Planung, Erstellung und Implementierung eines kleinen Schulzoos im Rahmen einer Biologie-AG

Die Bedeutung dieses Bausteins für die SuS und das Schulleben an einem Gymnasium


Examensarbeit, 2007

51 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Problemanalyse
2.1 Aktuelle Schulausgangssituation
2.2 Begründung der Thematik
2.2.1 Tiere wirken positiv auf die Entwicklung von Kindern
2.2.2 Notwendigkeit der Förderung sozialer und emotionaler Kompetenzen
2.2.2.1 Tiere fördern soziale und emotionale Kompetenzen
2.2.3 Handlungsorientierte Wissensvermittlung durch die Projektmethode
2.2.4 Legitimation des Projektes „Schulzoo“ durch die Richtlinien und den Lehrplan des Faches Biologie
2.2.5 Der Schulzoo als Faszination für die Schulgemeinschaft

3. Lehrerfunktionen

4. Planung und Erstellung des Schulzoos
4.1. Vorüberlegungen
4.2 Planung des Schulzoos
4.2.1 Sicherheits- und Brandschutzvorgaben
4.2.2 Erkundigung nach den Ansprüchen der Tiere
4.2.3 Erstellung des Projektplanes
4.3. Durchführung des geplanten Projektes
4.4 Die Tiere kommen

5. Auswertung der Schülerumfrage zum Projekt „Schulzoo“

6. Nutzungsmöglichkeiten des Schulzoos am MSMG Telgte
6.1 Geplanter Alltagsbetrieb des Schulzoos
6.2 Eingliederung des Schulzoos in den Biologieunterricht

7. Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

1. Einleitung

Tiere begleiten seit jeher den Menschen durch alle Epochen der Zeitgeschichte. Erst seit kurzer Zeit, berechnet auf die Entstehungsgeschichte der Erde, ist der Mensch dem Tier meist ungleich überlegen. Dennoch faszinieren Tiere den Menschen und haben bis heute lebenswichtige Funktionen für den homo sapiens sapiens. Die ersten Beweise für Haustiere als „Freund und Helfer des Menschen“ gehen etwa bis 40.000 Jahre v. Chr. zurück.[1] Damals war es der domestizierte Wolf, heute sind es eine Vielzahl von tierischen Begleitern, die in die Häuser und Wohnungen der Menschen Einzug gehalten haben. Tiere sind Bestandteile von Familien und für viele Menschen Partner und Freunde. Seit einigen Jahren wird in der Literatur auf die positiven Einwirkungsmöglichkeiten von Tieren auf Kinder eingegangen. So werden beispielsweise Hunde als ständige Begleiter mit in den Klassenverband integriert, mit dem Ergebnis, dass das Sozialverhalten der Kinder untereinander verbessert werden konnte.[2] Diese Konzepte finden jedoch hauptsächlich in der Primarstufe und in der Sonderpädagogik Anwendung. Das Tiere auch in die Sekundarstufe I/ II sinnvoll integriert werden können, sollen die folgenden Ausführungen aufzeigen.

Als ich in meinem bedarfsdeckenden Unterricht während meiner Referendariatszeit am MSMG Telgte eine Klasse 6 in Biologie übernahm, konnte ich das uneingeschränkte Interesse der SuS an Tieren jeglicher Art feststellen. Häufig wurden Geschichten von eigenen oder ihnen bekannten Haustieren mit „leuchtenden Augen“ berichtet. Bei genauerer Nachfrage hatten jedoch etwa jedes dritte Kind kein eigenes Haustier in der Familie. Fast ausnahmslos wünschten sich die Kinder ohne Haustier ein solches.

Tiere im Haushalt bedürfen der Pflege und Zuwendung. Sie fordern von den Kindern ein hohes Maß an Verantwortung. Für Kinder ist es unwichtig, ob ein Wellensittich, ein Hund oder gar eine Spinne oder eine Heuschrecke gepflegt wird. Die Kinder sind für das Wohlergehen der Tiere verantwortlich und somit auch emotional an das jeweilige Tier gebunden. Gerade diesen Aspekt sehe ich durch die Vielzahl von medialen Erfahrungen gefährdet. Kinder nehmen vieles durch die Medien, besonders durch das Fernsehen und das Internet, wahr. Für Primärerfahrungen bleibt kaum noch Zeit. Die Begegnung mit der Natur wird immer mehr zur Nebensache in der Entwicklung des Kindes.

