rousseau 2006, 18)

Durch die Entäußerung tritt jeder in ein Vertragsverhältnis mit allen anderen und aus vorher eigenständigen Individuen entsteht ein Gemeinwesen (Fetscher 1988, 106; Rousseau 2006, 18).

2.2 Das Volk als Souverän

Dieses, durch die volle Entäußerung und den damit verbundenen Zusammenschluss, entstandene Gemeinwesen, heißt Souverän. Es besteht aus allen Menschen, die sich an der Entäußerung beteiligen und somit den Vertrag eingehen (Rousseau 2006, 18f.). Nachdem durch den Vertragsschluss einmalig der Staat gegründet wurde, unterwirft sich jeder, der das Staatsgebiet bewohnt, freiwillig dem Souverän (Rousseau 2006, 116). Diese Mitglieder geben der Gemeinschaft ihre Einheit, ihr Leben und ihren Willen. Die Menschen werden in der Gesamtheit Volk, einzeln Bürger genannt (Rousseau 2006, 18f.). Durch das Vertragsverhältnis ist jeder Bürger sowohl Teil des Souveräns, also der Herrschaft, als auch Teil des Volkes, also der Untertanen (von Hentig 2003, 39).

[...]


[1] Im Original: Du Contract social ou Principes du droit politique (Rousseau 2006, 3)

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Die Schweiz als Idealbild von Rousseaus Gesellschaftsvertrag?
Untertitel
Die Prinzipien des Staatsrechts im Vergleich mit dem politischen System der Schweiz
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg  (Institut für Philosophie)
Veranstaltung
Einführung in die Sozialphilosophie
Autor
Jahr
2008
Seiten
20
Katalognummer
V91338
ISBN (eBook)
9783638041652
ISBN (Buch)
9783638939454
Dateigröße
430 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Für die Arbeit gab es nur einen Schein ohne Note, der Kommentar des Dozenten war aber äußerst positiv!
Schlagworte
Schweiz, Idealbild, Rousseaus, Gesellschaftsvertrag, Einführung, Sozialphilosophie
Arbeit zitieren
Elisabeth Adam (Autor:in), 2008, Die Schweiz als Idealbild von Rousseaus Gesellschaftsvertrag?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91338

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