Im Unterricht konnte ich feststellen, dass der Wunsch nach einem Haustier oft größer war, als das Wissen über die Konsequenzen der Haltung eines Tieres. Besonders deutlich wurde dies den SuS, als von Mitschülern berichtet wurde, wie viel Zeit die Pflege und Haltung eines Hundes kostet. Dies war für mich u.a. ein Anlass in der Schule einen Erfahrungsraum zu schaffen, in dem Kinder mit Tieren interagieren können und lernen, was es bedeutet für ein Tier Verantwortung zu tragen.

Das vorliegende beschriebene Projekt „Schulzoo“ soll einen Ansatz bieten den SuS einen verantwortungsbewussten Umgang mit Lebendigem durch Primärerfahrungen zu vermitteln, um somit u.a. die sozialen Kompetenzen zu fördern. Diese Arbeit soll ein Konzept aufzeigen, wie Tiere in ein Schulleben sinnvoll integriert und für fachliche und pädagogische Zwecke genutzt werden können.

In den folgenden Kapiteln wird die Legitimation und die Bedeutung eines kleinen Schulzoos für das MSMG Telgte hervorgehoben und damit einhergehend Bezug auf die Richtlinien und Lehrpläne des Faches Biologie genommen. Es sollen die Möglichkeiten und Chancen, welche ein Schulzoo für die Entwicklung z.B. sozialer Kompetenzen bietet, aufgezeigt werden. Dieses Konzept zur Planung, Erstellung und Implementierung eines Schulzoos soll auch als Anleitung für Fachkollegen verstanden werden, die sich mit den möglichen Chancen und auch Problemen bei der Einführung von Tieren in der Schule und dortiger Haltung auseinandersetzen möchten. Ein weiterer Teil der Arbeit beschreibt den handlungsorientierten Prozess von der Planung bis zur Implementierung des Schulzoos, welcher innerhalb einer Biologie- AG einer 6. Klasse durchgeführt wurde und eine detaillierte Auseinandersetzung der SuS mit der Haltung von Tieren aufzeigt.

2. Problemanalyse

2.1 Aktuelle Schulausgangssituation

Das MSMG-Telgte ist in das Telgter Schulzentrum integriert. Neben dem Gymnasium sind dort die Realschule und Hauptschule angesiedelt. Das vor 13 Jahren neu erbaute Gymnasium ist als großer unabhängiger Baukörper räumlich von den anderen Schulformen getrennt und nach der bekannten Naturforscherin Maria-Sibylla-Merian benannt. Mittlerweile besuchen über 680 SuS und 61 Lehrer das Merian- Gymnasium.[3] Das Fach Biologie wird durch fünf FachkollegInnen vertreten. Die Schule und das Fach Biologie verfügen über keinen Schulzoo bzw. über kein lebendiges tierisches Leben, welches für das Fach Biologie und die Schule von Nutzen ist. Im Unterricht der Klasse 5 wird fächerübergreifend ein „Wolfsprojekt“ durchgeführt, an dem sich die Fachbereiche Biologie, Deutsch und Kunst beteiligen. Ebenfalls ist in der 5 . Klasse ein Besuch in der Zooschule Münster eingeplant. Das Projekt „Schulzoo“ gliedert sich in diese bestehenden Strukturen ein und erweitert langfristig die Möglichkeiten der SuS einer aktiven Auseinandersetzung mit Lebendigem.

2.2 Begründung der Thematik

Der Entschluss einen kleinen Schulzoo zu errichten erwuchs aus einem multikausalen Zusammenhang, welcher dieses Projekt legitimiert. Im Folgenden sollen die einzelnen Gründe kurz aufgeführt und anschließend begründet werden:

1. Tiere wirken positiv auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen und
2. fördern die emotionalen und sozialen Kompetenzen. Viele SuS haben nur vereinzelt Zugang zu Haustieren und lernen somit nicht Verantwortung für ein eigenes Tier zu übernehmen.
3. Das Projekt zur Erstellung eines Schulzoos bietet für die SuS der Biologie- AG ein handlungsorientiertes Arbeiten. Durch den Prozess der eigenhändigen Erstellung und Einrichtung des Schulzoos wird die Bindung an das selbstständig erstellte Produkt erhöht werden.
4. Der Schulzoo findet die Legitimation in den Richtlinien und im Lehrplan des Faches Biologie und soll im Fachbereich Biologie des MSMG Telgte aktiv in das Unterrichtsgeschehen eingebunden werden und somit in verschiedenen Jahrgangsstufen lebendiges Anschauungsmaterial liefern, um zur Motivation der SuS beizutragen.
5. Der Schulzoo soll für alle SuS, Lehrer, Eltern und Besucher ein faszinierender Berührungspunkt zwischen Mensch und Tier darstellen.

2.2.1 Tiere wirken positiv auf die Entwicklung von Kindern

Aus Gründen des Lebenswandels setzen Kinder verglichen mit der Zeit vor 50 oder 100 Jahren andere Schwerpunkte in der sensiblen Reizaufnahme. Kinder nehmen heute überwiegend durch die neuen Medien visuelle sowie akustische Reize auf. Diese recht einseitige Reizaufnahme führt zu einer Verstümmelung der Fähigkeit andere Reize wahrzunehmen[4]. Das ständige Erleben einer nichtrealen Wirklichkeit bewirkt das Zurückdrängen von Erfahrungen aus „erster Hand“, welche Voraussetzung für eine kindgerechte emotionale und soziale Entwicklung ist.

H. v. Hentig setzt sich ausführlich mit den Auswirkungen von Fernsehen und Medien auf Kinder auseinander und spricht in diesem Zusammenhang von der Verwirrung, .„ die die Kinder nach dem Wochenende in die Schule mitbringen und die weitgehend- gewiß nicht ganz! – auf das Fernsehen zurückzuführen ist“.[5] Hentig fordert von der Schule den Kindern primäre Erfahrungen zu vermitteln und bietet dafür als geeigneten Anlass die Naturerfahrung. Er bezeichnet die primäre Erfahrung mit der Natur als unumgängliches Mittel, um einen umweltbewussten und sensiblen Menschen zu formen. Primäre Erfahrungen sind direkte Erfahrungen, welche in unmittelbarem Kontakt mit Mitmenschen oder einem Objekt gemacht werden können. Demgegenüber stehen die Sekundärerfahrungen, die man aus der Wahrnehmung anderer oder aus den Medien übernimmt.[6]

In der pädagogischen Theorie wird selten über den Aspekt der Naturerfahrung gesprochen. Ausnahme ist da zweifelsohne das Fach Biologie. Die logische Konsequenz, Tiere und Pflanzen innerhalb der Schule von SuS pflegen zu lassen, wird nur vereinzelt realisiert. An vielen Schulen ist schon ein kleines Aquarium eine Sensation für die SuS. Dieser Befund scheint einigermaßen verblüffend zu sein, da Schulen mit einem Schulzoo vom hohem pädagogischem Erfolg z.B. im Bereich der Förderung sozialer Kompetenzen oder im Bereich der sinnvollen Lehrplaneinbindung im Fach Biologie sprechen.[7]

Die Technisierung der Schulen hat mit Aktionen wie „Schulen ans Netz“ längst begonnen. Ein großer Teil der Schulen verfügt über Medien- und Computerräume, welche mit nicht geringem Aufwand finanziert werden müssen. Über einen zwingend notwendigen Einzug von Lebendigem zur Förderung des Verantwortungsbewusstseins und zur Ermöglichung greifbarer Erfahrungen ist wenig zu finden, obwohl Lehrer und Erwachsene um die Affinität der Kinder und Jugendlichen zu Tieren wissen.

2.2.2 Notwendigkeit der Förderung sozialer und emotionaler Kompetenzen

Wagt man einen Blick in die Literaturgeschichte, so findet man vor etwa 50 Jahren gerade mal ein Dutzend Publikation, die sich mit dem Thema der sozialen Kompetenzen befassen. Heute findet man dazu knapp 1500 Publikationen allein in der Datenbank PsycINFO.[8] Demnach ist das Interesse oder vielmehr die Notwendigkeit an diesem Aspekt deutlich gestiegen zu sein.

Der Leiter der TIMMS Studien, Prof. Baumert fällt in diesem Zusammenhang für das Gymnasium ein gespaltenes Urteil. Intelligenteren Schülern werde per se eine höhere soziale Intelligenz bescheinigt als weniger intelligenten Schülern. Auf der anderen Seite würden diese Ressourcen von den Lehrerinnen und Lehrern nicht ausreichend ausgeschöpft. In und außerhalb des Unterrichts würden die sozialen Kompetenzen zu wenig angesprochen bzw. gefördert. Andererseits, so Baumert, handle es sich bei den Gymnasiasten um die zukünftige Bildungselite, welche ein soziales Vorbild abgeben sollte[9].

Im Rahmen einer Studie wurden bayrische Studenten befragt, was vom Abitur bleibe. Die Studenten gaben als wichtigste in der Schule erworbene Kompetenzen Arbeitstechniken, Techniken der Selbstorganisation und Teamfähigkeit und vor allem soziale Kompetenzen an. Weit abgeschlagen waren die Inhalte der einzelnen Schulfächer.[10] Fasst man das Ergebnis der Studien zusammen, wird deutlich, dass in dem Bereich der sozialen Kompetenzen Handlungsbedarf besteht, weil eben diese im späteren Berufsleben benötigt werden. Dies soll natürlich nicht die Wichtigkeit der genannten Kompetenzen für das Individuum selbst abschwächen.

Sucht man nun nach Definitionen von sozialer und oder emotionaler Kompetenz, wird erkennbar, wie schwer es ist diese Kompetenzen zu opperationalisieren und greifbar darzustellen. Wird von sozialen Kompetenzen gesprochen, so verwendet man in diesem Zusammenhang häufig die Wichtigkeit sozialer Kompetenzen für den späteren Beruf. Kaum eine Berufsrichtung kann und will auf soziale Kompetenzen verzichten.

Aber was genau sind soziale Kompetenzen? Nach Gardners Definition gibt es neben der mathematisch-logischen und der verbalen Kompetenz, die Fähigkeit des Operierens oder auch räumlichen Vorstellens. Des Weiteren werden kinästhetische und musikalische Kompetenzen voneinander unterschieden. Im Rahmen des gewählten Themas möchte ich auf die von dem genannten Autor genannten interpersonalen (sozialen) und intrapersonalen (emotionalen) Kompetenzen näher eingehen.[11]

Verschiedene Autoren aus unterschiedlichen Bereichen geben Definitionsansätze für das häufig recht beliebig verwendete Konstrukt „Soziale Kompetenzen“. Trotz vieler verschiedener Ansätze ist eine gemeingültige Definition nicht auszumachen.[12] Sucht man nach diesen Definitionen, so fällt der Blick schnell auch in Bereiche außerhalb der pädagogischen Literatur; in die Mitarbeiterführung der Arbeitswelt. Bei allen Definitionen findet man jedoch den Konsens, dass die Begriffe „soziale Geschicklichkeit“ und „soziale Kompetenz“ dazu verwendet werden, Differenzen in der Bewältigung sozialer Begegnungen darzustellen. Riemann/ Allgöwer geben an, dass ein sozial kompetenter Mensch in der Lage ist, so mit Mitmenschen zu interagieren, dass dieses Verhalten in der Summe maximal gute und minimal schlechte Konsequenzen für einen an der Interaktion beteiligten Menschen mit sich zieht.[13] Dies bedeutet, dass nicht starr nach den eigenen Zielen, sondern immer auch unter Einbeziehung der Interaktionspartner gehandelt werden soll.[14] Ähnlich ist folgende Definition: „ Soziale Kompetenz bedeutet somit im menschlichen Miteinander: Das Ausmaß in dem der Mensch fähig ist, im privaten, beruflichen und gesamtgesellschaftlichen Kontext, umsichtig und nutzbringend zu handeln.“[15] Zu den sozialen Kompetenzen werden unter anderem Fähigkeiten wie Einfühlungsvermögen (Emphatie), Kritikfähigkeit, Selbstdisziplin, Verantwortung, Toleranz, Vertrauen, und Teamfähigkeit angeführt.[16]

Bei der sozialen Kompetenz handelt es sich also um die Interaktion mit den Mitmenschen, während die emotionale Intelligenz eher den Bezug zur eigenen Person beschreibt. Goleman gibt fünf Kriterien für emotionale Kompetenz bzw. Intelligenz:

- Selbstwahrnehmung (Fähigkeiten zur Wahrnehmung eigener Emotionen)
- Selbstregulierung (Fähigkeit Emotionen zu kontrollieren)
- Motivation (Wille Emotionen umzusetzen)
- Emphatie (Einfühlungsvermögen für andere)
- soziale Kompetenzen (Umgehen mit den Emotionen anderer)[17]

Beim den angeführten dritten und vierten Punkten handelt es sich zusammengefasst um die sozialen Kompetenzen. Betrachtet man die aufgeführten Items und die Ergebnisse der zitierten Studien, so wird deutlich, das LehrerInnen einem, auch vom Schulgesetz (§2 Abs.4-5) gefordert, anspruchsvollen Auftrag in der Schule entsprechen müssen. Aus der angeführten Veränderung der Kindheit und den daraus erwachsenen Folgen, resultiert die Forderung, mehr primäre Erfahrungen in das Schulleben zu integrieren, um die emotionalen und sozialen Kompetenzen der SuS zu stärken. Handlungsorientierter Unterricht ist somit eine notwendige Antwort und ein pädagogische gerechtfertigter Versuch auf die tiefgreifend veränderte Umwelt der SuS zu reagieren. Wissenserwerb soll für die Lernenden motivierend sein. Dies funktioniert am effektivsten, wenn die Emotionen der SuS auf eine positive Weise stimuliert und angesprochen werden.[18] Welchen wertvollen Beitrag Tiere in der Schule dazu liefern können und welchen Stellenwert Tiere in der kindlichen Entwicklung einnehmen, wird im nächsten Abschnitt dargestellt.

2.2.2.1 Tiere fördern soziale und emotionale Kompetenzen

Zu den tiefsten Kinderwünschen gehört der Wunsch nach einem Tier. Eine soziologische Untersuchung bei zehnjährigen Kindern fand heraus, dass ein Viertel aller Kinder sich nichts sehnlicher wünscht als ein Tier. In der Untersuchung durfte von den Kindern nur ein Wunsch genannt werden.[19] Konrad Lorenz vermutet, dass der Wunsch der Kinder nach einem Tier der „Sehnsucht nach der `Bindung` zur Natur entspringe."[20] Doch wie lässt sich diese scheinbar große Affinität von Kindern zu Tieren begründen? Einen Erklärungsversuch gibt Teutsch. Er behauptet, dass Kinder und Tiere verwandte Triebe und Neigungen haben. Als Beispiele nennt er das neugierige Erkunden ihrer Umwelt oder auch die Liebebedürftigkeit.[21] Ob man in diesem Zusammenhang von einer Art Verwandtschaft sprechen darf, ist natürlich zu überdenken, jedoch belegen Studien, dass Kinder und Tiere (z.B. Hunde) sich gegenseitig imitieren. Margadant- van Arcken spricht in diesem Zusammenhang sogar von einer Horizontverschmelzung zwischen Kind und Tier.[22]

Jedenfalls scheint das Kind in seiner „unverbrauchten“ Natürlichkeit dem Tier oft näher zu stehen als Erwachsene es sein können. Gebhard erkennt in diesem Zusammenhang, „dass Tiere sich von Kindern weitaus mehr gefallen lassen als von Erwachsenen“.[23] Eine eher philosophischen Erklärung findet Freud im Jahre 1912:

„Das Kind zeigt noch keine Spur von jenem Hochmut, welcher dann den erwachsenen

Kulturmenschen bewegt, (...) Es gesteht dem Tier ohne Bedenken die volle Ebenbürtigkeit

zu; im ungehemmten Bekennen zu seinen Bedürfnissen fühlt es sich wohl dem Tier

verwandter als dem ihm wahrscheinlich rätselhaft Erwachsenen.“[24]

Nach den Erklärungsansätzen, dass Kinder eine spezielle Bindung zu Tieren pflegen und suchen, soll nun darauf eingegangen werden, welchen Nutzen Kinder aus dieser Beziehung erzielen.

Ein wahrscheinlich wichtiger Grund für die starke Kind-Tierbeziehung ist, dass Tiere Kindern, natürlich auch Erwachsenen, gewissermaßen eine Beziehung und taktile Kontaktmöglichkeiten anbieten, ohne dabei zu bewerten. Tiere machen keinen Unterschied ob das humane Gegenüber hübsch, intelligent oder sozial akzeptiert ist. Gerade dies scheint einen heilsamen und beruhigenden Effekt auf Kinder auszuüben.[25] Aus Studien ging hervor, dass bei Kontakt mit Tieren unter anderem der Pulsschlag deutlich abgesenkt wird, die Muskeln sich entspannen und dass die Ausschüttung von Beta-Endorphinen durch Lachen eine Stärkung des Immunsystems hervorruft.[26] Des Weiteren kann einer Studie (Jugendliche zwischen 10 und 16 Jahren/ n= 455) entnommen werden, dass Kinder mit einem Haustier über deutlich höhere nonverbale Kompetenzen verfügen, als Kinder, die nie ein Haustier gepflegt haben. Gemessen wurde dabei das Verständnis für nonverbale Ausdrucks-erscheinungen wie u.a. Glück, Furcht, Trauer, Ärger, Abscheu und Überraschung. Ebenso konnten bei Kindern mit Haustier bessere soziale und emotionale Kompetenzen nachgewiesen werden. Verschiedene soziometrische Tests ergaben, dass Kinder mit Haustier deutlich häufiger als Spielkameraden oder als Vertrauenspersonen gewählt wurden. Besonders signifikant ist dies bei dem Kriterium „Vertrauen“. Man interpretiert dies als eine Art Spiegel. Kinder, die fähig sind soziale Verantwortung für ein Tier zu übernehmen, werden von der Bezugsgruppe als sozial kompetent betrachtet und werden häufiger mit Vertraulichkeiten bedacht.[27] Darüber hinaus sind Kinder mit Haustier beliebter, kontaktbereiter und innerhalb einer Gruppe teamfähiger. Tiere erfüllen in diesem Zusammenhang eine Funktion als „soziales Gleitmittel“.[28]

Pflanzen, aber besonders Tiere, geben Kindern (natürlich auch Erwachsenen) ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit, welches ein Hauptgrund ist, weshalb Menschen sich mit Tieren oder auch Pflanzen umgeben. Dabei scheint es nur sekundär zu sein, um welches Tier es sich handelt. Der Grund, weswegen in Arztpraxen häufig Aquarien zufinden sind, ist damit zu erklären, dass, wie in einer Studie bewiesen, das Beobachten von ungestörten Tieren in ihrer Umgebung eine deutlich messbare beruhigende und entängstigende Wirkung erzielt, die einer hypnotischen Beeinflussung nahe kommt.[29]

Diese positive Wirkung von Tieren lässt sich ebenso für den Bereich Schule nutzen. Spitzer beschreibt die komplexen Lernvorgänge im menschlichen Gehirn und weist darauf hin, dass Lernen immer etwas mit Emotion und Motivation zu tun hat.[30] Wie Tiere die emotionalen und sozialen Kompetenzen der Kinder anregen und fördern, wurde oben bereits erwähnt. Bei der Auswertung der PISA –Studie belegt die bayrische Kultusministerin, dass aktives, positives Lernen immer von Emotionen begleitet wird. Die Förderung von verbalen und mathematischen Kompetenzen werden nicht durch die emotionalen und sozialen Kompetenzen behindert. Im Gegenteil, Kinder machen zwischen dem 7. und 15. Lebensjahr entscheidende neurologische Fortschritte auf fast allen Teilgebieten. In diesem Zeitraum werden neuronale und emotionale Bereiche im Gehirn stärker miteinander verbunden, was eine bessere Integration von Wissen und Gefühlen ermöglicht, welches zu verbesserten Lernleistungen führt. Dies bedeutet, dass kognitive Formen des Lernens immer mit emotionalen und sozialen Lernformen verknüpft werden. Tiere können hier, wie die beschriebenen Studien zeigen, einen noch zu sehr unterschätzten Beitrag leisten.[31]

2.2.3 Handlungsorientierte Wissensvermittlung durch die Projektmethode

Bei der Überlegung Tiere in das Schulleben einzuführen, bestand die zentrale Frage nach dem „Wie“. Wie können den Schülern Tiere nahe gebracht und dabei die genannten Kompetenzen geschult werden? Beim Projekt „Schulzoo“ war es auch ein Ziel, möglichst viel intrinsische Motivation in den SuS zu wecken, um eine enge Bindung und Verantwortung den Tieren gegenüber zu erzeugen. Dies war für mich der Grund, die SuS komplett in den Prozess der Integration von Tieren in das Schulleben einzubinden. Die hier zugrunde liegende Idee basiert auf dem pädagogisch konstruktivistischen Gedanken. Das Erlangen von Fachwissen und verschiedener Kompetenzen soll lernerorientiert sein. Der Lehrer versteht sich als Anreger und Unterstützer. Konstruktivistisches Lernen geschieht in sozialen Gruppen, welche sich gemeinsam Lernziele stecken und dafür Informationen zusammentragen und diskutieren. Wissen darf dabei niemals abstrakt bleiben, sondern muss handlungs- und problemorientiert bearbeitet werden. Durch die selbstständige Erschließung von Wissenszielen und Wissen erhöht sich beim Lerner die Lernmotivation, da die Lernwege individuell gestaltet werden dürfen. Um den SuS die Organisation eines Schulzoos mit allen Aspekten nahe bringen zu können, bietet sich die realitätsnahe Projektmethode an. In einem Projekt stehen längerfristige Lernziele im Vordergrund. Außerdem werden die Grenzen eines Faches, in diesem Fall des Faches Biologie, überwunden, um ein vernetztes Wissen zu ermöglichen. Wichtige und unerlässliche Erziehungsziele für eine erfolgreiche Durchführung sind Arbeitsteiligkeit, Kooperation, Planung, Zuverlässigkeit und Verantwortungsübernahme.[32]

Weitere Chancen der Projektmethode gründen in dem Durchbrechen des 45-minütigen Unterrichtstaktes. Es kann und darf über eine längere Zeit an einem Ziel bzw. Teilziel gearbeitet werden. In einem Projekt werden immer die Bedürfnisse der jeweiligen Teilnehmer mit einbezogen. Am Ende eines Projektes liegt immer ein für die Teilnehmer und/ oder weitere Personen vorzeigbares oder verwendbares Produkt vor.

Betrachtet man das Wort „Projektmethode“ wortgeschichtlich, entfaltet sich genau das, was hier als Konzeption vorgestellt wird. Projekt entstammt dem lateinischen „porojicere“ und bedeutet vorauswerfen, planen, sich vornehmen. Der Begriff „Methode“ ist altgriechischen Ursprungs und beschreibt den Weg der Untersuchung, das anzugehen, welches man sich vorgenommen hat.[33] Der Lernprozess in einem Projekt versteht sich also als Prozess und ist nicht allein auf das Ergebnis ausgerichtet, wie dies im herkömmlichen, resultativ ausgerichteten Lernen praktiziert wird.[34]

Es finden sich verschiedene Grundmuster zur Durchführung eines Projektes. Dewey geht bei der Durchführung eines Projektes davon aus, dass Probleme als Anstoß für ein Projekt einfach vorhanden sind. Bei Deweys Ansatz eines Projektes geht es darum Sachprobleme zu lösen. Metainteraktion, also eine Zwischenreflektion zur Lösung von Problemen, ist nicht vorgesehen, was bedeutet, dass der Prozess sich selbst widersprechend nach einem relativ eng gesteckten Plan abläuft und nach welchem sich die Lerner nach einigen Projekten langweilen würden.[35][36]

Frey gibt in diesem Zusammenhang meiner Ansicht nach eine sinnvolle Gliederung zur Durchführung eines Projektes vor. Es wird großer individueller Spielraum gelassen, bei dem immer der Lernende mit in die Entscheidungs- und Lernprozesse miteinbezogen wird:

1. Projektinitiative: Mitglied der Lerngruppe oder ein Außenstehender regt ein Projekt an, welches sich als Angebot eines Betätigungsfeldes versteht. Die Projektinitiative ist noch ohne Bildungsidee. Diese entsteht erst nach eingehender Beschäftigung mit dem Thema.
2. Auseinandersetzung mit der Projektinitiative: Es wird über die Projektinitiative entschieden, es werden Bildungsinhalte gesucht und eine Projektskizze entworfen (Ergebnis = Projektskizze).
3. Gemeinsame Entwicklung des Betätigungsgebietes: (Ergebnis= Projektplan)
4. Aktivitäten im Betätigungsgebiet: Arbeit wird eingeteilt in Gruppen oder auch in Einzeltätigkeiten (Projektdurchführung).
5. Abschluss des Projektes: Vorstellung oder Inbetriebnahme des Produktes, Kritik an der Durchführung und Rückbesinnung des Ist- Zustandes an die Projektinitiative.
6. Fixpunkte: Fixpunkte sind gewollte Pausen, in denen über Vergangenes und Folgendes nachgedacht und produktiv beraten wird.
7. Metainteraktion/Zwischengespräch: Sachlich-inhaltliche Fragen sollen geklärt werden. Ebenfalls werden soziale Probleme der Teilnehmer angesprochen. Durch die Metainteraktion soll das Tun zum „bildenden Tun“ werden.[37]

Diesem Schema ist die Durchführung des Projektes „Schulzoo“ in weiten Teilen angelehnt. Die Chancen des handlungsorientierten Arbeitens in und an einem Projekt hält Gudjons in der heutigen, an sinnlicher Erfahrung mangelnder Regelschule für unumgänglich. Die Vorbereitung auf „aktives Handeln“ geschieht in der Schule deutlich zu wenig. Der Autor beschreibt das „Lernen durch Tun“ als einen zutiefst demokratischen Prozess, da selbstständiges, selbstorganisiertes und handwerkliches Arbeiten etabliert werden. „ Junge Leute,...die wissen, wie man projektiert, plant, ausführt,...kann man nicht einfach mit großen Namen imponieren, mit Spitzfindigkeit täuschen oder mit Autorität unterdrücken.[38] Für Knoll gehören demokratisches Denken und die Projektidee eng zusammen und folglich bedeutet diese weitaus mehr, als vorwiegend handwerkliches Tun.[39] Die Projektidee ist eine Reaktion auf die sich rasch ändernde Umwelt der SuS. Jugendliche müssen lernen, wie man Probleme erkennt, strukturiert und löst, wenn sie auftauchen.[40]

[...]


[1] Benecke (94), S. 68

[2] Kortschal (2002), S.1

[3] www.gymnasium.telgte.de

[4] Olbrich, Otterstedt (2003), S.104

[5] v. Hentig (1993), S.31

[6] v. Hentig (1996), S.123

[7] Liebau (2002), S. 1

[8] Kanning (2005), S.1-2

[9] Werner (1999), S. 4-5

[10] Werner (1999), S. 4

[11] Gardner (1993) S. 45-78

[12] Seyfried (1995), S. 79

[13] Riemann/ Allgöwer (1993) S. 153- 163

[14] Seyfried (1995) S. 80

[15] Faix/ Laier (1996), S. 62

[16] Kanning (2002) S. 154-163.

[17] Goleman (1997) S. 78-97

[18] Gudjons (2001), S. 14

[19] Gebhard (2001), S. 90-105

[20] Lorenz (1983), S. 178

[21] Teutsch (1980) S.435-455

[22] Margandant- van Arcken (1989) S. 19

[23] Gebhard (2001), S. 102

[24] Freud (1912), S. 154

[25] Gebhard (2001) S. 100

[26] Olbrich, Otterstedt (2003), S66

[27] Guttmann /Predovic /Zemanek (1983) S.66

[28] Gebhard (2001) S. 103

[29] Katcher/ Beck (1983) S. 132-138

[30] Spitzer (2005) S.1-6

[31] Olbrich/ Otterstedt (2003) S. 155-267

[32] Meixner/ Müller (2001) S. 18-20

[33] Frey (1998) S. 12-16

[34] Meixner/ Müller (2001) S. 19

[35] Bonne (1980) S. 34 ff.

[36] Frey (1998) S. 64-65

[37] Frey (1998) S. 76-85

[38] Gudjons (2001) S .73

[39] Knoll (1991) S.53 aus Gudjons S. 73

[40] Gudjons (2001) S. 74

Ende der Leseprobe aus 51 Seiten

Details

Titel
Planung, Erstellung und Implementierung eines kleinen Schulzoos im Rahmen einer Biologie-AG
Untertitel
Die Bedeutung dieses Bausteins für die SuS und das Schulleben an einem Gymnasium
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
51
Katalognummer
V91294
ISBN (eBook)
9783638051088
ISBN (Buch)
9783638943512
Dateigröße
23288 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Planung, Erstellung, Implementierung, Schulzoos, Biologie-AG, Schule, Schulzoo, Tiere, soziale Kompetenzen, Schüler
Arbeit zitieren
Philip Austermann (Autor:in), 2007, Planung, Erstellung und Implementierung eines kleinen Schulzoos im Rahmen einer Biologie-AG, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91294

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